Muss der Staat alles zahlen?

Eigenverantwortung ist Teil eines öffentlichen Gesundheitssystems, das neben der Solidarität vor allem Subsidiarität fordert. Aber die ist mit Mühe verbunden, die niemand will.

Herr und Frau Österreicher wollen immer öfter jemanden (den guten Vater Staat), der sie an der Hand nimmt und führt – und den sie bei Misserfolg gleich verantwortlich machen können.

Das betrifft auch Krankheitsfragen. Und nicht nur deshalb, weil unser System zunehmend unübersichtlich wird, sondern vor allem, weil Grundkenntnisse über Gesundheitsprobleme und der Umgang mit ihnen völlig verschütt gegangen sind.

Es ist erstaunlich, wie oft Ärzte gerade von jungen Leuten gefragt werden, ob Fieber oder Husten ansteckend ist. Fieber ist ohnehin ein absolute Katastrophe und der wichtigste Grund, warum nächtliche Bereitschaftsdienste und Ambulanzen in Anspruch genommen werden. Legte man so ein Verhalten auf das Wechseln einer Glühbirne um, dann würden die Elektriker dieses Landes krisensichere Jobs haben – natürlich nur dann, wenn die Kunden nicht selbst bezahlen müssen, sondern „Väterchen Staat“ das für sie macht. Andernfalls würde ich tippen, täten die Leute ihre Birnen doch weiter selbst austauschen.

Der „mündige Patient“ hingegen weiß sehr oft nicht mehr (oder will es nicht wissen), was er mit einem Schnupfen anfangen soll und gerät in Panik. Dann sucht er sofort „Rat“ in der Versorgungspyramide, und dann maximal oben, am besten in einer Spitalsambulanz, wenigstens jedoch beim Hausarzt. Dort erwartet er sich allerdings genaugenommen keinen Rat, sondern sofortige Heilung. Ärzte müssen ja alles können, so sagt’s die Politik; was die Ärztekammerpolitik einschließt, die zu dieser „Alles ist Möglich“-Haltung viel beigetragen hat.

Das so ein unreflektiertes und eigenverantwortungsloses Verhalten nicht bei lapidaren Erkrankungen endet, sondern auch alle andere Folgeerkrankungen der Zivilastion betrifft ist klar – wer zwanzig Jahre fett war, der erwartet folgerichtig trotzdem sofortige aber vor allem schmerz- und mühelose Gratis-Heilung; und die Politik wird nicht müde, ihm das zu versprechen.

Dass das wahnsinnig viel Geld kostet ist auch egal. Und keinesfalls darf man darüber nachdenken, ob man nicht doch die Eigenverantwortung einfordern darf. Ob man wirklich ALLES kostenlos (wo es doch nie kostenlos sondern nur unentgeltlich ist!) vorhalten soll?

Erstaunlich, dass Staaten mit Zugangsbeschränkungen und steuernden Selbstbehalten ohne freie Arztwahl (mit sogenannten Hausarztmodellen), in der Zufriedenheit nicht wesentlich schlechter abschneiden. Wie paradox hochgeschraubt dagegen unser System ist, darüber könnten Ärzte in Fremdenverkehrsorten Bände erzählen: vor allem von völlig baffen Holländer und Dänen, denen über unsere Grundversorgung vor Ort regelmäßig der Mund offen bleibt.

Interessanterweise haben diese Staaten deutlich weniger Krankenhäuser (die Hälfte bis ein Drittel!), die halt immer noch die teuersten Einrichtungen sind. Und weil es weniger Krankenhäuser gibt, gehen die Patienten dort auch nur hin, wenn es nötig ist und davor bemühen sie sich gemeinsam mit dem Hausarzt ohne Wahnsinnsaufwand gesund zu werden – was ja meist gelingt!

Die Diskussion über Notwendigkeiten (Redimensionierungen) wird uns in Zeiten wie diesen wieder einholen. Und wenn dann ein paar mutige, selbsternannte Gesundheitsökonomen – von denen es eh so gut wie keine gibt! – sich trauen in diesem paternalistischen System die Stimme zu erheben und diese Redimensionierung fordern, dann sollte man auf politischer Ebene doch froh sein. Sonst traut sich ja eh keiner mehr.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Landesväter

Wer Bedürfnissen nachgibt, darf sich nicht wundern, wenn der Bedarf schier unermesslich wird. Und wo führt das hin?

In einem Wochenmagazin stand eine interessante Aussage eines Landeshauptmanns, die so aber auch von jedem anderen stammen könnte. Dieser wurde darauf angesprochen, warum man nicht zwei nur zwölf Kilometer auseinander liegende Krankenhäuser (allerdings in zwei Bundesländern) zusammenlegen und damit Millionen sparen könnte. Was denn so schlimm sei, über eine Bundeslandgrenze in ein Spital zu fahren (wo doch anderswo daran gedacht wird, ein solches sogar über Staatsgrenzen hinweg zu führen), wurde gefragt: „Politik“, antwortete der Landeshauptmann, „müsse die Bedürfnisse der Menschen berücksichtigen…Die Menschen würden sich dort wohl fühlen und das so wollen.“ Damit mag er durchaus Recht haben.

