Mehr MedUnis braucht das Land – viel mehr

   Auf den ersten Blick ist nicht klar, was da passiert. Denn Österreichs MedUnis bilden, bezogen auf die Einwohner, die meisten Mediziner in Europa aus.

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Es sieht zwar in den offiziellen OECD-Statistiken so aus, als ob die Zahl der Absolventen sinke, das ist aber nur darauf zurückzuführen, dass dort nur Inländer der öffentlichen Universitäten zählen. So was macht halt sonst keiner. Aber selbst mit dieser Einschränkung kommen wir auf 13,4 Absolventen pro 100.000 Einwohner und liegen damit über dem EU-Schnitt (12,7). Zählen wir die Ausländer dazu, steigt die Zahl auf etwa 18; zählt man noch Privatunis und die neue MedUni in Linz dazu, sind es demnächst 22 Absolventen pro 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Deutschland sind es aktuell gerade einmal 11.

   Setzt man die Zahl der inländischen Absolventen in Relation zu den inländischen Turnusärzten, dann ist es erstaunlich, dass im 15-Jahres-Schnitt 90 Prozent von ihnen nicht auswandern oder der Medizin den Rücken kehren, sondern hierbleiben und als Ärzte arbeiten. Und auch die Ausländer wandern immer seltener ab. So genau wissen wir das zwar nicht, da aber deren Plätze begrenzt sind, sollten pro Jahr etwa 300 Ausländer hier promovieren. Und siehe da: 150 bis 200 bleiben. Es ist also keine Massenemigration zu sehen und schon gar nicht die immer wieder genannten ominösen 40 Prozent. Und weil sogar ausländische Absolventen immigrieren, kommt am Ende ein Nullsummenspiel heraus.

   Vielleicht brauchen wir trotzdem mehr Absolventen, weil so viele Hausärzte in Pension gehen? Betrachtet man aber die Allgemeinmediziner mit eigener Ordination, findet man tausende außerhalb des Kassensystems, vor allem bei den unter 50-Jährigen. Die wollen offenbar keine Kassenärzte werden. Würden mehr Absolventen nicht einfach die Zahl der Wahlärzte vergrößern? Warum also wird eine Verdoppelung der Studienplätze gefordert, um dem „Hausärztemangel“ zu begegnen?

   Einmal abgesehen davon, dass frühestens 2035 mit fertigen Ärzten aus den neuen Unis zu rechnen ist – also dann, wenn die so bedrohlich aufgeputschte Pensionierungswelle längst verebbt sein wird –, muss es doch was anderes geben, was Politiker antreibt. Warum also?

   7546 oder 40 Prozent aller österreichischen AHS-Maturanten nahmen am Medizinaufnahmetest teil, nur 1260 erhielten einen Studienplatz. Daher sind etwa 13.000 Eltern und sicher noch einmal so viele Großeltern enttäuscht. Was machen die jetzt? Sie wenden sich an Bürgermeister oder Landehauptleute und jammern – von wegen Ärztemangel etc. – und so kommen rund um die Zusendung der Testergebnisse Mitte September endlose Telefonate zustande, die dann in einer politischen Reaktion münden: 2016 forderte Norbert Darabos „nur“ 1000 zusätzliche Plätze, diesmal will Johanna Mikl-Leitner gleich 1700 Plätze.

   Meist vergeht das vorbei, diesmal aber sind wahlwerbende Bundespolitiker in den Ring gestiegen. Und das heißt wohl, dass es demnächst neue MedUnis geben wird. Egal, was die Fakten sagen.

„Wiener Zeitung“ vom 26.09.2019 

Der Ärztemangel in Zahlen

(Lesezeit 7 Minuten) Es ist irgendwie völlig absurd. Wegen einer angeblichen Pensionierungswelle* und dem EU-Arbeitzeitgesetzt droht also ein Ärztemangel, der aus einem aktuellen Absolventenmangel hervorgehen wird, den auch die EU verursacht hat.

