Primary Health Care – eine kleines Lehrstück

Von offizieller Seite wird verbreitet, der Ruf nach der Aufwertung der Hausärzte ist nur dazu da, dass diese mehr Geld verdienen – ein Hinweis auf mangelndes Verständnis.

Primary Health Care (PHC) ist, obwohl schon dreißig Jahre alt und das wohl erfolgreichste Versorgungskonzept moderner Gesundheitssysteme, hierzulande fast unbekannt, und wenn überhaupt, dann gerade mal als Hausarztmodelle im Gespräch.

Die Idee war so einfach wie genial: Um ein vernünftiges Gesundheitssystem errichten zu können, sollte man möglichst viele Gesundheitsprobleme – was sehr viel mehr ist, als nur Krankheitsprobleme – wohnortnah zu lösen versuchen; wohnortnah beginnt übrigens in den vier Wänden des Patienten, eine Spitalsambulanz ist nie wohnortnah, egal wie viele Spitäler auch herumstehen.

Es war von Anfang an klar, dass Heilbehandlung nur ein Teil des PHC ist. Daher war es immer schon ein interdisziplinärer Ansatz. Es ging um ambulante, wohnortnahe medizinische, pflegerische und therapeutische Betreuung der Bevölkerung durch ein PHC-Team. In diesem Team sollten neben dem Hausarzt (der die wichtigste Rolle spielen sollte) Physiotherapeuten genau so arbeiten wie Pflegefachkräfte, Sozialarbeiter und Psychologen. Und das Spektrum der rein ambulanten Versorgung sollte von der Prävention über Rehabilitation (auch für alte Menschen!) bis zu Pflege reichen.

Es ist verblüffend, was mit solchen Teams erreicht werden kann. Die Zahl der Spitalsaufenthalte sinkt genau so, wie die der Überweisungen zum Facharzt. Die Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen werden seltener. Die Patienten, vor allem wenn sie chronisch krank sind, leben länger und bei besserer Gesundheit, und jene Krebsformen, die man bei Früherkennung gut behandeln kann (z.B.: Brust-, Dickdarmkrebs aber auch den schwarzen Hautkrebs und andere) bringen weniger Menschen um. Und als ob das nicht genug wäre, sinken mit der Einführung auch die Gesamtkosten der Gesundheitsversorgung.

Nun, es gibt einige Eckpunkte, die, will PHC funktionieren, nicht wegdiskutiert werden können.

Da wäre beispielsweise die Sache mit der Bedarfsprüfung. Wenn es eine solche nicht gibt, oder diese, à la Österreich ein politisches Gemauschel ist, dann wird die Verteilung der Hausärzte – wie ja zu sehen ist – inhomogen und der Zugang zu Versorgung diskriminierend sein; beides doch eher schlecht!

Auch muss es spezifische, auf den Bedarf ausgerichtete Ausbildung geben, sowohl für Hausärzte als auch alle anderen Berufsgruppen, die im PHC arbeiten sollen. Nun, es reicht bereits ein kleiner Blick in die Turnusarztdiskussion, um zu sehen, dass die Ausbildung unserer Hausärzte auf alles, nur nicht auf Ihre eigentliche Rolle ausgerichtet ist. Und fehlt der Hausarzt, kann es auch kein PHC-Team geben.

Übrigens müssen für ein funktionierendes PHC Hausärzte mehr verdienen als Fachärzte. Hierzulande verdienen sie aber nur 60 Prozent ihrer Fachkollegen. Was für ein Anreizsystem!

Für Patienten sollten alle Leistungen unentgeltlich – also öffentlich finanzierte Sachleistungen – sein. Hierzulande, sehen wir vom Arzt ab, sind alle anderen Leistungen direkt zu bezahlen – die pflegerischen genau so wie die sozialarbeiterischen und die psychologischen sowieso. Außer man geht ins Spital, da sind die Leistungen dann „gratis(?)“.

Und warum gibt es bei uns kein funktionierendes PHC? Warum sind unsere Hausärzte so „abgewertet“? Nun, um das alles umzusetzen braucht man echte und am Gesamtsystem interessierte Entscheidungsstrukturen – und darin mangelt es hierzulande wohl am meisten.

Dieser Artikel wurde im September 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die Turnusärzte, ihre Ausbildung und die Spitäler

Die Ärzte-Ausbildung in Österreich dauert weltweit am längsten. Das hat nichts mit Qualität zu tun, sondern nur mit der Möglichkeit, billige Arbeitskräfte zu halten.

Dr. M. war 27, als er mit dem Medizinstudium fertig wurde. Zwischenzeitlich hat er seine Frau fürs Leben gefunden, die Wirtschaft studierte und seit zwei Jahren arbeitete – in Wien. Die beiden wollten heiraten, sobald Ruhe in ihr Leben kehrt.

