Vereinbarungsumsetzungsgesetz 2024 – wieder eine Gesundheitsreform ohne Reform

Wie zu erwarten, wurde es auch diesmal „die größte Strukturreform“ aller Zeiten. Eine Analyse des Vereinbarungsumsetzungsgesetz 2024 ist dann aber doch eher anders.

In Memoriam Franz Bittner!

(Lesezeit 15 Minuten)

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Legistik

Das Vereinbarungsumsetzungsgesetz 2024 ist nur ein Sammelsurium alter Gesetzestexte, die, wie etwa der §6 das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, mehr oder weniger wortgleich, einfach neu Fristen erhalten haben. In dem Fall ein Gesetz aus 1996, das die Diagnose-Codierung im ambulanten Bereich mit Frist 2001 vorschrübe, wird nun mit der neuen Frist 2025 versehen – Jetzt aber wirklich.

Ich glaube, es gibt keinen einzigen neuen Paragraphen. Die „Wiederverwertung“ alter Gesetze, die, wie die viele Rechnungshofberichte nach jeder Reform darlegen, in den letzten Jahrzehnten konsequenzlos ignoriert wurden (i.e Lex imperfecta), ist defacto das Rückgrat dieser „größte Strukturreform“. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass man nicht viel verhandeln muss. Es ist, wie Franz Bittner es ausdrücken würde: „… alter Wein in noch älteren Schläuchen“. Und weil es eben nichts neues ist, und die Texte ja schon verhandelt wurden, stehen sie daher weitgehend außer Streit. Das erspart viel Arbeit.

Allerdings, diese Texte so anzupassen, dass die „neuen“ Ideen reinpassen und Extra-Wünsche, v.a. der Länder, enthalten sind, macht diese praktisch unlesbar. Was genau der Inhalt mancher Passagen ist, wissen vermutlich nur die Verhandler selbst, wenn überhaupt. Der Normunterworfene allerdings kann kaum sagen, wie der Staat in einer bestimmten Situation handeln wird. Zu unklar und unscharf sind die Gesetze. Wenn etwa § 14 Gesundheits-Zielsteuerungsgesetzes den Aufbau eines Termin-Managementsystems „… mit Fokus auf den extramuralen Bereich im extramuralen Bereich durch die SV ..,“ vorsieht – was ist damit gemeint?

Hinter solchen Formulierungen versteckt sich ein Haufen Pfründe- und Willkür-Absicherung, der zeigt wie schwach verhandelt wurde. Im Beispiel, ich kann nur mutmaßen, dürfte es darum gehen, dass die Länder weiterhin für den intramuralen, die SV für den extramuralen ambulanten Akutbehandlungsbereich zuständig, und weiterhin niemand für irgendein Ergebnis verantwortlich ist. Spitalsambulanzen bleiben Ländersache, Kassenordis die der SV. Ich denke, das ist von Anfang an totes Recht – und weil das jeder Verhandler wusste, haben die nur darauf geachtet, dass da keine Fallstricke bei der Kompetenzverteilung enthalten sind und das hin und her schieben der Verantwortung nicht gefährdet wird. Das Resultat ist dann eben so ein Text.

Ein weiteres Beispiel dazu, ist der neue §62g des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes, in dem es um die Geschäftsordnung der nun in Bewertungsboard umbenannten Medikamentenkommission geht – weiter unten widme ich mich diesem Ding noch inhaltlich.

Herauszufinden, was das heißt, dauert. Am Ende ist klar, dieses „Board“ ist keines, es sind eher zwei – eines für die Spitäler, eines für die Kassen. Was sie eint ist, dass der Bund den Betrieb zahlen muss.

Im Grunde ist das KaKuG mittlerweile genauso unlesbar wie das ASVG – erschwerend kommt jedoch hinzu, dass dieses ja nur eine Grundsatzfestlegung ist – die Ausführungsgesetze werden dann je Land noch einmal in Eigenregie verändert, oder eben nicht. Durchblicken wird keiner.

Apropos Bewertungsboard; dass endlich englische Fachausdrücke, die es oft eben nur in Englisch gibt, eingeführt wurden, ist gut. Etwa die „spending reviews“ (Gesundheits-Zielsteuerungsgesetzes § 6 Abs. 2; warum die unter Anführungszeichen und klein geschrieben wurden weiß ich nicht), die bereits auf OECD-Ebene definiert sind (Anm.: das die in Ö wirklich kommen, ist unwahrscheinlich)

Zusätzlich sind die Gesetze aber voll von neuen merkwürdigen Austriaca, also nach Fachausdrücken klingende, aber nur in Österreichs Verwaltung vorkommende, Wörter, wie eben das denglische BewertungsBoard. Dann gibt es da noch die „analoge Vergleichbarkeit“ – wenn die weißen Schimmel im Amt wiehern. Auch der Ausdruck „tagesklinisch/tagesambulant“ klingt super, sagt aber nichts aus. Nicht neu aber erhalten blieben uns die zu Klassiker gewordenen „Best Point of Service“ (wohl in Anlehnung an Point of Care) und natürlich „Primärversorgungseinheit“.

Beeindruckend ist der „Ärztebereitstellungsdienst“ im §341ASVG. Diese Neuschöpfung, die es erst seit wenigen Monaten und exklusiv in NÖ gibt, und eine Art Poolärztedienst darstellt, nachdem das Leiharzt-Modell (landeseigene Spitalsärzte sollten an unbesetzten Kassenordis verliehen werden) nicht funktioniert,  findet nun Einzug in Bundesgesetze  – und erhält dort entsprechende Privilegien. Er, der Ärztebereitstellungsdienst, darf tun, was er will, weil es für ihn ergänzende oder abweichende Regelungen geben darf. Willkür eben! Wer oder was dieser Dienst ist, ist völlig unklar, offenbar ist es einfach ein Etikett, das man irgendwo draufkleben muss – ob ich sowas „einrichten“ darf?  nobody knows!

