Die Konkretisierung der Gesundheitsreform – Diabetes

Durch die Reform soll die Institutionenorientierung (Spitalsstandorte und Kassenplanstellen) zugunsten einer integrierten Versorgung überwunden werden: Patienten sollen zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle– genannt: „Best Point of Service“- behandelt werden. Wo das ist, wird nicht dekretiert, sondern ist dezentral, auf Ebene der Versorgungsregionen des ÖSG – davon gibt es 32 – festzulegen.

Die ambulante Versorgung ist der stationären vorzuziehen– das bedeutet, dass die ambulante Versorgung durch Spitalsambulanzen und Kassen(fach)ärzte bedarfsorientiert auf-, aus- und umgebaut wird. Gruppenpraxen werden dabei eine wichtige Rolle spielen. So soll auf Sicht eine fachärztliche Versorgung gewährleistet werden, die nicht nur Ballungsräume bevorzugt. An den Abbau von Hausärzten denkt definitiv niemand –im Gegenteil.

Zentral werden Rahmenziele aufgestellt, anhand derer der Aufbau der integrierten Versorgung gemessen werden kann. Dezentral – also in den 32 Versorgungsregionen – sind diese unter Berücksichtigung der regionalen und spezifischen Besonderheiten zu konkretisieren. Es sind keine „zentralistischen“ Diktate, angedacht, sondern praxis- bzw. wirkungsorientierte Rahmenvorgaben.

Die Reform klingt abstrakt! Stimmt – und wie könnte das konkret aussehen?

 

Betrachten wir Patienten mit Diabetes

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Was drauf steht soll auch drinnen sein

Weil politischer Mut längst populistischem Handeln gewichen ist, wird die Spitalsversorgung immer schlechter – Gott sei dank merkt es niemand.

Stellen sie sich vor, Sie kaufen Seifenblasen. Sie nehmen die Verpackung und lesen, dass die gewählten Seifenblasen die schönsten der Welt sind. Sie sind groß und bunt für die, die sie groß und bunt wollen, oder klein und lustig hüpfend für die, die das wollen. Gut, denken Sie, das, was da drauf steht wird wohl nicht ganz stimmen, aber Seifenblasen lassen sich sicher erzeugen.

Sie kommen nach Hause, ihre Kinder scharen sich um Sie, Sie nehmen die Verpackung, tauchen den Stiel in die Flüssigkeit, pusten und – nichts geschieht. Auch jeder weitere Versuch bleibt erfolglos. Sie ärgern sich und riechen an der Seifenflüssigkeit – und stellen fest, es ist nur Wasser drinnen. Was geht durch Ihren Kopf? Sie wollen sich beschweren oder gar die Firma verklagen – und haben mit diesen Gedanken vollkommen recht.

Was hat das mit dem Spitalswesen zu tun? Nun, da erleben wir in Österreich Skurriles. Längst (wenigstens jedoch seit die WHO es 1969 in einem Bericht festgehalten hat) ist bekannt, dass die Qualität in Österreichs Spitälern nicht immer das ist, was sie zu sein scheint. Als Hauptgrund wurde damals genannt, dass es zu viele Häuser gäbe und es nicht möglich ist, bei so einer Vielzahl an Standorten die Qualität aufrecht zu erhalten. Und trotzdem haben wir es in den letzten 40 Jahren nicht geschafft, eine ordentliche und ausnahmsweise am Patienten statt an Wählerstimmen orientierte Reform umzusetzen.

Und die medizinische Entwicklung schreitet voran. Man muss sich vorstellen, dass jährlich 500.000 medizinisch-wissenschaftliche Artikel erscheinen. Bei so einer Fülle an Informationen ist es schlicht nicht möglich, in jedem unserer Spitäler eine dem Stand der Wissenschaft entsprechende Versorgungsqualität zu gewährleisten. Spezialisierung und Zentralisierung sind deswegen international seit Jahrzehnten ein Thema. Bei uns nicht. Und so verfügen wir über 40 Prozent mehr Spitalsbetten und nehmen um 70 Prozent mehr Patienten pro Jahr auf wie der europäische Durchschnitt. Bei solchen Zahlen ist es aber vollkommen klar, dass in vielen Spitälern schon längst keine Spitäler mehr drinnen sind. Statt eine fachärztliche Versorgungseinrichtung zu sein, die nur Patienten zur Verfügung steht, die entsprechend ihre Krankheit und den Therapiemöglichkeiten eine stationäre Versorgung benötigen, sind sie bei uns „Auffangbecken“ für wen auch immer. Und an jedem Standort wird festgehalten als ob es darum ginge, die Welt zu retten.

Jetzt wird das Geld knapp und Politiker wie willfährige Ökonomen suchen krampfhaft nach Sparpotential. Die einzig sinnvolle und längst überfällige Sparmaßnahme ist jedoch endlich diese vielen unnotwendigen Spitäler zu sperren und das freigesetzte Geld in eine moderne Gesundheitsversorgung zu investieren, die sich um den Patienten und nicht um regionalpolitische Wünsche kümmert. Aber das ist keine Option. Stattdessen wird lieber die Qualität weiter verwässert und bei Fortbildung und personeller wie technischer Ausstattung gespart. Dafür werden Eingangshallen „modernisiert“ und ein „Wohncharakter“ erzeugt. Und dem Patienten, dem sagt man einfach, alles sei vom Allerfeinsten und überhaupt ist die Versorgung auf allerhöchstem Niveau. Was für ein Glück, dass der Patient so wenig über Medizin weiß; so kann man ihm erklären, was man will. Und wer was anderes tut, der verunsichert Patienten und ist böse. Ach, und im Übrigen verweise ich auf H.D. Thoreau!

Dieser Artikel wurde im Oktober 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.