Das weiß Minister a.D. und amtierender Landesgesundheits-Referent des Burgenlandes N. Darabos  und fordert 1.000 zusätzliche Studienplätze für Medizin. Und das bitte umgehend, wie die amtierende Kärntner Landesgesundheits-Referentin B. Prettner konstatiert: „das Festhalten an der derzeitigen Studienplatzbeschränkung führt schrittweise und unausweichlich zu einem Engpass an Medizinern.“

Wie nicht anders zu erwarten, applaudieren alle Landesfürsten, wissen Sie doch, dass das eh alles der Bund zahlen muss. Und um ein Gefühl zu kriegen, was 1.000 zusätzliche Studienplätze bedeuten: Wien und Graz gemeinsam kommen etwa auf 1.000 Studienplätze – also müssten wir, wollten wir das realisieren, umgehend in jedem Bundesland eine eigene MedUni errichten – ein sehnlicher Wunsch aller Landesfürsten rückt zum Greifen nah!

Im Hintergrund laufen zwei Diskussionen

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Medizin-Universität in Linz? – Nein

OÖ macht es nervös, dass trotz landeshauptmännlichem und ärztekämmerlichem Wunsch ihre MedUni Linz vom Wien keine Genehmigung kriegt.

Jetzt werden andere Register gezogen. Über eine Zeitung werden Unterschriften gesammelt. Natürlich wird nicht argumentiert, dass die MedUni dazu da sein soll, frisches Geld in die Spiäler zu spülen (Uni-Spitäler müssen vom Bund mit Millionen subventioniert werden), auch keine Erwähnung, dass die Ärztekammern mit ihrem Pensionssystem (Wohlfahrtsfonds) Probleme kriegen, wenn die Zahl der Ärzte, nicht, wie in den letzten Jahrzehnten, weiter um 900 [protected](Ärztebedarf Details)[/protected] pro Jahr wächst (was dazu führte, dass wir pro Kopf die meisten Ärzte der Welt haben), und auch der Prestigegewinn ist kein Thema; nein, die Bevölkerung muss anders mobilisiert werden: Unterversorgung wegen Ärztemangel. Das macht Angst, damit werden Menschen getrieben, ihre Unterschrift zu leisten, mit der man dann in „Wien“ Druck machen will.

Unterlegt wird alles mit Zahlen: So bräuchte es jährlich 1.600 [protected](Ärztebedarf Details)[/protected] Jungmediziner, um, wegen der Pensionierungswelle, einen Ärztemangel zu verhindern. Um das zu erreichen wären wenigstens 2.000 Studienplätze (fast doppelt so viele wie heute) nötig (die Studie ist übrigens online nicht mehr abrufbar). Und, man kann den Mangel schon spüren, weil Kassenstellen kaum nachzubesetzen und Turnusärzte schwer zu finden sind.

Bei den Zahlen reflektiert man meist auf eine Studie von Leo Chini, die im Auftrag der Ärztekammer gemacht wurde, um Perspektiven der Wohlfahrtsfonds zu erörtern. Als ernstzunehmende Arztbedarfsstudie, war sie nie gedacht.

Solche führt freilich das ÖBIG seit Jahrzehnten durch – und stets kam eine Ärzteschwemme heraus. Ein Beispiel: bereits 1995 wurde voraussagte, dass es wegen zu hoher Ausbildungskapazitäten zu einem Anschwellen des Wahlarztsektors kommen wird: Die Voraussage für 2006 betrug damals 11,300, geworden sind es 10.900 (!)

Übrigens hat jetzt auch die WHO in einer EU-weiten Studie festgestellt, dass nichts auf einen Mangel hindeute.

Wer sich selbst ein Bild machen will, soll offizielle Statistiken überdenken. In Spitälern oder mit Kassenvertrag arbeiten hierzulande etwa 33.000 Ärzte, in Deutschland etwa 320.000. Aber, bei uns kommen dann noch 12.000 Wahlärzte dazu, die es dort nicht gibt. Wir haben (relativ) also 25% mehr Ärzte als Deutschland – Wahlärzte.