Mein Sohn liebt Schokolade und lehnt Zähneputzen ab. Trotzdem sorgen meine Frau und ich dafür, dass er nur selten Schokolade bekommt und putzen seine Zähne. Wir handeln gegen seine Bedürfnisse, wohl wissend, dass wir so aber seinen Bedarf an Erziehung und Körperpflege decken. Auch wenn Sie jetzt denken, es sei vermessen, ein Kleinkind mit wahlberechtigten Bürgern und Patienten zu vergleichen, ist dieser Vergleich durchaus berechtigt.

Patienten wie Bürger wissen nicht, wie es um die Strukturen unseres Gesundheitssystems bestellt ist. Vielmehr muss bei den Bürgern der Eindruck entstehen, Spitäler zu sperren, sei Ausdruck krankhaften Sparwahns. Umso mehr, wenn Sie in eines kommen, in dem Patienten auf den Gängen liegen, was gerade an internen Abteilungen sehr häufig vorkommt. Dass aber viele Patienten, die dort liegen, auch ambulant oder tagesklinisch behandelt werden könnten oder einer Pflegeeinrichtung bedürfen, weiß die Bevölkerung nicht. Nur mangelt es an diesen, verglichen mit Spitälern viel günstigeren Strukturen. Übervolle Spitäler sind also weniger Ausdruck von Sparwahn, als vielmehr Resultat unfinanzierbarer Verschwendungssucht, weil man sich halt doch nicht so viele Spitäler leisten kann.

Genau so wenig können Patienten wie Bürger beurteilen, wie es um die Qualität der medizinischen Versorgung ihrer kleinen Regionalspitälern bestellt ist. Nur weil einmal etwas schief geht, muss die Qualität nicht schlecht sein. Aber nur weil viele Patienten mit der Behandlung zufrieden sind, bedeutet das keinesfalls, dass die Qualität deswegen gut ist. Tatsächlich werden in vielen kleinen Krankenhäusern immer wieder Operationen und andere Behandlungen vorgenommen, die dort eigentlich nicht durchgeführt werden dürften. Weil etwa die für komplizierte Behandlungen notwendige Infrastruktur nicht vorhanden ist oder schlicht die Erfahrung fehlt.

Nähmen die Landeshauptleute ihre Verantwortung als „Landesväter“ und „-mütter“ wirklich ernst, würden sie nicht allen Bedürfnissen ihrer Bevölkerung nachgeben. Vor allem dann nicht, wenn dies bedeutet, langfristig deren Gesundheitsversorgung aufs Spiel zu setzen. Schließlich verfügen sie, ähnlich wie Eltern gegenüber ihrem Kind, über einen gewaltigen Informationsvorsprung. Sie wissen von den Bedenken der Experten betreffend der Qualität einzelner medizinischer Leistungen in ihren Krankenhäusern genauso wie um falsche Strukturen und die zunehmende Unfinanzierbarkeit des Systems. Allerdings müssten sie dann nach Jahren, in denen sie sich mit medizinischer High-Tech-Infrastruktur und angeblicher Spitzenmedizin so gut wie überall gerühmt haben, auch zugeben, dass das System doch nicht so gut ist, wie sie stets behauptet haben.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wie erwartet – oder doch noch weniger?

Das Kapitel Gesundheit ist voll von schönen Worten, die über die dahinter stehenden Drohungen hinwegtäuschen.

Politik ist das Bohren harter Bretter. Dass allerdings Rückschritt ebenfalls politische Kategorie ist und Regieren nichts mehr mit Visionen zu tun hat, (so die Bundesminister Faymann und Mitterlehner gleichsam), ist neu und erschreckend.

Wer das alte Koalitionsabkommen kennt, den verwundert die Seichtheit des jetzigen. Und wer weiß, dass das Kapitel Gesundheit vor einer Woche noch auf eine Halbseite gepasst hat, der versteht, dass die jetzigen acht Seiten voll von nicht umsetzbaren Überschriften sind.

Denken wir an die Qualität. Zwar wird vollmundig eine unabhängige Qualitätsagentur versprochen, die sich um alle Sektoren kümmern soll. Aber bereits zwei Kapitel weiter erfährt man, dass für den niedergelassenen Bereich die Ärztekammer zuständig ist. Und wer die Verfassung kennt, dem ist bekannt, dass die Spitäler Landessache sind. Was bleibt also dann für diese Qualitätsagentur?

Archäologisch interessant auch die Aussage, dass die Abstimmung der intra- und extramuralen Bereiche im Sinne einer integrierten Leistungsangebotsplanung zu erhöhen ist. Ähnliche Formulierungen können bereits im letzten Jahrtausend nachgewiesen werden, was die hohen Wirkungsmöglichkeiten der Gesundheitsministerien gut belegt.

