Gesundheitspolitische Konsequenzen der Wahlen

      1969, also vor 44 Jahren, hat die WHO kritisiert, dass unser Gesundheitssystem zu wenig „zentralistisch“ ist.

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   Die Bundesregierung (gerne als „die Wiener“ tituliert) hat keine Möglichkeit, in die Spitalslandschaft einzugreifen – mit willkürlichen und der Qualität abträglichen Folgen, meinte die WHO.

   Um die Willkür einzufangen, wurde zwischen 1996 und 2001 der ÖKAP (ein Bettenplan) verhandelt und gesetzlich eingeführt. Als 2004 dieser Plan evaluiert wurde, war der Umsetzungsgrad so niedrig, dass beschlossen wurde, niemandem davon zu erzählen – und aus dem Evaluierungsbericht wurde eine supergeheime Geheimstudie.

   Im Jahr 2006 trat mit dem ÖSG, nach vierjährigen Verhandlungen die nächste Reform in Kraft. Länder sollten nicht mehr Betten, sondern Leistungen planen. Haben sie das gemacht? Nein! Es gibt, nach wie vor reine Bettenplanung, die reiner politischer Willkür folgt.

   Die gesetzlichen Vorgaben wurden allesamt ignoriert – also gebrochen. Und das ohne Folgen, weil „die Wiener“ den Ländern nichts vorschreiben wollen.

   Die Krankenkassen, stets Teil der Reformen, sind in ihrer Gesetzestreue aber keinen Deut besser; muss ja auch nicht sein, weil im Parlament immer jemand sitzen wird, der darauf achtet, dass sie nicht zu arg zur Verantwortung gezogen werden.

   Der Grund für dieses Ignorieren der Gesetze ist schlicht die Entscheidungsunfähigkeit des Systems. Besonders „schön“ ist diese rund um das Brustkrebsvorsoge-Programm zu sehen.

   Das Programm steht seit zehn Jahren auf der politischen Agenda. Nach acht Jahren Verhandlungen wurde entschieden, es einzuführen. Und jetzt, zwei Jahre nach dem Grundsatzbeschluss, scheitert alles, weil sich in zwei Bundesländern Landesärztekammer und Landes-Gebietskrankenkasse nicht einigen können.

   Denn selbst wenn man „in Wien“ eine Entscheidung trifft, müssen danach alle 36 Kassen und alle zehn Ärztekammern einzeln zustimmen. Sollte es den Spitalsbereich berühren, dann spielen auch noch neun Landesfürsten mit. Und niemand kann Druck ausüben oder gar eine Entscheidung durchsetzen.

   Wie wird die nun anstehende Gesundheitsreform laufen?

   Sehr vereinfacht dargestellt, setzt die Reform voraus, dass sich Länder und Kassen auf gemeinsame Versorgung einigen.

   Wie das nicht funktioniert, sieht man bei den 2005 eingeführten Reformpoolprojekten, die gerade ein Prozent der Geldmittel hätten bewegen sollen. Gesetzlich festgelegt war, erfolgreiche Projekte in die Regelversorgung zu übernehmen. Aber auch wenn die meisten Projekte erfolgreich waren, also gezeigt haben, dass die Versorgung der Patienten gemeinsam besser funktioniert und dabei auch günstiger wird, Regelversorgung wurden sie nie; Länder und Kassen konnten sich nicht einigen.

   Die Realverfassung, also das üblich gewordene Brechen von Gesetzen durch jene, die real die Macht haben, ist mittlerweile unüberwindbar.

   Diese Macht zurückzustutzen setzt voraus, die Verfassung so zu ändern, dass der direkte Eingriff der Bundesregierung möglich wird. Und dann noch, dass es „einen Wiener“ gibt, der den Mut besitzt, seine verfassungsmäßigen Rechte durchzusetzen.

   Eine Stärkung der Bundesregierung wäre also ein Weg, endlich eine Gesundheitsreform durchzusetzen – aber ist das nach diesem Wahlergebnis zu erwarten?

„Wiener Zeitung“ Nr. 193 vom 03.10.2013

Die machtpolitischen Abgründe der wahlärztlichen Versorgung

(Lesezeit 4 Min.) Wahlärzte gibt es NUR in Österreich, und das hat keinen rationalen Grund, sondern einen handfesten machtpolitischen.

Richtig begonnen hat es im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen. Da wurde seitens der EU festgestellt, dass wir zu viele Pflicht-Krankenkassen haben, die ein Monopolrecht haben festzulegen, was eine ausreichende medizinische Versorgung für ihre Pflicht-Versicherten ist, und zur Deckung dieses festgelegten Bedarfs exklusiv mit der Ärztekammer verhandeln, wie denn dieser zu decken sei: der berühmte Gesamtvertrag samt Stellenplan, der genau festlegt, wo welcher Arzt welche Ordination betreiben darf. Anders ausgedrückt, es ist in Österreich nicht möglich, sich einfach als Kassenarzt niederzulassen und eine Nachfrage zu bedienen, sondern wer was arbeitet ist abhängig davon, dass die Kammer (Pflichtmitgliedschaft für Ärzte) mit den Kassen (Pflichtmitgliedschaft für Bürger) eine Planstelle vorsieht. In Deutschland, dass ja auch sehr viele Krankenkassen hat, und zum Zeitpunkt unseres EU-Beitritts ebenfalls noch ein Pflichtversicherungssystem hatte, war es im Gegensatz jedem Arzt möglich sich überall niederzulassen, weil die Kassen eine Kontrahierungszwang hatten, also jedem Arzt einen Kassenvertrag geben mussten.