Um das nicht argumentieren zu müssen, wird offiziell einfach angenommen, dass Wahlärzte höchstens zu 5% das System entlasten – was nichts anderes heißt, Wahlärzte sind für die Versorgung unwichtig; aber für die Arztbedarfsrechnung, die unbedingt einen Mangel ergeben muss, sind sie es schon.

Objektiv gibt es keinen Mangel und wird es keinen geben. Nichtsdestotrotz gibt es Mangelerscheinungen. Es wird wirklich schwieriger Kassenstellen nachzubesetzen und Turnusärzte zu finden. Aber das liegt nicht daran, dass es zu wenig Ärzte gäbe oder zu wenig Absolventen. Nein, es wird immer schwieriger, Ärzte zu finden, die bereit sind, für das öffentliche System zu arbeiten – einfach weil es, gerade für Jungärzte, zunehmend unattraktiv wird.

Kann man solche Mangelerscheinungen mit mehr Absolventen lösen? Natürlich nicht. Um diese Mängel zu beheben, müssen wir über die Ausbildungs- und Arbeitssituation, Anreizsysteme und Zukunftsperspektiven der Ärzte reden – nicht über mehr Studenten; die würden die Situation nur verschlimmern.

Und trotzdem, jetzt, wo das Land die sicher nicht ausreichend aufgeklärte Bevölkerung mit Angstargumenten mobilisiert, kann garantiert werden, dass knapp vor der nächsten Wahl der Bund in die Knie geht und Linz sein Uni kriegt.

(ebenfalls in leicht geänderter Form in „Wiener Zeitung“ veröffentlicht)

Wahlärzte und Ärztemangel

Seit wenigstens 15 Jahren versuchen Experten vergeblich zu erklären, dass es auch hierzulande nötig ist, sich ernsthafte Gedanken über den Ärztebedarf zu machen.

Jetzt arbeiten auch wieder Gruppen, um herauszufinden, wie viele Uni-Plätze das Land braucht, um Ärztemangel zu vermeiden. Allerdings, und das zeigt bereits die Diktion der arbeitenden („am Endbericht wird gefeilt“, „man sei sich noch nie so nahe gekommen“ etc), geht es weniger um realitätsnahe Schätzungen, sondern um Verhandlungen der Eigeninteressen. Und diese sind krass widersprüchlich.

Gefeilscht wird über die Wahlärzte. Diese, in Europa einzigartige, Spezies, die im öffentlichen Gesundheitssystem arbeitet, ohne richtig dazu zu gehören, sind eine tolle Verhandlungsmasse: Wie soll man deren Versorgungswirksamkeit bewerten? Immerhin ist ein Viertel (über 10.000!) aller Ärzte dieser Spezies zuordenbar. Und je nachdem, wie wichtig sie für die Versorgung angenommen werden, umso mehr Uni-Plätze braucht man.

Die Ärztekammer ist der Meinung, alle Wahlärzte sind notwendig. In einer eigenen Studie geht sie noch weiter: zukünftig wäre pro 180 Einwohner ein Arzt nötig. Zum Vergleich, aktuell sind es etwa 210, in Deutschland gar nur 260. Ärztemangel und Unterversorgung wären nur abwendbar, wenn wir sofort hundert Ärzte mehr pro Jahr ausbilden.

Der eigentliche Hintergrund – unsere Ärztedichte ist mit Abstand die Höchste in der EU – dürfte sein, dass das Ärztepensionssystem (Wohlfahrtsfonds) pleite geht, wenn nicht rasch frische Zahler ins Pflichtsystem gespült werden. Bester Weg wäre, die Ausbildungskapazitäten (vor allem neue Unis in diversen Bundesländern, die neben Prestige auch frisches Geld aus „Wien“ versprechen; es ist lustig wenn man die Grätschen des Wissenschaftsministeriums zwischen EU-Quotenregelung für Studenten und diesen ländlichen Begehrlichkeiten beobachtet) auszubauen.

