Ist die Kassenfusion ein gangbarer Weg, die ambulante Versorgung besser zu organisieren?

 

Inhaltsverzeichnis

  • Zusammenfassung

 

  • Einleitung

 

  • Behandlung, Versorgung und Gesundheitssystem sind unterschiedliche Dinge
  • a).. Die Ebene der Behandlung
  • b).. Die Ebene der Versorgung
  • c).. Die Ebene des Gesundheitssystems

 

  • Grundsätzliches zum österreichischen Gesundheitssystem…

 

  • Die Kassenfusion
  • (1) Ist das österreichische ambulante Versorgungssystem wirklich so schlecht?
    • a… Was soll ambulante Versorgung?
    • b.. Was ist PHC?
    • c… Ist unsere ambulante Versorgung so schlecht?
    • d.. Wie misst man „ambulante Versorgung“?
    • e.. Warum gibt es bei uns kein PHC?
  • (2) Welche Organisationsformen gibt es in der ambulanten Versorgung?
    • a.. Kassenärzte
    • b.. Wahlärzte
    • c… Spitalsambulanzen
    • d.. Kasseneigene Ambulatorien
    • e.. Selbständige Ambulatorien
    • f… Privatärzte
  • (3) Welche Folgen hat diese Zersplitterung?
    • a.. Welche Folgen hat das auf die Versorgung?
    • b.. Welche Folgen hat das für die Regionen?
    • c… Warum gibt es keinen einheitlichen Katalog?
    • d… Warum ist es sinnvoll, einheitliche Leistungen einheitlich zu honorieren und dafür über andere Modelle (P4P) Leistungsanreize zu schaffen, die sowohl regional als auch finanziell flexibel sind?
  • (4) • Warum gibt es in Österreich so viele Kassen?
    • a.. Wie viele Kassen gibt es?
    • b.. Woher haben die Krankenkassen ihr Geld?
    • c… Kostet die Verwaltung wirklich nur 3%?
    • d… Sind Pflichtsysteme wie in Österreich (Pflichtversicherung statt Versicherungspflicht und Kassenplanstellen statt Niederlassungs-freiheit) wirklich schlecht?
  • (5) Was passiert, wenn die Kassen fusionieren?
    • e.. Ist eine Kassenfusion eigentlich sinnvoll (Zentralisierung im Zeitalter der Dezentralisierung)?
    • f… Was bringt eine Fusion – Einsparungen?
    • g.. Welche Voraussetzungen sind nötig, um die Kassen zu fusionieren (rechtlich und kulturell)?
    • h.. Wie geht man bei einer Kassenfusion mit den Spitalsambulanzen um?
    • i… Wie geht man bei einer Kassenfusion mit den Wahlärzten um?

 

  • Literatur
  • Abkürzungen

Eine Analyse im Auftrag der Team Stronach Akademie im ersten Halbjahr 2015

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Fusion der Krankenkassen – ein absolutes No Go

Kassenfusionen sind ein altes Thema – eigentlich sollte dabei eine Vereinfachung und keine Einsparung diskutiert werden.

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   Zu viele Krankenkassen, ein Kassenhonorarsystem, das vernünftige Planung verhindert, strikt getrenntes und doppelgleisiges Arbeiten inner- und außerhalb von Spitälern – das sind keine neuen Probleme, die hat uns die Weltgesundheitsorganisation schon 1969 aufgezeigt.

   Es ist auch nicht so, dass Regierungen sich der Lage nicht bewusst wären. Die Idee, Kassenärzte und Spitäler wenigstens planerisch zusammenzudenken, findet man beispielsweise 1996 in einem Bund-Länder-Kassen-Vertrag, der vorsah, dass es für alle ein einheitliches Leistungsgerüst in Form eines einheitlichen Diagnose-und Leistungskatalogs geben soll. Ein Vorhaben, das nie Realität wurde, aber immer wieder zu finden ist – das letzte Mal 2013, im Bundeszielsteuerungsvertrag. Dort nimmt sich die Regierung vor, ab 2016 einen solchen Katalog einzuführen.

   Und warum sollte man Kassen und Spitäler gemeinsam denken?

   Nun, weil es patientenfreundlicher ist; und billiger. Denn wegen fehlender Abstimmung in und mit der ambulanten Versorgung liegen 900.000 Patienten in Spitälern, die anderswo in Europa ganz klar ambulant behandelt worden wären. Von diesen stecken sich 50.000 unnötigerweise mit Spitalskeimen an (das ist nicht zu verhindern) und einige Hundert werden unnötigerweise sterben. Einmal abgesehen, dass die stationäre Behandlung dieser 900.000 Patienten wohl ein bis zwei Milliarden Euro unnötige Kosten erzeugt, sollte es doch wenigstens das Ziel eines Gesundheitssystems sein, Patienten nicht unnötig zu schaden.

   Wenn also die Rede von der Kassenfusionierung wieder einmal aufpoppt, dann sollte es nicht darum gehen, ein paar hundert oder tausend Versorgungsposten einzusparen, die es zweifellos gibt. Das Thema ist, dass die fehlende Abstimmung zwischen 21 Krankenkassen, 15 Krankenfürsorgeanstalten und den etwa 40 Trägern öffentlicher Akutspitäler zu enormen Problemen und Kosten führt.

   Aktuell arbeiten in den Krankenkassen etwa 8000 Mitarbeiter. Grosso Mode pro Kassenarzt ein Kassenangestellter. Oder anders ausgedrückt: Auf einen Kassenmitarbeiter kommen 1000 Versicherte, um deren Versorgung er sich kümmern sollte. Er könnte, vorausgesetzt, er kriegte die Informationen, die er braucht und die ein einheitlicher Diagnosen- und Leistungskatalog lieferte, kontrollieren, ob beispielsweise ein Diabetiker seine jährliche Augenuntersuchung oder ein Herzinsuffizienzpatient die notwendigen Medikamente erhält. Würden also die Kassen darauf achten, dass die Versicherten möglichst alle notwendigen Leistungen erhalten, die stationären Fälle würden weniger. Stattdessen jedoch konzentrieren sich die Kassen auf kleinliche Arztkontrollen anhand merkwürdiger Statistiken, etwa durchschnittliche Medikamentenkosten pro Ordination – was sagt das über die Versorgung einzelner Patienten aus? Nichts.

   Und warum poppt diese Kassenfusionsdiskussion immer wieder auf? Die Kassen mit den tausenden Mitarbeitern, den Milliarden Umsätzen und den gewaltigen Immobilienreserven stellen Imperien der Einzelgewerkschaften dar, die diese jedenfalls gegen jede Veränderung verteidigen. Mit dem Gesundheitswesen hat das nichts zu tun.

„Wiener Zeitung“ Nr. 212 vom 30.10.2014