Hoffnungsloses Spitalswesen

Es ist schon ein Wahnsinn, wie fest die Klammer der Landesfürsten ist. Es gibt wohl keine Lösung außer einem Crash! Und der wird vielen ernsthaft schaden.

Sie fahren von Wien nach Pinkafeld. Dabei kreuzen Sie mehrere Landesgrenzen. Zuerst kommen Sie nach Niederösterreich, dann in die Steiermark um schließlich im Burgendland Ihr Ziel zu erreichen.

Stellen Sie sich vor, die Straßenverkehrsordnung (StVO) würde überall anders sein. In Wien dürften Sie erst ab November Winterreifen haben, in Niederösterreich sind sie, wenn Sie auf Straßen unterwegs sind, die höher als 500 Meter liegen, bereits ab Oktober Pflicht, im Burgenland hingegen sind sie bis 15. November überhaupt verboten, um Straßen zu schonen. Mit diesen Vorschriften würden Sie auf der Fahrt Wien-Pinkafeld wenigstens einmal Reifen wechseln müssen. Auf den Autobahnen würden (durch die ASFINAG mit Bundesgeldern) riesige Parkplätze errichtet und jeder würde fluchen, weil es für jeden ein Leichtes wäre, den Schwachsinn zu entlarven. Deswegen gibt es nur eine StVO für ganz Österreich.

In den Spitälern ist das anders. Da gibt es – weil eben nicht so leicht als Schwachsinn erkennbar und weil Landesfürsten mit gigantischen PR-Maschinerien den Untertanen einreden, dass alle sterben, wenn es eine Reform gibt – in jedem Bundesland ein eigenes Spitalsgesetz. Ein niederösterreichischer Patient ist – so die Argumente – von einem oberösterreichischen, steirischen oder gar Tiroler zu unterscheiden. Jeder braucht seine lokal colorierte Behandlung.

Vielleicht liegen deswegen Oberösterreicher auch gleich um ein Viertel häufiger im Spital als Steirer. Aber selbst innerhalb eines Bundeslandes sind Unterschiede zu finden. Mostviertler sind wohl kränker als ihre Nachbarn im Industrieviertel – oder liegen wenigstens um 25 Prozent öfter im Spital. Medizinisch betrachtet ist das nicht erklärbar, außer vielleicht, man macht gesunde Menschen krank, um sie in Spitäler stecken zu können – so was klingt aber abwegig, oder?

Und dann kam er, der Vorschlag, der alles bereinigen helfen könnte, der Vernunft in diesen populistischen und Menschenleben gefährdenden Wahnsinn bringen könnte. Es soll nur mehr ein Gesetz geben und bezahlt wird nicht mehr die örtlich geweckte Begehrlichkeit nach einem Spital, sondern die Qualität der Versorgung in einer Region; und es war gerade der eher reformunwillige Gesundheitsminister Alois Stöger, der ihn machte.

Ein skurriler Vorschlag, setzt er doch voraus, dass nebst Verfassungsänderung, die Länder zustimmen. Zwar wurde er von allen – nicht nur allen Experten, sondern auch geschlossen von der Opposition – gelobt, aber die Antwort der Fürsten ließ nicht lange warten.

Allen voran „E.P. von Niederösterreich“. Er verhandle nicht mit Ministern (lat. Diener). Seine Ansprechpartner seien Kanzler und Vizekanzler. Und sein, für die Spitäler zuständiger, Vasall „W.S. von Waidhofen“ lässt wissen, dass das wohl nur ein Rülpser war und der Minister ein unerträglicher Dilettant sei, der nicht einmal die Zahlen kenne. Außerdem sei die hiesige Verwaltung die beste, was man darin sehen möge, „dass sich der Gesamtaufwand im letzten Jahr um nur 0,88 Prozent erhöht hat“ (Übrigens und wahrheitsgemäß: 2009 sind dort die Kosten um mehr als 5 Prozent gestiegen, bei praktisch Null Inflation und einem Schrumpfen des BIP um über drei Prozent; damit wird das ohnehin schon riesenhafte Defizit 2010 um zusätzliche 150 Millionen explodieren!)

Ehrlich, ich glaube nicht, dass es eine Reform gibt! Ich hoffe nur, dass der Kollaps nicht all zu viel Schaden anrichtet.

Dieser Artikel wurde im November 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die verkehrte Welt der Spitäler

Wenn wir „Spital“ hören, denken wir an ein Gebäude, in dem wir, wenn wir schwer krank sind, so behandelt werden, dass wir wieder gesund werden.

Es ist davon auszugehen, dass es (den meisten von) uns lieber wäre, „zuhause“ behandelt zu werden. Für uns ist der „optimale“ Weg der, dass wir erst ins Spital müssen, wenn es nicht anders geht. Im Spital soll dann jene Gesundheit „produziert“ werden, die außerhalb nicht produziert werden kann – und zwar ohne Profitstreben und für alle, nicht nur für die, die es sich leisten können. Das ist nicht nur der moralische Auftrag, sondern auch der objektive Grund für unsere Spitäler. Ist das auch real?