Und, anders als echte Pooldienste, werden die dort tätigen Ärzte, auch wenn es kaum etwas angestellteres gibt, sicherheitshalber gesetzlich zu Selbstständigen gemacht – die gesetzlich verordnete Nicht-Scheinselbständigkeits-Selbständigkeit

Ja, der §47a des Ärztegesetzes 1998 – ÄrzteG 1998 wird erweitert! Zuerst die Nicht-Scheinselbständigen, weisungs-, orts und zeitgebundenen Notärzte, jetzt die Poolärzte – der Paragraph entwickelt sich.

Aber die Legistik ist nicht nur schlecht, sondern auch schlampig. Ein Beispiel wäre die simple Umbenennung der Rahmen-Gesundheitsziele in die Gesundheitsziele -Österreich. Erstere sind ja schon ziemlich alt und unerreicht, die „neuen“ haben daher nichts mit den „alten“ zu tun – außer im § 9 G-ZG, dort hat man „vermutlich“ vergessen“ das „alte“ durch das „neue“ zu ersetzen!

Vermutlich, oder eben auch nicht. Nur wer dabei war, weiß, ob das bewusst oder unbewusst war. Weder Erläuterungen noch Text geben den Willen des Gesetzgebers klar weiter – also werden es Gerichte machen müssen, sollten jemand Fragen, wohin die Gelder geflossen sind.

Am Ende ist definitiv nicht viel Arbeit in diese Reform geflossen – auch wenn das der Minister anders empfinden mag.

Inhaltlich

„digital vor ambulant vor stationär“

Aufhänger ist „digital vor ambulant vor stationär“. Hier wurden die meisten „neuen“ Texte eingeführt – genauer betrachtet sind es aber nur Erweiterungen der bekannten „ambulant vor stationär“-Gesetze, die es seit Jahrzehnten gibt und deren Ziel immer der Abbau des akutstationären Bereichs bei gleichzeitigem Ausbau der ambulanten Versorgung unter Sicherstellung des Zugangs zu und der Verfügbarkeit von allen notwendigen Leistungen war.

Wenn man Daten anschaut, haben die alten Gesetze kaum gewirkt. Es gab weder einen Ausbau der Spitalsambulanzen noch der Kassenversorgung und auch keinen Abbau des akutstationären Bereichs. Wenn es etwas gab, dann eine Verschiebung mancher vollstationären Leistungen in den, ebenfalls dem akutstationären Bereich zugerechneten, tagesklinischen Bereich. Was die vollstationäre Patientenzahl betrifft, sind wir immer noch Weltspitze. Und wer sich mit dem Spitalsbetrieb auskennt weiß, dass Bettenauslastung weiterhin das oberste Ziel der Verwaltung ist – kein Wunder, hängt sowohl das finanzielle als auch politische Überleben der Spitalsstandorte weiterhin von vollen Betten ab.

Warum sollte also das Ziel „„digital vor ambulant vor stationär“ jetzt verwirklicht werden können? Es einfach in ein paar Gesetzen, deren Nicht-Befolgung konsequenzlos ist, reinzuschreiben ist eben nicht genug. Patientenströme können nur dann sinnvoll gesteuert werden, wenn ALLE Anbieter an einem Strang ziehen – und das wäre eine Reform – aber es ist nicht diese.

Gestützt wird die Hypothese, dass sich nichts ändern wird, auch dadurch, dass es keinerlei veröffentlichte Entscheidungsgrundlagen gibt, die zu den politischen Aussagen rund um die erwartete bessere Patientensteuerung gibt. Ein digitales Tool ist ja nur dann hilfreich, wenn es bei bekannten Patientenwegen eingesetzt wird. Das was mit der Reform kommen soll, ist aber nicht mehr, als eine Option Akutpatienten eventuell davon abzuhalten, einen persönlichen Kontakt zu einem Gesundheitsprofessionisten zu verursachen. Die meisten Patienten sind aber eben nicht mehr akut, sondern chronisch. Telemedizin ist also vor allem dort hilfreich, wo es darum geht, chronisch Kranke zu führen – aber davon ist nicht die Rede.

Und nur so als Beiwort: 1450 ist die Telefon-Schmalspurvariante des TeWeb, das seit über 15 Jahren in Gesetzen und Planungen vorkommt, und ELGA hat über zwei Jahrzehnte auf dem Buckel -Papier ist geduldig.

Ärztekammer -Entmachtung

Der „große Wurf“, soll die Entmachtung der Ärztekammer sein, Und Prima Vista ist die Reduktion der Veto-Player in der ambulanten Versorgung tatsächlich etwas richtiges. Nicht weniges wurde auch, aber eben nicht nur, durch die Ärztekammer verhindert – etwa die Einführung von PHC, die über ein Jahrzehnt  mit Weltuntergangsszenarien bekämpft wurde (und auch noch wird, jetzt halt ein bisschen weniger dramatisch) oder ELGA , die ein Spuk wäre, der uns bloß stellt.

Der zweite Blick allerdings führt aber zur Frage, ob die ambulante Versorgungsplanung nun wirklich besser wird, weil DER Blockierer weg ist?

Die ambulante Versorgung ist aufgeteilt in Kassenstellen Ärzte-gmbHs (die es defacto kaum gibt, obwohl sie der Kernpunkt der größten Strukturreform von Stöger waren) Spezialambulanzen, Zentrale Ambulante Erstversorgung, interdisziplinäre  Aufnahmestationen  (die beiden letzteren gibt es, auch wenn das kaum jmd weiß, erst seit 2012 und waren die ersten rechtmäßigen Einrichtungen in Spitälern mit ambulantem Versorgungsauftrag),  kasseneigene Ambulatorien, selbstständige Ambulatorien, PVE, Facharzt-Zentren (Die es bis dato nur gesetzlich, aber nicht real gibt) und Wahlärzte. Alle diese Einrichtungen arbeiten nach unterschiedlichen Regularien und verfolgen unterschiedliche Ziele, von unterschiedlichen Entscheidungsträgern, von denen die Ärztekammer eben nur einer ist – und alle sind nicht aufeinander abgestimmt und liefern keine Daten, da es keinerlei Versorgungsaufträge gibt, auch wenn diese nach dem Zielsteuerung Gesundheit -Gesetz (Gesundheitsreformgesetz 2013)  eigentlich seit 2016 gesetzlich vorgeschrieben wären.