Skurril das Kapitel für Frauen. Hier wird gefordert, dass Frauengesundheit und Gendergerechtheit (!) im Sinne einer Health-in-all-Policies-Strategie integriert werden sollen. Einmal abgesehen, dass kein Mensch weiß, was das heißt, ist es doch erstaunlich, dass man ein sehr konkretes WHO-Projekt, das versucht, eben alle Bereich der Politik auf ihre Auswirkung im Gesundheitswesen zu betrachten, in Österreich nur für Frauenpolitik gilt. Naja, es dürfte wohl ehe um ein schönes Wort, am besten ein englisches gegangen sein. (es wimmelt ja nur so von Anglizismen, die keiner ersteht; z.B. „Golden Plating“).

Und weil man offenbar eine höhere Transparenz in das Finanzierungssystem bringen will, wird die Höhe der Pauschale für die Mehrwertsteuerrückerstattung für Medikamente nicht gesenkt, obwohl der Steuersatz gesenkt wurde. Denn die alte Pauschale hat nicht die 20 Prozent Mehrwertsteuer abgedeckt, sondern nur 14 Prozent. Da aber jetzt die Mehrwertsteuer nur mehr 10 Prozent beträgt, ist die Pauschale um 40 Prozent zu hoch. Und die über die 1:1 Abgeltung hinausgehenden Mittel werden der Einfachheit halber auf die überschuldeten Träger verteilt. So werden die Kassen über eine weitere, beitragunabhängige und total intransparente Schiene finanziert. Bravo!

Aber es sind auch drohende Dinge enthalten, die man nur sehr schön verklausuliert hat.

So will man gleich einmal eine Milliarde Euro (die im Budgetfahrplan nicht vorgesehen waren – womit dieser auch zur Makulatur wird) für die Kassen in die Hand nehmen. Der Grund für die Verschuldung derselben wird nicht angegangen, daher werden sie weiter Schulden bauen. Und in fünf Jahren wird die erste und wichtigste Maßnahme der dann neuen Regierung – sicher ebenfalls wieder eine große Koalition – die neuerliche Entschuldung sein. Das Geld dafür stammt wohl aus einem himmlischen Bankomaten.

Aber so richtig gefährlich ist die Aussage, dass das Heben der Effizienzpotentiale im Kassenbereich nach den Vorstellungen des Rechnungshofberichts und der Vertragspartneranalyse (die niemand kennt!) erfolgen sollen. Gemeinsam mit dem Oberösterreichischen Bundesminister Stöger dürfen wir uns darauf freuen, oberösterreichische Verhältnisse zu kriegen – also mehr Spitalsambulanzen und Wahlärzte und weniger Kassenärzte. Dass damit aber auch eine teurere Spitalsversorgung verbunden ist, die in Oberösterreich ja nur deswegen nicht auffällt, weil die Hälfte der Krankenhäuser den sehr gut wirtschaftenden Orden gehören, das interessiert keinen. Selbst wenn das volkswirtschaftlicher Unsinn ist. Warum weder Länder noch Bürger aufschreien, dürfte auf deren Unwissenheit zurückzuführen sein.

Und damit das alles ja sicher kommt, will man die betriebswirtschaftlichen Eigeninteressen der Kassen gleich einmal mit planwirtschaftlichen Gesetzen absichern. Denn wenn hinkünftig die Bundesregierung den Kassen durch Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen eine einnahmenorientierte Ausgabenpolitik ermöglicht, dann heißt dass nichts anderes, als dass die Kosten nicht durch Krankheit sondern Willkür bestimmt werden. Soweit das Bekenntnis zur solidarischen Finanzierung des österreichischen Gesundheitswesens.

Und weil man eben offenbar nicht gewillt ist das System zu Reformieren und Kompetenzen neu zu regeln (die Idee der Finanzierung aus einer Hand wurde beispielsweise nicht einmal mehr erwähnt!), werden weiter Verschwendungen vorherrschen – und dort wo man sich die nicht leisten kann, werden wir Rationierungen und Selbstbehalte finden – ganz einfach so.

Dieser Artikel wurde im November 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ethik – ein alter Hut

Ethikdiskussionen werden wieder modern – und bleiben traditionell ungelöst.

Werte p.t. Leser! Erlauben Sie mir ausnahmsweise einen rein theoretischen Aspekt des Gesundheitssystems zu betrachten, bei dem es sich um die Frage dreht: Ist der einzelne mehr Wert als das Ganze oder ist das Ganze wichtiger als der einzelne?

Die Wertegemeinschaft Europa ist aus vagabundierenden Völkern entstanden, die sich niederließen und Nationen bildeten. Die Gesellschaft war militärisch. Eine militärische Gesellschaft kennt zwei wesentliche Ausprägungen: die Uniformierung, die eine Kollektivierung ist, und die strenge Hierarchie der Befehlskette.