Die Politik definiert Spitäler mittlerweile gerne anders. Zwar wird noch von „optimaler“ Versorgung gesprochen, aber immer klarer festgehalten, dass der volkswirtschaftliche Aspekt wichtig ist. Die Politik hat das eigentliche Ziel aus dem Fokus genommen. Zwar könnte es noch immer sein, dass Gesundheit produziert wird, aber so sicher ist das nicht mehr. Stellen wir uns eine virtuelle Region vor, die plötzlich gesund ist, dann könnte das dortige Spital keine Gesundheit mehr produzieren – aus volkswirtschaftlicher Sicht dürfte es trotzdem nicht gesperrt werden!

Die Zahl der Spitalsaufnahmen schießt seit Jahren in die Höhe. Wir zählen (offiziell) mittlerweile 26,7 Aufnahmen pro 100 Einwohner, während die Deutschen mit nur 20,6 auskommen (EU 15,6). Und als kleines Beispiel: Bei uns liegen Patienten mit Herzschwäche gleich drei Mal häufiger im Spital als in Deutschland. Es entsteht der Eindruck, dass doch viele im Spital behandelt werden, obwohl sie gesund genug wären, zuhause behandelt zu werden. Das ist keine „optimale“ Versorgung!

Warum ist das so? Weil die Politik es nicht schafft, oder schaffen will, Spitäler und niedergelassene Ärzte so abzustimmen, dass Aufnahmen vermieden werden. Und solange genug Geld da war, offenbar zur beiderseitigen Zufriedenheit.

Nun laufen die Spitalskosten aus dem Ruder, und man hat, statt unnötige Spitäler zu sperren, begonnen, diese von Managern betriebswirtschaftlich optimieren zu lassen. Um das zu können, müssen Gewinnabsichten möglich werden. Es sind zwar nur „Scheingewinne“, aber ohne diese Messgröße ist eine Optimierung nicht möglich. Würde der Gewinn daran gemessen, welche Gesundheit zu welchen Kosten produziert wird, wäre das gar nicht schlimm. Aber: Wir messen keine Gesundheit!

Was wir messen sind nur die Kosten, die für Patienten anfallen. Und weil Spitäler „leistungsorientierte“ Fall-Pauschalen als Erlös erhalten, ist die einzige Chance, „Gewinne“ zu machen, die, die Kosten niedriger zu halten, als die Fall-Pauschale abwirft. Damit hat sich das Produkt verändert. Jetzt wird nicht mehr Gesundheit produziert, sondern Patienten (Fälle). Und weil es darum geht, „Fall-Kosten“ zu reduzieren, bedeutet das praktisch, möglichst viele Fälle (Economy of Scale) zu produzieren und möglichst „gesunde“ Patienten (je nach Pauschale also leichte statt schwere Fälle) zu behandeln. Zudem sind betriebswirtschaftliche Spitäler angehalten, Zusatzeinnahmen zu lukrieren. Und wo gibt es die? Bei privatversicherten Klassepatienten! Das alles führt zur Patientenselektion, die eigentlich nur in „profit-orientierten“ Systemen vorkommt.

Perversion bezeichnet eine, den vorherrschenden Moralvorstellungen entgegenwirkende, Eigenschaft. Sie liegt vor, wenn das, was man beobachtet, dem widerspricht, was sozial anerkannt ist und erwartet werden darf.

Warum mir das im Zusammenhang mit unseren Spitälern einfällt?

Dieser Artikel wurde im Oktober 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Primary Health Care – eine kleines Lehrstück

Von offizieller Seite wird verbreitet, der Ruf nach der Aufwertung der Hausärzte ist nur dazu da, dass diese mehr Geld verdienen – ein Hinweis auf mangelndes Verständnis.

Primary Health Care (PHC) ist, obwohl schon dreißig Jahre alt und das wohl erfolgreichste Versorgungskonzept moderner Gesundheitssysteme, hierzulande fast unbekannt, und wenn überhaupt, dann gerade mal als Hausarztmodelle im Gespräch.

Die Idee war so einfach wie genial: Um ein vernünftiges Gesundheitssystem errichten zu können, sollte man möglichst viele Gesundheitsprobleme – was sehr viel mehr ist, als nur Krankheitsprobleme – wohnortnah zu lösen versuchen; wohnortnah beginnt übrigens in den vier Wänden des Patienten, eine Spitalsambulanz ist nie wohnortnah, egal wie viele Spitäler auch herumstehen.

Es war von Anfang an klar, dass Heilbehandlung nur ein Teil des PHC ist. Daher war es immer schon ein interdisziplinärer Ansatz. Es ging um ambulante, wohnortnahe medizinische, pflegerische und therapeutische Betreuung der Bevölkerung durch ein PHC-Team. In diesem Team sollten neben dem Hausarzt (der die wichtigste Rolle spielen sollte) Physiotherapeuten genau so arbeiten wie Pflegefachkräfte, Sozialarbeiter und Psychologen. Und das Spektrum der rein ambulanten Versorgung sollte von der Prävention über Rehabilitation (auch für alte Menschen!) bis zu Pflege reichen.

Es ist verblüffend, was mit solchen Teams erreicht werden kann. Die Zahl der Spitalsaufenthalte sinkt genau so, wie die der Überweisungen zum Facharzt. Die Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen werden seltener. Die Patienten, vor allem wenn sie chronisch krank sind, leben länger und bei besserer Gesundheit, und jene Krebsformen, die man bei Früherkennung gut behandeln kann (z.B.: Brust-, Dickdarmkrebs aber auch den schwarzen Hautkrebs und andere) bringen weniger Menschen um. Und als ob das nicht genug wäre, sinken mit der Einführung auch die Gesamtkosten der Gesundheitsversorgung.