Mit dem Fehlen der Versorgungsaufträge und einem verbindlichen Leistungsspektrum, das durch die Rollenverteilung entstünde, machen im Grunde alle was sie wollen, bzw in den Spitälern als letzter Ausweg, machen müssen, weil es sonst keiner macht. Was wer wo macht wird entweder verhandelt oder willkürlich festgelegt. Egal was Gesetze sagen.

Wenn also jetzt das ÄK-Veto wegfällt, wie werden nun Planungsentscheidungen fallen werden?

Nun, das Veto-Recht der Ärztekammer bezog sich nur auf Ambulatorien und Kassenstellen, die beide nur dann errichtet werden durften, wenn es den nachgewiesenen Bedarf gibt UND die Kammer zustimmt. Weil aber vernünftige Rahmen für die Bedarfsprüfung fehlten und fehlen, wurden diese einfach immer verhandelt – immer. Egal ob das mit EU-Recht vereinbar ist oder nicht. Der Klagsweg ist schlicht für den einzelnen sehr aufwendig.

Und um das Chaos nun aber wirklich zu beenden, kommen die RSGs wieder ins Spiel. Diese Planungsinstrumente sind ebenfalls bald 20 Jahre alt – und versorgungswissenschaftlich völlig wirkungslos, wie die Inhomogenität der Versorgungslandschaft zeigt. Und weil die Wirkungslosigkeit schon vor 10 Jahren offenbar war, wurden eben 2013 in der Zielsteuerung ein Strategisches Ziel definiert, wonach die Versorgungsdichte bedarfsorientiert sein soll.

Und die so bedarfsorientierte Dichte soll dann in den RSGs münden

Geändert hat sich aber bis heute trotzdem nichts Weiterhin stehen einem Mühlviertler nur halb so viele Kassenfachärzte zur Verfügung, wie einem Wiener und die Innviertler liegen 50% häufiger im Spital als die Ost-Steirer.

Würden die RSGs, wie gesetzlich vorgeschrieben, echte Planungsinstrumente nach echten versorgungswissenschaftlichen Regeln, wie ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben, sein, es wäre kein Problem, diese zentral in der neuen Reform zu verankern – sind sie aber nicht. Wer die RSGs kennt, und die daraus folgende Inhomogenität der Strukturen und Versorgung, weiß, dass die halt nur willkürlich landespolitische Pläne sind, mit denen Betten auf willkürliche Standorte verteilt werden und mit ein paar unnachvollziehbaren alten Daten der Sozialversicherungen aufgehübscht sind. Selbst die Darstellung des IST-Stands in diesen Plänen ist mindestens 4 Jahre alt – also weit weg von irgendwas Ernstzunehmendem. Aber das dürfte nicht gestört haben, als der § 21 Abs. 3 Gesundheits-Zielsteuerungsgesetzes entsprechend installiert wurde

Die SV können gar nichts in einem RSG sicherstellen. Sie sind schon rein rechtlich gar nicht in der Lage, den Ländern bezüglich Betten, Tageskliniken oder Ambulanzen Vorschriften zu machen. Der Gesetzgeber für alle ambulanten Leistungen, die nicht in einer Kassenordi erbracht werden, sind die Landtage, und die Exekutive dieser Gesetze sind die Landesregierungen. Egal was in diesem Paragraphen steht, er ist nicht mit der Verfassung im Einklang, steht aber schon seit vielen Jahren so im Gesetz – und hat niemanden interessiert. Ein Hinweis darauf, dass es eben totes Recht ist.

Doch durch die Einführung des Abs. 2a (der Rest ist grosso modo alt, obwohl 1a eben aus einem anderen ignorierten Gesetz stammt) soll der RSG jetzt offenbar als Maß des Versorgungsbedarf festgelegt werden. Etwas das er ohnehin schon sein müsste, aber eben nie wurde – doch jetzt per Gesetz sehr detailliert bis auf Bezirksebene sein muss, da die RSGs verbindlich erklärt werden können, und damit den Bedarf fixieren. Das klingt etwas theoretisch, wird aber sehr reale Auswirkungen haben.

Statt einen Bedarf an einem bestimmten Ort prüfen zu lassen, werden nun Standorte verbindlich festgelegt und ersetzen die Bedarfsprüfungen (auch diese Idee ist bereits viele Jahre alt). Heißt, was nicht im RSG drinnen steht, darf es auch nicht geben. Wie weit das geht oder gehen kann ist aktuell nicht klar – könnten dadurch theoretisch etwa alles Kassenstellen in einer Region abgeschafft werden? Oder verdoppelt? Könnten alle Ambulanzen gesperrt oder verdoppelt werden? Könnte man überall jetzt Spitäler errichten oder sperren, nur weil es einem Landespolitiker gefällt? Niemand kann das auf Basis dieses Gesetzes erahnen, was wo wie warum passiert. Umso mehr, als dass alle Zahlen, Daten und Fakten, die den Planungen zu Grunde liegen sollen, weiter geheim und einer Begleitforschung entzogen bleiben. Gegen einen RSG vorzugehen war schon immer schwer, wird aber jetzt sehr viel schwerer. Aber ob diese RSGs auch einer rechtsstaatlichen Prüfung standhalten? Wohl nicht.

