Verantwortungs- und folgenlose Gesundheitspolitik

1969, also vor 44 Jah­ren, hat die WHO kri­ti­siert, dass unser Ge­sund­heits­sys­tem zu wenig „zen­tra­lis­tisch“ ist. Die Bun­des­re­gie­rung, deren Amts­sitz sich in Wien be­fin­det und daher sogar von Re­gie­rungs­mit­glie­dern, wenn sie aus an­de­ren Bun­des­län­dern kom­men, gerne als „die Wie­ner“ ti­tu­liert wird,  hat keine Mög­lich­keit, in die Spi­tals­land­schaft ein­zu­grei­fen, damit Spi­tä­ler Teil eines um­fas­sen­den Pla­nes der Ge­sund­heits­pfle­ge wer­den  – mit will­kür­li­chen und der Qua­li­tät ab­träg­li­chen Fol­gen. Das Spi­tals­pro­blem ist also alles an­de­re als neu oder un­be­kannt.

Seit­her wurde enorm viel un­ter­nom­men, um diese Will­kür ein­zu­fan­gen.

Wei­ter­le­sen „Ver­ant­wor­tungs- und fol­gen­lo­se Ge­sund­heits­po­li­tik“

Outlaws der Gesundheitspolitik

Ge­setz­te sind dazu da, sie zu be­fol­gen oder zu über­tre­ten – oder, wenn man sie selbst macht, ein­fach zu igno­rie­ren.

Wer falsch parkt, kriegt einen Straf­zet­tel – man hat ein Ge­setz über­tre­ten. Das ist nor­mal, für die meis­ten je­den­falls.

Gehen wir zu­rück ins Jahr 2000. Das Jahr war in der Ge­sund­heits­po­li­tik be­son­ders. Nach lan­gen Ver­hand­lun­gen haben sich die hohen Po­li­ti­ker der Län­der und des Bun­des ge­ei­nigt, die Ge­sund­heits­pla­nung kom­plett neu zu ge­stal­tet.

Bis dahin gab es den Ös­ter­rei­chi­schen Kran­ken­an­stal­ten Plan (ÖKAP). Darin ent­hal­ten waren alle Kran­ken­häu­ser mit einer fi­xier­ten An­zahl an Bet­ten. Die Zahl wurde ei­ner­seits wis­sen­schaft­lich er­rech­net, an­de­rer­seits po­li­tisch ver­han­delt. Ziel war es, die sta­tio­nä­re Ver­sor­gung – und aus­schließ­lich diese – in einen ver­nünf­ti­gen Rah­men zu brin­gen. Nun gut, um die Wahr­heit zu sagen, an den ÖKAP hat sich so­wie­so nie­mand ge­hal­ten. Jedes Bun­des­land, ja bei­nah jedes ein­zel­ne Kran­ken­haus, hat trotz­dem ge­macht was es woll­te – meist wider die Ver­nunft. Und wenn was nicht ÖKAP-kon­form war, dann hat man die Po­li­tik los­ge­schickt, um den ÖKAP um­schrei­ben zu las­sen. Ein­mal wurde der ÖKAP sogar eva­lu­iert. Das Er­geb­nis war so de­sas­trös, dass man sich hin­ter ver­schlos­se­nen Türen ge­ei­nigt hat, ein­fach so zu tun, als ob es das gar nicht gäbe – muss ja kei­ner wis­sen, dass man sich an die ei­ge­nen Pläne nicht hält.

Aber ab 2000 wird alles an­ders. Ein ent­schei­den­der Pa­ra­dig­men­wech­sel in der Ge­sund­heits­pla­nung ist ein­ge­lei­tet wor­den: Die her­kömm­li­che Pla­nung wird durch eine ge­mein­sa­me, ein­heit­li­che, auf der be­darfs­ori­en­tier­ten Leis­tungs­an­ge­bots­pla­nung ba­sie­ren­de Rah­men­pla­nung aller Teil­be­rei­che ab­ge­löst. Die Pla­nung um­fasst so die sta­tio­nä­re UND am­bu­lan­te Ver­sor­gung, die Re­ha­bi­li­ta­ti­on und sogar ein biss­chen die Pfle­ge. Sie plant auch nicht mehr Bet­ten, son­dern soll vom Pa­ti­en­ten aus­ge­hend jene Leis­tun­gen pla­nen, die man braucht, um eine gute Ver­sor­gung zu er­rei­chen. Die Leis­tun­gen selbst dür­fen nur er­bracht wer­den, wenn man dafür auch be­stimm­te Qua­li­täts­kri­te­ri­en er­fül­len kann. Somit soll die Pla­nung erst­mals das ge­sam­te Ge­sund­heits­we­sen quan­ti­ta­tiv und qua­li­ta­tiv um­fas­sen.

Un­zäh­li­ge Ar­beit­grup­pen haben ge­tagt und Pro­jek­te wur­den ge­star­tet. In einem fünf­jäh­ri­gen Pro­zess, der so zwei, drei Mil­lio­nen Euro ge­kos­tet haben dürf­te, wurde der Ös­ter­rei­chi­sche Struk­tur­plan Ge­sund­heit (ÖSG) ent­wi­ckelt. In der End­pha­se – so ab Mitte 2005 – jagt eine Sit­zung die an­de­re. Die Po­li­tik – ob­wohl in den ge­sam­ten Pro­zess ein­ge­bun­den – hat am Ende noch jede Menge Än­de­rungs­wün­sche parat und oft auch wider jede Ver­nunft durch­ge­setzt. Wie auch immer, mit gro­ßem Pomp wurde die Ge­sund­heits­re­form 2005 be­schlos­sen und als gro­ßer Wurf ver­kauft. Jedes Bun­des­land hat in sei­nen Lan­des­ge­set­zen fest­ge­legt, das der ÖSG gel­ten­des Recht ist.

Heute, 2008, schaut man nach, was denn um­ge­setzt wurde. Und sieh da, kaum etwas. Ob­wohl Ge­setz, ist die Pla­nung der Teil­be­rei­che nicht auf­ein­an­der ab­ge­stimmt; Län­der ma­chen wei­ter die Kran­ken­häu­ser, die Kas­sen die nie­der­ge­las­se­nen Ärzte, der Haupt­ver­band die Re­ha­bi­li­ta­ti­on und die Pfle­ge – naja, dar­über ein Wort zu ver­lie­ren ist un­nö­tig. Qua­li­täts­kri­te­ri­en, eben­falls Ge­setz, wer­den nicht ein­ge­hal­ten. Oder ken­nen Sie Kran­ken­häu­ser bzw. Ab­tei­lun­gen, die, weil sie die zur Auf­recht­er­hal­tung der Qua­li­tät nö­ti­gen Fall­zah­len – z.B. bei Ge­bur­ten – nicht er­reich­ten, ge­schlos­sen wur­den?

So endet wie­der ein Ka­pi­tel. Und wir har­ren dem nächs­ten Ge­sund­heits­re­form-Ge­setz, das auch wie­der nicht um­ge­setzt wird – Ge­set­ze gel­ten halt nur für Park­sün­der.

Die­ser Ar­ti­kel wurde im Sep­tem­ber 2008 in ähn­li­cher Form in der Wie­ner Zei­tung ver­öf­fent­licht.