Nun, es gibt einige Eckpunkte, die, will PHC funktionieren, nicht wegdiskutiert werden können.

Da wäre beispielsweise die Sache mit der Bedarfsprüfung. Wenn es eine solche nicht gibt, oder diese, à la Österreich ein politisches Gemauschel ist, dann wird die Verteilung der Hausärzte – wie ja zu sehen ist – inhomogen und der Zugang zu Versorgung diskriminierend sein; beides doch eher schlecht!

Auch muss es spezifische, auf den Bedarf ausgerichtete Ausbildung geben, sowohl für Hausärzte als auch alle anderen Berufsgruppen, die im PHC arbeiten sollen. Nun, es reicht bereits ein kleiner Blick in die Turnusarztdiskussion, um zu sehen, dass die Ausbildung unserer Hausärzte auf alles, nur nicht auf Ihre eigentliche Rolle ausgerichtet ist. Und fehlt der Hausarzt, kann es auch kein PHC-Team geben.

Übrigens müssen für ein funktionierendes PHC Hausärzte mehr verdienen als Fachärzte. Hierzulande verdienen sie aber nur 60 Prozent ihrer Fachkollegen. Was für ein Anreizsystem!

Für Patienten sollten alle Leistungen unentgeltlich – also öffentlich finanzierte Sachleistungen – sein. Hierzulande, sehen wir vom Arzt ab, sind alle anderen Leistungen direkt zu bezahlen – die pflegerischen genau so wie die sozialarbeiterischen und die psychologischen sowieso. Außer man geht ins Spital, da sind die Leistungen dann „gratis(?)“.

Und warum gibt es bei uns kein funktionierendes PHC? Warum sind unsere Hausärzte so „abgewertet“? Nun, um das alles umzusetzen braucht man echte und am Gesamtsystem interessierte Entscheidungsstrukturen – und darin mangelt es hierzulande wohl am meisten.

Dieser Artikel wurde im September 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die Titanic wird doch nicht gar sinken?

Kann es sein, dass die leeren Kassen beginnen zu diktieren? Zumindest ist hinter den Kulissen mehr Bewegung zu bemerken, als jemals zuvor. Die Angst, die „Spitalswesen“-Titanic könnte doch sinken, geht um.

Im März 2009, als die Finanz- zur Wirtschaftskrise wurde, stand an dieser Stelle, dass die notwendigen Mittel zur Finanzierung der Spitäler, die durch die Länder für 2009 aufzubringen sind (2008 waren dass etwa 3,6 Milliarden Euro) deutlich anwachsen werden. Hintergrund dieser Rechnung war, dass die Einnahmen durch die Wirtschaftskrise sinken werden, weil sie wesentlich vom Steuer- und Beitragsaufkommen abhängen. Da aber die Kosten ungeachtet der Krise weiterwachsen werden, wird das Loch zwischen Einnahmen und Ausgaben größer.

Schon bisher schlossen die Länder dieses Loch durch die Abgangsdeckung, eine Art automatischer Defizitdeckung. Und die war nicht gering. Oberflächlich ausgedrückt, machten die öffentlichen Spitäler pro Jahr 30 bis 35 Prozent Miese, die im Landesbudget hängen blieben; seit 2009 jedoch sind es wohl 40 und mehr Prozent – und das wird solange bleiben, solange die Wirtschaft das durch die Krise entstandene Minus nicht selbst (ohne Staathilfen) kompensiert hat, oder die Kosten der Spitäler real sinken. Ersteres könnte Jahre dauern, und zweiteres ist gegen den Willen der Landespolitik.

Langsam dürfte dort aber die Erkenntnis wachsen, dass man nicht alles haben kann, was man will. Dass das langsam geht, hat zwei Ursachen.

Erstens, weil wirtschaftliche Berechnungen der Spitäler sehr lange brauchen. In der Regel liegen „fertige“ Zahlen erst mit einem Jahr Verzögerung vor. Also sind die Zahlen für 2009 erst Ende dieses Jahres „fertig“. Natürlich gibt es da und dort auch gescheite Mitarbeiter, die unterjährig Schätzungen anstellen, aber ein echtes Controlling ist auf Landesebene die Ausnahme. Das kommt daher, dass Landespolitiker geschätzte Zahlen, wenn sie unangenehm sind, nicht, oder wenigstens so spät wie möglich, hören wollen. Und so warten „brave“ Mitarbeiter darauf, dass sie nur mit „fertigen“ Zahlen zur Politik wandern. Sollte es doch jemand wagen, unerwünschte Zahlen „zu früh“ zu präsentieren, dann riskiert er manchenorts sogar seinen Job. Die Folge dieser Vogelstrauss-Politik ist eine endlose Erkenntnisverzögerung. Nichts desto trotz dürfte langsam auch auf politischer Ebene bemerkt werden, dass es echte Finanzierungsprobleme gibt.

Die zweite Ursache ist „Maastricht“.