Ich wiederhole – wären die RSGs auch nur ansatzweise versorgungswissenschaftlich korrekte Planungsinstrumente und nicht Willkürakte, würde die Idee gut sein. Aber sie sind nun einmal nur willkürlich und nicht bedarfsorientiert. Und weil eben die Versorgung in jedem Winkel Österreichs derartig unterschiedlich ist, aber alles den gleichen Gesetzen und Planungsgrundlagen unterliegen muss, müsste praktisch überall geprüft werden, ob die RSGs nicht gegen Verfassung und EU-Recht stehen. Doch das wird nicht passieren. „Wo kein Kläger da kein Richter“ dürfte der Grundgedanke dieser Gesetze sein – Jetzt, wo ein Institutioneller Veto-Player mit Freude und Geld für jegliche Klage durch alle Instanzen, die Ärztekammer, nicht mehr im Spiel ist, ist es nicht abwegig anzunehmen, dass in diesem Gemauschel und Getauschel sich keiner trauen wird, gegen ein Land zu klagen. Es wird also die Willkür der jetzigen Entscheidungsträger unkontrolliert wachsen, und die Versorgung der politischen Ökonomie ausgeliefert sein.

Bewertungs-Board

Und die Willkür wird nun auch auf Medikamente im Spital ausgedehnt – mittels Bewertungsboard. Im Grunde ist das ein neuer Ausdruck für die Medikamentenkommission, die, obwohl 10 Jahre alt, halt niemanden interessiert hat, möglicherweise, weil sie nicht klar definiert wurde und von der normierten Arzneimittelkommission unklar abgegrenzt war

Um aber diesem toten Pferd Leben einzuhauchen hat man dem Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz nun ein neues Hauptstück gegönnt

Ein Hauptstück, das allerdings ohne eigene Paragraphen auskommt – denn es wurde schlicht der § 62 aus dem Hauptstück F um die Buchstaben d, e, f, g, h, und i ergänzt. Vermutlich wollte man sich Arbeit ersparen – aber wie gesagt, die Legistik ist furchtbar.

Würde das alles so laufen wie im NICE  in UK, also evidenzbasiert, transparent und nachvollziehbar, dann wäre das völlig in Ordnung. Das wird es aber nicht – denn das Board ist voll von Politikern, die Daten haben, die sonst niemand sehen darf, und deren Gesetzesvorgabe so unklar ist, dass alles oder nichts hier beschlossen werden kann. Denn während die Verteilung der Steuergelder auf 100tausendstel genau (also auf 10.000€ genau) geregelt ist, wird sich das Bewertungsboard mit voraussichtlich hochpreisigen und spezialisierten Medikamenten beschäftigen. Was hochpreisig ist, entscheiden sie selbst.  Und zwei Gummi-Absätze definieren was „spezialisiert“ ist

Was immer da auch jetzt hinter verschlossenen Türen passiert, es wird (1) geheim bleiben, da auch hier alle Zahlen, Daten und Fakten nicht offiziell sein werden, und die Geschäftsordnung vermutlich Geheimhaltung vorschreiben wird, und  (2) gesetzeskonforme Willkür sein – dafür sorgt dieses Hauptstück G. Und das es nur ums verhandeln (oder eben Mauscheln und Tauscheln) geht zeigt der §62i – bei dem sich ein Anführungszeichen aus einem offenbar anderen Text erhalten hat – wie gesagt, die Legistik ist unterirdisch

Conclusio

Länder und Kassen kriegen deutlich mehr Geld als früher, um weiter das zu machen, was offenbar bisher nicht funktioniert hat. Wahnsinn ist es, wenn man immer das Gleiche tut, und meint, es kommt was anderes heraus.

Wenn was Neu ist, dann könnte man eventuell behaupten, dass die Länder nun noch weniger Regeln haben, die sie missachten müssen, wenn sie tun was sie wollen. Und die Kassen kriegen jetzt erstmalig direkt zusätzliches Steuergeld, um eben das zu machen was sie wollen.

Wo genau die vom Minister zitierte „viele Arbeit“ lag und wo der Tisch steht, an dem jetzt alle zusammensitzen  – unklar

Aber, es ist klar die Handschrift der Länder zu erkennen – die wollen ja kein Spital sperren, brauchen dazu aber billige Arbeitskräfte – und die wurden fixiert.

Dafür sorgt die wenig diskutiert Änderung des Ärztegesetzes 1998 – ÄrzteG 1998 bei den Bestimmungen der Ausbildungsstätten für die Ausbildung zum Facharzt  § 10.

Diese Änderung wird wirkmächtig, und kommt ganz ohne Ziele aus. Es ist ein Rückschritt in der Ärzte-Ausbildung. Die Zahl der Ausbildungsstellen wird dadurch schlagartig steigen, weil nun ein Facharzt bis zu zwei Absolventen und fast unbegrenzt Studenten im KPJ ausbilden darf. Viel wird da nicht gelehrt werden, aber Dienstpläne können, so die Hoffnung der Länder, mit billigem Personal gefüllt und Spitalsstandorte gesichert werden – und „digital vor ambulant vor stationär“ konterkarieren. Alleine, die Absolventen werden da nicht mitspielen und ins Ausland gehen. Und das wird gute Gründe liefern, mehr MedUnis zu errichten. Und so beginnt alles von vorne.

Die ewige Gesundheits- und Pflegereform

   Gesetze sind dazu da, sie zu befolgen oder zu übertreten – oder, wenn man sie selbst macht, sie einfach zu ignorieren.

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   Wer falsch parkt, kriegt einen Strafzettel – man hat ein Gesetz übertreten. Das ist normal, für die meisten jedenfalls.

   Gehen wir zurück ins Jahr 2000, das in der Gesundheitspolitik ein besonderes war. Nach 20 Jahre dauerndem Dahinwursteln haben sich die hohen Politiker der Länder und des Bundes geeinigt, die Gesundheitsplanung komplett neu zu gestaltet. Das hat der EU-Beitritt so nach sich gezogen, nicht der politische Wille.

