Gesundheitspolitischer Nonsens

Niemand, der politische Ansagen kritisch hinterfragt, niemand der Akteure zwingt, perverses Schönreden einzustellen und reale Reformen umzusetzen.

In den Pinzgauer Nachrichten wird ein wohl nicht ganz unpolitisch agierender Mitarbeiter des Mittersiller Spitals, das seit Jahren von Schließung bedroht ist, zitiert: „Das Krankenhaus ist gut unterwegs. Das belegt eindrucksvoll die Statistik der ersten acht Monate dieses Jahres. Die Belagstage konnten im Vergleich zum Vorjahr um über 15 Prozent gesteigert werden.“

Aha! Offenbar ist die Qualität der Versorgung dadurch belegbar, dass Spitäler ihre Auslastung steigern.

Komisch, irgendwie sehen andere hinter hohen Auslastungszahlen sinnlose Aufenthalte. Daher zählen sie „vermeidbare Spitalsaufenthalte“, mit dem Ziel Ansätze zu finden, diese zu senken – weil sie der Meinung sind, dass weniger mehr ist.

Aber die haben halt keine Ahnung, worum es geht und wir das weltbeste Spitalswesen.

In einem Interview mit „die Presse“ erklärt Ärztekammerpräsident Dorner: „Die Krankenversicherungsbeiträge sind in Österreich seit zehn Jahren nicht mehr erhöht worden. Ich fordere aber schon wegen der Inflation eine Anhebung um zwei bis drei Prozent.“

Aha! Offenbar entwertet die Inflation das Geld im System.

Komisch, aber andere sehen das wohl anders. Krankenversicherungsbeiträge sind als Prozentsatz fixiert, und daher würde diese Ansage bedeuten, dass diese nun statt wie aktuell ca. sieben, eben neun bis zehn Prozent des Bruttolohns betragen sollen; wie das mit der Inflation zusammenhängt, erschließt sich nicht. Und dass die Gesundheitsausgaben, die zu den höchsten der Welt zählen, schneller steigen als die reale, also inflationsbereinigte Wirtschaftsleistung, deutet auch auf etwas anderes hin, als dass die Inflation hier einen erodierenden Effekt hätte.

Aber die, die so denken, haben keine Ahnung, worum es geht. Deswegen werden die präsidialen Aussagen stehen bleiben und vermutlich auch Applaus erhalten – in den eigenen Reihen.

Minister Hundstorfer wiederum ließ über die APA wissen, „dass der Ist-Zustand im Pflegewesen in Österreich ein sehr guter“ sei. Österreich sei beim Pflegegeld „Weltmeister“, nirgendwo würden so viele Personen Pflegegeld beziehen wie hierzulande.“

Aha! Offenbar ist auch hier Quantität ein Beweis für Qualität – und je mehr Menschen pflegebedürftig sind – Pflegegeld kriegt nur wer pflegebedürftig ist, wenigstens theoretisch –, desto besser ist das Pflegewesen.

Komisch, irgendwie sehen das andere anders. Schließlich sind Pflegeprävention und geriatrische Rehabilitation international keine hohlen Phrasen und die dahinter stehenden Programme ausgedacht, um Menschen so selten und spät wie möglich pflegebedürftig werden zu lassen.

Aber die haben halt alle keine Ahnung, worum es geht, weil wir die Weltmeister sind.

Ach ja, Weltmeister: Wer erinnert sich nicht gerne an das (inkl. Homepage) medial verbreiterte Rauch-Kallat’sche Programm (erstellt 2006 vor der Wahl, eingestellt 2006, nach der Wahl), dass uns mit Gesundheitszielen* bis 2010 zu „Gesundheitsweltmeistern“ machen sollte?

An letzterem ist der tröstliche Gedanke aufzuhängen: es gibt nichts Vergänglicheres als politischen Ansagen – das gibt Hoffnung, und lässt es fallweise das erschütternd niedrige Niveau der Gesundheitspolitik ertragen und die Tatsache, dass niemand da ist, der diesen Narreteien ein Ende setzen kann. Mehr leider auch nicht.

 

*von 2006 bis 2010: Zahl der: Herz-Kreislauf-Toten unter 65 Jahren um bis zu 20%, Krebs-Toten um bis zu 7 % Diabetes-Schäden um ca. 1/3 senken; Eindämmung der Adipositas; Reduktion übertragbarer Krankheiten; Zahl der Unfälle um 25 % senken; Psychosoziales Wohlbefinden verbessern; Tabakkonsum deutlich senken; Alkoholkonsum deutlich senken

Dieser Artikel wurde im Oktober 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Was wäre wenn (oder: Die Spitalsreformen, nur eine Show?)

Es ist nicht leicht, den Überblick zu bewahren. Überall gibt es Spitalsreformen, oder scheint es die jedenfalls zu geben.

Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg glauben noch, es ohne Reform zu schaffen. Wien macht es klug und setzt sich mit 2030 einen langen Zeithorizont. Zudem, auch wenn man oft das Gegenteil hört, liegt Wien gar nicht schlecht. In Kärnten läuft der Umbau seit längerem und – für österreichische Verhältnisse – gut. Immerhin wurden dort seit 2004 die Spitalsaufnahmen um zehn Prozent gesenkt, während sie überall anders steigen! Im Burgenland wird ebenfalls kräftig umgerührt. Zwar ist es für eine Beurteilung noch zu früh; was man jedoch sagen kann ist, dass die Reform gut kommuniziert ist, da es hier keine Aufstände gibt.

