Eine ambulante Behandlung ist einer stationären vorzuziehen. „Ambulant vor stationär“ ist nicht nur ein Credo, es hat handfeste Gründe.
Weiterlesen: Universitäten ohne FachärzteSpitäler sind gefährliche Orte. Dort konzentrieren sich kranke Menschen, von denen einige richtig hässlich Keime mitbringen, wie man zuletzt in Linz sehen konnte. Dort starb ein Kind an so einem „eingeschleppten“ Spitalskeim. Nosokomiale Infektionen nennt man das, also Infektionen, die nur stattfinden, weil ein Patient im Spital liegt. Viele dieser Keime sind harmlos, andere, vor allem für Kranke, gefährlich, ja sogar tödlich. Fünf bis sechs Prozent aller Spitalspatienten stecken sich mit einem Spitalskeim an, und etwa 1700 sterben jährlich daran. Viele dieser Toten sind nicht vermeidbar. Patienten, die ohne Spitalsaufenthalt nicht gesund werden können, müssen dieses Risiko auf sich nehmen – es ist geringer, als Schaden an der eigentlichen Erkrankung zu nehmen, die zu einem Spitalsauf enthalt zwingt. Dort jedoch, wo ein Spitalsaufenthalt nicht nötig ist, also Patienten auch ambulant behandelt werden können, dort ist dieses Infektionsrisiko zu vermeiden. Und genau da versagen wir. Von etwa 2,1 Millionen Spitalsaufenthalten jährlich sind mindestens 900.000 vermeidbar – und würden damit nicht hunderten Patienten das Leben kosten. Aber, solche Überlegungen sind in der Gesundheitspolitik unwichtig. Dort geht es darum, möglichst alle Spitäler und den damit verbundenen Einfluss auf Führungsposten, Arbeitsplätze und Zulieferer zu sichern.
Das Problem ist das zunehmend fehlende Geld. Und um die Kosten der Spitäler, ohne die Einflusssphären zu reduzieren, werden die Betriebskosten gesenkt, wo es den Mächtigen am wenigsten weht tut. Eine Option ist es, Ärzte in Rufbereitschaft zu halten. Damit kann man Kleinstspitäler selbst dort halten, wo es völlig sinnlos ist. Zuletzt hat man das in Schladming gesehen, wo eine Geburtenstation mit drei Halbtagsärzten betrieben wurde. Erst als ein Kind bei der Geburt starb, fiel auf, wie dumm es ist, Akutspitäler mit rufbereiten Ärzten bespielen zu wollen.
Aber ohne große Öffentlichkeit wurde nun ein Gesetz verabschiedet, dass es künftig sogar Universitätskliniken erlaubt, so zu arbeiten. Rufbereitschaft ist nur dort denkbar, wo praktisch alle stationären Patienten dermaßen gut beisammen sind, dass eine fachärztliche Betreuung für etwa 12 Stunden täglich nicht nötig ist. Es dürfen also nur leichte Routinefälle sein. An Universitätskliniken sollten solche Situationen gar nicht vorkommen. Sie sind, wenigstens international, das letzte Back-up für wirklich schwere Fälle. Wenn an Unikliniken dermaßen viel Routinepatienten liegen, dass mit Rufbereitschaft gearbeitet werden kann, dann ist diese wahnsinnig teure Infrastruktur nicht gerechtfertigt.
Warum also dieses Gesetz? Es ist zu vermuten, dass es weiter möglich gemacht werden soll, Betriebskosten zu senken, statt darauf zu achten, dass der richtige Patient zur richtigen Zeit am richtigen Ort behandelt wird. Und weil etwa in Innsbruck, aber auch in der kommenden Uni-Klinik Linz viel Routine abgearbeitet werden muss und kein Land will, dass diese Fälle ambulant behandelt werden, machen wir schnell mal aus einer Uni-Klinik ein Provinzspital. So ist Österreich.
„Wiener Zeitung“ Nr. 002 vom 05.01.2016