   Bis dahin gab es den „Österreichischen Krankenanstalten-Plan“ (Ökap). Darin enthalten waren alle Krankenhäuser mit einer fixierten Anzahl an Betten. Diese wurde kleinerenteils wissenschaftlich errechnet, größerenteils politisch verhandelt. Ziel des Ökap wäre es gewesen, die stationäre Spitalsversorgung – und ausschließlich diese – in einen vernünftigen Rahmen zu bringen. Nun gut, an den Ökap hat sich niemand gehalten. Jedes Bundesland, ja beinahe jedes einzelne Krankenhaus, hat gemacht, was es wollte. Und wenn etwas nicht Ökap-konform war, haben Politiker halt fallweise den Ökap umgeschrieben. Einmal wurde der Ökap sogar evaluiert. Das Ergebnis war so desaströs, dass man sich hinter verschlossenen Türen geeinigt hat, einfach so zu tun, als ob es diese Evaluierung gar nicht gegeben hätte.

   Aber ab 2000 wurde alles anders. Ein entscheidender Paradigmenwechsel in der Gesundheitsplanung wurde eingeleitet: Die herkömmliche Planung wurde durch eine gemeinsame, einheitliche, bedarfsorientierte Leistungsangebotsplanung abgelöst. Die Planung sollte die stationäre und die ambulante Versorgung, die Rehabilitation und sogar die Pflege umfassen. Geplant werden sollten nun nicht mehr die Spitalsbetten, sondern vom Patienten ausgehend jene Leistungen, die Patienten brauchen, und zwar dort, wo sie sie brauchen. Die Leistungen selbst sollten nur erbracht werden dürfen, wenn man dafür Qualitätskriterien erfüllen konnte. Somit sollte die Planung erstmals das gesamte Gesundheitswesen quantitativ und qualitativ umfassen (wie schon 1969 von der WHO gefordert).

   Unzählige Arbeitsgruppen später wurde der „Österreichische Strukturplan Gesundheit“ (ÖSG) mit großem Pomp beschlossen und als großer Wurf verkauft. Jedes Bundesland hat in seinen Landesgesetzen festgelegt, dass der ÖSG geltendes Recht ist.

   Heute, 2022, schaut man nach, was denn umgesetzt wurde. Und siehe da: kaum etwas. Obwohl gesetzlich anders vorgeschrieben, ist die „Planung“ chaotisch; Länder machen weiter in den Spitäler willkürliche Bettenplanung, Kassen und Ärztekammern verwalten weiter autistisch die Kassenarztstellen, die Reha geht an der Hand des Dachverbandes zielsicher an der Realität vorbei, und die Pflege ist weiterhin ein völlig ungelöstes Problem von irgendwem. Und die gesetzlich geforderten Qualitätskriterien wurden zu unverbindlichen Empfehlungen degradiert.

   Alles wird völlig faktenbefreit, dafür hochemotional diskutiert, etwa der Ärzte- und Pflegemangel, und alle Probleme, die seit nachweislich 53 Jahren bestehen, werden gepflegt und gehegt, deren Lösung in Gesetze gegossen – und diese dann geflissentlich ignoriert. Das wird ewig so weitergehen, denn einen Strafzettel für diese Gesetzesübertretungen wird es nie geben.

„Wiener Zeitung“ vom 23.06.2022  

Die Parteipolitik in den Krankenkassen

   Ein Zahlenwirrwarr, Merkwürdigkeiten in der Pandemie und ein Vertrauensverlust bei den Versicherten.

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   Im Frühjahr 2020 warnte Andreas Huss, ein hoher Krankenkassenfunktionär der roten Reichshälfte, noch vor bis zu einer Milliarde Euro Defizit. Geworden sind es, ohne die 60 Millionen Euro, die der Bund extra zuschoss, 71 Millionen Euro. Nun, diese Gebarungsvorschau-Nabelschau ist nichts Neues und eigentlich völlig nutzlos. Denn so eine Darstellung in absoluten Zahlen ist (milde ausgedrückt) irreführend. Die ÖGK – um die es hier hauptsächlich geht – hat eine Bilanzsumme von 15 Milliarden Euro – 1 Prozent sind dann schon 150 Millionen Euro –, womit ein Überschuss oder ein Defizit bis zu dieser Höhe schon eine ziemlich genaue Prognose ist. Allerdings wäre eben eine Defizitprognose von 7 Prozent (also die oben genannte Milliarde) schon etwas, wo man genauer hinschauen sollte, bevor man sie in den Raum stellt. Und noch genauer, wenn sie nicht eintritt.

   Aber darum ging es wohl wirklich nicht. Es war natürlich Parteipolitik – der Defizit-Warner hat sich mit der türkisen Reform, die im Wesentlichen keine Prozesse bereinigt (also eher nur Türschilder ausgetauscht), sehr wohl aber die Zahl der roten Funktionäre – und nur die – dramatisch und völlig unnötig reduziert hat, nie abfinden können. Er wünscht sich ein krachendes Scheitern. Die moralische Vereinbarkeit einer solchen persönlichen und parteipolitischen Befindlichkeit mit dem Amt in der Selbstverwaltung ist fraglich – rechtlich ist das leider in Ordnung.

   So weit also nichts Neues. Was das Jahr 2020 aber so besonders macht, ist die Pandemie. Und da wird es doch etwas gruselig. Je nachdem, wer gerade was sagt, haben die Kassen auf der Einnahmenseite wenig verloren. Laut Peter Lehner , einem hohen Kassenfunktionär der türkisen Reichshälfte, sind die Einnahmen sogar um etwa 2 Prozent gestiegen – und das bei einem Rückgang des BIP um 7 Prozent.

   Zurückzuführen ist dieser „Einnahmenerfolg“ auf steuerfinanzierte Maßnahmen wie etwa die Kurzarbeit. Womit klar ist, dass die selbstverwalteten Kassen eigentlich steuerfinanziert sind – was so nicht vorgesehen wäre.