Anders in Oberösterreich und der Steiermark. Dort machen die Spitäler massiv mobil: Leichentücher werden gehisst und Unterschriften gesammelt, skurrile Argumente finden ihren Weg in die Öffentlichkeit; so darf die Geburtshilfe in Gmunden nicht geschlossen werden, weil Gmundner ein Recht haben sollen, in Gmunden auf die Welt zu kommen! Einige Spitäler sind so aggressiv, dass sie sogar Patientenunterschriften sammeln. Angeblich soll das ein demokratisches Recht sein! Wenn aber Patienten während eines Spitalsaufenthaltes gegen Abteilungsschließungen unterschreiben sollen, dann ist das eher als abgepresst, denn als frei zu werten – wie perfide muss man sein, um Kranke und direkt abhängige Menschen zu instrumentalisieren.

Wie dem auch sei, Bewegung ist in die Spitalsreform gekommen – oder? Aber was, wenn das alles nur Show ist?

All diese Reformen brauchen zur Umsetzung Jahre, ein Rückrudern ist durchaus und jederzeit möglich. Und Beispiele für angekündigte, aber nicht umgesetzte Reformen gibt es zur Genüge. Sei es, dass die Oberösterreichische Reform aus 2005 – damals bereits eigentlich nur eine Verlängerung der Umsetzungsfrist einer bereits 2001 beschlossenen Reform – auch 2010 nicht umgesetzt war. Oder denken wir an die Wiedereröffnung der Chirurgie in Mürzzuschlag (Steiermark), oder einfach an die komplett ignorierte Gesundheitsreform 2005. Also darauf verlassen, dass das was angekündigt ist, auch Realität wird, das kann man nicht.

Und bereits in zwei Jahren gibt es Nationalratswahlen, kurz darauf Verhandlungen zum Finanzausgleich. Bis dahin stehen, wenn überhaupt, die Reformen erst am Anfang der Umsetzung. Zudem fordern die Länder, dass die jährlich steigenden Abgänge der Spitäler von Bund, Land, Gemeinden und Sozialversicherung partnerschaftlich zu tragen sind. Eine eigenartige Formulierung, wenn man es mit Spitalsreformen ernst meinte; denn dann müsste man etwas über die partnerschaftliche Aufteilung der reformbedingten Einsparungen lesen (etwa zur besseren Finanzierung der Hausärzte, ein Jahrzehnte altes politisches Versprechen) – oder irre ich mich?

Was nun, wenn die Reformen nur Argumente für die Finanzausgleichsverhandlungen sind; so nach dem Prinzip: „Seht her, wir machen unsere Hausaufgaben, also erfüllt unsere Forderungen“. Und was, wenn das dann auch passiert? Wer wird, so ganz ohne Staatsreform, eine Nicht-Umsetzung der Spitalsreformen sanktionieren? Dass die Länder sich kaum an Vereinbarungen halten, kann schon man daran erkennen, dass ihre Ausgaben stets größer als „erlaubt“ waren und der Bund das nachträglich genehmigen und die Defizite zahlen durfte. Warum soll das diesmal anders sein?

Aber vielleicht höre ich ja nur das Gras wachsen – und in Wirklichkeit stehen wir, nach 40 Jahren Diskussion, vor einer echten Spitalsreform.

Dieser Artikel wurde im April 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die Windschatten-Spitalsreform

Erdbeben, Tsunami, GAU in mehreren Atommeilern, Revolution in der islamischen Welt und EU-Vorgaben gegen Schuldenmacherei.

Getarnt durch globale Themen, gezwungen durch die EU, haben es (vorerst nur) Wien und Steiermark gewagt, eine größere Spitalsreform anzukündigen. Noch ist es Gerede und Papier; die Mühen der Ebene kommen aber. Der Widerstand wächst bereits und die Kampftruppen der Zwergen-Häuser haben sich schon in Stellung gebracht – das Halali wird zeigen, wie die Strecke aussieht.

Aber – ich hoffe, die Politik wird wenigstens eine Zeit lang durchhalten. Allerdings sind, will die Reform nachhaltig sein, zwei Phänomene zu bedenken!

Da sind einmal unverhofft auftretende Krankheitswellen.

Denken wir an Bad Aussee. Die dortige Chirurgie ist seit Jahrzehnten umstritten, da das Spital nur ein Einzugsgebiet von 15.000 Menschen hat (80.000 wäre das vernünftige Minimum). Als die Schließungsdiskussion 2008 am heftigsten war, wurde dort argumentiert, dass es 39 Blinddarm-OPs gegeben habe – zwei Drittel davon zeitkritisch! Wenn es nicht irgendeine, noch unbekannte, Krankheit gibt, die Blinddarmentzündungen auslöst, dann sollten es aber nicht mehr als 15 pro Jahr sein. Das wäre guter medizinischer Standard. Alles darüber ist möglicherweise medizinisch nicht wirklich indiziert (obwohl ich keine bewusste Falschindikation unterstellen will) und dient nur der Darstellung der eigenen Wichtigkeit.