Zuerst hieß es für ihn jedoch den Turnus machen. Eigentlich wollte er ja gleich Facharzt (FA) für innere Medizin werden, doch um eine Ausbildungsstelle zu kriegen, ist es Usus geworden, diese nur an die zu vergeben, die davor ihre „Ausbildung“ zum Allgemeinmediziner (AM) abgeschlossen haben – er musste also einer von etwa 3.500 Turnusärzten (TÄ) werden, die sich in den Spitälern tummeln.

In Wien hätte er zwei Jahre warten müssen. Das war ihm zu lange, also ging er nach Niederösterreich. Allerdings kriegte er nur Angebote in kleinen Spitälern, wo er weder seine ganze Ausbildung machen konnte, noch reale Chancen hatte, diese in den gesetzlich möglichen drei Jahren zu absolvieren. Er würde mindestens vier Jahre brauchen und mindestens zweimal Spital wechseln. Weil er aber was verdienen konnte, fing er an. Seine Freundin blieb in Wien, sie begannen eine Fernbeziehung.

Fünf Jahre später war er mit der AM-Ausbildung fertig. In was er ausgebildet wurde, kann er nicht sagen. Sicher 80 Prozent seiner Zeit verbrachte er damit, Infusionen anzuhängen, Blut abzunehmen und Arztbriefe zu diktieren. Würde er jetzt Hausarzt werden, er wäre überfordert. Hätte er in Wien gewartet, wäre er ebenfalls jetzt fertig, aber er hätte wenigstens mehr gelernt – es war ein Fehler, in die Provinz zu gehen.

Seine Fernbeziehung ging in die Brüche. 72 Stunden Wochenarbeitszeit, höchstens ein Wochenende pro Monat, das nicht durch einen Dienst „angepatzt“ war, das halten die wenigsten Partner aus und schon gar nicht die, die sich eine Familie wünschen. Hätte er in Wien gewartet, hätte er vielleicht nichts verdient, aber eine Familie gründen können.

Da ihm keine FA-Ausbildung angeboten wurde, begann er sich zu bewerben. Ein Jahr lang suchte er, um festzustellen, dass die Stellen immer „unter der Hand“ vergeben werden. Er war naiv, zu glauben, er könne ohne Beziehungen weiterkommen.

Er ist mittlerweile 33 und Single. Weil er hier keine Perspektive sieht, geht er nach Deutschland und schwört sich, nie mehr zurückzukehren.

Das Ausbildungssystem der Jungmediziner ist alt, krank, menschenverachtend und unattraktiv. Und doch hält man daran fest. Das Gesundheitsministerium glaubt sogar, die Ausbildung sei praxisnah und dürfe aus Qualitätsgründen nicht verändert werden – wie weltfremd!

Oder mutlos? Denn schauen wir an, wer davon profitiert!

Um die vielen Spitäler zu erhalten, brauchen die Länder TÄ. Sie sind billig, und, was wichtiger scheint, müssen, ganz ohne Kündigung und Gewerkschaftswiderstand, am Ende der Ausbildung einfach gehen. Solche Vorteile gibt man nicht auf!

Würden TÄ, wie Wissenschaftsministerin Beatrix Karl vorschlägt, tatsächlich „wegfallen“, könnte es unabwendbar werden, eine Spitalsreform durchzuführen. Und das werden Länder, samt Gesundheitsministerium, zu verhindern suchen.

Ministerin Karl will trotzdem die Ausbildung reformieren. Eigentlich ist das nicht ihr Thema, aber sie hat erkannt, dass, will sie nicht mitverantwortlich sein, wenn sich in Zukunft die meisten Mediziner aus dem öffentlichen Gesundheitssystem oder gar dem Land verabschieden, eine Reform unabwendbar ist. Überaus mutig, bei solchen Gegnern!

Dieser Artikel wurde im Mai 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Turnusärzte – das Leiden geht weiter!

Ein drohender Ärztemangel ist ein hervorragendes Thema um Interessen durchzusetzen – hoffentlich fallen nicht alle darauf rein.

Die Linzer wünschen sich dringend eine eigene Med-Uni, denn ein Ärztemangel droht, der nur mit einer solchen zu beheben ist. Und anhand einiger Indikatoren meint man den Mangel zu sehen. Kassenstellen sind immer schwerer nachzubesetzen und selbst in Spitälern wird es schwerer, Ärzte zu finden – vor allem in kleinen Landspitälern. Alles deutet auf eine Mangel hin, der größer werden soll, weil eine Pensionierungswelle durch den Kassenbereich gehen wird. Doch ist der Mangel real?

Beginnen wir mit den OECD-Zahlen. Dort liegen wir, was die Zahl der Ärzte betrifft, an sechster Stelle (von 31) und haben sieben Prozent mehr (!) Ärzte als Deutschland, das Mangelerscheinungen hat. Genauer geschaut, rechnen die Deutschen (OECD-konform) auch ihre Ärzte in Ausbildung mit, die wir weglassen. Zählt man die dazu, haben wir 30 (!) Prozent mehr Ärzte als die Deutschen – und trotzdem einen Mangel?