Früher war Geld für gestandene Landespolitiker kein Problem; wurde es knapp, musste „Wien“ zahlen. Doch diesmal ist das anders, denn der Bund kann nicht mehr so einfach neue Schulden aufnehmen, nur um Weihnachtsmannpolitik zu bedienen. Und er kann es vermutlich auch nicht mehr Erlauben, dass Länder, statt wie gesetzlich vereinbart, Budgetüberschüsse zu erzielen und ins Bundesbudget einzuzahlen, weiter Schulden machen. Der laufende Betrieb der Spitäler reißt mittlerweile aber so tiefe Löcher in die Landesbudgets, dass ein Überschuss ohne Spitalsreform irreal ist. Wenn jedoch die Länder keinen Überschuss abliefern, erhöht sich das Bundesdefizit, was die Einhaltung der Maastrichtkriterien erschwert und – wichtiger – bei Rating-Agenturen schlecht ankommen wird. Neue Schulden unter diesem Titel würden erhebliche Probleme bereiten – das kriegen auch die Länder langsam mit.

Und so beginnt etwas, das wirklich nach ernsthaften Spitalsreformüberlegungen klingt, von Oberösterreich angefangen, bis nach Wien. Nur Niederösterreich tut noch so, als ob es auf unendlichen Geldquellen sitzt, Aber auch dort wird die Erkenntnis reifen, dass die Quellen zwar spu(c)ken, aber kein Geld.

Dieser Artikel wurde im August 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Hausarztmodelle – schön und gut!

Hausarztmodelle können nur funktionieren, wenn die Kompetenzen dort, wo sie wirken sollen, bereinigt werden – dazu braucht es Gemeinden, Länder, verschiedene Ministerien, Kassen – und mutige Politiker.

Als ich für „Die Zeit“ einen Artikel zum Thema SVA schreiben sollte, verwendete ich das Wort: „Hausarzt-Modelle“. Der Redakteur teilte mit, das müsse erklärt werden, weil das niemand verstehe. Wenigstens das dürfte sich anlässlich der jetzigen Diskussion ändern. Mit etwas Glück schafft es das Thema zu einer gewissen Breitenakzeptanz.

Es ist an der Zeit zu fragen, warum es die nicht hat und warum hierzulande erst etwas diskutiert werden muss, das anderswo bereits seit Jahrzehnten gute Praxis ist.

Schauen wird einfach in die Realität. Unser „Bild“ vom Hausarzt stammt aus den Nachkriegsjahren. Damals herrschte Ärztemangel, vor allem bei Fachärzten. Um die Versorgung aufrechtzuerhalten, durften Praktiker quasi alles. Und selbst in den 1980er Jahren gab es noch Landärzte, die Geburten machten. Unser Hausarzt war also sehr breit aufgestellt – und das lange Zeit zu recht.

Aber seit wenigstens zwanzig Jahren ist das anders. Die Ärztedichte ist international am höchsten, und Spitalsambulanzen liefern eine Spezialversorgungsbreite, wie sonst nirgendwo. Es ist nicht mehr nötig, dass Hausärzte „alles“ können und dürfen. Zudem hat sich die Bevölkerungsstruktur geändert. Solange die Bevölkerung „jung und gesund“ war, musste der Hausarzt anderes leisten als heute, wo zunehmend alte, und immobile Patienten zu versorgen sind.

Kurz, das „alte“ Bild vom Hausarzt hat ausgedient. Und hier kommen wir zum Kernproblem. Die Politiker wissen einfach nicht, was sie mit dem Hausarzt noch anfangen sollen. Genau genommen, braucht man keine mehr (glaubt man!). Und aufbauend auf einem Gesetz (ASVG), dass niemand mehr versteht, und von Einzelinteressen zur Fratze verzerrt wurde, ist die Entwicklung eines „neuen“ Bildes kaum möglich.

International will man von Hausarztmodellen, dass möglichst viele gesundheitlichen Probleme vor Ort adressiert werden. Das Stichwort ist gesundheitlich – kein Wort von medizinisch, denn das wäre eine Einschränkung, die nicht funktioniert. Hausärzte (mit ihren Ordinationen) sollten niedrigschwellige Leistungen aus allen Bereichen der Gesundheitsversorgung, von Prävention bis zur Pflege, anbieten (nicht bloß koordinieren!) können, nicht nur Heilbehandlung, wie es das ASVG vorsieht.

Prävention für alte Menschen (z.B.: Heimhilfen, damit Patienten nicht wegen häuslicher Verwahrlosung krank oder zum Pflegefall werden), die eben die wichtigste Patientengruppe heute darstellen, hat mit Heilbehandlung wenig zu tun, ja selbst Rehabilitation, wenn sie darauf abzielt, alte Menschen möglichst lange in ihrer Selbstständigkeit zu unterstützen (z.B. aktivierende Pflege) ist ihr nicht zuzurechnen. Und trotzdem gehören all diese Dinge zum „Hausarzt“, wie er sein sollte. Aber genau dort besteht ein Kompetenzwirrwarr zwischen Gemeinden, Länder, verschiedenen Ministerien, Kassen und wer weiß wem sonst noch. Dass hier ein Hausarzt wirklich steuernd eingreifen kann, setzte eine Strukturreform voraus.

Der Erfolg eines Hausarztmodells wird u.a. daran gemessen, ob unnötige Spitalsaufenthalte und Facharztüberweisungen weniger werden. Damit werden die Interessen der Länder und Fachärzte direkt betroffen – Einsparungen könnten zu ihren Lasten gehen. Es ist schwer vorstellbar, dass das dem Hausarzt in der Realität „erlaubt“ würde – ohne Strukturreform.

Will man also wirklich Hausarztmodelle, muss man das System umbauen – alles andere wäre eine „österreichische“ Lösung!

