Wären Politiker entscheidungsfreudiger und Ärzte ehrlicher, müssten Patienten rund 50 Millionen Euro pro Jahr weniger aus der eigenen Tasche bezahlen.
Stellen Sie sich vor, Sie müssen wegen einer Star-Operation ins Spital. Wären Sie irgendwo in Europa, würden Sie in der Früh ins Krankenhaus gehen und am Abend nach Hause. In Österreich bleiben Sie drei Tage im Spital! Stellen Sie sich vor, Sie brauchen eine Gallenblasenoperation. Wären Sie irgendwo in Europa, würden Sie mit einem Spitalsaufenthalt von drei Tagen rechnen. In Österreich sind es sieben! Solche Beispiele gäbe es noch viele. Am Ende kommen fünf Millionen Krankenhaustage zustande, die eigentlich nicht nötig wären. Abgesehen davon, dass das der Allgemeinheit Kosten in Milliardenhöhe aufbürdet, müssen Patienten dafür aus der eigenen Tasche rund 50 Millionen Euro bezahlen – den sogenannten „Verpflegskostenbeitrag“.
Dass wir Weltmeister im Spitalsliegen sind, ist mittlerweile Allgemeinwissen. Warum wir es sind, diese Frage ist schon interessanter. Einmal ehrlich, hat der Patient wirklich eine Chance weniger im Spital zu liegen? Der Durchschnittsösterreicher hat weder Medizin studiert, noch kennt er sich mit Fragen der Versorgungsqualität aus. Das eine – so zumindest die Theorie – sollten doch die Ärzte am besten können, das zweite ist eigentlich Aufgabe der Länder. Beide betonen aber, dass alles zum Besten ist. Wer bleibt sonst übrig, um Patienten vor zu langen Spitalsaufenthalten zu bewahren? Nein, der Patient ist sicher kein selbstgemachter Weltmeister, sondern nimmt nur an, dass Ärzte und Politiker ihren Job gut machen. Wenn man aber ein bisschen genauer schaut, dann erkennt man rasch, dass es nicht so ist.
Auf der einen Seite sind da die Primarärzte. Das wichtigste Argument in der Frage der eigenen Existenzsicherung ist selbst im 21. Jahrhundert nicht der Patient, sondern noch immer die Anzahl der ausgelasteten Betten. Kurze Liegedauer oder gar ambulante Versorgung würde die Zahl der ausgelasteten Betten sinken lassen und so die eigene Existenz gefährden. Aber noch wesentlicher als die Betten, sind die Einnahmen aus den Klasseversicherungen. Wegen komplizierter verfassungsrechtlicher Bestimmungen sind die sogenannten Klassegelder noch immer weitgehend an die Länge des Spitalsaufenthalts gebunden. Je kürzer Patienten liegen, desto geringer diese Zusatzeinnahmen. Und um die Klasse-Patienten ja nicht auf den Geschmack kurzer Aufenthalte zu bringen, werden sicherheitshalber alle länger behalten.
Auf der anderen Seite stehen die Landespolitiker. Sie wären verpflichtet, die Krankenhaushäufigkeit und Liegedauer auf das medizinisch notwendige Maß zu minimieren. Würden sie diese Gesetzesvorschrift wirklich ernst nehmen, dann müssten sie Krankenhäuser sperren – und zwar viele. Damit würde sie aber ihre Spielwiesen verlieren. Auch wenn es zum Wohle des Patienten wäre, ist das eine Denkunmöglichkeit! Da ist es schon besser, man versteckt sich hinter den Primarärzten und behauptet wie sie, dass lange Aufenthalte notwendig sind (siehe oben).
Solange diese beiden Gruppen behaupten, dass lange Aufenthalte medizinisch begründet sind, wird es den Patienten schwer fallen, etwas anderes zu vermuten. Solange alles so bleibt wie es ist, werden sie dafür, angeblich zu ihrem eigenen Wohl, Jahr für Jahr Unsummen auf den Tisch legen. Und nur, dass es nicht zu Missverständnissen kommt, selbst wenn wir die oben beschriebenen fünf Millionen Krankenhaustage nicht mehr hätten, würden wir im europäischen Vergleich noch immer zum obersten Drittel der Spitalslieger gehören.
Dieser Artikel wurde im Juli 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.