Aber, da gibt es halt das Problem mit den Kassen. Diese sind verpflichtet, jedem Versicherten ausreichend Kassenärzte zur Verfügung zu stellen. Wenn wirklich die Wahlärzte für die Versorgung nötigt sind, dann müsste die Zahl der Kassenverträge seit langem und in Zukunft noch deutlicher steigen. Tut sie aber nicht. Seit 1995 bleibt die Zahl gleich. Die Kassen gehen davon aus, dass Wahlärzte nicht oder nur sehr gering nötig sind und setzen deren Versorgungswirksamkeit mit wenigen Prozent eines Kassenarztes an. Daher müsse für diese keine Ausbildungskapazität geschaffen werden.

Hier ist die Ärztekammer übrigens im Dilemma: Einerseits sollen die Kassenkuchenstücke nicht durch mehr Kassenärzte kleiner werden, andererseits braucht es eben mehr Ärzte für das Pensionssystem – logischer und altbekannter Schluss, den alle lieben: „MEHR GELD!“

Und dann gibt es, wie üblich, noch die Länder im Spiel. Die sind, neben den oben erwähnten Wünschen rund um den Ausbau der Universitäten, interessiert, dass genug Jungärzte als billig Arbeiter zur Verfügung stehen. Die Unis müssen jährlich mehr als 1.100 Absolventen für den „österreichischen Markt“ liefern, damit Turnusärzte nicht auf die Idee kommen, sie könnten ihre Situation (mehr Ausbildung und weniger Schreib- und nichtärztliche Routinearbeit) durch eine stärkere Verhandlungsposition verbessern.

Und so verhandeln die staatlichen Lobbyisten um die Wahlärzte, denn dort ist der Hebel, wie man jede gewünschte Zahl erreichen kann. Und, das kann ich heute schon sagen, werden diese, unabhängig der Realität, genau so bewertet werden, dass möglichst alle Interessen befriedet werden. Nur halt nicht die derjenigen, die nicht mitverhandeln durften.

Dieser Artikel wurde im August 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wir brauchen mehr Medizin-Universitäten

Wenn Jungmediziner wegen schlechter Arbeits- und Ausbildungsbedingungen ins Ausland gehen, dann produzieren wir halt mehr! Problem gelöst!

Petra S. ist alleinerziehende Mutter eines Dreijährigen und seit einem Jahr in einem Wiener Spital in der Ausbildung zur Ärztin für Allgemeinmedizin, auch Turnus genannt. Ausbildung ist allerdings zu viel gesagt, denn ihre Hauptaufgaben sind nach wie vor Blut abnehmen, Infusionen anhängen und Papierkram erledigen. Die Hälfte ihrer Arbeitszeit, die bis zu 80 Wochen-Stunden ausmacht, wird sie alles andere als ausgebildet. Ausgenützt trifft es eher.

Auf die Tatsache, dass sie alleinerziehend ist, wird keine Rücksicht genommen. Eine Teilzeitausbildung, in manchem Bundesland möglich, gibt es beim Wiener Krankenanstaltenverbund, immerhin der größte Ausbildner Österreichs, nicht. Apropos Teilzeitturnus: bis zu 40 Wochen-Stunden (Teilzeit?) bei nur einem Drittel des Gehalts einer Vollzeitkraft – verdienen kann man nur mit Nachtdiensten, die aber bei Teilzeit seltener sind.

Petra S. hatte letzten Samstag Dienst, 24 Stunden am Stück. Da ihre Kollegin (auch Mutter), die sie am Sonntag ablösen hätte sollen, akut erkrankt war, und Petra S. kurzfristig keinen Ersatz für die erkrankte Kollegin finden konnte (ja, auch das ist Aufgabe der Turnusärzte!), musste sie bis Montag bleiben.