Dieser Artikel wurde im Juli 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Enten aus der Gesundheitspolitik

Um eine sommerliche Debatte anzuregen, könnte man doch ein paar gänzlich frei erfundene Gerüchte ausstreuen – echte und bewusste Zeitungsenten eben.

Österreich ist mit Spitälern unterversorgt: Entgegen landläufiger Meinung, wir hätten zu viele Spitäler, gibt es tatsächlich zu wenige. Die Vorgaben im Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (Bundesgesetz) verlangen für 50.000 bis 90.000 Einwohner eine Standardkrankenanstalt (also die einfachste Spitalsvariante mit wenigstens Innerer Medizin und Chirurgie).

Da aber ein Drittel der Spitäler ein größeres Einzugsgebiet als selbst die Obergrenze von 90.000 hat, besteht, bei entsprechender Lesart des Gesetzes, in vielen Regionen eine Unterversorgung. So hat beispielsweise das Spital in Mödling ein Einzugsgebiet von 188.000 Einwohnern. Es fehlen hier also gleich zwei ganz neue, zusätzliche Spitäler. Es ist dringend an der Zeit, dass die Politik reagiert und gesetzeskonform neue Spitäler errichtet.

Angeblich arbeitet die Landeshauptleute-Konferenz unter Vorsitz Niederösterreichs, das zu jenen Ländern zählt, die die meisten unterversorgten Regionen aufweist, an einer entsprechenden Forderung; eine Art Spitalsrettungstopf soll Bundesgelder (also unsere Steuern) freimachen, um endlich den vom Gesetz vorgegebenen Spitalsausbau zu finanzieren. Dabei soll es reichen, wenn der Bund das Geld gibt, bauen könne man dann selbst.

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Die MedUni-Innsbruck übersiedelt: Gemäß dem oben genannten Gesetz haben Bundesländer mit mehr als einer Million Einwohner wenigstens ein Zentralspital (also ein Spital der Maximalvariante, das alles, aber auch wirklich alles hat) vorzuhalten. Medizinische Unis müssen jedenfalls solche Maximal-Spitäler sein.

Da Tirol nur etwa 700.000 Einwohner hat, sind sie nicht verpflichtet, ein Zentralspital vorzuhalten, da in Innsbruck aber eine Universität steht, verfügt das Land trotzdem über eines. Angeblich ist das aber zu teuer, deswegen wollen die Tiroler viel Geld vom Bund (unsere Steuern).

Aber auch aus der Steiermark ist zu hören, dass man eigentlich nicht sehr glücklich ist, eine Uni zu haben. Im Gegensatz dazu haben weder Ober- noch Niederösterreich eigene Unis; wollen aber gerne welche haben.

Unbestätigten Gerüchten zufolge arbeitet jetzt eine geheimste Arbeitsgruppe daran, neue MedUni-Standorte zu suchen. So soll die Uni-Innsbruck nach Linz und die Uni-Graz entweder nach Wiener Neustadt (wegen dem MedAustron) oder aber nach St. Pölten übersiedeln. Die fallweise ebenfalls genannte Stadt Krems dürfte eher Außenseiterchancen haben.

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Oberösterreich bald ohne Herzinfarkt-Opfer: Dank der vielen neuen Einrichtungen kann ab 2011 so gut wie jeder Oberösterreicher innerhalb von 20 Minuten bequem mit dem eigenen Auto zum nächsten Spital mit Herzkatheter fahren, um sein Herz untersuchen zu lassen. Und da es dann auch ausreichend Kapazitäten gibt, um drei bis vier Millionen Menschen zu versorgen, sollte es kein Problem sein, jeden, der auch nur ein leichtes Druckgefühl in der Brust verspürt, einer Koronarangiographie zu unterziehen. Damit dürfte der Herzinfarkt in Oberösterreich ab 2011 der Geschichte angehören.

Man hört, dass dieses Modell bei anderen Bundesländern auf größtes Interesse stößt. Daher soll die bisher geltende Richtlinie, dass für 90 Prozent der Einwohner ein Spital mit Herzkatheter innerhalb von 60 Minuten erreichbar sein soll, vom Bund auf 20 Minuten geändert wird. Damit erspart man sich dann die lästigen Bedarfs- und Kostendiskussionen im Vorfeld.

Dieser Artikel wurde im Juli 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ländliche Polemik in der Spitalsplanung

Rasend war der Zorn der Länder, als von Bundespolitikern Ideen zur Spitalsreform – politisch unprofessionell – ventiliert wurden.

Am lautesten war wohl der für „seine“ Spitäler zuständige NÖ-Finanzlandesrat W. Sobotka. Er erklärte Bundespolitiker zu Dilettanten, denen man Spitalsplanung nicht überlassen darf. Immerhin kennen die ja nicht einmal die Gesetzte, als da wären: 90 Prozent der Bevölkerung müssen innerhalb von 30 Minuten Fahrzeit (Individualverkehr!) ein Spital erreichen können, und für ein Einzugsgebiet von 50 bis 90 Tausend Einwohner ist jedenfalls ein Spital mit Abteilungen für Chirurgie und Innere Medizin vorzuhalten. Damit kann kein Spital geschlossen werden. Das ist natürlich falsch.