Diese „Appendizitis-Endemie“ zeigt, werden Kürzungen oder gar Schließungen angekündigt, besteht die Gefahr der „Übertherapie“. Bei Spitälern bedeutet das zu viel stationäre Aufnahmen, bei Chirurgien zu häufige Operationen – mit all den negativen Konsequenzen, wie vermeidbare Komplikationen.

Und dann ist da noch das Kultur-Phänomen.

Als in einem großen Spital zehn von 270 interne Betten wegen Umbau gesperrt wurden, brach Chaos aus. Gangbetten, längere Aufenthalte und vermutlich auch Wartezeiten waren die Folge. Das hatte aber nichts damit zu tun, dass es objektiv zu wenig Ressourcen gab, sondern nur, dass die Kultur nicht auf eine Kürzung vorbereitet war.

Denn hinter der Belegung von Betten stehen viele Prozesse und unterschiedlichste Prozesseigner. Da sind die zuweisenden Ärzte, die, die in der Ambulanz über die Aufnahme entscheiden, die auf der Station arbeiten etc.; alle haben gelernt mit den vorhandenen Ressourcen auszukommen. Werden diese plötzlich weniger, dauert es, bis sich alle angepasst haben, sich also die Kultur geändert hat.

Eine solche Kulturänderung kommt nicht über Nacht und betrifft auch nicht nur das Spital. Soll es zu einer nachhaltigen Veränderung kommen, müssen sich alle in der Region, von den niedergelassenen Ärzten bis zu den nachsorgenden Strukturen der Pflege, ändern.

Zusammengefasst heißt das, dass im Rahmen einer Spitalsreform, beginnend ab dem Zeitpunkt der Ankündigung bis lange nach der Umsetzung, sich gegenseitig aufschaukelnde Phänomene zu erwarten sind. Diesen kann man nur begegnen, wenn erstens von Anfang an das Aufnahmeverhalten der betroffenen Spitäler genau kontrolliert wird, und zweitens die Prozesse auf allen Ebenen aktiv gesteuert werden. Passiert das unzureichend, wird es Gangbetten und längere Wartezeiten geben. Und genau das wird jenen in die Hände spielen, die eine Spitalsreform immer schon verhindern wollten.

Daher, nur wenn die Politik aktiv ist, hart bleibt, und langfristig denkt, wird sie das, was sie jetzt ankündigt, auch auf den Boden bringen. Hoffentlich bleiben die globalen Ablenkungen dafür lange genug erhalten.

Dieser Artikel wurde im März 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Das Gerede über die Spitalsreform

Die Spitalsreform dreht sich seit Jahrzehnten um die gleichen Themen, die konsequenzlos nicht nur be- sondern meist auch zerredet werden. Auch diesmal?

1997, nach zehnjähriger Vorbereitung, wurde die Spitalsfinanzierung reformiert – mit dem Ziel, die hohe (verglichen mit heute allerdings um 30 Prozent niedrigere!) Zahl an Spitalsaufnahmen zu reduzieren und Kosten transparent darzustellen. Das ging schief, wie eine politisch zurückgehaltene Evaluierung ergab.

Ab 2000 wurde eine Reform der Planung vorbereitet, mit dem Ziel, der regional inhomogenen Versorgungssituation und der seit der Finanzierungsreform sprunghaft steigenden Zahl an Aufnahmen zu begegnen. Statt Standorte und Betten, sollten Leistungen geplant werden, um die Strukturen (Standorte und Betten) dem Bedarf anzupassen. Mehr als drei Jahre dauerten die politischen Vorgespräche bevor mit konkreten Arbeiten begonnen wurde.

Als diese Mitte 2005 fertig waren, war die Politik, trotz jahrelanger Vorbereitung, ständiger Arbeitsgruppen, regelmäßiger Arbeitsfortschrittberichte an die Politik und Projektkosten in Millionenhöhe, mit den Ergebnissen nicht einverstanden; innerhalb kürzester Zeit wurden Kaugummiparagraphen erfunden. Zwar haben sich nach außen alle darauf verständigt, dass Strukturen bedarfsorientiert sein müssen, aber mit Hilfe dieser Paragraphen konnte man für alles „Ausnahmeregelungen“ finden.

Als Anfang 2006 der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG), das Produkt dieser jahrelangen Arbeiten, von Ländern, Sozialversicherungen und Bund in der Bundesgesundheitskommission – die ja auch diesmal wieder bestimmend sein soll – in Kraft gesetzt wurde, war vom ursprünglichen Vorhaben wenig übrig, und das was blieb, musste, weil ohne Sanktionsmechanismen, nicht Realität werden.

Als im Dezember 2010, mit mehrjähriger Verspätung, endlich auch Niederösterreich mit der im ÖSG vorgeschriebenen regionalen Planung fertig war, konnte jeder, der sich auskennt, sehen, dass doch nur wieder Standorte und Betten wichtig waren. Und um diese zu schützen, wurde (fast) österreichweit auf die „Planer“ solange „Druck“ ausgeübt, bis deren Berechnungen das ergaben, was die Politik wünscht. „Schönrechnen“ ist überall Unart; warum das bei der Heeresreform so große Wellen schlägt?

All das und viel mehr führt nicht dazu, zu glauben, dass die jetzige Spitalsreform was wird. Auch dass ein Zeitplan existiert, heißt nichts. Denn solche haben es sogar schon in Gesetze hinein geschafft – allerdings ohne, dass irgendwer sie gehalten hätte; ohne Sanktionen sind diese doch nur Makulatur.