Natürlich nicht, im Gegenteil, eine Schwemme. Nur: Unsere Ärzte wollen immer weniger im System arbeiten und suchen (freiwillig?), sich außerhalb zu verwirklichen – als Wahlärzte!

Bei den Hausärzten drohe der größte Mangel, sagt man. Und das stimmt, aber nicht weil wir zu wenige Ärzte haben. Dass sich Turnusärzte am Ende der heutigen Ausbildung nicht trauen, Kassenhausärzte zu werden, ist verständlich. Überall hat man erkannt, dass der Hausarzt als Facharzt ausgebildet werden muss; es reicht keinesfalls, ihn im Spital Blut abnehmen und Spritzen geben zu lassen. Doch gibt es hierzulande so einen Facharzt? Nein. Glaubt man Gerüchten, dann ist sogar die Arbeitsgruppe, die seit Jahren tagt um diesen einzuführen, vertagt. Und warum? Weil die Länder billige Turnusärzte brauchen, um die vielen unnötigen Spitäler betreiben zu können. Würden Turnusärzte zum Facharzt ausgebildet, dann gäbe es viel weniger als heute. Die Länder wären gezwungen, Ärzte zu höheren Gehältern fix aufzunehmen – was sie sich nicht leisten wollen.

Kommen wir zu Pensionierungswelle. Seit 1995 ist die Zahl der Kassenärzte (obwohl die Arbeit mehr wurde) gleich geblieben. Und weil davor die Zahl gestiegen ist, kommt es jetzt zu einer scheinbar mangeltreibenden Pensionierungswelle. Da aber in der gleichen Zeit kontinuierlich etwa 900 Ärzte jährlich zu arbeiten begonnen haben, gibt es genügend Ärzte –

nur eben nicht Kassenärzte, weil es keine Stellen gab. Und so stehen den etwa 8.000 Kassenstellen aktuell 10.000 Wahlärzte gegenüber, die, wenn es attraktiv genug wäre, auch wieder ins Kassensystem zurückkehren.

Also warum wird der Ärztemangel beschworen?

Da sind einerseits die Ärztekammer und deren eigenes Pensionssystem. Analog dem öffentlichen wurde es auf einem Generationenvertrag errichtet, das nur funktioniert, wenn die „Alterspyramide“ eine Pyramide bleibt, also immer mehr Ärzte hinten nachkommen – bis quasi alle Österreicher Ärzte sind. Passiert das nicht, dann wird es schmerzhafte Einschnitte bei den Ärzte-Pensionen geben müssen – das gilt es zu verhindern.

Die zweite Interessenslage betrifft die nun auftretenden Finanzierungsschwierigkeiten in Oberösterreich. Die (rote) Stadt Linz braucht Geld, um ihr Prestige-Spital zu finanzieren. Das (schwarze) Land will dieses Geld nicht hergeben. Ergo braucht es neue Quellen – den Bund. Hätte nämlich Linz eine Med-Uni, dann müsste der Bund die Spitäler mitfinanzieren – und das Problem wäre gelöst!

An die Turnusärzte und deren Zukunft denkt dabei keiner.

Dieser Artikel wurde im März 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wenn sie kein Brot haben, sollen sie Kuchen essen

Und immer höher fliegt die Sozialpartnerschaft, immer höher, näher und näher an die Sonne. Mal sehen, wie die Federn angeklebt sind.

Stephanie K. ist mit dem Medizinstudium fertig. Jetzt will sie die Wartezeit auf einen Turnusplatz mit einer Lehrpraxis überbrücken.

Eine sechsmonatige Lehrpraxis ist verpflichtender Teil der postpromotionellen Ausbildung und soll eigentlich dazu dienen, nach der Spitalsausbildung, Erfahrungen in einer richtigen Ordination zu sammeln. Trotzdem machen es die meisten direkt nach dem Studium. Der Grund ist einfach, es gibt kaum Geld dafür.

Rund 800 Jungärzte versuchen jährlich Lehrpraktikanten zu werden. Aber nur für etwa 250 gibt es eine geförderte Stelle. Gefördert heißt, dass sie monatlich 1.000 Euro brutto erhalten. Der Dienstherr erhält die Arbeitgeberbeträge erstattet, sodass er kostenfrei bleibt. In diesem Fall kostet der Lehrpraktikant also nur Zeit, aber kein Geld.

Die, die keine geförderte Stelle ergattern, denen geht es bereits heute deutlich schlechter. Die meisten werden nur geringfügig angestellt (bis 357 Euro). Aber, und das ist peinlich, um den Dienstherren kostenfrei zu halten, zahlen sich nicht wenige ihr Gehalt sogar selbst, nur um eine Stelle zu kriegen! Eine Stelle, die sie kriegen müssen, wenn sie die Ausbildung beenden wollen.