Seit Jahren hat der Landesrat eine theoretisch optimierte Standortwahl in der Schublade (oder weggeworfen), die, wenn man es voraussetzungslos darauf anlegte, die Erreichbarkeit mit acht Standorten garantiert; 27 braucht man dazu nicht. Aber vielleicht werden die 30 Minuten mit dem Ochsenkarren und nicht dem Auto berechnet. Und wie schaut es mit den Einzugsgebieten aus? Nicht besser. Neun der 27 Spitäler haben ein Einzugsgebiet unter 50.000 Einwohner. Eine gesetzliche Forderung besteht also nicht.

Ebenso falsch ist, dass NÖ gar nicht „so viele“ Spitäler und Betten hat. Und um das zu belegen, wurde eine „Studie“ angefertigt, derzufolge die Dichte an Spitälern und Betten unter dem Bundes-Schnitt läge. Was (absichtlich?) verschwiegen wird, ist, dass ein Viertel der Niederösterreicher in anderen Bundesländern behandelt werden. Korrekterweise müsste man die Abziehen – und dann ist man wieder auf dem Bundes-Schnitt.

Wenn man genauer schaut, sieht man aber, wie willkürlich Spitalsplanung ist. Während im bevölkerungsreichen nördlichen Industrieviertel die Spitalshäufigkeit niedrig ist, weil die Hälfte der Patienten nach Wien geschickt wird, ist sie in dem mit Spitälern überreich ausgestatteten Mostviertel gleich 14 Prozent über dem Bundes-Schnitt. Ob das damit zu tun hat, dass dort der Wahlkreis des Finanzlandesrates liegt?

Aber mit Polemik ist Niederösterreich nicht alleine – da sind alle Bundesländer gleich. Und überall wird Unterversorgung skandiert, wenn Spitäler schließen. Ein Blick in die EU macht sicher, dass das falsch ist. Werden bei uns pro 100 Einwohner etwa 30 Aufnahmen gezählt, kommt Deutschland, an zweiter Stelle, mit 20, die EU mit 17 aus.

Wäre die Diskussion ehrlich und sachlich, gäbe es keinen Grund, alle Spitäler zu halten. Und damit ja niemand auf eine sachliche Ebene (herab oder hinauf?) steigen kann, hat man den alles stechenden Trumpf gleich am Anfang gezogen: Arbeitsplatzsicherung!

Nicht grundlos betont die WHO seit den 1980er immer wieder, dass aus beschäftigungspolitischen Gründen Spitäler keinesfalls erhalten werden sollten. Es gilt als bewiesen, dass so die Qualität sinkt. Trotzdem halten Landespolitiker fest: zehntausende verlören ihre Arbeit, wenn eine Spitalsreform kommt!

Aber das stimmt auch nicht, denn bei der derzeitigen demographischen Veränderung ist es schlicht unmöglich, auf tausende Arbeitskräfte zu verzichten – die Arbeit ist da und wird nicht weniger. Nur wie und wo sie erbracht wird, das könnte sich ändern.

Und da liegt auch der Grund – welcher Politiker will schon den direkten Einfluss auf tausende Mitarbeiter verlieren. So wie im Mittelalter die Macht eines Fürsten in der Zahl seiner leibeigenen Bauern gewogen wurde, ist es heute die Zahl der Spitalsmitarbeiter. Eine Spitalsreform würde diese Zahl schrumpfen lassen. Und das geht gar nicht.

Dieser Artikel wurde im Juni 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Theorie und Praxis der Hausarztausbildung

Auf dem Papier ist die Ausbildung von Hausärzten gar nicht schlecht. Aber Papier ist geduldig und die Praxis halt ganz anders – auch wenn das einige nicht einsehen wollen.

Die Idee ist bestechend. Da ein Hausarzt ein breites Wissen haben soll, soll er eine breite Ausbildung genießen. Um das zu erreichen, gibt es den Turnus. Das ist eine Zeit, in der Jungärzte, nach dem theoretischen Studium, an möglichst vielen unterschiedlichen Spitalsabteilungen Praxis „lernen“ sollen.

Und so muss man, will man Hausarzt werden, auf einer Abteilung für Innere Medizin mindestens ein Jahr bleiben. Für Chirurgie, Frauen- bzw. Kinderheilkunde sind je zumindest vier, für Neurologie, HNO und Dermatologie jeweils zwei Monate vorgeschrieben; und dann kann man sich zwei weitere Fächer wie Augen, Orthopädie oder Lungenheilkunde aussuchen, da muss man je drei Monate bleiben. Macht zusammen wenigstens drei Jahre, nach denen man ein fertig ausgebildeter Hausarzt sein sollte – theoretisch.

Das Konzept stammt aus der Nachkriegszeit. Damals war es vermutlich zielführend. Das medizinische Wissen betrug, verglichen mit heute nicht einmal ein Hundertstel (!) und die Spezialisierung war noch rudimentär. Es war durchaus möglich, innerhalb von zwei Monaten genug über Neurologie zu lernen, um für den hausärztlichen Alltag gerüstet zu sein. Heute ist das anders. Und nur nebenbei, im internationalen Vergleich dauert die Ausbildung zum Hausarzt bei uns am kürzesten. Alleine das sollte Hinweis genug sein, dass irgendetwas nicht stimmt.

In der täglichen Praxis ist es dann noch viel schlimmer.