Und trotzdem, es könnte diesmal anders sein. Einerseits ist da der Hauptverband mit seiner schonungslosen Fehleranalyse. Fehlerbewusstsein bei wichtigen Playern ist immer gute Basis für echte Reformen. Aber noch wichtiger scheint, dass die neue Führung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, medial völlig unbemerkt, erstaunliches formuliert. Dort will man in den eigenen Reihen nach Möglichkeiten suchen, Spitalsaufnahmen zu reduzieren, zum Beispiel durch den Ausbau der Hausarztbetreuung. Und ganz offen wird festgehalten (und damit zugegeben), dass das bloße Hin- und Herschieben von Leistungen und Kosten zwischen Spital und niedergelassenem Bereich nicht im Sinne der Versicherten sein kann. Einfach toll!

Wenn Oberösterreich Schule macht und die Ärztekammer noch aus ihrem Schmollwinkel heraus käme, dann wären vielleicht sogar die Länder, denen glücklicherweise das Wasser bis zum Hals steht, besiegbar – und dann könnten es wirklich so sein, dass dem Reden echte Reformen folgen.

Dieser Artikel wurde im Februar 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Jetzt wird es ernst

Maastricht lehrt den Landesspitälern das fürchten – und weil es keine Gesundheitsreform gibt, werden Spitalsmitarbeiter an den Lehren leiden.

Als die Finanzkrise kam, gab es mahnende Stimmen, die vor massiv schrumpfenden Steuereinnahmen aufgrund der daraus resultierenden Wirtschaftskrise warnten. Spätestens seit 2008 mahnten Stimmen, endlich jene Strukturreformen anzugehen, die seit Jahrzehnten überfällig sind; immer mit dabei, Gesundheitssystem und Spitäler.

Dann war sie da, die Krise. Dass wir Normalsterblichen kaum etwas mitbekommen haben, liegt an den gigantischen Geldmitteln, die zu unserem Wohl (?) und um uns bei Laune zu halten, verteilt wurden. Das Geld kam und kommt über Schulden, aber das interessiert nur Kleingeister.

Den Reigen hat Ex-Finanzminister Wilhelm Molterer eingeleitet, als er den Ländern Schulden statt Überschüsse erlaubte. Und tatsächlich haben diese 2009 drei Milliarden Euro mehr unters Volk gebracht als noch 2008. Das meiste davon ging in Spitäler – vermutlich eine Milliarde in den Betrieb, mindestens eine weitere in Neubauten oder „dringend notwendige“ Modernisierungen. An eine Reform war bei einem solchen Geldsegen gar nicht zu denken. Und die Kleingeister (wozu wohl auch Hauptverbandschef Hans Jörg Schelling gezählt werden muss), die stetig eine solche einforderten, wurden belächelt.

Und so haben sich jene, die sich nicht kümmern, woher Geld kommt, auch nicht im geringsten Gedanken gemacht, was passiert, wenn es nicht mehr kommt – so etwas galt in diesen Kreisen wohl als obszön.

Und dann passierte es. Die Griechen haben uns dermaßen hineingeritten, dass die Euro-Länder (nicht aber unsere Bundesländer) beschlossen haben, der populistischen Schuldenpolitik entgegenzutreten. Die Folge ist, dass die „Maastricht-schonend“ ausgelagerten Spitalsschulden – mindestens drei, vielleicht aber auch zehn Milliarden Euro – nun ins Budget zurückfallen. Damit war der Traum vom ewigen Geldregen vorbei. Das passierte fast ohne Aufschrei, denn vermutlich haben viele Bundesländer die Schreckstarre noch nicht überwunden oder sich in eine neurotische Verweigerung zurückgezogen. Ändert aber nichts! Sie werden demnächst auf dem Trockenen sitzen.

Da aber keine Überlegungen stattgefunden haben, wie man mit einer solchen Situation umgeht, und auch jede Gesundheitsreform untergraben oder unterbunden hat, tritt ein, wovor vor zwei Jahren gewarnt wurde.

Die Personalkosten sind mit 56 Prozent der Gesamtkosten der größte Block. Im Personalabbau sieht man nun (nicht nur in Wien) sein Heil. Da politisch ein solcher über Kündigungen kaum umzusetzen ist, greift man zum „natürlichen“ Abgang. Damit kommt es zu einer paradoxen Situation.

Den größten „natürlichen“ Abgang, der in Spitälern weniger durch Pensionierung als durch Fluktuation gegeben ist, findet man dort, wo die Arbeitsbelastung (insbesondere für Jungärzte, die meist nur auf Zeit angestellt sind, und für das Pflegepersonal) am größten ist. Dort, wo die Arbeit vergleichsweise gemütlich ist, ist die Fluktuation geringer. Der Stellenabbau wird daher genau dort stattfinden, wo der größte Arbeitsdruck herrscht, der dadurch noch größer wird. Das wird die Fluktuation weiter anheizen und es wird immer schwieriger werden, Personal zu finden – ein virtueller Mangel wird entstehen.

Und so beginnen sich die Spiralen schneller zu drehen und am Ende steht dann doch eine Reform. Allerdings eine erzwungene, und solche sind immer schlechter als gut vorbereitete.