Als sie dann nach 48 Stunden Dienst, von denen sie insgesamt sechs Stunden geruht hatte, nach Hause kam, den Babysitter mit dem gerade verdienten Geld bezahlt hatte und vor dem Abholen ihres Sohnes vom Kindergarten noch ein bisschen Nachrichten lesen wollte, erfuhr sie auf orf.at, dass Gesundheitsminister Alois Stöger die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Ärzten in Österreich für gut befindet. Und lachte schallend.

Langsam aber sicher, finden Spitäler immer schwieriger Turnusärzte und auch fertig ausgebildete Ärzte wollen immer seltener im öffentlichen System bleiben. Ein Ärztemangel wird diagnostiziert. Und der soll sich verschlimmern, zum Beispiel wegen einer Pensionierungswelle. Ein weiterer Grund ist die zunehmende Verweiblichung der Medizin. Viele Ärztinnen (zwei Drittel aller Turnusärzte) kehren noch während ihrer Ausbildung aufgrund der schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Medizin für immer den Rücken.

Und, da nicht nur die Arbeits- sondern auch die Ausbildungsbedingungen schlecht sind, sind immer mehr Uni-Absolventen bereit, ins Ausland zu gehen. Auch wenn dort sicher nicht Milch und Honig fließen, werden Jungärzte deutlich weniger für ausbildungsirrelevante Tätigkeiten herangezogen und die Ausbildung ist verglichen mit hier in der halben Zeit absolviert.

Sind nun mehr Studienplätze die Lösung? Natürlich! Je mehr Absolventen, desto mehr drängen auf den Arbeitsmarkt. Und wenn dann einige Jungmediziner nicht bereit sind, sich versklaven zu lassen und ins Ausland desertieren, bleiben doch genug übrig, die ihre Heimat nicht verlassen und sich ein österreichisches Ärzteleben antun. Und die sind dann, wie auch schon in der Vergangenheit, glücklich, wenn sie einen Job haben und lassen sich weiter auspressen wie Zitronen. Sie werden weiterhin Blutabnehmen und Infusionen anhängen, obwohl das, wie in anderen Ländern auch, Aufgaben anderer Berufsgruppen, sein sollten. Sie werden es sich auch gefallen lassen, wenn trotz steigender Arbeitsbelastung beim ärztlichen Personal gespart wird, ohne delegierbare Arbeit an nicht-ärztliches Personal umzuschichten.

Und es wird weiter alleinerziehende Mütter geben, die 48 Stunden am Stück arbeiten – und das ganz freiwillig. Wenn Jungmediziner wegen schlechter Arbeits- und Ausbildungsbedingungen ins Ausland gehen, dann produzieren wir halt mehr! Problem gelöst!

Dieser Artikel wurde im Februar 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Enten aus der Gesundheitspolitik

Um eine sommerliche Debatte anzuregen, könnte man doch ein paar gänzlich frei erfundene Gerüchte ausstreuen – echte und bewusste Zeitungsenten eben.

Österreich ist mit Spitälern unterversorgt: Entgegen landläufiger Meinung, wir hätten zu viele Spitäler, gibt es tatsächlich zu wenige. Die Vorgaben im Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (Bundesgesetz) verlangen für 50.000 bis 90.000 Einwohner eine Standardkrankenanstalt (also die einfachste Spitalsvariante mit wenigstens Innerer Medizin und Chirurgie).

Da aber ein Drittel der Spitäler ein größeres Einzugsgebiet als selbst die Obergrenze von 90.000 hat, besteht, bei entsprechender Lesart des Gesetzes, in vielen Regionen eine Unterversorgung. So hat beispielsweise das Spital in Mödling ein Einzugsgebiet von 188.000 Einwohnern. Es fehlen hier also gleich zwei ganz neue, zusätzliche Spitäler. Es ist dringend an der Zeit, dass die Politik reagiert und gesetzeskonform neue Spitäler errichtet.