Die Medizin ist eben hochkompliziert geworden. Es ist für jede Spitalsabteilung schwierig genug, mit dem medizinischen Forstschritt schritt zu halten. Um das auch nur irgendwie hinzukriegen, muss jeder Abteilungsleiter versuchen, aus seinen fix angestellten Ärzten ein Team zu bilden, damit Aus- und Fortbildung auf alle verteilt wird und Neues möglichst rasch auch von allen in der Praxis gelebt werden kann.

Und dann kommt der Turnusarzt (TA) daher – er wird ein paar Monate bleiben und dann wieder verschwinden. Wie viel Energie wird wohl darauf verschwendet werden (können), ihn wirklich in diesem Team einzubinden? Noch dazu ist das Niveau, das der TA mitbringt, naturgemäß weit von dem entfernt, was tägliche Praxis ist – schließlich ist er ja blutiger Anfänger. Und so ist es meistens (nicht überall!) Usus geworden, das seine Ausbildung halt so „mitläuft“.

Am Ende, und das zeigt die tägliche Praxis, wird für den TA nur die Arbeit übrig bleiben, die die höchste Entlastung für die Kernmannschaft (inklusive dem Pflegepersonal) darstellt – und das sind systemerhaltende Routinearbeiten, die mit Ausbildung nichts zu tun haben – Patienten aufnehmen, Blut abnehmen, Infusionen anhängen, Spritzen geben und Bürokratie erledigen. Und das macht der TA dann an jeder Abteilung, die er durchlaufen muss.

So ist der TA vom Auszubildenden zum Systemerhalter geworden. Und weil der Stundenlohn sogar unter dem einer diplomierten Pflegekraft liegt, gleich auch zu einem billigen. Die Folge davon ist, dass, ähnlich der Zwangsarbeit im Zivildienst, ohne die Rettung oder Alten- und Behindertenbetreuung nicht funktionierte, die Spitäler ohne die Arbeitskraft der TÄ nicht mehr betrieben werden könnten. So ist es auch zu verstehen, dass jene, die eine Spitalsreform für überflüssig halten (vom Gesundheitsminister bis zu den Landeshauptleuten) mit diesem Ausbildungssystem zufrieden sind. Dass einige allerdings öffentlich behaupten, so gut ausgebildete Hausärzte zu produzieren ist schon Chuzpe.

Dieser Artikel wurde im Mai 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die Turnusärzte, ihre Ausbildung und die Spitäler

Die Ärzte-Ausbildung in Österreich dauert weltweit am längsten. Das hat nichts mit Qualität zu tun, sondern nur mit der Möglichkeit, billige Arbeitskräfte zu halten.

Dr. M. war 27, als er mit dem Medizinstudium fertig wurde. Zwischenzeitlich hat er seine Frau fürs Leben gefunden, die Wirtschaft studierte und seit zwei Jahren arbeitete – in Wien. Die beiden wollten heiraten, sobald Ruhe in ihr Leben kehrt.

Zuerst hieß es für ihn jedoch den Turnus machen. Eigentlich wollte er ja gleich Facharzt (FA) für innere Medizin werden, doch um eine Ausbildungsstelle zu kriegen, ist es Usus geworden, diese nur an die zu vergeben, die davor ihre „Ausbildung“ zum Allgemeinmediziner (AM) abgeschlossen haben – er musste also einer von etwa 3.500 Turnusärzten (TÄ) werden, die sich in den Spitälern tummeln.

In Wien hätte er zwei Jahre warten müssen. Das war ihm zu lange, also ging er nach Niederösterreich. Allerdings kriegte er nur Angebote in kleinen Spitälern, wo er weder seine ganze Ausbildung machen konnte, noch reale Chancen hatte, diese in den gesetzlich möglichen drei Jahren zu absolvieren. Er würde mindestens vier Jahre brauchen und mindestens zweimal Spital wechseln. Weil er aber was verdienen konnte, fing er an. Seine Freundin blieb in Wien, sie begannen eine Fernbeziehung.

Fünf Jahre später war er mit der AM-Ausbildung fertig. In was er ausgebildet wurde, kann er nicht sagen. Sicher 80 Prozent seiner Zeit verbrachte er damit, Infusionen anzuhängen, Blut abzunehmen und Arztbriefe zu diktieren. Würde er jetzt Hausarzt werden, er wäre überfordert. Hätte er in Wien gewartet, wäre er ebenfalls jetzt fertig, aber er hätte wenigstens mehr gelernt – es war ein Fehler, in die Provinz zu gehen.

Seine Fernbeziehung ging in die Brüche. 72 Stunden Wochenarbeitszeit, höchstens ein Wochenende pro Monat, das nicht durch einen Dienst „angepatzt“ war, das halten die wenigsten Partner aus und schon gar nicht die, die sich eine Familie wünschen. Hätte er in Wien gewartet, hätte er vielleicht nichts verdient, aber eine Familie gründen können.

Da ihm keine FA-Ausbildung angeboten wurde, begann er sich zu bewerben. Ein Jahr lang suchte er, um festzustellen, dass die Stellen immer „unter der Hand“ vergeben werden. Er war naiv, zu glauben, er könne ohne Beziehungen weiterkommen.

Er ist mittlerweile 33 und Single. Weil er hier keine Perspektive sieht, geht er nach Deutschland und schwört sich, nie mehr zurückzukehren.

Das Ausbildungssystem der Jungmediziner ist alt, krank, menschenverachtend und unattraktiv. Und doch hält man daran fest. Das Gesundheitsministerium glaubt sogar, die Ausbildung sei praxisnah und dürfe aus Qualitätsgründen nicht verändert werden – wie weltfremd!