Dieser Artikel wurde im Jänner 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Frohbotschaft der Gesundheitsstatistik

Erstmals seit zwei Jahrzehnten soll die Zahl der spitalsversorgten Patienten 2009 rückläufig gewesen sein.

Der Rückgang der Spitalspatienten ist zwar nur sehr sehr gering, man spricht von 0,2 Prozent oder etwa 5.000 Fällen, aber manche, sehr wenige, hoffen trotzdem, darin eine Trendwende erkennen zu können.

Nun, abgesehen, dass simples Zählen wenig sagt – ist die Zahl der Patienten gesamt, also unabhängig, ob bei niedergelassenen Ärzten oder im Spital versorgt, vielleicht rückläufig und so der Anteil der Spitalspatienten gleich geblieben? Sind die Zahlen mit den Vorjahren vergleichbar, haben doch immerhin sehr viele Spitäler „virtuell fusioniert“ um K.O.-Kriterien (Fallzahlen!) zu umgehen und damit die komplizierten und sehr fragilen Patientenzählmethoden irritiert? Gehen mehr Patienten in Privatspitäler, die bei dieser Rechnung nicht mitgerechnet werden? Wie viele Abteilungen und Spitäler wurden zur Konjunkturbelebung 2009 umgebaut und konnte daher nicht im Vollbetrieb arbeiten? Und so weiter … – gab es so etwas bereits 2005. Damals sank die Zahl sogar etwas mehr und es gab echten Anlass an eine Trendwende zu glauben; wurde doch der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG), der dem explosionsartigen Wachstum der Spitalspatienten seit Einführung des leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF)-Systems 1997 Einhalt gebieten sollte, beschlossen. Aber die damalige Beobachtung erwies sich als nicht nachhaltig. Im Gegenteil, 2006 sprangen die Zahlen mit einem Satz wieder nach oben.

Betrachtet man den Zeitverlauf seit 1996, sieht man auch 2000, zwar keinen echten Rückgang aber eine „Wachstumsdämpfung“; von der nicht wirklich bekannt ist, wieso sie stattfand. Und, warum die Zahl 2001 wieder raufschnellte, ist ebenfalls unerforscht.

Wenn jetzt die Zahl wieder einmal „sinkt“, dann ist das wohl ebenfalls nur eines jener unerklärlichen Phänomene, die mit Regional-, Landtags- oder sonstigen Wahlen oder Änderungen in der Finanzierung oder Vertragsabschlüssen zwischen Ärztekammern und Krankenkassen oder unterschiedlich ausgeprägten Grippeepidemien oder Warnungen vor Menschenansammlungen wegen der Grippe oder sonst irgend etwas zusammenhängen. Vielleicht ist es diesmal auch die Finanzkrise oder aber auch das Wetter am 28. August, wer weiß?

Wirklich belegen kann man nichts, nicht nur, weil es niemanden wirklich interessiert, sondern auch weil das Spitalswesen nicht einheitlich ist.

Während in Oberösterreich die Aufnahmen auch 2009 steigen, sinken sie in Kärnten schon seit 2004 kontinuierlich. Bezogen auf die Wohnbevölkerung zählen wir in Oberösterreich 30 Aufnahmen pro 100 Einwohner, Kärnten liegt mit 26 im Österreichschnitt, in Wien sind es 24, und die Steiermark, weil sie für die onkologische Versorgung einen speziellen Deal mit der Krankenkasse hat, kommt gar mit nur 23 aus.

Außerdem sollte man nicht vergessen, dass die Zahl der Spitalspatienten nicht unendlich vergrößerbar sein kann. Früher oder später muss sich auch in Österreich die Spitalshäufigkeit irgendeinem Wert annähern, der nicht überschritten werden kann. Wenn wir bedenken, dass die Deutschen mit 21, die Schweizer mit 15, die Niederländer gar nur mit etwa 11 Aufnahmen pro 100 Einwohner auskommen, liegen wir mit unseren 26 ohnehin jenseits von Gut und Böse. Wohin soll denn diese Zahl noch wachsen?

Also ist die Hoffnung auf eine Trendwende noch verfrüht. Aber, dass diese gesehen wird, zeigt auch, dass die Hoffnung auf eine Gesundheitsreform, die eine wirklich ist, noch nicht tot ist.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Steuererklärungen à la Gesundheitspolitik

Demnächst werde ich wieder meine Steuererklärung machen müssen. Denn, wie bekannt ist, muss man ja nur zwei Sachen wirklich: Sterben und Steuern zahlen.

So eine Steuergeschichte ist immer sehr mühsam, weil man, will man legal bleiben, jedem Cent nachlaufen und genau schauen muss, ob er eh an der richtigen Stelle vermerkt wurde. In Deutschland wurde letzthin ein sehr unbequemer Gesundheitsökonom (Peter Sawicki) wegen einer falschen Taxi-Abrechnung aus seiner Position entfernt – da kennt das System keine Gnade. Und wenn ich mich recht erinnere, hat man einen gewissen Al Capone auch nicht wegen seiner wirklich kriminellen Handlungen hinter Gitter gebracht, sondern wegen Steuerhinterziehung. Jaja, die Steuer ist schon ein eigenes Thema.

Also, um Probleme zu vermeiden, versuche ich immer katholischer als der Papst zu sein.