Seit Jahren wird um das Thema zwischen Ministerium und Ärztekammer gestritten. Jetzt kommt eine neue Facette dazu – ein Kollektivvertrag, abgeschlossen zwischen zwei Abteilungen innerhalb der Ärztekammer.

Wie das funktioniert, wenn eine Kammer gleichzeitig für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandelt, ist fraglich. Rechtlich dürfte das aber passen – die Sozialpartnerschaft und ihre Blüten. Andererseits verhandelt da die linke mit der rechten Hand ohnehin über Geld, das ganz andere bezahlen sollen.

Im Kollektivvertrag wurde jedenfalls festgelegt, dass künftig ein Praktikant brutto zwischen 1600 (direkt nach dem Studium) und 2.000 Euro (am Ende des Turnus) erhalten muss. Aus Arbeitgebersicht kostet daher ein Praktikant pro Jahr zwischen 29.400 und 36.750 Euro (zum Vergleich, die heutige Förderung beträgt 18.400 Euro).

Schön schaut das aus, auf dem Papier. Aber glaubt man ernsthaft damit viel mehr Fördergeld erzwingen zu können? Wohl nicht!

Es wird stattdessen bald noch weniger geförderte Stellen geben (für einen unbestimmten Zeitraum soll die Ärztekammer angeblich die Differenz bezahlen). Die, die „Glück“ (ausreichend Vit. B) haben, so eine Stelle zu ergattern, können sich freuen, weil sie mehr verdienen. Alle anderen werden schlechter gestellt.

Jene Ärzte, die bereit waren, ihre Praktikanten aus eigener Tasche geringfügig anzustellen, werden ihre Bereitschaft bei solchen Gehältern verlieren. Die, die sich ihre sechsmonatige Lehrpraxis selbst finanzieren müssen – und die werden jetzt mehr – mussten früher nur geringfügige Mittel aufbringen; dank Kollektivvertrag sind es jetzt richtig heftige Summen (15 bis 18 Tausend Euro)

Tja, so stell ich mir das vor, wenn ein Kollektivvertrag zu populistischen Zwecken missbraucht wird. Dass die Kammerfunktionäre offenbar den Boden der Realität verlassen haben, sieht man an der Aussage der Obfrau der Bundessektion Turnusärzte (die oberste Kammervertreterin aller Turnusärzte) Dr. Gordon, die mit der Inbrunst der Überzeugung festhält: „Die katastrophalen Zustände, dass Jungmediziner zu Dumpingpreisen oder gar zum Nulltarif in Ordinationen arbeiten, sind damit Geschichte.“

Tja, wenn sie kein Brot haben, sollen sie Kuchen essen! (Marie Antoinette, wenige Wochen vor ihrer Dekapitation)

Dieser Artikel wurde im November 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Karriere nach dem Turnus

Skurril, wie man junge Ärzte nach ihrer Ausbildung zum Hausarzt auf die Zukunft vorbereiten will. Da ist wohl noch einiges zu überdenken.

An was denkt man wohl, wenn man Osteopathie, Neuraltherapie, angewandte Kinesiologie, chinesische Diagnostik und Arzneitherapie, anthroposophische Medizin, orthomolekulare Medizin, moderne F. X. Mayr Medizin oder Homotoxikologie hört?

Da fallen mir als Pathologe und geeichten Schulmediziner Dinge ein wie: Alternative Medizin für die, die es sich leisten können und wollen, Firlefanz nach dem Prinzip “Hilft’s net, schad’t’s net“, vollkommen zurecht keine Leistungen auf Krankenschein etc.

Keinesfalls käme ich auf die Idee, darin Karrierechancen für angehende Hausärzte zu sehen, die sich nach einer Krankenhaus- und Gerätemedizin-lastigen Ausbildung mit Fokus auf Blut abnehmen und Infusionen anhängen (man spricht auch gerne und abfällig von Fachärzten für periphere Venepunktion) auf ihre Zukunft vorbereiten sollen. Und doch ist es so.

In einem Folder der Ärztekammer für Wien mit dem Titel „Karriere nach dem Turnus“, werden Turnusärzte eingeladen, sich auf die Zeit danach vorzubereiten. An 15 avisierten Abenden sollen karrierefördernde „Zusatzqualifikationen“ vorgestellt werden, die, neben wenigen vernünftigen Vorschläge wie Geriatrie und Palliativmedizin (dafür ist nur ein Abend reserviert), mit dem Bild des Hausarztes aber auch gar nichts zu tun haben.

