Es ist mühsam, diese Spitalsreformdebatten mit all ihren unvernünftigen Reaktionen zu beobachten. Ein Befreiungsschlag ist nötig!
Herr M. fühlt sich schlapp. Er ist 69 und ängstlich, weil einige Bekannte schon tot sind. Also geht er zum Hausarzt. Ein eher seltener Besuch, denn meist glaubt er genau zu wissen, welchen Facharzt er aufsuchen muss. Und wenn er sich nicht sicher ist, dann ist seine erste Anlaufstelle die Spitalsambulanz. Aber bei allgemeinem Schlapp-Sein, da dürfte der Allgemeinmediziner zuständig sein.
Der Hausarzt kennt Herrn M. nicht wirklich gut, aber schnell steht fest, der Patient braucht eigentlich nichts, nur etwas Beruhigung. Geld für diese „Behandlung“ gibt es entweder nicht, oder so gering, dass ein „Verlustgeschäft“ droht – bei einem Patienten, der sonst nie kommt. Was tun? Nun, eine Überweisung in die Ambulanz mit unspezifischen Herzproblemen geht immer.
Der Patient, nun endgültig beunruhigt, geht ins Spital und wird dort sofort zur Abklärung stationär aufgenommen – weil die Ambulanz viel zu spezialisiert ist, um hinter „allgemeinem Schlapp-Sein“ etwas anderes als ein Körperproblem zu erwarten, um so mehr, als der Hausarzt ja Herzprobleme vermutet. Nach drei Tagen, ohne eindeutigen Befund, wird er entlassen, mit mehreren Medikamenten, die eher aus Verlegenheit, denn aus triftigen Gründen verordnet werden.
Für Herrn M. ist die Sache nicht vorbei. Er glaubt nun, dass er eine so merkwürdige Krankheit hat, dass ein Spitalsaufenthalt nötig war. Noch mehr verunsichert, wird er seine Facharztbesuche in der nächsten Zeit deutlich erhöhen und mit hoher Wahrscheinlichkeit bald wieder in einer Ambulanz und von dort im Spitalsbett landen.
Von außen betrachtet ist das Wahnsinn. Dem Patienten ist um viel Geld nicht geholfen, wenn nicht sogar geschadet, worden. Und warum? Weil, jeder weiß es, die Prozesse im Gesundheitssystem faul sind.
Um Prozesse zu ändern, kann man den langen Weg gehen, alle an einen Tisch bringen und mühsamst über neue oder verbesserte Wege nachdenken. Oder man streicht einfach Ressourcen – ein sehr kurativer Schock, der in den meisten Fällen wirkt. Hier aber wird das nicht passieren, weil es zwischen Kassen und Spitälern keine gemeinsamen Ressourcen gibt.
Wenn es darum geht, unnötige Spitalsaufenthalte zu reduzieren – und nur das kann das Ziel von Spitalsreformen sein –, wird man nicht umhinkommen, mehr zu besprechen, als nur „Bettenabbau“.
Im Grunde gibt es nur eine Chance: man muss verhindern, dass Patienten ins Spital (auch in die Ambulanz) kommen. Und der einzige Weg ist, Hausärzte aufzuwerten. Wenn diese weniger zu Fachärzten oder Ambulanzen überweisen, und Patienten dort seltener selbst hin gehen (müssen), weil sie sich vom Hausarzt gut versorgt fühlen, dann werden automatisch die Aufnahmen weniger.
Es ist viel zu spät, um sich in der jetzigen Situation tiefere Gedanken zu manchen, wie so etwas sinnvoll umgesetzt werden kann. Ich schlage daher vor, mit Ausnahme von Wien (eine Großstadt ist wirklich anders), allen Hausärzten 40 Prozent mehr Geld (das additiv nötig wird) auszubezahlen.
Das kostet erstaunlich wenig – etwa 160 Millionen Euro österreichweit. So könnten dann Spitalsreformen (mit einer Milliarde Einsparungspotential) realistischer werden und vielleicht löst sich auch der angekündigte Hausärztemangel.
Wem das zu undifferenziert ist, sei gesagt: Nachschärfen kann man nachher immer noch – alles im Vorfeld auszudiskutieren, das haben wir ohne jegliches Ergebnis die letzten 40 Jahre versucht! Damit muss Schluss sein.
Dieser Artikel wurde im Mai 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.