Unser System, dass weder Patienten noch Ärzten „(Wahl-)Freiheit“ gibt, passte nicht ins liberale EU Bild, daher sollten wir entweder die 21 Kassen zusammenlegen (max. 9, also pro Bundesland eine), oder aber die Wahlfreiheit bei den Kassen zulassen (also die Pflichtversicherung abschaffen), oder aber das Kassenplanstellenwesen liberalisieren.

Dieses Ansinnen hat Chaos ausgelöst, schließlich darf sich in dem Bereich nix ändern. Die Ärztekammer hat ohne die Planstellen-Verhandlungshoheit deutlich weniger Macht, und die Kassen würden als liebgewonnene Parteivorfeldorganisationen und Pfründe verloren gehen, und zudem würde es zu einer Konkurrenz im „eigenen Haus“kommen – schließlich gehören die meisten Kassen ja bestimmten Teilgewerkschaften oder Gewerkschaftsteilen, die eines eint, eine FSG-Führung.

Am Österreichischen Pflicht-Pflicht-System, dass allen ein angenehmes, konkurrenzloses Leben ermöglicht zu rütteln kam nicht in Frage – eine Lösung musste gefunden werden.

In der Folge hat man dann die EU überzeugt, dass unser System ja gar nicht sooo vermonopolisiert und verpflichtend ist, weil ja die Wahlfreiheit durch Wahlärzte garantiert ist.

Dank des Wahlarztsystems können Patienten sich die Ärzte unabhängig des Stellenplans aussuchen, und Ärzte ohne Kassenvertrag überall niederlassen. Wahlärzte gab es zwar schon sehr lange, allerdings eben immer nur als Randphänomen (ihre Rolle war auf Leistungen außerhalb des öffentlichen Systems ausgelegt – z.B.: Homöopathie), auf das nun politisch zurückgegriffen wird. Damit gab sich die EU vorerst zufrieden.

Das Problem mit den Wahlärzten war jedoch, dass sie, sollten die Kassen ihre gesetzliche Verpflichtung (normiert im ASVG) wahrnehmen, kaum einen Markt gehabt hätten. Das Gesetzt sieht nämlich vor, dass jedem Versicherten wenigsten zwei Kassenärzte (und zwar für jede der 21 Krankenkassen und für jede der duzenden Facharztrichtung) in akzeptabler Entfernung zur Verfügung stehen muss. Gäbe es tatsächlich so viele niedergelassene Kassenärzte, Wahlärzte hätten keine Chance gehabt.

Wie also schafft man den für die EU dringend nötigen „Markt“ für Wahlärzte. Nun, die Folge war, dass die Kassenstellen (MIT Zustimmung der Ärztekammer, die sich jetzt heftig darüber aufregt) konsequent verringert wurden (d.h.: statt mit dem demographischen Bedarf mitzuwachsen, blieb die Zahle der Kassenstellen gleich), ohne jedoch zuzugeben, dass es dabei zu einer Unterversorgung gekommen ist –  mal ganz abgesehen, dass dem gesetzlichen Auftrag von zwei Kassenärzten in der Nähe ohnehin nie entsprochen wurde.

Und es ist ganz klar, dass in der Folge Wahlärzte immer häufiger neben den zugedachten Aufgaben, nämlich die Nachfrage für nicht durch das System gedeckte Leistungen zu decken, auch für die öffentliche Versorgung wichtig wurden.

Eine Unterversorgung, die durch Wahlärzte gedeckt wird, ist aber gesetzlich nicht vorgesehen. Aber wenn keine Unterversorgung festgestellt wird, dann gibt es ja auch keine!- oder?

Und daher wurde nie erhoben, welche Versorgungswirksamkeit Wahlärzte für Kassenpatienten entfalten, mehr noch, in den offiziellen Bedarfsprüfungen wurden Wahlärzte, um deren Bedeutungslosigkeit für das öffentliche Versorgungssystem „beweisen“ zu können, willkürlich mit etwa 5% der Versorgungswirksamkeit angesetzt, die ein Kassenarzt für das öffentliche System erbringt. Das bedeutet, dass es 20 Wahlärzte braucht, um die Arbeit eines Kassenarztes zu erbringen – was natürlich lächerlich ist. Sogar in der neuen offiziellen Ärztebedarfsstudie, die ja aus politischen Gründen Jahre lang verschleppt wurde, stieg die zugestandene Versorgungswirksamkeit auf 8% oder (nicht bis!) 17%, je nachdem, ob man einen Ärztemangel rauslesen will oder nicht – valide Zahlen über die reale Versorgungswirksamkeit gibt es nicht und darf es natürlich auch nicht geben!

Dass die Realität anders war und ist, ist unerheblich, dass die Zahl der Kassenärzte pro Einwohner seit 2000 kontinuierlich sinkt egal und dass die Arbeitsbelastung der Kassenärzte wegen der demographischen Entwicklung steigt belanglos. Wichtig war und ist nur, dass alle Kassen und der Stellenplan erhalten bleiben.

Nun, seit Oktober 2012 liegt eine Studie vor die belegt, wie wichtig Wahlärzte für die Versorgung sind. Und das müsste Konsequenzen haben.

Sollten nämlich Gesetze wichtig sein (was zu bezweifeln ist), müsste die Studie dazu führen, dass es zum Ausbau von Kassenstellen kommt. Dagegen sind aber viele in den Ärztekammern, weil so der gedeckelte Kuchen der Kassen ja auf mehr aufgeteilt werden müsste. Sollte es zum Ausbau der Kassenstellen kommen, dann nur, wenn die Kassen zusätzliches Geld erhalten.