Keine Rede von z.B. „Koordination zwischen Leistungserbringern verschiedener Ebenen für chronisch Kranke (Fachärzte, stationärer Bereich, Apotheken, soziale und medizinische Dienste)“ oder „Systematische Primär- und Sekundär- und Tertiärprävention“ oder „Strukturiertes Management der Patientenbetreuung unter Kosten-Nutzenüberlegungen (prä- und poststationäres Management, Voruntersuchung und Vorbereitung für geplante Eingriffe,..)“ oder „Durchführung und Koordination der palliativmedizinischen Betreuung in häuslicher Umgebung und in Pflegeheimen in Kooperation mit anderen Berufsgruppen“ oder „Betreuung und Management von Mehrfacherkrankten“ oder „Problemerkennung und Intervention im Sozialbereich“ oder schlicht die „Hauskrankenbehandlung“ – alles Themen, die nicht nur nach Meinung der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin zur Rolle der Hausärzte gehören – und deren Beherrschung karriereförderlich sein sollte!

Für diese Fertigkeiten gibt es aber keine Ärztekammer-Diplome, aber auch keine Ausbildung im Turnus. Diese Qualifikationen müssen wohl angeboren sein, strukturiert erwerben kann man sie nicht.

Andererseits ist es verständlich, dass die Ärztekammer dafür keine Ausbildungsschiene etabliert. Von den etwa 1.000 Ärzten, die jährlich fertig zum Hausarzt ausgebildet werden, haben vielleicht 200 Chancen auf einen Kassenvertrag; wenn sie sich so einen überhaupt selbst zutrauen (was ich nicht würde mit der jetzigen Ausbildung). Einige hundert werden das Glück haben, eine Facharztausbildungsstelle zu ergattern und damit vielleicht auch die Chance in einer sicheren Anstellung zu bleiben oder wenigstens noch eine Galgenfrist rauszuschlagen.

Der Rest – mehrere hundert pro Jahr – werden in den freien Markt gespuckt. Und dort, im kassenfreien Raum, kann man als „Wahl-Hausarzt“ nur überleben, wenn man sich auf Einnahmen konzentriert, die nichts mit Schul- und Kassenmedizin zu tun haben. Gleichzeitig, als nicht unerwünschter Nebeneffekt, werden sich so „zusatzqualifizierten“ Ärzte auch nicht um den Kassenkuchen, der ohnehin schon für die etablierten Kassenärzte kaum mehr reicht, anstellen.

Dieser Artikel wurde im September 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wer Köpfe zählt, der hat keine Ahnung

Nein, es müsste keinen Ärztemangel geben, wenn irgendwo ein solcher vorkommt, dann hat das nicht mit der Zahl der Ärzte zu tun, sondern mit Zynismus.

Was für ein Bild soll ein junger Mensch haben, wenn er hört, dass wir in einen Ärztemangel hineinschlittern? Soll er Medizin studieren, weil da krisensichere Jobs winken?

Bleiben wird bei den Fakten.

Anfang 2005 gab es 38.500 Ärzte, 2009 sind es schon 43.000. Also sind pro Jahr netto 900 Ärzte dazugekommen. In der gleichen Zeit wurden etwa 7.000 Ärzte mit dem Studium fertig. Zieht man die obigen 900 ab, haben 500 Ärzte pro Jahr entweder das Land verlassen oder aber frei werdende Stellen erhalten. Keine Rede von Mangel.

Von den 43.000 arbeiten 13.000 in Spitälern, dazu kommen noch 7.000 Turnusärzte, die darauf hoffen, später einen fixen Platz zu erhalten. 10.000 Ärzte haben einen Kassenvertrag. Also arbeiten 30.000 Ärzte im öffentlichen System, dass wenigstens 95 Prozent der Österreicher versorgt. Wo, fragt man sich, arbeitet der Rest; denn 13.000 haben im öffentlichen System keinen fixen Platz. Diese Ärzte verdingen sich als Wahlärzte, Vertretungsärzte, sitzen auf Karenzstellen oder fahren Notarztdienste. Keiner dieser Jobs ist sicher.

Warum soll plötzlich ein Mangel auftreten?

Ach ja, es wird argumentiert, dass demnächst so viele Ärzte in Pension gehen. Natürlich, wenn man sich nur jene anschaut, die im System sind, kann man den Eindruck haben. Aber wer schaut sich die 13.000 Ärzte an, die eben nicht im System sind? Wie alt sind die? Aber selbst bei den „System-Ärzten“ ist keine Gefahr in Verzug. Das Durchschnittsalter dieser Ärzte hat sich in den vergangen fünf Jahren gerade einmal um neun Monate erhöht. Und eine seriöse Berechnung hat ergeben, dass bis 2025 etwa 750 Ärzte pro Jahr in Pension gehen werden. Bis 2011 werden aber pro Jahr 1.600 Studenten fertig. Dann erst werden die Absolventen sinken – auf mindestens 1.1150, von denen wenigstens 850 aus Österreich kommen. Also selbst dann ist kein Mangel zu sehen. Bis zu dem Zeitpunkt ist die Zahl derer, die im System nicht unterkommen auf geschätzte 16.000 angeschwollen. Wollen wir auf diese einfach verzichten?