Dass diese militärischen Wertvorstellungen noch immer existieren, kann man leicht erkennen. Staatoberhäupter verneigen sich vor nationalen Fahnen, die wie Feldzeichen von Soldaten gehalten werden. Im Wahlkampf werden die Parteisoldaten gestählt. Rededuelle finden statt und Strategien werden geschmiedet. All das zeigt, wie weit wir von einer zivilen Gesellschaft entfernt sind, und wie tief die alten Völker in unseren Knochen stecken. Solange die Völker wanderten, waren dieses Werte wichtig. Konnte man doch so die Sicherheit aller erhöhen, auch wenn man dazu die Freiheit des einzelnen einschränken musste.

Durch die Sesshaftwerdung und die Möglichkeit, „bauliche“ Sicherheitsmaßnahmen (Burgen und Stadtmauern) zu ergreifen, wurde die Bedeutung der Befehlskette und der Kollektivierung geringer. Die Fürsten und Herzöge brauchten für ihre Entscheidungen, sollten sie nicht nach Willkür aussehen, höhere Rechtfertigungen – und diese suchte man in Gott (Gottesgnadentum).

In den letzten tausend Jahren verbreitete sich das Christentum und brachte christliche Wertvorstellungen ein. Diese sind jedoch alles andere als kollektivistisch oder hierarchisch. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst ist eine individuelle Forderung. Und da jeder sein Leben als Geschenk Gottes betrachten muss, ist sein Wert direkt an Gott gebunden und damit „unbezahlbar“. Der einzelne kann es nicht verkaufen und hat darauf zu achten, das Beste aus dem Leben zu machen.

Ein solches Gerüst lässt es nicht zu, dass ein Mensch über das Leben des anderen entscheidet – außer (und dieses Argument steht auf sehr dünnen Beinen) ein Vertreter Gottes auf Erden interpretiert den Willen Gottes. Und um diese Vertreterrolle kämpfen seit tausend Jahren Priester und politische Eliten.

So haben wir beide Traditionen. Hier die eine, streng militärisch agierende Elite, von der das Volk erwartet, moralisch richtige Entscheidungen zum Wohle des Ganzen zu treffen und dafür „gehorsam“ (Parteitreue) gelobt. Und dort den Individualismus, der konsequent den einzelnen in die Pflicht nimmt und jeglichen Ungehorsam verlangt, wenn Entscheidungen mit dem Gewissen nicht vereinbart werden können. Dazwischen liegt wohl das weite Feld des Populismus.

Solange Kriege geführt wurden, konnte dieser Widerspruch der Werte unbeachtet bleiben. Doch heute, nach Jahrzehnten des Friedens, taucht er auf und bestimmt jeden Tag stärker das politische Geschehen. Und so schließt sich der Bogen: Wer darf auf welcher Basis sagen, was ein Mensch der Gesellschaft Wert sein muss? Wer darf festlegen, wie viel Freiheit dem einzelnen (z.B. über Steuern) genommen werden darf, um die Gesamtheit zu schützen? Und letztlich auch, wer darf entscheiden, wer welche Gesundheitsversorgung durch wen erhält? Weil wir aber konklusive Wertediskussionen verabscheuen, werden wir wohl keine Antworten finden.

Dieser Artikel wurde im November 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück

Vom Reformwillen ist nichts mehr da. Im Gegenteil, die Zeichen stehen wieder einmal auf „Einnahmenseitige Reparatur“!

Es ist so gut, dass man schnell vergisst und auch, dass es nichts Älteres gibt, als die Zeitung von gestern. Anders wäre die Welt wohl kaum ertragen.

Vor mittlerweile eineinhalb Jahren war die Gesundheitsreformdiskussion richtig heiß. Unglaublich, wie lange das schon wieder her ist. In dem Sog der Diskussionen wurden doch tatsächlich einige mutig und wagten sich vor.

Der wohl mutigste und daher hochgeschätzt, ist Franz Bittner, Chef der WGKK und stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellen. Unverblümt stellte er fest: „Wir haben keine Transparenz, keine Qualität und keine Effizienz im Gesundheitswesen“ Allein diese Aussage brachte ihn wohl intern unter Druck, aber mit dem Spruch: „Es würde uns gut tun, weniger föderalistisch zu sein, auch bei den Sozialversicherungen“, hat er es sich wohl mit einigen endgültig verscherzt.

Für eine Ministerin im Amt ist folgende Aussage wohl nicht ideal, wenn auch goldrichtig: „Kein Mensch kann wissen, welches Geld in welchen Topf geht.“ Genau so unglücklich wie bei Andrea Kdolsky ist es wohl auch bei Alfred Gusenbauer gelaufen, als er meinte: „Das Problem ist, dass wir bei diesem Riesensystem, in dem es um rund 30 Milliarden Euro geht, sehr unterschiedliche Interessen haben“. Naja, beide sind nicht mehr!

