Prävention ist schwierig, gerade hierzulande. Wenn man sie vernünftig betreiben will, sollte man schauen, wo vielleicht schon manches funktioniert.
Frau M. (75) muss sich wieder einmal über ihren Mann (75) ärgern. Sie sind zwar beide noch rüstig und können ihre Leben selbst gestalten, aber er ist halt doch etwas fahrlässig mit seiner Gesundheit. Er raucht ein wenig, zieht Schweinsbraten dem Salat vor und, was Frau M. am meisten ärgert, vertritt standhaft die Meinung: wer zum Arzt geht, muss krank sein.
Statistisch betrachtet, wird Herr M. fünf bis sechs Jahre vor seiner Frau sterben. So in etwa zwei Jahre dürften auf biologische Faktoren zurückzuführen sein, die restlichen sind in irgendeiner Weise „selbst-“ oder zumindest „mitverschuldet“.
Es gibt viele Theorien, warum Männer früher sterben als Frauen. Die meisten unterstellen, dass Frauen ein besseres Gesundheitsbewusstsein haben. Dabei ist nicht klar, warum das so ist, klar ist nur, dass es so ist.
Gesundheitsbewusstsein schaffen ist ein wesentliches Ziel der Gesundheitsförderung und Prävention. Insbesondere gilt es dabei, jene Menschen zu erreichen, die am meisten davon profitieren würden. Gut gebildete Menschen mit hohem Einkommen haben statistisch betrachtet bereits ein besseres Gesundheitsbewusstsein, als jene mit niedriger Bildung und niedrigem Einkommen. Und genau letztere Gruppe meidet Ärzte gerne. In den Statistiken drückt sich das dann als geringere Lebenserwartung aus.
Damit haben wir zwei wesentliche Punkte: Gesundheitsbewusstsein ist geschlechtsspezifisch und von sozio-ökonomischen Faktoren beeinflusst.
Es ist nicht so, dass es für jede Krankheit gut ist, sie möglichst früh zu entdecken. Auch kann nicht jede Krankheit vermieden werden, wenn man sich nur oft genug untersuchen lässt. Aber so tendenziell ist es ratsam möglichst früh Risikofaktoren und Krankheiten zu erkennen. Aber das Denken „Ich gehe nur zum Arzt, wenn ich krank bin“ verhindert das.
Aus diesem Grund versucht man mit gut strukturierten Programmen, die Prävention möglichst weg von „Krankheitseinrichtungen“ zu bringen, also weg von Krankenhäusern und Ordinationen, hin zum Patienten. In Großbritannien fahren beispielsweise Augenärzte in die Dörfer und untersuchen in Gemeindesälen Diabetiker (Augenkrankheiten und Erblindung sind häufige Komplikationen bei Diabetes, die jedoch vermieden werden können, wenn man sie früh genug erkennt). Damit erreicht man viel mehr Menschen als mit einer simplen Überweisung zum Facharzt, die oft nur von jenen Patienten in Anspruch genommen wird, die wegen ihres höheren Gesundheitsbewusstseins ohnehin weniger Augenprobleme entwickeln.
Aber solche Programme sind auf bestimmte Krankheiten beschränkt und können nur wenig zur generellen Steigerung des Gesundheitsbewusstseins beitragen. Bei Frauen allerdings ist dieses über alle sozio-ökonomischen Schichten hinweg stärker ausgeprägt als bei den Männern. Warum also?
Es gibt hier nur einen gemeinsamen Nenner: So gut wie alle Frauen sind gewöhnt, über Jahrzehnte auch gesund zu ihrem Frauenarzt zu gehen. Wenn man weiß, dass es eine der größten Hürden guter Prävention ist, „Gesunde“ zum Arzt zu bringen, dann liegt der Schluss nahe, dass regelmäßige Arztbesuche als Gesunder dazu beitragen können, das Gesundheitsbewusstsein zu erhöhen und Prävention ernster zu nehmen.
Nun, wäre es nicht vernünftig, auch den Hausarzt so weiterzuentwickeln, dass er von möglichst allen nicht nur als „Reparatur-Doktor“ sondern als „Gesundheitsberater“ wahrgenommen wird? Vermutlich, aber wer will das schon.
Dieser Artikel wurde im Dezember 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.