Noch ein Aspekt sollte einbezogen werden. Es gibt – was nicht bedeutet, dass es gut ist, nur dass es geht! – Gesundheitssysteme, die für die Versorgung von acht Mio. Einwohnern mit weniger als 20.000 Ärzten auskommen. Was passiert, wenn das Geld knapper wird und wir uns aus Kostengründen dorthin entwickeln? Werden dann noch mehr Ärzte im „Nichts“ verschwinden?

Nichts desto trotz gibt es zunehmend Mangelerscheinungen. Es wird immer schwieriger gerade in der Peripherie Ärzte zu finden, die bereit sind, für wenig Geld viel zu arbeiten. Zudem ist der Anteil der Frauen unter den Ärzten unter 35 Jahren bereits fast 70 Prozent. Diesen Frauen machen wir im System kein Angebot, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Kann man solche Mangelerscheinungen mit noch mehr Uni-Absolventen lösen?

Natürlich nicht. Ob Absolventen, ausländische wie inländische, hier arbeiten wollen, hängt davon ab, welche Vision sie in Österreich haben. Und da scheitert das System furchtbar. Um diese Mängel zu beheben müssen wir über Anreizsysteme und Perspektiven reden – nicht über noch mehr Studenten.

PS: Bei der in Linz geforderten Universität dürfte es wohl eher darum gehen, für die Spitäler neue Geldquellen zu erschließen (bei Uni-Spitälern muss der Bund mitzahlen) und/oder den vielen unechten Professoren, die dort arbeiten, endlich die Chance zu geben, „Richtige“ zu werden. Um Patienten geht es meiner Meinung nicht.

Dieser Artikel wurde im April 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ärztebedarf

Ärztemangel oder -überschuss – das hängt davon ab, wie Ärzte eingesetzt werden: Bleibt alles wie es ist, dann wird es einen Mangel geben.

Ein Politiker hat an einem Sonntag eine Autopanne. Er schafft es gerade noch bis zur nächsten Tankstelle – dort angekommen verlangt er, dass sein Auto repariert wird. Der Tankwart schaut ihn groß an und sagt: „Das ist eine Tankstelle, keine Werkstatt. Ich kann das nicht!“ Empört, dass die Realität nicht seinem Wunsch entspricht, verordnet der Politiker, dass alle Tankstellen hinkünftig Mechaniker anstellen müssen. Seither hat jede Tankstelle zu den Öffnungszeiten (meist rund um die Uhr) einen Mechaniker – und der Politiker ist zufrieden.

Allerdings haben die Mechaniker dort nur wenig zu tun, sodass sie die meiste Zeit nur herumstehen oder etwas anderes arbeiten. Einmal abgesehen davon, dass ihnen Reparaturerfahrung fehlt, müssen sie, um sich selbst zu erhalten, überhöhte Preise verlangen, dass sich kaum jemand leisten kann, sein Auto an der Tankstelle reparieren zu lassen. So kommen Kunden nur im Notfall, und die Mechaniker werden zu einem immer größeren Verlustgeschäft.

Als Folge drohen die Tankstellenbesitzer zuzusperren. Das behagt dem Politiker gar nicht, also tut er, was er in so einem Fall immer tut, nimmt Steuergelder in die Hand und finanziert die Tankstellen-Mechaniker. Da die Tankstellen plötzlich billig, ja fast gratis reparieren, kommen die Kunden in Scharen. Aus dem Verlustgeschäft wird scheinbar ein Gewinn und immer mehr Tankstellen eröffnen. Damit allerdings stellen sie eine so große Konkurrenz dar, dass nun die Werkstätten in Konkurs zu gehen drohen – konsequenterweise bekommen sie auch Steuergelder.

Mittlerweile ist die Mechaniker-Dichte so hoch, dass es eigentlich nicht genug Pannen gibt, um alle zu beschäftigen. Das macht aber nichts, weil alle zufrieden sind. Nun geschieht es, dass die Zahl der Autos steigt. Ökonomen beginnen zu rechnen und stellen fest, dass durch die steigende Zahl demnächst ein Mechanikermangel droht. In diesen Rechnungen wird jedoch nicht nach der Zahl der Pannen gerechnet, sondern nach der Zahl der Mechaniker, die pro Auto zur Verfügung stehen. Man kann es den Ökonomen gar nicht verübeln. Denn um die „Überzahl“ an Mechanikern zu vertuschen, und um jede Werkstatt und Tankstelle zu rechtfertigen – immerhin steckt viel Steuergeld drinnen, das man irgendwie plausibel machen muss –, hat der Politiker nicht ohne Wohlgefallen der Mechaniker, die ja vom Politiker bezahlt werden, verboten, Pannen zu zählen. Gezählt werden dürfen nur Autos und eben Mechaniker, ob nötig oder nicht. Und so kann man wirklich glauben, man wird demnächst mehr brauchen, und es werden mehr ausgebildet; die natürlich immer mehr Steuergeld kosten – das nie auszugehen scheint.