Andererseits, wenn man es bedenkt, sind Politiker in einer Demokratie ja Vorbilder. Und man sollte meinen, wenn man die Zahlen mit der gleichen Sorgfalt verwendet, wie Politiker dies tun, dann dürfte man kein Problem mit der Steuer haben. Also sollte ich es mal machen wie die Politik.

Für meine Ausgaben, also die Kosten für mein Unternehmen, werde ich, statt Belege vorzulegen, der Steuer einfach irgendwelche Informationen übermitteln – am besten über Zeitungsmeldungen. Dabei werde ich Beträge nicht oder nur so ungefähr nennen, und dafür mehr mit Prozenten um mich werfen, aber auch keine Angaben machen, wovon ich diese berechne!

Als bestes Vorbild sollte für mich immer Niederösterreich dienen. Dort wird, neben vielem anderen, behauptet, der Gesamtaufwand für die landeseigenen Spitäler ist 2009 um 0,88 Prozent gestiegen. Nachgerechnet, was man in Österreich bei Politikern ja ungern macht, dürften die Spitäler daher 2009 nur etwa 1.535 Millionen Euro gekostet haben. Vielleicht setzt sich ja jemand hin und kontrolliert diese Zahl!

Aber auch Minister Stöger, der letzthin wirklich positiv auffällt, fast so, als ob er endlich als österreichischer Gesundheitsminister angekommen ist, hat merkwürdige Zahlen ins Spiel gebracht.

Er rechnet jetzt alle stationären Einrichtungen zusammen – also auch Reha, Pflege, Kur etc. – und kommt für diese auf 15,4 Milliarden Euro Kosten für 2009. Das ist eine Zahl, die man so überhaupt noch nie gehört hat. Ich konnte diese, mangels Datentransparenz, auch nicht nachrechnen – immerhin galten bis jetzt etwa zehn bis elf Milliarden für die Akutspitäler; dass Reha, Pflege, Kur etc. bereits etwa fünf Milliarden ausmachen sollen, erschreckt jetzt schon etwas, um so mehr, als wenigstens zwei dieser fünf Milliarden bis jetzt noch nirgends ihren Niederschlag gefunden haben. Ich freue mich schon auf die Neuberechnung der Gesundheitsausgaben der Statistik Austria. Denn dort werden für die stationäre Versorgung für 2008 nur etwa zwölf Milliarden ausgewiesen. Möglicherweise müssten noch etwa 1,5 Milliarden für die Spitalsambulanzen hinzugezählt werden, die in den oben genannten 15,4 enthalten sein könnten. Nichtsdestotrotz würde die Neuberechnung bedeuten, dass der Anteil am BIP für 2009 die 12 Prozent-Marke sprengen wird – ein Wert, der gleich einmal mehr als 20 Prozent über den bis jetzt gewohnten und liebgewordenen zehn BIP-Prozent liegt. Reisst es da niemanden, wenn 2009 plötzlich zwei Milliarden zusätzliche Kosten „gefunden“ werden, von denen 2008 noch niemand wusste?

Wie dem auch sei, ich werde jetzt meine Steuer machen. Also liebes Finanzamt, meine Ausgaben sind dieses Jahr um 11,4 Prozent gesunken. Viel Spaß bei der Berechnung meiner Steuerpflicht.

Dieser Artikel wurde im November 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Hoffnungsloses Spitalswesen

Es ist schon ein Wahnsinn, wie fest die Klammer der Landesfürsten ist. Es gibt wohl keine Lösung außer einem Crash! Und der wird vielen ernsthaft schaden.

Sie fahren von Wien nach Pinkafeld. Dabei kreuzen Sie mehrere Landesgrenzen. Zuerst kommen Sie nach Niederösterreich, dann in die Steiermark um schließlich im Burgendland Ihr Ziel zu erreichen.

Stellen Sie sich vor, die Straßenverkehrsordnung (StVO) würde überall anders sein. In Wien dürften Sie erst ab November Winterreifen haben, in Niederösterreich sind sie, wenn Sie auf Straßen unterwegs sind, die höher als 500 Meter liegen, bereits ab Oktober Pflicht, im Burgenland hingegen sind sie bis 15. November überhaupt verboten, um Straßen zu schonen. Mit diesen Vorschriften würden Sie auf der Fahrt Wien-Pinkafeld wenigstens einmal Reifen wechseln müssen. Auf den Autobahnen würden (durch die ASFINAG mit Bundesgeldern) riesige Parkplätze errichtet und jeder würde fluchen, weil es für jeden ein Leichtes wäre, den Schwachsinn zu entlarven. Deswegen gibt es nur eine StVO für ganz Österreich.

In den Spitälern ist das anders. Da gibt es – weil eben nicht so leicht als Schwachsinn erkennbar und weil Landesfürsten mit gigantischen PR-Maschinerien den Untertanen einreden, dass alle sterben, wenn es eine Reform gibt – in jedem Bundesland ein eigenes Spitalsgesetz. Ein niederösterreichischer Patient ist – so die Argumente – von einem oberösterreichischen, steirischen oder gar Tiroler zu unterscheiden. Jeder braucht seine lokal colorierte Behandlung.

Vielleicht liegen deswegen Oberösterreicher auch gleich um ein Viertel häufiger im Spital als Steirer. Aber selbst innerhalb eines Bundeslandes sind Unterschiede zu finden. Mostviertler sind wohl kränker als ihre Nachbarn im Industrieviertel – oder liegen wenigstens um 25 Prozent öfter im Spital. Medizinisch betrachtet ist das nicht erklärbar, außer vielleicht, man macht gesunde Menschen krank, um sie in Spitäler stecken zu können – so was klingt aber abwegig, oder?