Angeblich arbeitet die Landeshauptleute-Konferenz unter Vorsitz Niederösterreichs, das zu jenen Ländern zählt, die die meisten unterversorgten Regionen aufweist, an einer entsprechenden Forderung; eine Art Spitalsrettungstopf soll Bundesgelder (also unsere Steuern) freimachen, um endlich den vom Gesetz vorgegebenen Spitalsausbau zu finanzieren. Dabei soll es reichen, wenn der Bund das Geld gibt, bauen könne man dann selbst.

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Die MedUni-Innsbruck übersiedelt: Gemäß dem oben genannten Gesetz haben Bundesländer mit mehr als einer Million Einwohner wenigstens ein Zentralspital (also ein Spital der Maximalvariante, das alles, aber auch wirklich alles hat) vorzuhalten. Medizinische Unis müssen jedenfalls solche Maximal-Spitäler sein.

Da Tirol nur etwa 700.000 Einwohner hat, sind sie nicht verpflichtet, ein Zentralspital vorzuhalten, da in Innsbruck aber eine Universität steht, verfügt das Land trotzdem über eines. Angeblich ist das aber zu teuer, deswegen wollen die Tiroler viel Geld vom Bund (unsere Steuern).

Aber auch aus der Steiermark ist zu hören, dass man eigentlich nicht sehr glücklich ist, eine Uni zu haben. Im Gegensatz dazu haben weder Ober- noch Niederösterreich eigene Unis; wollen aber gerne welche haben.

Unbestätigten Gerüchten zufolge arbeitet jetzt eine geheimste Arbeitsgruppe daran, neue MedUni-Standorte zu suchen. So soll die Uni-Innsbruck nach Linz und die Uni-Graz entweder nach Wiener Neustadt (wegen dem MedAustron) oder aber nach St. Pölten übersiedeln. Die fallweise ebenfalls genannte Stadt Krems dürfte eher Außenseiterchancen haben.

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Oberösterreich bald ohne Herzinfarkt-Opfer: Dank der vielen neuen Einrichtungen kann ab 2011 so gut wie jeder Oberösterreicher innerhalb von 20 Minuten bequem mit dem eigenen Auto zum nächsten Spital mit Herzkatheter fahren, um sein Herz untersuchen zu lassen. Und da es dann auch ausreichend Kapazitäten gibt, um drei bis vier Millionen Menschen zu versorgen, sollte es kein Problem sein, jeden, der auch nur ein leichtes Druckgefühl in der Brust verspürt, einer Koronarangiographie zu unterziehen. Damit dürfte der Herzinfarkt in Oberösterreich ab 2011 der Geschichte angehören.

Man hört, dass dieses Modell bei anderen Bundesländern auf größtes Interesse stößt. Daher soll die bisher geltende Richtlinie, dass für 90 Prozent der Einwohner ein Spital mit Herzkatheter innerhalb von 60 Minuten erreichbar sein soll, vom Bund auf 20 Minuten geändert wird. Damit erspart man sich dann die lästigen Bedarfs- und Kostendiskussionen im Vorfeld.

Dieser Artikel wurde im Juli 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Turnusärzte – das Leiden geht weiter!

Ein drohender Ärztemangel ist ein hervorragendes Thema um Interessen durchzusetzen – hoffentlich fallen nicht alle darauf rein.

Die Linzer wünschen sich dringend eine eigene Med-Uni, denn ein Ärztemangel droht, der nur mit einer solchen zu beheben ist. Und anhand einiger Indikatoren meint man den Mangel zu sehen. Kassenstellen sind immer schwerer nachzubesetzen und selbst in Spitälern wird es schwerer, Ärzte zu finden – vor allem in kleinen Landspitälern. Alles deutet auf eine Mangel hin, der größer werden soll, weil eine Pensionierungswelle durch den Kassenbereich gehen wird. Doch ist der Mangel real?