Noch im Rennen ist ein anderer: „Schauen Sie die Finanzierungsstruktur unseres Gesundheitswesens an – da brauchen Sie ein Stamperl Magenbitter, dass Sie das aushalten“ meinte Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer und Chef des Wirtschaftsbundes, um dann eigenartige Veränderungsvorschläge zu machen, die eines sicher nicht verändert hätten, die Finanzierungsstruktur.

Interessant, dass ausgerechnet der, der der schärfste Kritiker Leitls war und die Gesundheitsreformdebatte wegen Eigeninteressen ruiniert hat, heute die Gesundheitsreform mit Erfahrung, wie er betont, verhandeln soll: Fritz Neugebauer, ein Tausendsassa. Eigentlich Volksschullehrer, ist er Chef des ÖAAB, Chef der Beamtengewerkschaft (nur Gott kann erklären wie das zusammengeht!), Stellvertretender Klubobmann der ÖVP und Nationalratsabgeordneter. Ein Lebenslauf, der ja geradezu prädestiniert, eine Gesundheitsreform zu konzipieren. Ein Beweis seiner großen Fähigkeiten, für den Patienten und ohne Eigeninteressen zu handeln, sind da auch seine Aussagen. Vor der Wahl war er der Meinung, dass „ein so sensibles Thema“ nicht übers Knie gebrochen werden darf, „weil man so die betroffenen (!) Gruppen, etwa die Ärzte und Länder, nicht erreichen kann“. Heute hat er zwar den Patienten noch immer nicht entdeckt, aber dafür will er sehr viel schneller arbeiten: „Die gesamte Reform muss bis Mitte 2009 stehen“. Seine klaren Linien zeigen auch folgende Aussagen: (vor der Wahl!) „Mehr Geld in die Krankenkassen zu investieren sei zunächst nicht notwendig“, (nach der Wahl!) „Es braucht eine rasche Geldspritze für jene Kassen, die akut bedroht sind“.

Tja, und nachdem sein Gegenüber, der Chef der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter, stellvertretende Vorsitzende des Hauptverbandes und Abgeordnete zum Nationalrat Wilhelm Haberzettel ebenfalls ein sehr kreativer, innovativer Kopf ist, der ja bereits festgehalten hat wie es geht („Um das Gesundheitssystem mittelfristig zu finanzieren, brauchen wir die Vermögenszuwachssteuer. Wer das verschweigt, betreibt eine Vogel-Strauß-Politik“), können wir uns auf eine „echte“ Reform freuen.

Dieser Artikel wurde im November 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Monopolist müsste man sein – Teil 1

Wenn man dir gibt, dann nimm. Wenn man Dir nimmt, dann schrei.

Kinz & Kunz (KK) betreiben ein Geschäft mit vielen Filialen und noch mehr Chefs. Hauptsächlich organisieren sie Dienstleistungen. Eigentlich ist es aber ein Versicherungsgeschäft, aber auch nicht richtig. Denn die Kunden – und das macht ihr Geschäft so anders – müssen bei ihnen einkaufen und im Vorhinein bezahlen. Sie haben seit jeher Privilegien, die man eher aus dem Mittelalter kennt und dort dem Adel vorbehalten waren.

Ihre Geschäfte sind in neun Brav & Lieb-Einkaufszentren (BL) eingemietet. Die Besitzer sind so etwas wie Aktionäre. Theoretisch handelt es sich um eine Publikumsgesellschaft mit 100% Streubesitz. Ein Aufsichtsrat und neun Vorstände (sehr skurril!) machen – sagen sie – alles zum Wohle der Aktionäre (die ja wegen dem Streubesitz oft gleichzeitig Kunden sind!). Aber wie bei allen selbstherrlichen Gesellschaften scheint es, dass auch hier der Wurm drinnen ist und die Aktionäre wurst sind.

Wie auch immer, die eingemieteten KK-Geschäfte sind seit Jahren finanziell marode. Nicht, dass die Kunden zu wenig bezahlen; nein, ganz im Gegenteil. Um die Geschäfte am Laufen zu halten, wurden sie trickreich immer kräftiger geschröpft. Am Schluss hat man von ihnen sogar Eintrittgelder verlangt, auch wenn sie gar nicht Einkaufen gingen! Jaja, Monopolist müsste man sein! Gleichzeitig haben KK immer mehr Leistungen gestrichen und die Kunden sich selbst überlassen. Wenn BL nicht begonnen hätten, Kunden zu übernehmen, dann hätte diese gar nichts erhalten – obwohl sie bezahlt haben.

Kurz, KK sind nicht in der Lage, ihre Geschäfte richtig zu führen. Das ist aber auch verständlich, sind doch alle Chefs und Chefstellvertreter – wie im Übrigen auch bei BL – keine Profis, sondern nach anderen Kriterien amtseingesetzt. Viele sind zudem mit Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern von BL verbandelt und verwandt – eine Geschichte, die auch an feudale Strukturen erinnert. Jedenfalls haben unergründlicherweise BL KK nie fallen lassen.