Oder mutlos? Denn schauen wir an, wer davon profitiert!

Um die vielen Spitäler zu erhalten, brauchen die Länder TÄ. Sie sind billig, und, was wichtiger scheint, müssen, ganz ohne Kündigung und Gewerkschaftswiderstand, am Ende der Ausbildung einfach gehen. Solche Vorteile gibt man nicht auf!

Würden TÄ, wie Wissenschaftsministerin Beatrix Karl vorschlägt, tatsächlich „wegfallen“, könnte es unabwendbar werden, eine Spitalsreform durchzuführen. Und das werden Länder, samt Gesundheitsministerium, zu verhindern suchen.

Ministerin Karl will trotzdem die Ausbildung reformieren. Eigentlich ist das nicht ihr Thema, aber sie hat erkannt, dass, will sie nicht mitverantwortlich sein, wenn sich in Zukunft die meisten Mediziner aus dem öffentlichen Gesundheitssystem oder gar dem Land verabschieden, eine Reform unabwendbar ist. Überaus mutig, bei solchen Gegnern!

Dieser Artikel wurde im Mai 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die Länder als Spitals-Monopolisten

Die Länder bestimmen nicht nur den Preis der Spitalsversorgung, sondern auch, wer und was gut und böse ist – eigentlich eine untragbare Situation, die aber niemand ändern kann.

Herr M. ist gerade aus dem Spital entlassen worden und hat zum Abschied einen Fragebogen erhalten. Er solle doch bitte ausfüllen, wie zufrieden er war. Und weil er erstens, von seinen Schmerzen befreit, glücklich ist und zweitens niemanden, den er vielleicht noch einmal braucht, verärgern will, wird der Fragebogen zur Lobeshymne. Lustig, er wird später im Tag noch einmal befragt, am Telefon und von einer deutschen Stimme, der erzählt er dann schon Genaueres – und anderes.

Aber das macht nichts, weil in dem Bundesland, in dem er behandelt wurde, ohnehin nur der Fragebogen als Wahrheit anerkannt wird. Und da sind die Ergebnisse jedes Jahr beeindruckend; Lob über Lob – ja so wünscht das die Politik; und erhält es.

Dass das möglich ist, hängt mit der Monopolmacht der Länder in der Spitalsversorgung zusammen. Durch diese bestimmt die Landespolitik, was gut und böse, was richtig und falsch ist und auch wo es Veränderungen oder Verbesserungen geben darf, und wie diese auszusehen haben.

Die Macht des Monopols haben sich die Länder selbst gegeben. Kaum jemand weiß, dass Spitäler etwa 30 Prozent Defizit machen „müssen“, einfach deswegen, weil die Honorare für ihre Leistungen nicht kostendeckend sind. Und so muss jedes Spital zur Landespolitik betteln gehen, damit diese die Defizite deckt – das erhöht die Macht. Die Idee, die Gelder dieser „Defizitdeckung“ in die Honorare hineinzurechnen, wird seit Jahren verweigert. Das würde Transparenz und Gerechtigkeit der Mittelverteilung erhöhen, ist aber aus machtpolitischer Sicht undenkbar. Und nebenbei, das Geld, das die Länder gnädig verteilen, holen sie sich beim Bund, nicht bei der eigenen Bevölkerung.

Aber es geht noch weiter. So betreibt in Niederösterreich die Landespolitik bereits alle Spitäler und hat Durchgriff auch auf die kleinsten Entscheidungen – und nützt das auch. Interne Kritiker werden einfach gekündigt und mit einer Art landesweitem Berufsverbot belegt. An zweiter Stelle liegt die Steiermark, in der 84 Prozent der Spitalsbetten direkt dem Land unterstellt sind – auch hier unterbindet die Politik jegliche Vernunft und hat jene, die diese zu laut eingefordert haben, einfach in die Wüste geschickt. Am Ende gibt es gerade einmal drei Bundesländer, die weniger als 70 Prozent „Marktanteil“ haben. So wird Konkurrenz unterbunden und die kurative Kraft des Wettbewerbs erfolgreich verhindert. Und jeder, der innerhalb des Systems steht, der wird darauf hingewiesen, dass Verbesserungsvorschläge ausschließlich aus den Büros der Landespolitik kommen dürfen.

Im Herbst werden die Budget-Grauslichkeiten über uns kommen. Steuererhöhung wird es geben, so viel ist fix. Was die Ausgabenseite betrifft, da herrscht Ideen-Leere. Zwar wissen alle, dass in der Spitalsversorgung ein bis zwei Milliarden Effizienzpotential liegt, aber wer kann Monopolisten befehlen, effizienter zu werden? Und dank der Eradikation interner Kritiker, findet man kaum jemanden, der diese Potentiale darstellen könnte. Also wird es mehr Geld geben um die Unvernunft weiter walten zu lassen – Steuergeld.

Und weil es so ist, kann jedem, der in der Spitalsversorgung weiter arbeiten will nur dringendst empfohlen werden, Süßholz zu raspeln, bis es weh tut, und nur ja keine Verbesserungen zu sehen oder es gar wagen, diese vorzuschlagen. Denn es wird einer Revolution bedürfen, um die Monopolisten zu zerschlagen – doch die zeichnet sich nicht ab.

Dieser Artikel wurde im April 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.