Beginnen wir mit den OECD-Zahlen. Dort liegen wir, was die Zahl der Ärzte betrifft, an sechster Stelle (von 31) und haben sieben Prozent mehr (!) Ärzte als Deutschland, das Mangelerscheinungen hat. Genauer geschaut, rechnen die Deutschen (OECD-konform) auch ihre Ärzte in Ausbildung mit, die wir weglassen. Zählt man die dazu, haben wir 30 (!) Prozent mehr Ärzte als die Deutschen – und trotzdem einen Mangel?

Natürlich nicht, im Gegenteil, eine Schwemme. Nur: Unsere Ärzte wollen immer weniger im System arbeiten und suchen (freiwillig?), sich außerhalb zu verwirklichen – als Wahlärzte!

Bei den Hausärzten drohe der größte Mangel, sagt man. Und das stimmt, aber nicht weil wir zu wenige Ärzte haben. Dass sich Turnusärzte am Ende der heutigen Ausbildung nicht trauen, Kassenhausärzte zu werden, ist verständlich. Überall hat man erkannt, dass der Hausarzt als Facharzt ausgebildet werden muss; es reicht keinesfalls, ihn im Spital Blut abnehmen und Spritzen geben zu lassen. Doch gibt es hierzulande so einen Facharzt? Nein. Glaubt man Gerüchten, dann ist sogar die Arbeitsgruppe, die seit Jahren tagt um diesen einzuführen, vertagt. Und warum? Weil die Länder billige Turnusärzte brauchen, um die vielen unnötigen Spitäler betreiben zu können. Würden Turnusärzte zum Facharzt ausgebildet, dann gäbe es viel weniger als heute. Die Länder wären gezwungen, Ärzte zu höheren Gehältern fix aufzunehmen – was sie sich nicht leisten wollen.

Kommen wir zu Pensionierungswelle. Seit 1995 ist die Zahl der Kassenärzte (obwohl die Arbeit mehr wurde) gleich geblieben. Und weil davor die Zahl gestiegen ist, kommt es jetzt zu einer scheinbar mangeltreibenden Pensionierungswelle. Da aber in der gleichen Zeit kontinuierlich etwa 900 Ärzte jährlich zu arbeiten begonnen haben, gibt es genügend Ärzte –

nur eben nicht Kassenärzte, weil es keine Stellen gab. Und so stehen den etwa 8.000 Kassenstellen aktuell 10.000 Wahlärzte gegenüber, die, wenn es attraktiv genug wäre, auch wieder ins Kassensystem zurückkehren.

Also warum wird der Ärztemangel beschworen?

Da sind einerseits die Ärztekammer und deren eigenes Pensionssystem. Analog dem öffentlichen wurde es auf einem Generationenvertrag errichtet, das nur funktioniert, wenn die „Alterspyramide“ eine Pyramide bleibt, also immer mehr Ärzte hinten nachkommen – bis quasi alle Österreicher Ärzte sind. Passiert das nicht, dann wird es schmerzhafte Einschnitte bei den Ärzte-Pensionen geben müssen – das gilt es zu verhindern.

Die zweite Interessenslage betrifft die nun auftretenden Finanzierungsschwierigkeiten in Oberösterreich. Die (rote) Stadt Linz braucht Geld, um ihr Prestige-Spital zu finanzieren. Das (schwarze) Land will dieses Geld nicht hergeben. Ergo braucht es neue Quellen – den Bund. Hätte nämlich Linz eine Med-Uni, dann müsste der Bund die Spitäler mitfinanzieren – und das Problem wäre gelöst!

An die Turnusärzte und deren Zukunft denkt dabei keiner.

Dieser Artikel wurde im März 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Arme Universitäten – ehrlich!

Über die fortschreitende Aushöhlung der medizinischen Universitäten durch immer mehr Patienten – zum Wohle der Länder, zum Weh von Österreich!