Trotz aller Finanztricks hat es trotzdem nicht gereicht. Der letzte Trick aber ist nach hinten losgegangen. Um, wie üblich, die Geldgeschenke vor dem Volke zu tarnen hat der BL-Aufsichtsrat (sic!) KK mit Aufgaben betraut, die eigentlich nicht ihre sind. Dafür erhalten sie im Vorhinein eine Menge Geld. Das muss man sich so vorstellen, also ob ein guter Vater bereits Anfang des Jahres Geld leiht, das man erst Ende des Jahres braucht, um sein Konto abzudecken. Dazwischen kann man mit dem Geld machen was man will und die Zinsen behalten – also ehrlich, das ist doch nett! Dass KK irgendwann einmal auf die Idee kämen, das geliehene Geld als das „eigene“ zu bezeichnen, daran hat niemand gedacht. Aber genau das passiert jetzt. Trotz aller Wohltaten kommen KK wieder nicht über die Runden. Und listig wie sie sind, versuchen sie das geliehene Geld schlicht als das eigene zu reklamieren – anderenfalls gehen sie in Konkurs, an dem nicht sie Schuld sind, sondern der, der das Geld geliehen hat!? – verkehrte Welt!

Über was hier gesprochen wird ist wohl klar – Die Einkaufszentren sind unser Gesundheitssystem, die BL die Bundesländer, die KK die Krankenkassen, der Aufsichtsrat das Parlament, die neun Vorstände die Landesregierungen und die Aktionäre alle Österreicher – die man für blöd verkauft. Jaja, Lebenskunst ist die Fähigkeit auf etwas Notwendiges zu verzichten, um sich etwas Unnötiges zu leisten – ebenfalls ein sehr aristokratischer Ansatz.

Dieser Artikel wurde im September 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die Arzt-Patienten-Beziehung – eine sensible Größe

Die Gesundheitsversorgung ist dazu da, die Gesundheit des einzelnen Patienten zu verbessern. Das ist das einzige Ziel eines Gesundheitssystems!

Man ruft beim Arzt an und kriegt einen Termin in zwei Monaten. Dann ist man dort und wartet stundenlang. Eine Spitalsambulanz erspart zwar nicht das Warten, aber wenigstens die Terminvereinbarung – und wahrscheinlich das lästige Wandern von einem Arzt zum anderen. Dass es so ist, wie es ist, da kann der Arzt kaum etwas dafür. Schuld daran ist das System. Dafür ist der Arzt aber nicht verantwortlich. Er lebt nur darin, wie auch der Patient.

Man muss festhalten, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem System und der Versorgung. Die Versorgung ist das, was beim Patienten ankommt, das System ist der Rahmen, in dem dies ermöglicht wird. Ändert sich der Patient, dann ändert sich der Versorgungsbedarf. Will man die Versorgung gewährleisten, muss man das System anpassen. Es gibt kein Gesundheitssystem, dass nicht immer wieder reformiert werden müsste. Wer an ein jahrzehntelang gutes System glaubt, der verkennt schlicht die Realität!

Die wesentliche „Stellgröße“ in der Versorgung (von der Prävention bis zur Pflege) ist die Arzt-Patienten-Beziehung. Und die bewegt sich in gigantischen Dimensionen.

In Österreich finden bei den Kassenärzten 80 Mio. Patientenbesuche statt. Laut den Sozialversicherungen sind 40 Mio. davon Erstkontakte, also Besuche, die zustande kommen, weil der Patienten, aus welchen Gründen auch immer, von sich aus zum Arzt geht. Die anderen 40 Mio. sind sogenannte Folgeordinationen, also im Wesentlichen Besuche, die dazu dienen, den Krankheitsverlauf zu kontrollieren und/oder den Patienten „gesund“ zu schreiben. Neben den Kassenärzten gibt es die Wahl- und Privatärzte. Dort finden, so vermutet man, etwa 20 Mio. Patientenkontakte statt. In den Spitalsambulanzen werden pro Jahr 5 Mio. Patienten behandelt, die etwa 15 Mio. Mal dort erscheinen. 1,5 Mio Patienten werden 2,5 Mio. Mal im Krankenhaus aufgenommen. Dabei „verliegen“ sie 16 Mio. Tage und sehen den Arzt täglich zwei Mal.