Hat das was mit dem Ärztebedarf zu tun? Natürlich! Um in unseren 180 Krankenhäusern 55.000 Betten mit mehr als 2,5 Millionen Patienten 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr zu betreuen, brauchen wir viele Ärzte, vor allem billige Turnusärzte – egal ob der Patient sie braucht. Und weil so viele Ärzte in den Krankenhäusern mit oft unsinnigen Dingen beschäftigt sind und weil immer mehr Patienten ins Spital gehen (1990 gingen 21 Prozent, 2007 schon 30 Prozent der Bevölkerung einmal pro Jahr ins Krankenhaus, der EU-Schnitt liegt bei 18 Prozent), schaut es fast so aus, als ob wir nicht genug Ärzte produzieren können.

Aber hat schon jemand darüber nachgedacht, ob die Ärzte vielleicht in weniger Krankenhäusern sinnvoller eingesetzt werden könnten.

Dieser Artikel wurde im März 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Turnusärzte – das neue Proletariat

An der Misere der Turnusärzte ist die Ärztekammer weder ursächlich noch alleine Schuld. Eine Klarstellung und Abbitte.

Werte p.t. Leser! Mein letztes Rezept hat einen falschen Eindruck erweckt.

Die prekäre Situation der Turnusärzte und die schlechte Ausbildung derselben sind keinesfalls nur durch die Ärztekammer verursacht. Ganz im Gegenteil bemühen sich viele Funktionäre darum, die Situation zu verbessern. Alleine, sie tun es nicht mit der Inbrunst, die sie an den Tag legen, wenn es darum geht, Kassenverträge zu „retten“.

Zudem muss erwähnt werden, dass die größte Schwäche beim Versuch die Situation zu verbessern, die Turnusärzte selbst sind. Denn statt aktiv zu sein, oder wenigstens die Bemühungen der Kammer mit Ehrlichkeit zu unterstützen, ziehen sie sich zurück. Statt Missstände anzukreiden, leben sie lieber unter den gegebenen Bedingungen und kuschen; ganz nach dem Motto – „Hauptsache ich habe eine Stelle!“ Turnusärzte sind ein trauriges Beispiel fehlender Zivilcourage.

Doch zu den Fakten. Normalerweise sollen Turnusärzte zu Hausärzten ausgebildet werden. Sieht man von den wenigen in Spitälern fix angestellten Allgemeinmedizinern (AM) ab, ist und bleibt das Berufsbild der niedergelassene Hausarzt.

Pro Jahr werden ca. 1000 AM fertig ausgebildet. Demgegenüber gibt es aber nur 4000 Hausärzte. Der jährliche „Ersatzbedarf“, demographische Veränderungen eingerechnet, beträgt nicht einmal 300. Die übrigen 700 AM müssen sich was anderes suchen. Und nur so nebenbei gibt es bereits etwa 5000 fertige AM, die keine Arbeit haben und sich mit irgendwelchen Vertretungsjobs über Wasser halten.

Weil man also einen Riesenüberschuss an AM hat (im Gegensatz zu Fachärzten, die immer größere Mangelware werden), ist es seit vielen Jahren Usus, dass man vor einer Facharztausbildung einen abgeschlossenen Turnus braucht. Das verlängert vollkommen unnötig die Ausbildungszeit (wir haben die europaweit längste!). Meist wird argumentiert, dass angehende Fachärzte mit abgeschlossenem Turnus mit mehr Eigenverantwortung einsetzbar sind – gerade so als ob Ärzte, die schneller mit der Ausbildung fertig sind, nicht einsetzbar wären! – real geht es aber nur darum, länger „billige“ Auszubildende zu haben.

Und so kommen wir zum Kern. Denn wer profitiert von dieser Situation?

Es ist ja mittlerweile Allgemeinwissen, dass wir zu viele Spitäler haben, von denen keines geschlossen werden darf. Spitäler sind an 365 Tagen pro Jahr, 24 Stunden pro Tag offen zu halten und brauchen daher eine Unmenge an Ärzten. Schon längst können sich Länder und Gemeinden diese nicht mehr leisten und haben nach „billigen“ Alternativen gesucht – und gefunden. Turnusärzte sind, gerechnet auf den Stundenlohn, billiger als Krankenschwestern, haben einen befristeten Vertrag, müssen also nicht einmal gekündigt werden, wenn man neue und billige Kräfte will, sind in Hülle und Fülle vorhanden und damit jederzeit superleicht ersetzbar und – da ja Ärzte – umfassend einsetzbar. So betrachtet, nimmt es nicht Wunder, dass Turnusärzte nur als Systemerhalter nötig sind. Ihre Ausbildung ist vollkommen egal! Und weil sie diese selbst nicht einfordern, und weil die Unterstützung durch die eigenen Standesvertretung schwach ist, werden sie zum Spielball jener Interessengruppen, die Spitäler um jeden Preis halten wollen: Länder, Gemeinden und nicht zu letzt die vielen Primarärzte, die um ihre vielleicht unnötigen Abteilungen – und den damit verbundenen einträglichen Jobs – fürchten. Alles auf Kosten der nächsten Arztgeneration!