   Und ausgabenseitig? Ja, da ist ebenfalls ein „Erfolg“ zu verbuchen. Denn die Ausgaben sind hinter den Erwartungen geblieben – weil die Menschen seltener zum Kostentreiber Arzt gegangen sind. Und was heißt das? Sind wirklich viele Arztbesuche vermeidbar? Wenn ja, sollten wir daraus nicht lernen und endlich die Kassenmedizin aus dem Minuten- und Groscherl-Geschäft herauslösen und Zeit beim Arzt besser honorieren? Wenn nein, haben wir da jetzt eine gewaltige Verschlechterung der Volksgesundheit, die wir wegen unserer miserablen Datenlage nicht erforschen können?   

Auf so miesepetrige Fragen gibt es keine Antworten, denn es gilt doch, Erfolge zu feiern oder zu missgönnen – doch, das hat ebenfalls seine Wirkung. Je mehr sich die Funktionäre im gegenseitigen parteipolitischen Hickhack ergehen, desto irritierter sind die Zwangsversicherten. Und obwohl das Gesundheitssystem eigentlich gut gehalten hat, ist in der Pandemie deren Vertrauen gesunken – sehr zur Freude der Privatkassen , denn die sind tatsächlich Pandemiegewinner

„Wiener Zeitung“ vom 25.02.2021 

Das Spiel mit den Milliarden der ÖGK

   Die Österreichische Gesundheitskasse ist seit Anfang 2020 im Amt, der parteipolitische Kampf voll entbrannt.

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   Wie für unser Gesundheitssystem typisch, streiten sich alle nur ums Geld – und hier vor allem um die berühmte Patientenmilliarde. Die war nie klar, schon gar nicht als Umwandlung aus einer Funktionärsmilliarde – es war ein politischer PR-Gag der schwarz-blauen Regierung, den die Politiker nicht mehr los werden. Populismus hat unter Umständen eben auch kurze Beine. Doch was ist jetzt mit den horrenden Defiziten, die angeblich statt dieser Patientenmilliarde eintreten sollen und Beweis dafür sein sollen, dass die Kassenfusion ein Desaster ist? Die sind genauso ein PR-Gag, jetzt halt von der anderen Seite, also der roten, vor allem von der Gewerkschaft.

   Wer sich mit der Gebarungsvorschaurechnung der Krankenkassen (allein das Wort zeigt, aus welcher Epoche das kommt) beschäftigt hat, erkennt, wie „taktisch“ die Rechnungen waren. Sie haben stets einem Verhandlungsziel gegolten, um entweder die Einnahmen (Steuersubventionen) zu erhöhen oder die Ausgaben (Honorare und Medikamentenpreise) zu senken, nie jedoch, um Transparenz herzustellen. Während zwischen 2009 und 2018 von den Kassen kumuliert ein Verlust von 2547 Millionen Euro „vorausgerechnet“ wurde, kam bei der Abrechnung ein kumuliertes Plus von 1674 Millionen Euro heraus – eine Differenz von 4221 Millionen. Besonders krass war das Jahr 2012, da wurde aus einem vorausgerechneten Minus von 737 Millionen in Jahresfrist ein Plus von 181 Millionen!

   Und warum sind all diese Zahlen so herrlich manipulativ einsetzbar? Nun, dass liegt an der Verwendung der absoluten Zahlen; die klingen sehr schnell sehr hoch, auch wenn es nur um wenige Prozent geht. Aktuell macht die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) einen jährlichen Umsatz von etwa 16.000 Millionen Euro – ein einzelnes Prozent sind also schon 160 Millionen.

   Und wenn man dann noch über ein paar Jahre kumuliert, werden die Zahlen noch höher. Und die skandalösen 1700 Millionen Euro Defizit, die die ÖGK bis 2024 angeblich machen wird, klingen halt viel besser, als wenn man von zwei Prozent sprechen würde. Und wer bedenkt, wie sich die Kassen schon bei einer Jahresprognose verrechnen, weiß, dass Fünf-Jahres-Prognosen schlicht Kaffeesudlesen sind, und ein Defizit von zwei Prozent eine statistische Unschärfe sein muss.

   Doch um das ging es ja nicht– es ging darum, der einen populistischen Milliarde eine andere gegenüberzusetzen, um die eigene Klientel glücklich zu stimmen und zu mobilisieren.   

Politisch betrachtet jedoch, war es wohl eine „rote“ Dummheit, diese „Defizite“ so hoch zu rechnen und medial auszuschlachten, dass nun jeder weiß, die ÖGK steht vor einem Milliardendefizit. Denn auch wenn es nichts mit der Realität zu tun hat, wird es der jetzigen Regierung ein Leichtes sein, die Patientenmilliarde, wenn auch nicht wie versprochen bis 2023, so aber doch bis 2024 darzustellen. Denn bereits jetzt kann vorausgesagt werden, dass das Minus der Kassen völlig ohne Leistungskürzungen bis 2024 unter 700 Millionen Euro liegen wird – damit konnte „eine Milliarde im System gespart“ werden! Und es wird niemanden geben, der diesen Mythos brechen kann

„Wiener Zeitung“ vom 27.02.2020 

Die größte Strukturreform der Zweiten Republik

(Lesezeit 20 Minuten) Eine ausführliche Würdigung einer als Strukturreform getarnten Türschildreform, die einen billig schmeckenden parteipolitischen Nachgeschmack hinterlässt

„Das österreichische Gesundheitswesen zeigt das Bild beachtlicher Verschiedenheit durch unterschiedlichste Träger, wodurch eine überregionale Zusammenarbeit zugunsten von „Eigeninteressen“ behindert wird. […] Die Existenz so vieler Träger ist nicht geeignet, die Entwicklung eines rationellen, aufeinander abgestimmten und reibungslos funktionierenden Systems zu fördern. […] Zwischen intramuralem und extramuralem Bereich besteht eine scharfe Trennlinie. Es existieren Zweigleisigkeiten in der Arbeit von Spitälern und Ärzten in der Praxis.  […] Es gibt die steigende Tendenz der praktizierenden Ärzte, ihre Patienten in ein Spital einzuweisen – diese Tendenz wird unter anderem durch das Honorierungssystem gefördert. […] Die Vorsorge für die ärztliche Betreuung alter Menschen und chronisch Erkrankter ist im Allgemeinen unzulänglich.“