Das ist aber nicht so einfach. Wollte man den Kassen mehr Geld geben (beispielsweise durch Erhöhung der Beiträge, oder Verbreiterung der Beitragsgrundlagen – Höchstbemessungrundlage aufheben), werden nach jetziger Gesetzeslage die Spitäler, dank einer Vereinbarung aus dem Jahr 1997, die auch jetzt wieder verlängert wurde. jedenfalls die Hälfte davon abkriegen. Ein bedarfsgerechter Ausbau der Kassenstellen würde uns Steuer- und Beitragszahler daher immer doppelt soviel kosten, als nötig, weil wir gleichzeitig auch Geld in die Spitäler stecken müssten, in die wir aber im internationalen Vergleich ohnehin schon viel zu viel stecken.

Es sind viele gordische Knoten, die es zu zerschlagen gelte, will man wirklich was ändern! Und so sind sich irgendwie alle einig, dass es so wie es ist, nicht weiter geht, aber keiner an der Situation was ändern darf ….

Es sind die Konsequenzen der politischen Lügen, die hier ein Gewirr an gegenseitigen Abhängigkeiten geschaffen haben und uns nachhaltig Lähmen. Jedenfalls bin ich gespannt, wie man jetzt mit der Studie umgeht- vermutlich wie mit all den anderen auch – weglegen, vergessen und dann weiterwursteln– vielleicht aber kommt die EU langsam drauf, dass wir seit vielen Jahren gefakte Daten liefern! Dann könnte es was werden

HPV, HTA und die Politik

Die Aufregungen rund um die mögliche Einführung der HPV-Impfung als Teil des öffentlichen Impfprogramms sind ja kaum mehr erinnerlich. Wer weiß denn noch, wie beispielsweise der Machtkampf zwischen Landesfürst Erwin Pröll von Niederösterreich, und der damaligen Staatsdienerin Andrea Kdolsky ablief?

Wie dem auch sei, Ministerin Kdolsky machte damals für hiesige Politik ungeheuerliches; sie wollte die Entscheidung pro oder contra Aufnahme in den Impfplan wissenschaftlich fundiert treffen und beauftragte einen HTA –Bericht.

Man kann jetzt geteilter Meinung zu dem Bericht sein, denn zugegeben, er gehörte selbst zur damaligen Zeit zu den besonders kritischen. Aber, die gestellte Forschungsfrage wurde tadellos beantwortet und die politische Entscheidung gegen die öffentliche Finanzierung war mit der damaligen Evidenz (2007) richtig.

Doch, gilt das alles auch noch 2012?

Naja, irgendwer müsste halt die neuen Evidenzen zusammentragen, würde man glauben. Irgendwer sollte schauen, ob die kritischen Punkte im Bericht heute zu anderen Ergebnissen führten, möchte man meinen. Immerhin gibt es seit 2009 ja sogar eine „nationale HTA-Strategie “!

Aber, HTA-Strategie heißt das bei uns wohl dann, wenn man Wissenschaft als Machtkampfmittel betrachtet, nicht als Entscheidungshilfe für gesundheitspolitische Fragen.

Gäbe es ernsthaft die „Strategie“, Vernunft statt Macht in solchen Fragen walten zu lassen, dann müsste bei der heutigen Evidenz die damalige Entscheidung doch längst reevaluiert werden.

Ob das allerdings jemals passiert, ist fraglich, denn, das Impfbudget ist gedeckelt. Wenn durch eine Impfung beispielsweise Behandlungskosten gespart werden können –im Spital oder niedergelassenen Bereich – heißt das nicht, dass der Bund, der für die Impfungen aufkommen muss, den Kassen oder Ländern Geld wegnehmen darf, um diese zu finanzieren. Nein, neue Impfungen führen bei uns zwangsläufig zu additiven Budgets!

Und vielleicht ist der Minister deswegen gar nicht daran interessiert mehr Evidenz zu kriegen – denn was hilft es schon, wenn man weiß war richtig wäre, aber es nicht durchsetzen kann, weil das Geld fehlt!

Das gesundheitspolitische Sprachgewirr

Gerne wird behauptet, wir hätten das beste Gesundheitssystem und argumentiert das beispielsweise mit den Erfolgen der Krebsbehandlung.

Abgesehen, dass die meisten Aussagen arbiträr sind, werden dabei Behandlung, Versorgung und Gesundheitssystem vermischt. Grundsätzlich gilt aber, dass die Behandlung eines Patienten nicht automatisch etwas mit seiner Versorgung und noch viel weniger mit dem System zu tun hat. Daher können Behandlungserfolge auch nicht direkt der Versorgung und schon gar nicht dem System zugesprochen werden. Gesundheitssystem, Versorgung und Behandlung sind, wiewohl systemisch miteinander verknüpft, verschiedene Ebenen.

Behandlung ist das, was in der Beziehung zwischen Patient und seinem Arzt (oder Gesundheitsprofessionisten) unmittelbar passiert.

Die beiden treffen sich aber nicht zufällig und grundlos. Hinter ihnen steht eine komplexe Logistik, die ein Treffen erst ermöglicht. Sei es, dass Trivialitäten wie Treffpunkt (Ordination, Spital etc.) und Finanzierung, aber auch komplexe Umstände, wie die Motivation der beiden vorhanden sein müssen. Beim Patienten ist letzteres scheinbar einfach, schließlich ist er krank. Aber auch da gibt es nicht triviale Fragen: Welche Schmerzen, Wege, Wartezeiten ist er bereit auf sich zu nehmen, um zum Treffpunkt zu gelangen? Welches Risiko (z.B.: Verlust der Selbstbestimmung) besteht, wenn er sich in diese, von Informationsasymmetrie geprägte, Beziehung, einlässt? Noch komplexere Fragen findet man beim Arzt. Schließlich wird von der Bezahlung bis zu den Arbeitsbedingungen alles Anreize darstellen, diese Beziehung in die eine oder andere Richtung zu steuern. All diese Fragen und Antworten gehören zur Versorgungsebene.

