Gesundheitsplattformen – die unbekannten Wesen

Ohne größere Bekanntheit erlangt zu haben sterben die letzten zarten Pflänzchen einer sinnvolleren Reform ab – und niemand wird es merken!

Wer noch nie von Gesundheitsplattformen gehört hat, der soll sich nicht grämen, er gehört zur großen Mehrheit. Die, die wenigstens schon was gehört haben, sind in der Minderzahl. Die seltenen Vögel, die sogar wissen, was diese Institutionen für Aufgaben hätten – und es sind deren viele – sind echte Exoten.

Die Kernidee dieser unbekannten Wesen, die in jedem Bundesland institutionalisiert wurden, war die DEZENTRALE Planung des Gesundheitssystems. Da saßen Länder und Sozialversicherungen als Finanziers zusammen und sollten, so der gesetzliche Auftrag, GEMEINSAM für die Gesundheitsversorgung der REGIONALEN Bevölkerung sorgen. Wenn man die aktuellen Entwicklungen beobachtet, dann weiß man, dass diese Idee in den letzten Zügen liegt.

Andererseits hat sie nie wirklich einen richtigen Zug gehabt. Keine Plattform hat es geschafft auch nur die klitzekleinen Reformprojekte Realität werden zu lassen. Eine gemeinsame Vorgangsweise gibt es, wenn überhaupt, nur in vereinzelten, kaum wahrnehmbaren Ansätzen. Der Pflegebereich wurde gleich gar nicht in die Agenda aufgenommen. Und die wenigen Plattformen, die es sich geleistet haben, ein sachlich kompetentes – und nicht politisch tickendes – gemeinsames Büro einzurichten, haben dieses bald wieder abgeschafft.

Die Folge dieses offensichtlichen aber verleugneten Scheiterns kennt man mittlerweile: die Kassen gehen pleite und die Spitalsausgaben explodieren (wie man hört in einigen Bundesländern um 36% in zwei Jahren!). Schuld ist natürlich der Bund – der macht ja immer alles falsch. Interessant, dass die WHO schon 1969 gesagt hat, dass die Bundesregierung keine Kompetenzen hat, den Finanziers verbindliche Weisungen zu erteilen. Trotzdem ist der Bund schuld – weil immer andere schuld sein müssen.

Ehrlicher- und daher unausgesprochenerweise  sind die Gesundheitsplattformen aber selber schuld. Man beachte nur wie skurril die Kompetenzen verteilt wurden. Was die niedergelassenen Ärzte betrifft, haben immer die Sozialversicherungen das Sagen, was die Spitäler betrifft die Länder – Zeugt das von einem gemeinsamen Willen?

Aber was hat man denn erwartet? Da sitzen die dem Populismus zugeneigten Länder und die in klassenkämpferischen Verhandlungen geübten Gewerkschaften zusammen und sollen gemeinsam gestalten, eine gemeinsame Vision, eben die gemeinsame Sorge um die Patienten, entwickeln. Einmal ehrlich – ist das nicht zu naiv gedacht? Kann man wirklich erwarten, dass sich Organisationen mit reinem Machtwillen zusammensetzen und plötzlich aus heiterem Himmel einen gemeinsamen Gestaltungswillen entdecken?

Dabei hallt das Wort Rauch-Kallats noch nach: Die Gesundheitsreform steht! Heute, drei Jahre später, ist davon aber nichts übrig, auch wenn man nicht müde wird, das Gegenteil zu behaupten. Real werden die jetzigen Reformschritte die Kluft zwischen den Finanziers (eigentlich nur die Verwalter unseres Geldes! Aber das will auch niemand hören!) sogar vergrößern und eine dezentrale Planung noch unmöglicher machen; Plattformen hin oder her.

Was aber wird nun mit den Gesundheitsplattformen passieren? Natürlich nichts. Sie werden weiter existieren. Oder hat man in Österreich schon jemals eine politische Einrichtung abgeschafft, nur weil sie nutzlos wurde? Es ist typisch für uns, tote Pferde zu reiten und allen zu erzählen, dass es sich dabei um eine österreichische und international unvergleichlich gute Galoppversion handelt!