Anhand dieser astronomisch wirkenden Zahlen kann man erahnen, welche zentrale Rolle der Arzt spielt. Andererseits muss man sich bewusst sein, dass es in der Arzt-Patienten-Beziehung auch den Patienten gibt. Viele Reformen konzentrieren sich zu stark auf den Arzt. Das ist historisch gewachsen. Einerseits ist es sehr schwierig, Patienten zu organisieren, andererseits verhindern der Wissensvorsprung und das hohe Sozialprestige des Arztes, dass der Patient in dieser Beziehung auf gleicher Augenhöhe erkannt würde. Zudem besteht seit langem die Befürchtung, dass Patienten, wenn man sie zu „wichtig“ nimmt, immer mehr Versorgung wollen. Der Patient will aber gar nicht mehr Versorgung, er will nur mehr Gesundheit! Letztlich darf man nicht vergessen, dass der wichtigste, vielleicht einzige Grund für ein Gesundheitssystem der ist, für Patienten eine bessere Gesundheit zu ermöglichen, als dies ohne System möglich wäre. Das sollten sich Kassen, Länder und besonders Ärztekammern merken!

Die Arzt-Patienten-Beziehung ist und bleibt die zentrale Stellgröße. 80% aller Ressourcen werden durch diese besondere Beziehung gesteuert. Wenn das Vertrauen der Patienten einerseits oder die Motivation der Ärzte andererseits auch nur ein bisschen sinkt, dann hat das sofort riesige Auswirkungen. Jede Gesundheitsreform, die es nicht schafft, die Arzt-Patienten-Beziehung positiv zu beeinflussen oder diese gar stört, wird die Qualität reduzieren, die Kosten erhöhen und ihr Ziel verfehlen.

Dieser Artikel wurde im Juni 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Der Fehler im Gesundheitssystem

Wenn Sie rund um Horn leben, können Sie etwas österreichweit Einzigartiges erleben – eine abgestufte medizinische Akutversorgung. Wie lange noch?

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   Die Waldviertler sind in Fragen der Gesundheitsreform reformfreudiger als andere. Als nach Jahren der Diskussion zwei Spitäler aus der Akut-Versorgung genommen wurden, entstand im Krankenhaus Horn die Frage, ob man nicht Betten aufbauen sollte. Immerhin wurden 70 Betten abgebaut und keiner wusste, ob es zu einer Unterversorgung kommen würde.

   Doch anders als üblich zeigten die Ärzte und regionalen Gesundheitsmanager Courage und ließen sich auf ein Experiment ein. Und so wurden nicht Betten aufgestellt, sondern in Abstimmung mit den niedergelassenen Ärzten ein abgestuftes Versorgungsmodell errichtet. Im Grunde ist die Idee simpel. Quasi zwischen den niedergelassenen Ärzten und dem Krankenhaus wurde eine rund um die Uhr offene ambulante Versorgungseinrichtung aufgebaut. Jeder, der ins Krankenhaus kommt, muss durch diese Einrichtung. Dort sitzen fertig ausgebildete Allgemeinmediziner und versuchen, die Patienten ambulant zu behandeln.

   Etwa 12.000 werden dort pro Jahr versorgt, die Hälfte davon kann ohne stationäre Aufnahme nach Haus gehen. Und siehe da, im Einzugsgebiet des Krankenhauses werden die Menschen jetzt um fast zehn Prozent seltener stationär aufgenommen als vorher, und das bei wenigstens gleicher Versorgungsqualität, hoher Zufriedenheit aller und deutlich geringeren Kosten pro Patient. Eigentlich sollten auch die Finanziers zufrieden sein. Da wird zu günstigeren Preisen jeder zufrieden gestellt.

   Allein: So funktioniert das österreichische System nicht. Denn was passiert da? Dadurch, dass Patienten nicht mehr stationär behandelt werden, fehlen diese im Krankenhaus. Die Finanzierung ist jedoch darauf ausgerichtet, nur für stationäre Patienten zu bezahlen. Ambulante Behandlung wird nur sehr schlecht finanziert. Also fehlen Einnahmen. Das macht den Krankenhausfinanzier unglücklich. Noch unglücklicher wird er, weil er, solange für dieses neue und innovative Versorgungsmodell keine reguläre Finanzierung existiert, dieses aus dem Krankenhausbudget bezahlen muss.

   Auch die Krankenkassen sind unglücklich. Genau genommen ist es ja ihre Aufgabe, die Bevölkerung mit ambulanter ärztlicher Leistung zu versorgen. Auch wenn man bei der fachärztlichen Versorgung seit Jahren streitet, allgemeinmedizinische Versorgung war noch nie Aufgabe der Krankenhäuser. Und das, was da in Horn vorgelebt wird, könnte darauf hindeuten, dass die Versorgung in irgendeiner Form reformbedürftig wäre. Das kann gar nicht sein! Also ist es besser, man tut so, als ob das, was da passiert, nur eine „krankenhausinterne“ Prozessoptimierung ist. Und die Patienten, die dort behandelt werden, wären vorher gar nicht da gewesen, sondern erst durch das Angebot entstanden. Als ob man nur krank wird, wenn ein Arzt in der Nähe ist. Und weil sich also die Mächtigen streiten, droht dieses Modell wieder zu verschwinden. Alles soll beim Alten bleiben, auch wenn es viel teurer ist.