Und weil diese nicht im luftleeren Raum steht, schwebt darüber das Gesundheitssystem. Hier sollten die Fragen abstrakt sein: Was soll das System erreichen? Wie entwickle ich Ziele und wie messe ich sie? Und: Von wem nehme ich für wen das Geld?

Standortdiskussionen gehören nicht zu Systemfragen und Behandlungsfragen schon gar nicht. Im allgemeinen Sprachgewirr, wird aber Gesundheitssystem, Versorgung und Behandlung synonym verwendet; meist von Akteuren, die ein Eigeninteresse daran haben, dass die Bevölkerung keine Unterscheidung treffen kann. Das ermöglicht politischen Gewinn, da so jede erfolgreiche Behandlung – und das sind ja die meisten – als Erfolg des Systems oder der Versorgung im Allgemeinen und deren politischer Vertreter im Besonderen gewertet werden kann.

Die Grenzen der Ebenen sind übrigens dann klarer, wenn es um negative Erfolge geht. Üblicherweise ist ein Spitalsarzt dann selbst schuld und nicht das Spital und schon gar nicht das Bundesland. Analog im niedergelassenen Bereich, dort wird es nie zur Schuldhaftigkeit der Kassen oder des Gesundheitsministeriums kommen, wenn eine Behandlung erfolglos blieb.

Wer die Reformdiskussion anschaut, kann erkennen, wer es ernst meint und wer nicht. Will ein Akteur zusätzlich auf anderen als der eigenen Ebene bestimmen, dann geht es nur um Macht. Das ist beispielsweise so, wenn Länder sowohl Spitäler, inklusiver deren Abteilungsstrukturen, betreiben als auch (mit fremdem Geld) finanzieren wollen. Bei dieser Kompetenzvermischung zwischen System- und Versorgungsverantwortlichkeit ist prognostiziert, dass Ziele nicht unabhängig der Versorgungsstrukturen erstellt werden, und auch die Ergebnisse nicht objektiv sein werden, sondern dem entsprechen, was der Versorger erreichen will. Und weil da die Politik mitspielt, ist das Erreichte dann „das Beste der Welt“.

Dieser Artikel wurde im März 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ein durch und durch ländlicher Reformvorschlag

Es ist beeindruckend und erschreckend, die „Realverfassung“ arbeiten und den, jegliche Entwicklung unterdrückenden, Provinzialismus herrschen zu sehen.

Wegen zu Guttenberg kaum beachtet, wurde das Jungendwohlfahrtsgesetz geändert. Anlass war nicht der Wunsch nach Verbesserung; nein, man musste was tun, weil unter den Augen der zuständigen Landesbehörden, die offenbar das Risiko falsch eingeschätzt hatten, mehrere Kinder zu Tode geprügelt wurden. Wesentlichste Änderung nun ist die Einführung eines Vier-Augen-Prinzips bei der Risikoeinschätzung. Diese Maßnahme könnte nicht nur Kinderleben retten sondern auch viel Leid und Tränen ersparen – aber sie kostet etwas: etwa 4 Millionen Euro für ganz Österreich!

4 Millionen! Die müssten bei den etwa 120.000 Millionen Euro, die uns die öffentlichen Hände jedes Jahr wegnehmen, einfach in der statistischen Unschärfe verschwinden. Jeder Mensch würde ohne Zögern ja sagen; aber, Landespolitiker sind anders: Wenn der Bund Kinder retten will (offenbar wollen Landespolitiker das nicht!), dann soll er das zahlen.

Deswegen haben sie – bestens organisiert in der Landeshauptleutekonferenz, einem nicht legitimiertem Kartell – schlicht Nein gesagt.

Man muss wissen, dass das Jungendwohlfahrtsgesetz, ähnlich dem Krankenanstaltengesetz, in der Ausführung Ländersache ist. Der Bund gibt den Rahmen vor und die Länder, über eigene Gesetze, die Umsetzung. Und da sie mit der Ausführungsgesetzgebung auch die Sanktionen bei Nicht-Einhaltung festlegen dürfen, ist klar, wenn sie nicht wollen, passiert wirklich nichts – Gesetz hin oder her! Und obwohl es für die einzelnen Länder hier nur um wenige hunderttausend Euro gegangen wäre, bezahlen wird es am Ende der Bund! Ohne dass es eine Garantie auf Umsetzung gäbe und das Geld nicht wie bei den Lehrern irgendwo verschwindet.

Jetzt geht es um die Spitalsreform und dabei nicht nur um vier, sondern um Hunderte Millionen Euro, die die Länder nicht haben, aber brauchen, wollen sie ihre Spitäler (eigentlich nur Einrichtungen, um über Ressourcen und Macht zu bestimmen) nicht verlieren. Und da die Länder bereits bewiesen haben, ohne jegliches Gewissen zu handeln, wenn nicht einmal geprügelte Kinder ihr Herz rühren, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie hier auch nur einen Fingerbreit nachgeben!