Und:

„Trotz verschiedenster Bemühungen um eine verstärkte Koordinierung und Angleichung der Interessen mussten wir feststellen, dass das österreichische Gesundheitssystem aufgrund seiner vielschichtigen Verwaltungsstruktur und dualen Finanzierung komplex und fragmentiert ist. […] Besonders die Aufteilung der Finanzierung von intra- und extramuralen Leistungen zwischen den Bundesländern und Sozialversicherungen kann die Betreuungskontinuität beeinträchtigen und zu Kostenverschiebungen führen.  Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass zurzeit die Gesundheitsergebnisse innerhalb der Bevölkerung schlechter und die Gesamtkosten höher ausfallen, als dies in einem koordinierten System der Fall wäre.“

Zwischen diesen beiden Aussagen liegen fast 50 Jahre. Die erste stammt vom Regionalbüro für Europa der WHO ( „Besprechung des Spitalswesen in Österreich mit Empfehlung für künftige Entwicklungen“ Oktober 1969), die andere aus der „Effizienzanalyse des österreichischen Sozialversicherungs- und Gesundheitssystems“ der London School of Economics and Political Science (LSE 2017)

Was kritisieren diese beiden Studien? Unser System

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Kassen und Spitäler gemeinsam denken

Kassenfusionen sind ein altes Thema. Denn die aktuelle Situation schadet seit Jahrzehnten Patienten, Versicherten und Steuerzahlern.

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    Zu viele Krankenkassen, ein Kassenhonorarsystem, das vernünftige Planung verhindert, strikt getrenntes und doppelgleisiges Arbeiten inner- und außerhalb von Spitälern – das sind keine neuen Probleme, die hat uns die Weltgesundheitsorganisation WHO schon 1969 aufgezeigt.

   Es ist auch nicht so, dass Regierungen sich der Lage nicht bewusst wären. Die Idee, Kassenärzte und Spitäler wenigstens planerisch zusammen zu denken, findet man beispielsweise 1996 in einem Bund-Länder-Kassen-Vertrag, der vorsah, dass es für alle ein einheitliches Leistungsgerüst geben soll. Die Leistungsharmonisierung ist ein Vorhaben, das nie Realität wurde, aber immer wieder zu finden ist – das letzte Mal 2013 im Bundeszielsteuerungsvertrag. Dort nahm sich die Regierung vor, ab 2016 einen einheitlichen Leistungskatalog einzuführen. Sie hat es halt wieder nicht geschafft . . .

   Und warum sollte man Kassen und Spitäler gemeinsam denken?

   Nun, weil es patientenfreundlicher ist; und billiger. Wegen fehlender Abstimmung liegen 900.000 Patienten in Spitälern, die ambulant behandelt werden könnten. Von diesen stecken sich 50.000 unnötigerweise mit Spitalskeimen an (das ist nicht zu verhindern), und einige Hundert werden unnötigerweise sterben. Abgesehen davon, dass die stationäre Behandlung dieser 900.000 Patienten wohl ein bis zwei Milliarden Euro unnötige Kosten erzeugt, sollte es doch wenigstens das Ziel sein, Patienten nicht unnötig zu schaden.

   Wenn also die Rede von der Kassenfusionierung wieder aufpoppt, sollte es nicht darum gehen, ein paar hundert Versorgungsposten einzusparen, die es zweifellos gibt. Thema ist, dass die Abstimmung zwischen Krankenkassen, Ärztekammern und Spitalsträgern einfach nicht klappt, ja nicht klappen kann, selbst wenn die eingebundenen Entscheidungsträger Engel und keine politischen Machtmenschen wären. Es gibt einfach zu viele und vor allem schlecht definierte Entscheidungsebenen.

   Natürlich haben sich Länder und Gebietskrankenkassen an einen dezentralen Modus Vivendi gewöhnt. Davon abzuleiten, dass diese nur regional wüssten, wie es geht, ist aber falsch. Gänzlich ausgeblendet wird, dass es große Kassen gibt, die bundesweit agieren: Beamten-, Bauern- und die Selbständigen-Kasse, und auch noch die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt AUVA und die Pensionsversicherung.

   Die Idee, nur wenige, bundesweite Kassen zu haben, denen eine bundesweit agierende Spitalsplanung gegenübersteht, ist logisch. Umso mehr, als es eben auch bundesweite Regeln für Beiträge und Steuern gibt. Aber man kann es auch anders machen: neun Länder und neun Kassen, die dann aber ihre Steuern und Beiträge selbst einheben müssen – bundesweite Entscheidungsstrukturen und Finanzierungsregeln sind dann unnötig.   

Die jetzige Reformverweigerung kommt wohl woanders her. Bedient doch die aktuelle Situation die Machtbestrebungen aller. Landespolitiker und Gewerkschaften freuen sich darüber, dass die Abstimmung nicht klappt – denn das ist der Garant für ausgelastete Spitäler, über die Posten zu besetzen sind, und die für einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad sorgen. Mit dem Patienten hat das nichts zu tun.

„Wiener Zeitung“ Nr. 227 vom 23.11.2017  

Fehlgeleitet

Patienten werden von den Krankenkassen bewusst zu Wahlärzten und in Spitalsambulanzen verschoben.

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   Vorweg: Ein Kassenarzt ist verpflichtet, eine Mindeststundenanzahl offen zu haben. Wenn Patienten außerhalb dieser Zeit behandelt werden, kann ein Zuschlag verrechnet werden, der dazu dient, die mit den außertourlichen Öffnungszeiten verbundenen Mehrkosten, etwa Überstundenzuschläge für Mitarbeiter, zu kompensieren.

