Gesundheitspolitischer Zynismus

 Je genauer ich die Versorgung chronisch Kranker analysiere, desto zynischer imponiert die Reformunfähigkeit der Kassen und Bundesländer.

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   Es ist alles andere als neu, dass Patienten mit Herzschwäche, will man sie gut versorgt wissen, mehr brauchen als nur eine Diagnose und ein Rezept. Sie brauchen Betreuung.

   Seit zwei Jahrzehnten werden daher gesundheitsökonomisch sinnvolle Programme erprobt, die mehr als nur punktuelle Arzt-Patientenkontakte vorsehen – sogenannte Disease Management Programme.

   Die Wirksamkeit der Programme ist immer und immer wieder bewiesen worden. Dass sie nicht nur viel Leid und vorzeitigen Tod vom Patienten abwenden können und auch sparen helfen: Schlecht betreute Patienten erzeugen hohe Folgekosten über häufige und teure Spitalaufenthalte.

   Als vor bereits zwölf Jahren die Ergebnisse einer großen europäischen Vergleichsstudie erschienen, da war nicht nur klar, dass wir unsere Patienten schlecht betreuen, sondern auch, dass etwas getan werden muss. Und so schossen Pilotprojekte aus dem Boden und Politiker überschlugen sich in Ankündigungen.

   Das „Tiroler Modell“, das „Kremser Modell“, das „Wiener Modell“, das Flachgauer „Kardiomobil“ wurden entwickelt, erprobt und evaluiert – und alle haben gezeigt, dass auch in Österreich eine intensivere Betreuung der Herz-Patienten bei geringeren Versorgungskosten zu mehr Lebensqualität und längerem Überleben führt.

   Doch was ist aus diesen Programmen geworden, was aus den Ankündigungen, die 160.000 Herzschwäche-Patienten besser versorgen zu wollen? 2012 wurde erhoben, wie denn deren Versorgung ist – und sie ist weiterhin schlecht. Nicht einmal die Hälfte der in Behandlung stehenden Patienten erhält jene Therapie, die sie braucht. In anderen Ländern, in denen Gesundheitsökonomie wichtiger ist als kleinkarierte Machtspielchen, sind es 90 Prozent.

   Zwar haben auch die in Österreich erprobten Programme bewiesen, dass man pro Jahr mehrere 10.000 qualitativ wertvolle Lebensjahre gewinnen könnte – aber warum sollte das wichtiger sein, als wohlerworbene Pfründe? Denn was nie gelang ist, die Kompetenz- und Finanzierungsfragen dieser Programme zu klären. In den Spitälern sind die Länder, draußen die Kassen zuständig. Draußen kosten diese Programme, drinnen erspart man sich Kosten durch vermiedene Spitalaufnahmen – wie soll man da das Geld aufteilen? Wer soll diese Programme leiten?

   Sich gemeinsam um diese Patienten zu kümmern, das setzte voraus, dass man Mauern niederreißt und eine Vision entwickelt. Warum sollte man das tun? Wo doch politisch alles erreicht wurde: Man zeigte Initiative, kündigte an, ließ sich als die Retter der Patienten bejubeln. Und als das Volk das verstanden hat, warum sollte man dann noch etwas umsetzen? Bringt doch politisch nichts mehr und führt nur zu Problemen. Umsetzen ist nur etwas für Menschen mit Gestaltungswillen. Die, die mit Machtwille ausgestattet sind, brauchen das nicht.

   Und so werden österreichische Herzschwäche-Patienten weiterhin damit leben, ein bis zwei Jahre zu früh zu sterben – aber wenigstens die Sicherheit haben, dass sie das „im besten Gesundheitssystem“ der Welt tun.

„Wiener Zeitung“ Nr. 155 vom 09.08.2013 

Die Konkretisierung der Gesundheitsreform – Herzschwäche (Herzinsuffizienz)

Durch die Reform soll die Institutionenorientierung (Spitalsstandorte und Kassenplanstellen) zugunsten einer integrierten Versorgung überwunden werden: Patienten sollen zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle– genannt: „Best Point of Service“- behandelt werden. Wo das ist, wird nicht dekretiert, sondern ist dezentral, auf Ebene der Versorgungsregionen des ÖSG – davon gibt es 32 – festzulegen.

Die ambulante Versorgung ist der stationären vorzuziehen– das bedeutet, dass die ambulante Versorgung durch Spitalsambulanzen und Kassen(fach)ärzte bedarfsorientiert auf-, aus- und umgebaut wird. Gruppenpraxen werden dabei eine wichtige Rolle spielen. So soll auf Sicht eine fachärztliche Versorgung gewährleistet werden, die nicht nur Ballungsräume bevorzugt. An den Abbau von Hausärzten denkt definitiv niemand –im Gegenteil.

Zentral werden Rahmenziele aufgestellt, anhand derer der Aufbau der integrierten Versorgung gemessen werden kann. Dezentral – also in den 32 Versorgungsregionen – sind diese unter Berücksichtigung der regionalen und spezifischen Besonderheiten zu konkretisieren. Es sind keine „zentralistischen“ Diktate, angedacht, sondern praxis- bzw. wirkungsorientierte Rahmenvorgaben.

Die Reform klingt abstrakt! Stimmt – und wie könnte das konkret aussehen? (aber wird es wohl nicht, betrachtet man die Fortschritte der Verhandlungen)

 

Betrachten wir Patienten mit Herzinsuffizienz

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