Wer in Wien, Graz oder Innsbruck lebt, geht, wenn er ein Spital braucht, gerne in die Universitätskliniken. Dort, so der landläufige Verdacht, wird wirklich Spitzenmedizin betrieben. Kaum jemand weiß allerdings um die komplizierten Verhältnisse, die darin herrschen.

Die Spitäler Steiermarks, Tirols und Wiens – die drei Bundesländer mit öffentlichen medizinischen Universitäten – kosten zusammen etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr. 450 Millionen davon werden allerdings nicht durch die Länder bezahlt, sondern von den Universitäten selbst, die dafür vom Bund Geld kriegen. Das Bundesgeld – und es ist im internationalen Vergleich sehr viel – soll dazu dienen, die „Mehr“-Kosten, die durch Forschung und Ausbildung von Medizinstudenten entstehen, abzugelten.

Wie in jedem Spital, arbeiten auch in Uni-Kliniken Ärzte, Pflege-, Verwaltungspersonal etc. Allerdings, die Ärzte stehen auf dem Lohnzettel der Universität, alle anderen auf dem des „gastgebenden“ Landes. Die Sachkosten teilen sich auch beide. Und zwar zahlt das Land etwa 80 Prozent, den Rest die Uni. Seit vielen Jahrzehnten gibt es um diese Aufteilung Streitereien.

Seit einigen Jahren, was wohl nicht zufällig mit den größer werdenden Finanzproblemen der Länder zusammenhängt, werden immer mehr Patienten durch die Uni-Kliniken „geschleust“. Pro Arzt und Jahr werden mittlerweile ca. 180 stationäre Patienten behandelt (Graz: 130, Innsbruck: 210, Wien: 175). Zum Vergleich, in den größten Spitälern, die keine Universität sind, sind es 235.

Nun, das schaut auf den ersten Blick doch so aus, als ob die Unis über Reserven für Forschung und Lehre verfügen. Aber ist das so? Ein Blick in Nachbarländer bringt Klarheit. In der Schweiz werden pro Arzt 96, in Deutschland gar nur 60 Patienten behandelt. Da bleibt Zeit für international herzeigbare Forschung und qualitativ hochstehende Studenten- Ausbildung – die eigentlichen Aufgaben der Universitäten. Bei uns wird diese Zeit wohl knapp, insbesondere in der Forschung. Kein Wunder also, dass immer weniger gute Forscher hier bleiben wollen!

Um diese Situation zu verbessern, ist es natürlich verlockend, gleich nach mehr Uni-Ärzten zu schreien. Doch an der Anzahl liegt es nicht. In der Schweiz gibt es pro 100.000 Einwohner 25,1, bei uns 25,6 Uni-Ärzte. Deutschland, das ein praxisorientiertes Ausbildungssystem hat (es gibt keinen Turnus, diese Ausbildungsschritte sind in das Studium integriert), verfügt über 32. Dass unsere Uni-Ärzte so viele Patienten behandeln, liegt also nicht an einer „Unterausstattung“, sondern schlicht an einer Überlastung mit „Routine-Fällen“, die an einer Uni eigentlich nichts zu suchen haben.

Verantwortlich dafür sind die Länder, die, zwar an Bundesgeldern und dem Prestige einer Uni, nicht aber an Forschung und Lehre interessiert sind. Und so werden diese einfach als „Routinehäuser“ eingeplant. Bei der lautstark geforderten Linzer MedUni vermute ich die gleichen Gründe.

Es ist zu vermuten, dass bei immer leereren Kassen die Routine weiter steigt. Allerdings verlieren wir damit Generationen an guten Wissenschaftlern. Denn warum soll ein junger Forscher (junge Uni-Ärzte verdienen einen Spot und haben nur befristete Verträge; lediglich alte Professoren verdienen gut und sind zudem „leistungsfördernd“ pragmatisiert) an der Uni bleiben, wenn er doch nur Routine macht? Mit der kann er außerhalb der Universitätsmauern mehr und sicherer Geld verdienen.

Dieser Artikel wurde im August 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.