Dieser Artikel wurde im Jänner 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wie viel verdienen Ärzte wirklich?

Dass Ärzte gut verdienen ist ein Gerücht. Die meisten verdienen mittelmäßig und wenn man ihren Stundenlohn errechnen würde, wenig.

„Was wird ein Arzt verdienen? – na so sechs bis sieben Tausend!“ „Brutto?“ „Nana, schon netto!“ Wenn man so hineinhört in die Stammtischrunden, dann kann man erahnen, was Ärzte verdienen – oder auch nicht, denn die Zahlen sprechen etwas anderes.

Beginnen wir bei den niedergelassenen Ärzten. Laut den offiziellen Angaben kann man davon ausgehen, dass Allgemeinmediziner, von denen es etwa 5500 gibt, rund 3.500 Euro im Monat netto verdienen (auf 14 Mal im Jahr gerechnet). Wie lange sie dafür arbeiten müssen, kann man nicht sagen. Wer sich umhört, wird erfahren, dass das unter 50 Wochenstunden wohl kaum möglich ist.

Den etwa 5000 Fachärzten geht es da schon besser. Ihr Einkommen liegt bei 5.500 Euro. Ein Einkommen, das man aber erst nach einer jahrzehntelangen Ausbildung erreicht. Sie sind die „Bestverdiener“ im niedergelassenen Bereich und der „volksgemeinten“ Höhe am nächsten.

Kommen wir zu den Spitalsärzten. An der untersten Stufe stehen 6000 Turnusärzte. Meist wird behauptet, sie werden ja noch ausgebildet und daher schlecht bezahlt. Ich meine, die Turnuszeit ist eine Fortbildung und keine Ausbildung; die endet nämlich mit der Universität. Keiner käme auf die Idee zu sagen, Gesellen dürften nicht viel verdienen, weil sie erst als Meister fertig ausgebildet sind. Wie auch immer, Turnusärzte kommen – inklusive aller Zulagen, Klassegelder und Bezahlungen für Wochenend- und Nachtdienste – auf 2.000 Euro netto. Dafür arbeiten sie etwa 70 Stunden in der Woche. Also fast doppelt so lange wie ein „normaler“ Mensch.

Ihre „fertig ausgebildeten“ 12000 Kollegen, die Oberärzte, sind besser dran. Zwar ändert sich die Arbeitszeit kaum, aber ihr Gehalt. Mit etwa 3000 Euro inklusive allem, also auch den Klassegeldern, denen man ja mystische Höhen zuspricht, sind sie aber weit weg von den 6.000 Euro, die ihnen das Volk zudenkt.

Mit fast 9.000 Euro netto verdienen eigentlich nur Primarärzte richtig gut. Es gibt zwar nicht einmal 1000 von Ihnen, aber sie prägen das Bild des „reichen“ Arztes. Dass diese Primarärzte für 9 Milliarden Euro verantwortlich sind, sollte man nicht vergessen, wenn man über ihre Gehälter spricht. Nur wenn sie gut bezahlt werden, kann man erwarten, dass sie gute Arbeit leisten. Skurril ist daher die Tatsache, dass ihr Einkommen nicht aus ihrem eigentlichen Job kommt. Die Hälfte bis zwei Drittel des Einkommens bestehen aus Klassegeldern. Also eigentlich Geldern, die mit Ihrer Leitungsaufgabe nichts zu tun haben; ein eigenartiges „Honorierungssystem“.

In Summe werden in den Statistiken etwa 32000 Ärzte erfasst und haben ein Nettoeinkommen von 3.300 Euro pro Monat. Da es aber offiziell 38000 Ärzte gibt, fehlt uns eine Gruppe. Denn, rund 6000 Ärzte werden zwar in den Ärztelisten geführt, aber in keiner Einkommensstatistik erfasst. Diese Ärzte leben von Vertretungsjobs, Notfallarzttätigkeiten oder Ähnlichem. Was sie dort verdienen reicht wohl höchstens als Nebenverdienst.

Aber wie ist so eine Fehleinschätzung in der Bevölkerung zu erklären. Mit einem Vollzeitjob verdient man rund 1.400 Euro netto. Nicht eingerechnet ist der „Pfusch“. Nimmt man an, dass etwa ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung sein Einkommen verbessert, dann landet man bei einem Nettoeinkommen von 2.900 Euro. Ein Arzt, so würde ich das interpretieren, dürfte der Volksmeinung nach ruhig doppelt so viel verdienen, also 6.000 Euro. Alleine, es entspricht nicht der Realität.

Dieser Artikel wurde im Oktober 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.