   Bestraft werden in diesem System zwei Gruppen – da wären einmal alle, die Innovative Lösungen umsetzen wollen. Innovation wird nicht gefragt. Und dann sind da natürlich noch die Beitrags- und Steuerzahler, die ja für alles geradestehen „dürfen“. Solange eine Reform solche Probleme nicht löst, solange ist sie nicht als Reform zu bezeichnen. Ob die jetzigen Zentralisierungstendenzen die Sache nicht verschlimmern werden, wird sich erst in Zukunft zeigen. Es ist aber zu erwarten.

„Wiener Zeitung“ Nr. 113 vom 10.06.2008  

Sand in die Augen der Patienten

Die angedachte Gesundheitsreform wird höhere Steuern und höhere Selbstbehalte bringen. Dass also der Patient davon nichts merken wird, stimmt nicht.

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   Aufgrund der heftigen Debatte um das geplante Reförmchen, kann man davon ausgehen, dass jeder davon weiß. Was man davon halten soll, insbesondere wenn man Patient ist, das wird wohl noch im Nebel liegen.

   Vorweg: Der Versuch, die wirre Situation der Krankenkassen mit den unterschiedlichen Leistungsangeboten und Honorarkatalogen zu bereinigen, ist zu begrüßen. Immerhin ist dieser „Wildwuchs“ aus nur einem österreichweit geltenden Gesetz entstanden und sollte daher nicht zu unterschiedlichen Behandlungen führen. Umso mehr sollte das nicht passieren, als das Kassensystem ein Pflichtsystem ist und der Patient keine Wahlfreiheit hat. Zweifelsfrei ist auch der Vorschlag, mit der Reform mehr Transparenz in das System zu bringen, ein Riesenschritt in die richtige Richtung.

   Trotzdem ist Skepsis angebracht. Das beginnt schon damit, dass die Macht des Hauptverbandes ausgereicht hätte, vieles zu ändern – allein, es ist nicht geschehen! Warum die Umorganisation in eine Holding daran etwas ändern soll, ist schleierhaft. Aber was wirklich zweifeln lässt, dass es um nicht mehr als nur um Macht geht, sind die Aussagen, dass sich für Patienten und Bezahler nichts ändern wird.

   Wer die Unterlagen genau liest, wird verwundert sein, dass die Ausgabensteigerung für Kassenärzte angeblich auf 2 Prozent jährlich gedrückt werden kann. Das ist nicht einmal das, was man durch die Demographie zu erwarten hätte (2,5 Prozent mehr Patienten jährlich!), geschweige denn, den medizinischen Fortschritt abbildet. Wie soll das gehen? Oder rechnet man eine Reduktion der Kassenärzte ein?

Trotz Dementis ist das wahrscheinlich, da man ja Oberösterreich als Richtwert anlegen will. Tut man das, werden österreichweit 10 bis 20 Prozent weniger Kassenärzte zur Verfügung stehen, als heute. Wenn man aber die Zahl der Ärzte auf das oberösterreichische Maß reduziert, dann wird man das sehr wohl merken, sei es, dass die Wartezeiten länger werden oder die Patienten häufiger in Spitalsambulanzen ausweichen. Nur am Rande sei bemerkt, dass der Hauptverband seit Jahren Oberösterreich dafür kritisiert, dass es dort zu wenige Kassenärzte gibt.

   Aber vielleicht will man ja die Patienten in den Wahlarztbereich abdrängen: Es spricht viel dafür. Kommt das Gesetz wie vorgeschlagen, dann wird das ein gigantischer Impuls für Kassenärzte sein, ihre Kassenverträge zurückzulegen und eine Wahlarztordination zu eröffnen. Da gibt es keine Gängelungen, man kann sich die Patienten aussuchen und die Preise selbst festsetzen. Für die Krankenkassen kommt das zudem billiger, weil sie nur 80 Prozent des Tarifs ersetzen müssen. Der Rest muss dann halt selbst bezahlt werden. Das ist aber eine versteckte Erhöhung des Selbstbehalts!

   Apropos Erhöhung der Selbstbehalte: Bei der Aut- idem-Regelung sind diese ebenfalls versteckt. Jeder, der ein Originalmedikament haben will – weil er es nicht besser weiß oder weil er glaubt es sei das bessere -, muss aufzahlen, zusätzlich zu den ohnehin schon hohen Rezeptgebühren, die ja nach offizieller Lesart auch keine Selbstbehalte sondern eben Gebühren sind.

   Und last but not least wird es spannend, wie Wirtschaftskammer – einst Hort wirtschaftlichen Denkens -, Gewerkschaften und Politiker denkenden Menschen klar machen, dass die Milliardenspritze für die Kassen keine „neuen“ Steuern sind.    So ist die Reform vermutlich wenigstens eine Steuererhöhung, wahrscheinlich aber auch eine Selbstbehaltserhöhung und womöglich auch eine Verschlechterung der Versorgung.

„Wiener Zeitung“ Nr. 103 vom 27.05.2008