Daher sehe ich schwarz! Ganz abgesehen, dass die Gesundheitsreform schon wieder sinnlos fragmentiert und geldlastig diskutiert wird (Kassensanierung, Spitalsfinanzierung, Pflegefonds – grauenhaft), ist wohl außer zusätzlichem (Bundessteuer)Geld für die Länder nichts mehr möglich. Denn genau das, gut verklausuliert unter blendenden Absichten und nach Zugeständnissen klingenden Worten, bedeutet der Reformvorschlag, den die Länder letzten Freitag beschlossen haben.

Noch wird so getan, als ob es Verhandlungsspielraum gäbe. Immerhin konnte man bis vor kurzem noch hoffen, dass Maastricht helfen würde, den Wahnsinn zu beenden. Denn, wenn Milliarden Euro ausgelagerter und immer weiter wachsender Spitalsschulden ins Budget zurückfallen, sollte das ein Finanzminister – so sehr er am Gängelband familiärer Strukturen und der Realverfassung hängt – nicht ignorieren können. Und dann sind da noch Hans Jörg Schelling vom Hauptverband und Gesundheitsminister Alois Stöger. Beide woll(t)en der ländlichen Macht entgegentreten. Ihnen zur Seite stehen die gesamte Opposition, alle Medien, alle Experten und sogar das Volk.

Doch das reicht nicht! Denn die Kurfürsten der Realverfassung haben anders entschieden – und das kann niemand ändern. Armes Österreich!

Dieser Artikel wurde im März 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Finanzierung aus zwei Töpfen

Die Ärztekammer präsentiert – wieder einmal – ein totgeglaubtes und unlogisches Konzept der getrennten Finanzierung des Gesundheitssystems.

Es war kalt, als vor zwei Jahren, im Linzer Industrieviertel dunkle, chauffierte Limousinen eintrafen. Auf den ersten Blick hätte man gemeint, Hochfinanz und Industrie trifft sich zu einem ja nicht rein privaten Treffen, bei dem es nie ums Geschäft geht.

Realiter trafen sich aber Größen des öffentlich finanzierten Gesundheitssystems. Da kam der Minister und Kammerpräsidenten, Kassenobleute und Geschäftsführer landeseigener Krankenhausbetreiber und viele andere zum ersten gesundheitspolitischen Gespräch – initiiert vom oberösterreichischen Ärztekammerpräsidenten Peter Niedermoser, der sich als Speerspitze der Berufsvertretung etabliert sehen will.

Weil man heimischen Experten nicht traut, wurde ein deutscher Professor eingeladen, darüber zu referieren, ob nun ein Sozialversicherungssystem oder ein staatliches besser ist. Ein spannender Vortrag, der damit endete, dass es für beide Pros und Kontras gibt, aber das wichtigste die Finanzierung aus einer Hand ist.

Tja, und dann trat die Ärztekammer zum Referat an. Und als die erste Folie die Leinwand erhellte, wurde es dunkel: „Getrennte Finanzierung: der Weg in die Zukunft“.

Nun, das Gelächter, dass diese Folie begleitete, verhallte genau so, wie die Expertenkritik, die folgte. Aber auch das Konzept verschwand scheinbar. Und dann, plötzlich zu Jahresbeginn 2011 taucht es wieder auf; unerwartet und genau so falsch wie es schon zwei Jahre davor war.

Dem Kenner war klar, dass es bei dieser „getrennten Finanzierung“ nicht um eine Verbesserung der Versorgung ging. Ziel war, die rund vier Milliarden Euro, die die Kassen in die Spitäler zahlen, behalten zu können, damit deren finanzieller Spielraum größer wird, damit die Ärztekammern bei Vertragsverhandlungen wieder punkten können. Denn der Großteil der Kammermacht basiert auf deren Verhandlungsmonopol mit den Kassen, das allerdings nur solange funktioniert, solange die Kassen flüssig sind. Eine gesundheitswissenschaftliche Begründung für diese Finanzierungsform gab und gibt es nicht.

Was lernt man. Zuallererst, dass es gar nichts bringt, Expertise in die Diskussion zu bringen. Sitzt die Politik einmal auf einem Gaul, dann will es den auch reiten, ob er tot ist oder nicht. Ist die öffentliche Meinung gerade dafür, den Gaul für Tot zu halten, dann wartet man einfach, bis alle vergessen haben um was es ging, und kommt dann mit der alten Idee neu raus, erklärt den Tot als besiegt und verlangt vom Volk mehr Geld, wenn es den Gaul galoppieren sehen will. Aussitzen bewährt sich!

Dann kann man lernen, dass die Mächtigen trotz immer knapper werdender Ressourcen nichts gelernt haben. Auf die Idee, versorgungswissenschaftlich vernünftige Forderungen zu stellen, kommt niemand. Ist ja auch nicht wichtig, in einem System, in dem es seit jeher nur um Verhandlungsmacht geht. Beharrung ist besser als Reformen!

Und zum Schluss, aber das ist Prophetie, könnte man auch eine anstehende Personalrochade sehen. Des längern halten sich Gerüchte, der Präsident Walter Dorner will sich zurückziehen. Als Nachfolger fällt fallweise der Name Peter Niedermoser. Und da schließlich er es war, der diese zersplitterte Finanzierung entwerfen ließ, wäre es denkbar, dass hinter dessen „Neuerscheinung“ eine Amtsübergabe vorbereitet wird. Ob es Ärzten und Patienten wohl bekommt, wenn sowohl Minister als auch Ärztekammerpräsident aus Oberösterreich kommen? Nun, Zweifel sind hier erlaubt!

Dieser Artikel wurde im Jänner 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Nimm’s Spitälern statt Familien

Werte p.t. Leser! Was sich aktuell abspielt lässt mich rasen. Es sind vor allem zwei Aussagen, die mich geradezu auf die Palme treiben.