   Weil die Leistungshonorare, vor allem der Gebietskrankenkassen, sehr niedrig und viele nicht einmal mehr kostendeckend sind und durch Privatleistungen quersubventioniert werden müssen, entstehen durch außertourliche Öffnungszeiten nicht nur Mehrkosten, sondern auch Opportunitätskosten. Am Ende ist es für Kassenärzte ein wirtschaftliches (und wohl auch gewolltes) Problem, länger offen zu halten.

   Vor etwa einem Monat gab es das Gerücht, dass Kassenärzte, wenn sie etwa bei Grippewellen länger offen hatten, für Patienten keinen „Zuschlag“ abgegolten erhielten. Die Krankenkassen hätten diese Zuschläge, mit der Aussage, dass ja Spitalsambulanzen offen waren, im Nachhinein abgelehnt. Wie gesagt, nur ein Gerücht, das von Kassen dementiert wurde. Daten dazu gibt es nicht.

   Jetzt kann man einwenden, dass Ärzte dieses Gerücht gestreut haben, weil sie irgendeine versteckte Agenda verfolgen. Doch da erreicht mich folgende Geschichte einer Patientin (Name bekannt, Text gekürzt): „Mit einem akuten gesundheitlichen Problem suche ich den Wahlarzt meines Vertrauens auf, welcher nach ausführlichster Untersuchung samt Ultraschall 140 wohlverdiente Euro verrechnet. Frohen Mutes reiche ich diese Honorarnote bei der Krankenkasse ein, um in Worten sechs Euro rück erstattet zu bekommen. Nun dachte ich, jene Summe rückerstattet zu bekommen, die ein niedergelassener Facharzt mit Kassenvertrag erhalten hätte (wohl kaum 6 Euro, sonst kann der zumachen), und rufe bei der Krankenkasse mit der Bitte um Aufklärung an: ,Ja, das ist wegen dem Ultraschall. Der wird ja nicht bezahlt.‘ Ich darauf: ,Naja, wie soll er in mich reinschauen, mit dem Röntgenblick?‘ Sie darauf: ,Gehen Sie halt das nächste Mal in eine Spitalsambulanz, da ist ohnehin nachher ein Krankenhaus nötig.‘ Darauf ich: ,Aha, das soll ich also schon vorher wissen? Und, da komm’ ich Ihnen dann billiger in der Ambulanz?‘ Darauf sie: ,Das zahlt dann wer anderer, verstehen Sie?‘“

   Natürlich bleibt auch das wieder Anekdote – doch das Bild verdichtet sich, dass die Kassen ihre Patienten bewusst zu Wahlärzten und in Spitalsambulanzen verdrängen. Denn der (altersstandardisierte) Anteil der Bevölkerung, der 2014 wenigstens einmal einen Facharzt (Wahl- oder Kassenarzt) sah, stieg, verglichen mit 2007, um 40 Prozent, der Anteil in einer Spitalsambulanz um 34 Prozent. Im Gegenzug dazu stieg im gleichen Zeitraum die Zahl der Kassenfachärzte nur um 4 Prozent, die Zahl der Spitalsärzte aber um 30 Prozent und die Zahl der reinen Wahlfachärzte (also jene niedergelassenen Ärzte ohne Kassenvertrag, die nur davon leben und keinerlei zusätzliche Anstellung haben) gar um 370 Prozent. Und wenn 1+1=2 ist, dann ist die Verdrängung der Patienten vom Kassenarzt zum Wahlarzt und in die Spitalsambulanz kein Zufall.

„Wiener Zeitung“ Nr. 032 vom 16.02.2017  

Die Existenz-Angst der Kassen-Hausärzte

(Lesezeit 3 Min) Ein Kassen-Hausarzt verdient, bei einem Jahresumsatz von 250.000 bis 300.000€, 50.000 bis 60.000 € netto, das sind, auf 14 Monate gerechnet, etwa 3.500 bis 4.000 € (wobei es eine erhebliche Schwankungsbreite gibt)

Sicher mehr als ein Viertel des Gewinns (arbiträr) stammt nicht aus den Umsätzen als Kassenarzt, sondern aus einer quersubventionierenden Tätigkeit. Nach dieser lassen sich Kassen-Hausärzte  grob in zwei Gruppen teilen.

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Die Absurdität der SVA-Diskussion

(Lesezeit 4 Min) Unselbständige haben einen weitreichenden sozialen Schutz, und wissen meist gar nicht, woher das Geld dafür kommt. Bei den EPUs der SVA wird das dann plötzlich klar.

Wer als Unselbständiger monatlich 2.280€ brutto verdient, ärgert sich zwar, dass nicht einmal 1.650€ netto bleiben, vergisst aber auch schnell, dass es die 14 mal gibt, und dafür nur 10,5 Monate gearbeitet werden müssen. Mehr noch, wenn man krank ist (im Schnitt weitere 2 Wochen), erhält man weiter sein Geld – also bezahlter Krankenstand, die sogenannte Entgeltfortzahlung! Je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit zwischen 6 und 12 Wochen zahlt der Arbeitgeber volles, danach 4 Wochen halbes Gehalt. Dann erst springt die Sozialversicherungen mit Krankengeld ein

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Kassen, Kammern, Ambulatorien, der Gesamtvertrag und die PHC-Zentren

(Lesezeit 4 Min) Ärztekammern, Krankenkassen und Ambulatorien; ein Streit der praktisch so alt ist wie die zweite Republik und in der PHC-Diskussion gerade wieder aufflammt

 

Herbst 1955 – Seit kurzem gibt es den Staatsvertrag, die Besatzungsmächte sind noch nicht vollständig abgezogen, da wird das ASVG, zur Abstimmung gebracht. Und fast typisch, trotz zehn Jahren Verhandlung, kommt eine, wie ein Stenographisches  Protokoll zeigt, schnell zusammengezimmerte „Zwischenlösung“ zur Verlesung, weil wenige Tage davor ein Aufstand der Wiener Ärztekammer zu Änderungen zwang.

Um was es ging? Um Ambulatorien und Kassenplanstellen.

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