Dieser Artikel wurde im Juni 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

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   Wer liest schon ein technokratisches Papier, das von irgendwelchen Vereinen geschrieben wird? Kaum jemand! Mit diesem Kalkül sind wohl auch die Autoren des Reformvorschlags „Zukunftssicherung für die soziale Krankenversicherung“ vorgegangen. Anders ist es nicht zu erklären, da das, was da veröffentlicht wurde, nicht gerade von hoher Kompetenz zeugt. Und trotzdem ist es die Basis einer Reform.

   Nichtsdestotrotz gibt es einige, die sich mit solchen Papieren auseinandersetzen. Dazu gehören unter anderen die Mitglieder der kleinen aber feinen Österreichischen Public Health Gesellschaft. Und es ist nicht verwunderlich, dass diese Kreise, die halt eher denken als plaudern, schon bei Bekanntwerden des oben erwähnten Papiers nur ein Kopfschütteln übrig hatten.

   Da ist einmal eine Darstellung der Finanzströme. Abgesehen davon, dass weder Quellen- oder auch nur Jahresangaben zu finden sind, sind die Zahlen alles andere als schlüssig. Das beginnt damit, dass offenbar alle irgendwie im Vorhinein Geld haben. Steuer- und Beitragszahler, die das Geld bereitstellen, kommen gar nicht vor. Ebenfalls wird nicht dargestellt, wofür das Geld ausgegeben wird, also für Krankenhäuser oder Ärzte etwa. Ausgewiesen wird nur, wie es hin und her geschoben wird. Und siehe da, die dargestellten Institutionen wie Kassen oder Länder schieben das Geld so lange hin und her – wenigstens aus Sicht der Sozialpartner – bis die Länder 4,4 Milliarden Euro Einnahmen ohne Ausgaben haben, während die „armen“ Sozialversicherungen 2,7 Milliarden mehr ausgeben als sie einnehmen.

   Noch skurriler wird es, wenn man all das Hin- und Hergeschiebe summiert, dann werden es alleine durch die Bewegung des (Monopoly)Geldes innerhalb eines Jahres 430 Millionen Euro mehr!? Eigenartige Vermehrung – wird da spekuliert oder einfach falsch gerechnet?

   Doch nicht nur die Zahlen sind unschlüssig. Im Kapitel Spitäler wird festgehalten, dass es im EU-Durchschnitt 17,14 Aufnahmen in Akutkrankenhäusern pro 100 Einwohner gab. Für Österreich lag dieser Wert bei 26,09 und damit um 52 Prozent über dem EU-Schnitt. Soweit so gut. Ein bisschen weiter unten auf derselben Seite liest man dann voll Erstaunen, dass Verlagerungen vom Spitalsbereich in den kassenfinanzierten Bereich stattfinden. Was jetzt? Rein oder raus? Oder beides? Natürlich stimmt das nicht für das Hanusch-Krankenhaus, das einzige Krankenhaus, das von einem Sozialpartner (Wiener Gebietskrankenkasse) betrieben wird. Denn wie man nachlesen kann, entlastet das besagte Krankenhaus – offenbar als einziges Österreichs – das Land Wien in seinem Versorgungsauftrag. Von diesem wird hiefür allerdings nur unzureichend Kostenersatz geleistet. Auch eine einzigartige Situation?

   Wer nun hofft, es gäbe ein ausführlicheres Papier, das dem Ganzen zugrunde liegt, der wird enttäuscht. Es gibt nichts, zumindest nichts, das man als Bürger zu sehen bekäme. Aber all diese Widersprüche sind offenbar vollkommen egal; denn „kreative Buchführung“ scheint ja in „gewerkschaftseigenen“ Einrichtungen nicht unüblich zu sein.

   Und so verwundert es nicht, dass es den ansonsten eher unpolitischen Mitgliedern der oben erwähnten Gesellschaft sogar ein mitleidiges Wort entlockt: „Mir tun der Bundeskanzler und die Frau Minister leid, mit so unklaren Phrasen werden die gefüttert und dürfen dann dafür die Verantwortung übernehmen . . .“ Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Gewerkschaft und Wirtschaftskammer doch eher an der Macht als an der Sache interessiert sind.

„Wiener Zeitung“ Nr. 99 vom 20.05.2008