Die erste Aussage ist einige Wochen alt. Da hat Finanzminister Pröll wissen lassen, dass die „Realverfassung“ wichtiger ist als die „echte“ und hat zum Ausdruck gebracht, dass wir, das Volk, einfach hinnehmen müssen, dass von uns legitimierte Bundespolitiker gegenüber den Ländern keine Macht haben, selbst wenn die Verfassung diese vorsehe. Warum wählen und bezahlen wir sie?

Die zweite Aussage war nicht minder irritierend. Da hat Wirtschaftsminister Mitterlehner in einem ZiB2-Interview gemeint, man müsse Geld für das nächste Jahr auftreiben, das gehe mit Reformen nicht so schnell, daher gäbe es die jetzt nicht. Wer das nicht verstehe, verstehe eben nicht, wie ein Staat funktioniert.

Tja, also keine Reformen! Und was verstehen dann Bundespolitiker unter Sparen? Streichen von Sozialleistungen bei Familien – Mir ist keine Studie bekannt, die Familien irgendwie als reich identifiziert hätte. Mehr noch, alle sagen, dass, wegen der hohen Steuerbelastung auf Arbeit, Familien nur durch Sozialtransfers der Armut entkommen.

Anderen Ländern fiel beim Sparen anderes ein. Da wurden Beamtengehälter und Pensionen gekürzt. Bei uns nicht! Ja auch kein Wunder, wenn man betrachtet, welche Lobbyisten diese Gruppen vertreten!

Aber das ist ja nicht alles. Klar, wenn man sich gerade einmal drei Wochen Zeit für ein Budget nimmt, dann kann wohl nichts anderes rauskommen; selbst wenn man seit Jahren weiß, was getan werden müsste. In den letzten Jahrzehnten wurden hunderte, wenn nicht tausende Studien und Arbeitsgruppenergebnisse – denken wir nur an den Österreichkonvent – erstellt, die zeigen, wie Sparen durch Reformieren funktionieren kann. All diese Vorarbeiten wurden mit sehr viel Steuergeld finanziert und – ignoriert.

Und wie ist das in der Gesundheitspolitik?

Die Kassen – ohnehin eher Blender als Reformatoren, oder kennt jemand den sagenumwobenen Masterplan des Hauptverbandes, der für Herbst groß angekündigt wurde? – haben bereits mitgeteilt, dass ihr Sparwille sinken wird, wenn sie weniger Steuergeld erhalten (statt 100 nur 60 Millionen). Und Minister Stöger legt gleich nach und sagt, sie müssen eh weniger sparen, wenn die Belohnung weniger wird! Und weil die Sparmaßnahmen, die bis jetzt so „erfolgreich“ waren, nichts mit einer Reform zu tun hatten, sondern Großteils zustande kamen, weil wegen Patentabläufen die Medikamentenpreise sinken – ein Trend, der noch anhalten wird – ist jede Reform auf Jahre tot.

Und auf der anderen Seite die Länder. Es gibt niemanden mit Ahnung, der nicht das größte Sparpotenzial in einer Spitalsreform sieht. Und wenn ein Minister sich schon der Peinlichkeit hingibt, nicht zu wissen, woher er Geld fürs nächste Jahr nehmen soll und deswegen auf Familien zurückgreift, dem sei Folgendes ins Stammbuch geschrieben.

Etwa fünf Milliarden Euro schießt der Bund den Ländern für Spitäler zu. Geregelt werden diese Zuschüsse im Finanzausgleich, der von den Ländern noch nie eingehalten wurde – Stichwort Stabilitätspakt. Statt weiterhin Milliarden im größten Verschwendungsbereich der Republik zu versenken, sollte der Bund auch auf den Pakt pfeifen und den Ländern einfach ein paar hundert Millionen Spitalsgelder wegnehmen – genau so unvorbereitet wie den Familien. Vielleicht wird es dann eine Spitalsreform geben.

Aber dazu braucht es halt Politiker und nicht irgendwelche selbstherrlichen Marionetten irgendwelcher Interessensvertretungen oder Länder.

Dieser Artikel wurde im November 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

 

Metternich, die Gesundheitspolitik und der Vormärz

Gut geführte und gesteuerte Gesundheitssysteme zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Entscheidungsträger willens und fähig sind, ihre Arbeit kritisch zu hinterfragen.

Herr L* ist ein bekannter und kritischer Wissenschaftsjournalist. Seine Einstellung mag vielleicht als kontroversiell eingestuft werden, aber seine Arbeiten sind gut recherchiert und haben Hand und Fuß. Und weil eben seine Arbeit gut und nicht nur einfach sensationslüstern ist (ein Vorwurf, der ihm oft von denen gemacht wird, die er kritisiert), ist er ein gern gesehener Vortragender.

Nun kommt es, dass er wieder einmal gebucht war, diesmal zu einem Kongress, der von einigen landeseigenen Krankenhäusern in einem Bundesland, dessen Namen man nicht aussprechen sollte, organisiert wird. Als jedoch die Obrigkeit erfuhr, dass Herr L. einen Vortrag halten soll, wurden kurzerhand die Verantwortlichen in die Zentrale zitiert, gescholten und mit dem Auftrag nach Hause geschickt, den ganzen Kongress abzusagen – denn um diese Einschränkung der Meinungsfreiheit zu tarnen, wurde nicht nur einfach Herr L. ausgeladen, sondern eben alles abgesagt. Die Wortwahl der Absage wurde vorgegeben und im Übrigen alle zur Verschwiegenheit verpflichtet!

Ist das ein Einzelfall von gekränkter Eitelkeit einzelner, von öffentlichen Geldern bezahlter, Entscheidungsträgern? Mitnichten!