Und dann kam er, der Vorschlag, der alles bereinigen helfen könnte, der Vernunft in diesen populistischen und Menschenleben gefährdenden Wahnsinn bringen könnte. Es soll nur mehr ein Gesetz geben und bezahlt wird nicht mehr die örtlich geweckte Begehrlichkeit nach einem Spital, sondern die Qualität der Versorgung in einer Region; und es war gerade der eher reformunwillige Gesundheitsminister Alois Stöger, der ihn machte.

Ein skurriler Vorschlag, setzt er doch voraus, dass nebst Verfassungsänderung, die Länder zustimmen. Zwar wurde er von allen – nicht nur allen Experten, sondern auch geschlossen von der Opposition – gelobt, aber die Antwort der Fürsten ließ nicht lange warten.

Allen voran „E.P. von Niederösterreich“. Er verhandle nicht mit Ministern (lat. Diener). Seine Ansprechpartner seien Kanzler und Vizekanzler. Und sein, für die Spitäler zuständiger, Vasall „W.S. von Waidhofen“ lässt wissen, dass das wohl nur ein Rülpser war und der Minister ein unerträglicher Dilettant sei, der nicht einmal die Zahlen kenne. Außerdem sei die hiesige Verwaltung die beste, was man darin sehen möge, „dass sich der Gesamtaufwand im letzten Jahr um nur 0,88 Prozent erhöht hat“ (Übrigens und wahrheitsgemäß: 2009 sind dort die Kosten um mehr als 5 Prozent gestiegen, bei praktisch Null Inflation und einem Schrumpfen des BIP um über drei Prozent; damit wird das ohnehin schon riesenhafte Defizit 2010 um zusätzliche 150 Millionen explodieren!)

Ehrlich, ich glaube nicht, dass es eine Reform gibt! Ich hoffe nur, dass der Kollaps nicht all zu viel Schaden anrichtet.

Dieser Artikel wurde im November 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Nimm’s Spitälern statt Familien

Werte p.t. Leser! Was sich aktuell abspielt lässt mich rasen. Es sind vor allem zwei Aussagen, die mich geradezu auf die Palme treiben.

Die erste Aussage ist einige Wochen alt. Da hat Finanzminister Pröll wissen lassen, dass die „Realverfassung“ wichtiger ist als die „echte“ und hat zum Ausdruck gebracht, dass wir, das Volk, einfach hinnehmen müssen, dass von uns legitimierte Bundespolitiker gegenüber den Ländern keine Macht haben, selbst wenn die Verfassung diese vorsehe. Warum wählen und bezahlen wir sie?

Die zweite Aussage war nicht minder irritierend. Da hat Wirtschaftsminister Mitterlehner in einem ZiB2-Interview gemeint, man müsse Geld für das nächste Jahr auftreiben, das gehe mit Reformen nicht so schnell, daher gäbe es die jetzt nicht. Wer das nicht verstehe, verstehe eben nicht, wie ein Staat funktioniert.

Tja, also keine Reformen! Und was verstehen dann Bundespolitiker unter Sparen? Streichen von Sozialleistungen bei Familien – Mir ist keine Studie bekannt, die Familien irgendwie als reich identifiziert hätte. Mehr noch, alle sagen, dass, wegen der hohen Steuerbelastung auf Arbeit, Familien nur durch Sozialtransfers der Armut entkommen.

Anderen Ländern fiel beim Sparen anderes ein. Da wurden Beamtengehälter und Pensionen gekürzt. Bei uns nicht! Ja auch kein Wunder, wenn man betrachtet, welche Lobbyisten diese Gruppen vertreten!

Aber das ist ja nicht alles. Klar, wenn man sich gerade einmal drei Wochen Zeit für ein Budget nimmt, dann kann wohl nichts anderes rauskommen; selbst wenn man seit Jahren weiß, was getan werden müsste. In den letzten Jahrzehnten wurden hunderte, wenn nicht tausende Studien und Arbeitsgruppenergebnisse – denken wir nur an den Österreichkonvent – erstellt, die zeigen, wie Sparen durch Reformieren funktionieren kann. All diese Vorarbeiten wurden mit sehr viel Steuergeld finanziert und – ignoriert.

Und wie ist das in der Gesundheitspolitik?

Die Kassen – ohnehin eher Blender als Reformatoren, oder kennt jemand den sagenumwobenen Masterplan des Hauptverbandes, der für Herbst groß angekündigt wurde? – haben bereits mitgeteilt, dass ihr Sparwille sinken wird, wenn sie weniger Steuergeld erhalten (statt 100 nur 60 Millionen). Und Minister Stöger legt gleich nach und sagt, sie müssen eh weniger sparen, wenn die Belohnung weniger wird! Und weil die Sparmaßnahmen, die bis jetzt so „erfolgreich“ waren, nichts mit einer Reform zu tun hatten, sondern Großteils zustande kamen, weil wegen Patentabläufen die Medikamentenpreise sinken – ein Trend, der noch anhalten wird – ist jede Reform auf Jahre tot.

