Jetzt gibt es ein echtes Transparenz-Fenster

   Viele Informationen darüber, wie unser Gesundheitssystem funktioniert, sind wegen des Amtsgeheimnisses geheim – aber warum?

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   Mit welchem Personalschlüssel planen die Niederösterreichischen Spitäler, mit welchem die Wiener? Wie viele Patienten behandeln die Ärzte im Bezirk Kufstein und wie viele überweisen sie an Spitalsambulanzen? Wie viele Mühlviertler oder Favoritner wurden vergangenes Jahr wegen Herzschwäche, COPD oder Diabetes im Spital aufgenommen und wie lange waren Sie dort? Das sind typische Maßzahlen für die Qualität eines Gesundheitssystems. Solche Informationen würden in anderen Ländern regelmäßig und zeitnah veröffentlicht; bei uns ist das anders.

   Es ist ja nicht so, dass es diese Informationen nicht gäbe, sie werden halt nur geheim gehalten. Österreichs Gesundheitssystem ist intransparent – im internationalen Vergleich liegt nur mehr ein europäisches Land hinter uns: Griechenland!

Der Grund dafür ist simpel: Nur in der Intransparenz ist es möglich, Mythen wie den des besten Systems der Welt aufrecht zu halten. Und wer schlägt daraus Profit? All jene Politiker, in Kammern, Gewerkschaften und Ländern, die sich eine persönliche Machtposition geschaffen haben, die es zu verteidigen gilt.

   Doch wie verteidigen sie die?

   Da kommt etwas ins Spiel, das beschönigend Realverfassung genannt wird. Denn die meisten dieser Machtpositionen sind rechtlich gar nicht so stark abgesichert. Aber was noch viel wichtiger ist, die von den Mächtigen hergestellte Intransparenz ist es noch viel weniger.

Das Gesundheitsministerium ist Herr über endlos viele Informationen, die, geschützt durch das Amtsgeheimnis, verborgen bleiben. Zwischen ihnen und der Öffentlichkeit steht oft nur die Realverfassung. Ein Minister, will er nicht in der Versenkung verschwinden, ist zu vorauseilendem Gehorsam verdammt. Nichts, was Kämmerer, Gewerkschafter oder Landesfürsten brüskieren könnte, darf veröffentlicht werden. Sollte ein Minister diesen Gehorsam verweigern, er wäre seinen Job und seine Parteikarriere los.

   Und genau da kommt die Übergangsregierung ins Spiel. Welche Karriere steht denn der jetzigen Gesundheitsministerin noch bevor? Welcher Partei muss sie gehorchen? Ein bisschen Mut der Ministerin und ihrer Beamten vorausgesetzt, ein bisschen Schutz durch die Bundeskanzlerin, und vieles könnte die Öffentlichkeit erreichen. Und das ohne rechtliche Gegenwehr, denn, da all diese Informationen ja vorliegen und die Veröffentlichung nur ein Knopfdruck ist, der praktisch nichts kostet, greift nicht einmal der Konsultationsmechanismus, über den die Länder den Bund stets gängeln.

   Was rauskäme, wäre nichts Furchtbares, sondern einfach Informationen über den echten Zustand unseres Systems. Damit würde es dem einen oder anderen Mythos, der Ländern, Kammern und Gewerkschaften als Schutz gegen jegliche Reform dient, an den Kragen gehen. Der Boden für eine echte Reform nach den Wahlen wäre aufbereitet. Und was soll schon passieren? Dass einem Minister, weil er gesetzestreu jene Informationen und Daten publiziert, die nur wegen des unerträglichen Gemauschels und Getauschels geheim gehalten werden, das Misstrauen ausgesprochen wird? Von wem?

„Wiener Zeitung“ vom 07.06.2019  

Missverständnisse: Versorgung≠ Behandlung – Anekdote ≠ Statistik

(Lesezeit 2 Min) Grundlos fühlen sich Ärzte oft beleidigt: ein weiterer Versuch Missverständnisse rund um System-, Versorgungs- und Behandlungseben (Makro- Meso- Mirkoebene) aufzuklären.

Versorgung beschäftigt sich nicht mit einzelnen Patienten, das tut die Behandlung. Versorgung beschäftigt sich mit Patienten- oder Bevölkerungsgruppen. Erstere sind dadurch charakterisiert, dass die Patienten eine gleiche Krankheit oder das gleiche Risikoprofil haben, zweitere dadurch, dass sie Einwohner einer definierten Region, der Versorgungsregion, sind. Die Systemebene schwebt noch höher, und beschäftigt sich mit der Situation aller ihr zugerechneten Versorgungsregionen.

Damit ist klar, Ärzte beschäftigen sich mit Patienten, Versorgungswissenschafter mit Zahlen – und ein Systemwissenschafter überhaupt nur mehr mit der Beschreibung der Phänomenen, die das komplexe Zusammenspiel in der Versorgung hervorbringt.

Wenn Ärzte, anhand der Erfahrung mit den ihnen bekannten Patienten (die immer nur eine winzige Menge aller Patienten sein können), über Versorgung sprechen, nennt man das, ohne despektierlich zu sein, anekdotische Evidenz, wenn Versorgungswissenschafter anhand von Kennzahlen über Versorgung sprechen, nennt man das deskriptive Statistik. Und die Beschreibungen, die Systemwissenschafter anfertigen Systemanalyse.

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Abo-Literaturservice: Mortalität und Frühpension

Eine Studie, die bereits zwei Jahre alt ist, aber erst jetzt den Weg in die österreichische Öffentlichkeit http://derstandard.at/1332323848616/Vorzeitiger-Berufsaustritt-Lebenserwartung-ist-bei-Fruehpensionisten-geringer fand, belegt, dass Männer, wenn sie, aus welchen Gründen immer, frühzeitig in Pension gehen, früher sterben; jedes Jahr verkürzt statistisch betrachtet das Leben um fast zwei Monate. Frühpension mach also sterbenskrank! (Diese Statistik ist sehr gut bereinigt. Krankheit zum Zeitpunkt des Antritts in der Pension verzerrt die Statistik nicht relevant)

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