Als beispielsweise in einem anderen Bundesland Herr P* im Rahmen seiner Amtstätigkeit – mittlerweile ist er von dort entfernt – mehr Transparenz herstellen wollte und jede öffentlich finanzierte Studie, die in seiner Abteilung durchgeführt wurde, auch publizieren wollte, hat man hat ihm das schlicht von oben herab verboten.

Auch Herr N* – ebenfalls ein anderes Bundesland – könnte so seine Geschichte erzählen. Als er die Unerhörtheit besaß, die Sinnhaftigkeit eines Spitals-Neubaus, mit Fakten belegt, zu hinterfragen, war die Konsequenz seine Degradierung.

Und auch ich kann mich in diese unvollständige Liste einreihen. Bisher wurden drei, von den eigentlichen Veranstaltern diverser Tagungen gebuchte, Vorträge deswegen storniert, weil es von „Oben“ so gewünscht wurde.

Und das mein damaliger Arbeitsplatz kurz nach dem Erscheinen meines systemkritischen Buches „überflüssig“ und daher abgebaut wurde, ist sicher nur ein Zufall (ich war damals für die Entwicklung eines Spitalsplans zuständig, der bis heute nicht offiziell vorliegt, aber durch eine externe Beratungsfirma erstellt wurde, dessen Honorar bei einem mehrstelligen Vielfachen meines Jahreseinkommens liegt).

Bei all dem habe ich noch gar nicht an meine Zeit im Österreichischen Bundesinstitut im Gesundheitswesen (ÖBIG, heute GÖG) gedacht, als Berichte „zensuriert“ wurden; Berichte, die größtenteils ohnehin nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken durften, selbst dann nicht, wenn die Zensur jede noch so gerechtfertigte Kritik entfernt hatte – schließlich ist selbst die leiseste Kritik nicht erwünscht und die Wahrheit dem Volk nicht zuzumuten.

Es gilt als bewiesen, dass öffentliche Gesundheitssysteme besser funktionieren können, als privatisierte. Dazu allerdings müssen sie gut geführt und gesteuert werden. Die Qualität der Führung und Steuerung hängt jedoch maßgeblich davon ab, ob die, die wirklich entscheiden, fähig und willens sind, ihre Arbeit immer und immer wieder kritisch und transparent zu beleuchten.

Aber genau das ist weit und breit nicht zu erkennen. Es scheint so, dass jede Kritik von außen eine Majestätsbeleidigung und von innen Hochverrat ist – wie zu Metternichs Zeiten, die auch als Vormärz bezeichnet werden.

*Namen dem Autor bekannt

Dieser Artikel wurde im September 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ländliche Polemik in der Spitalsplanung

Rasend war der Zorn der Länder, als von Bundespolitikern Ideen zur Spitalsreform – politisch unprofessionell – ventiliert wurden.

Am lautesten war wohl der für „seine“ Spitäler zuständige NÖ-Finanzlandesrat W. Sobotka. Er erklärte Bundespolitiker zu Dilettanten, denen man Spitalsplanung nicht überlassen darf. Immerhin kennen die ja nicht einmal die Gesetzte, als da wären: 90 Prozent der Bevölkerung müssen innerhalb von 30 Minuten Fahrzeit (Individualverkehr!) ein Spital erreichen können, und für ein Einzugsgebiet von 50 bis 90 Tausend Einwohner ist jedenfalls ein Spital mit Abteilungen für Chirurgie und Innere Medizin vorzuhalten. Damit kann kein Spital geschlossen werden. Das ist natürlich falsch.

Seit Jahren hat der Landesrat eine theoretisch optimierte Standortwahl in der Schublade (oder weggeworfen), die, wenn man es voraussetzungslos darauf anlegte, die Erreichbarkeit mit acht Standorten garantiert; 27 braucht man dazu nicht. Aber vielleicht werden die 30 Minuten mit dem Ochsenkarren und nicht dem Auto berechnet. Und wie schaut es mit den Einzugsgebieten aus? Nicht besser. Neun der 27 Spitäler haben ein Einzugsgebiet unter 50.000 Einwohner. Eine gesetzliche Forderung besteht also nicht.

Ebenso falsch ist, dass NÖ gar nicht „so viele“ Spitäler und Betten hat. Und um das zu belegen, wurde eine „Studie“ angefertigt, derzufolge die Dichte an Spitälern und Betten unter dem Bundes-Schnitt läge. Was (absichtlich?) verschwiegen wird, ist, dass ein Viertel der Niederösterreicher in anderen Bundesländern behandelt werden. Korrekterweise müsste man die Abziehen – und dann ist man wieder auf dem Bundes-Schnitt.

Wenn man genauer schaut, sieht man aber, wie willkürlich Spitalsplanung ist. Während im bevölkerungsreichen nördlichen Industrieviertel die Spitalshäufigkeit niedrig ist, weil die Hälfte der Patienten nach Wien geschickt wird, ist sie in dem mit Spitälern überreich ausgestatteten Mostviertel gleich 14 Prozent über dem Bundes-Schnitt. Ob das damit zu tun hat, dass dort der Wahlkreis des Finanzlandesrates liegt?

Aber mit Polemik ist Niederösterreich nicht alleine – da sind alle Bundesländer gleich. Und überall wird Unterversorgung skandiert, wenn Spitäler schließen. Ein Blick in die EU macht sicher, dass das falsch ist. Werden bei uns pro 100 Einwohner etwa 30 Aufnahmen gezählt, kommt Deutschland, an zweiter Stelle, mit 20, die EU mit 17 aus.