Und auf der anderen Seite die Länder. Es gibt niemanden mit Ahnung, der nicht das größte Sparpotenzial in einer Spitalsreform sieht. Und wenn ein Minister sich schon der Peinlichkeit hingibt, nicht zu wissen, woher er Geld fürs nächste Jahr nehmen soll und deswegen auf Familien zurückgreift, dem sei Folgendes ins Stammbuch geschrieben.

Etwa fünf Milliarden Euro schießt der Bund den Ländern für Spitäler zu. Geregelt werden diese Zuschüsse im Finanzausgleich, der von den Ländern noch nie eingehalten wurde – Stichwort Stabilitätspakt. Statt weiterhin Milliarden im größten Verschwendungsbereich der Republik zu versenken, sollte der Bund auch auf den Pakt pfeifen und den Ländern einfach ein paar hundert Millionen Spitalsgelder wegnehmen – genau so unvorbereitet wie den Familien. Vielleicht wird es dann eine Spitalsreform geben.

Aber dazu braucht es halt Politiker und nicht irgendwelche selbstherrlichen Marionetten irgendwelcher Interessensvertretungen oder Länder.

Dieser Artikel wurde im November 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

 

Die verkehrte Welt der Spitäler

Wenn wir „Spital“ hören, denken wir an ein Gebäude, in dem wir, wenn wir schwer krank sind, so behandelt werden, dass wir wieder gesund werden.

Es ist davon auszugehen, dass es (den meisten von) uns lieber wäre, „zuhause“ behandelt zu werden. Für uns ist der „optimale“ Weg der, dass wir erst ins Spital müssen, wenn es nicht anders geht. Im Spital soll dann jene Gesundheit „produziert“ werden, die außerhalb nicht produziert werden kann – und zwar ohne Profitstreben und für alle, nicht nur für die, die es sich leisten können. Das ist nicht nur der moralische Auftrag, sondern auch der objektive Grund für unsere Spitäler. Ist das auch real?

Die Politik definiert Spitäler mittlerweile gerne anders. Zwar wird noch von „optimaler“ Versorgung gesprochen, aber immer klarer festgehalten, dass der volkswirtschaftliche Aspekt wichtig ist. Die Politik hat das eigentliche Ziel aus dem Fokus genommen. Zwar könnte es noch immer sein, dass Gesundheit produziert wird, aber so sicher ist das nicht mehr. Stellen wir uns eine virtuelle Region vor, die plötzlich gesund ist, dann könnte das dortige Spital keine Gesundheit mehr produzieren – aus volkswirtschaftlicher Sicht dürfte es trotzdem nicht gesperrt werden!

Die Zahl der Spitalsaufnahmen schießt seit Jahren in die Höhe. Wir zählen (offiziell) mittlerweile 26,7 Aufnahmen pro 100 Einwohner, während die Deutschen mit nur 20,6 auskommen (EU 15,6). Und als kleines Beispiel: Bei uns liegen Patienten mit Herzschwäche gleich drei Mal häufiger im Spital als in Deutschland. Es entsteht der Eindruck, dass doch viele im Spital behandelt werden, obwohl sie gesund genug wären, zuhause behandelt zu werden. Das ist keine „optimale“ Versorgung!

Warum ist das so? Weil die Politik es nicht schafft, oder schaffen will, Spitäler und niedergelassene Ärzte so abzustimmen, dass Aufnahmen vermieden werden. Und solange genug Geld da war, offenbar zur beiderseitigen Zufriedenheit.

Nun laufen die Spitalskosten aus dem Ruder, und man hat, statt unnötige Spitäler zu sperren, begonnen, diese von Managern betriebswirtschaftlich optimieren zu lassen. Um das zu können, müssen Gewinnabsichten möglich werden. Es sind zwar nur „Scheingewinne“, aber ohne diese Messgröße ist eine Optimierung nicht möglich. Würde der Gewinn daran gemessen, welche Gesundheit zu welchen Kosten produziert wird, wäre das gar nicht schlimm. Aber: Wir messen keine Gesundheit!

Was wir messen sind nur die Kosten, die für Patienten anfallen. Und weil Spitäler „leistungsorientierte“ Fall-Pauschalen als Erlös erhalten, ist die einzige Chance, „Gewinne“ zu machen, die, die Kosten niedriger zu halten, als die Fall-Pauschale abwirft. Damit hat sich das Produkt verändert. Jetzt wird nicht mehr Gesundheit produziert, sondern Patienten (Fälle). Und weil es darum geht, „Fall-Kosten“ zu reduzieren, bedeutet das praktisch, möglichst viele Fälle (Economy of Scale) zu produzieren und möglichst „gesunde“ Patienten (je nach Pauschale also leichte statt schwere Fälle) zu behandeln. Zudem sind betriebswirtschaftliche Spitäler angehalten, Zusatzeinnahmen zu lukrieren. Und wo gibt es die? Bei privatversicherten Klassepatienten! Das alles führt zur Patientenselektion, die eigentlich nur in „profit-orientierten“ Systemen vorkommt.

Perversion bezeichnet eine, den vorherrschenden Moralvorstellungen entgegenwirkende, Eigenschaft. Sie liegt vor, wenn das, was man beobachtet, dem widerspricht, was sozial anerkannt ist und erwartet werden darf.

Warum mir das im Zusammenhang mit unseren Spitälern einfällt?

Dieser Artikel wurde im Oktober 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.