Wäre die Diskussion ehrlich und sachlich, gäbe es keinen Grund, alle Spitäler zu halten. Und damit ja niemand auf eine sachliche Ebene (herab oder hinauf?) steigen kann, hat man den alles stechenden Trumpf gleich am Anfang gezogen: Arbeitsplatzsicherung!

Nicht grundlos betont die WHO seit den 1980er immer wieder, dass aus beschäftigungspolitischen Gründen Spitäler keinesfalls erhalten werden sollten. Es gilt als bewiesen, dass so die Qualität sinkt. Trotzdem halten Landespolitiker fest: zehntausende verlören ihre Arbeit, wenn eine Spitalsreform kommt!

Aber das stimmt auch nicht, denn bei der derzeitigen demographischen Veränderung ist es schlicht unmöglich, auf tausende Arbeitskräfte zu verzichten – die Arbeit ist da und wird nicht weniger. Nur wie und wo sie erbracht wird, das könnte sich ändern.

Und da liegt auch der Grund – welcher Politiker will schon den direkten Einfluss auf tausende Mitarbeiter verlieren. So wie im Mittelalter die Macht eines Fürsten in der Zahl seiner leibeigenen Bauern gewogen wurde, ist es heute die Zahl der Spitalsmitarbeiter. Eine Spitalsreform würde diese Zahl schrumpfen lassen. Und das geht gar nicht.

Dieser Artikel wurde im Juni 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die Länder als Spitals-Monopolisten

Die Länder bestimmen nicht nur den Preis der Spitalsversorgung, sondern auch, wer und was gut und böse ist – eigentlich eine untragbare Situation, die aber niemand ändern kann.

Herr M. ist gerade aus dem Spital entlassen worden und hat zum Abschied einen Fragebogen erhalten. Er solle doch bitte ausfüllen, wie zufrieden er war. Und weil er erstens, von seinen Schmerzen befreit, glücklich ist und zweitens niemanden, den er vielleicht noch einmal braucht, verärgern will, wird der Fragebogen zur Lobeshymne. Lustig, er wird später im Tag noch einmal befragt, am Telefon und von einer deutschen Stimme, der erzählt er dann schon Genaueres – und anderes.

Aber das macht nichts, weil in dem Bundesland, in dem er behandelt wurde, ohnehin nur der Fragebogen als Wahrheit anerkannt wird. Und da sind die Ergebnisse jedes Jahr beeindruckend; Lob über Lob – ja so wünscht das die Politik; und erhält es.

Dass das möglich ist, hängt mit der Monopolmacht der Länder in der Spitalsversorgung zusammen. Durch diese bestimmt die Landespolitik, was gut und böse, was richtig und falsch ist und auch wo es Veränderungen oder Verbesserungen geben darf, und wie diese auszusehen haben.

Die Macht des Monopols haben sich die Länder selbst gegeben. Kaum jemand weiß, dass Spitäler etwa 30 Prozent Defizit machen „müssen“, einfach deswegen, weil die Honorare für ihre Leistungen nicht kostendeckend sind. Und so muss jedes Spital zur Landespolitik betteln gehen, damit diese die Defizite deckt – das erhöht die Macht. Die Idee, die Gelder dieser „Defizitdeckung“ in die Honorare hineinzurechnen, wird seit Jahren verweigert. Das würde Transparenz und Gerechtigkeit der Mittelverteilung erhöhen, ist aber aus machtpolitischer Sicht undenkbar. Und nebenbei, das Geld, das die Länder gnädig verteilen, holen sie sich beim Bund, nicht bei der eigenen Bevölkerung.

Aber es geht noch weiter. So betreibt in Niederösterreich die Landespolitik bereits alle Spitäler und hat Durchgriff auch auf die kleinsten Entscheidungen – und nützt das auch. Interne Kritiker werden einfach gekündigt und mit einer Art landesweitem Berufsverbot belegt. An zweiter Stelle liegt die Steiermark, in der 84 Prozent der Spitalsbetten direkt dem Land unterstellt sind – auch hier unterbindet die Politik jegliche Vernunft und hat jene, die diese zu laut eingefordert haben, einfach in die Wüste geschickt. Am Ende gibt es gerade einmal drei Bundesländer, die weniger als 70 Prozent „Marktanteil“ haben. So wird Konkurrenz unterbunden und die kurative Kraft des Wettbewerbs erfolgreich verhindert. Und jeder, der innerhalb des Systems steht, der wird darauf hingewiesen, dass Verbesserungsvorschläge ausschließlich aus den Büros der Landespolitik kommen dürfen.

Im Herbst werden die Budget-Grauslichkeiten über uns kommen. Steuererhöhung wird es geben, so viel ist fix. Was die Ausgabenseite betrifft, da herrscht Ideen-Leere. Zwar wissen alle, dass in der Spitalsversorgung ein bis zwei Milliarden Effizienzpotential liegt, aber wer kann Monopolisten befehlen, effizienter zu werden? Und dank der Eradikation interner Kritiker, findet man kaum jemanden, der diese Potentiale darstellen könnte. Also wird es mehr Geld geben um die Unvernunft weiter walten zu lassen – Steuergeld.

Und weil es so ist, kann jedem, der in der Spitalsversorgung weiter arbeiten will nur dringendst empfohlen werden, Süßholz zu raspeln, bis es weh tut, und nur ja keine Verbesserungen zu sehen oder es gar wagen, diese vorzuschlagen. Denn es wird einer Revolution bedürfen, um die Monopolisten zu zerschlagen – doch die zeichnet sich nicht ab.

Dieser Artikel wurde im April 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.