Eine gut gepflegte Realitätsverweigerung

Mehrere Milliarden Euro Luft stecken im Gesundheitssystem – aber wir schießen mehr Steuern und Beiträge nach! Unbequeme Reformen kommen nicht in Frage.

Ganz einfach: Zieht man von den Einnahmen die Sachkosten und Steuern ab, kann man von dem was bleibt leben.

Am Markt werden Einnahmen von dem bestimmt, was der Kunde bereit ist zu zahlen. Will der weniger bezahlen, lebt man entweder von weniger, oder man schaut darauf, dass durch besseres Management die Sachkosten reduziert werden. Nun klar, das ist eine extreme Vereinfachung, aber am Ende bleibt es dabei – der Kunde bestimmt die Höhe der Einnahmen, Steuern und Kostenmanagement die Höhe des persönlichen Einkommens.

Anders im Gesundheitssystem. Hier bestehen die Einnahmen aus unfreiwilligen Beiträgen und Steuern.

Weil Menschen immer älter und kränker werden und die Zahl der Älteren zunimmt, steigen die Sachkosten für Medikamente, Ordinationen, Krankenhäuser etc. Das ist unvermeidbar. Kostenmanagement wäre angesagt, will man nicht, dass der Betrag für die Menschen, die vom Gesundheitssystem leben, kleiner wird. So etwas ist allerdings unpopulär, mühsam und unbequem. Weil es sich aber sehr viele in diesem System bequem gemacht haben und unpopuläre Maßnahmen tabu sind, ist es besser, man nützt das Monopol und schraubt an den Einnahmen – die sind leichter erhöht als Kosten reduziert.

Und da kommt eine Studie genau recht. Wieder einmal wurde „bewiesen“, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden – gemessen am „Bruttoverdienst“. Wir können zur Rettung des Gesundheitssystems die Reichen schröpfen.

So eine Studie ist per se dumm, weil sie so tut, als ob Steuern nicht umverteilen. Will man wirklich wissen, ob Arme ärmer und Reiche reicher werden, muss man statt des Bruttoeinkommens einer Person das frei verfügbare Einkommen eines Haushalts ansehen. Das ist der Teil des Einkommens, inklusiver aller Sozialtransfers, der nach Abzug aller Steuern und dem Betrag, der zur Aufrechterhaltung eines annehmbaren Lebensstandards erforderlich ist, übrig bleibt. Und siehe da, wenn man also die ganzen Sozialhilfen einrechnet – von der ORF-Gebührenbefreiung bis zum Stipendium für die Kinder – und vielleicht sogar den „Schwarzmarkt“ einbezieht, dann wird das Bild paradox.

Nehmen wir einen Alleinverdiener mit 4.500 Euro brutto und zwei Kindern. Brutto ist der Mann statistisch bereits reich. Aber! Verteilt man sein Netto-Einkommen inklusive Kinderbeihilfen auf die Familienmitglieder, dann wird der Haushalt statistisch plötzlich arm. Mit dem Brutto-Einkommen besteht aber keine Hoffnung auf Stipendien, Befreiungen oder Freifahrten. Wer offiziell so viel verdient hat vermutlich kaum Möglichkeiten, „schwarz“ zu arbeiten. Dass dank der hohen Abgaben 43.000 Euro an Staat und Sozialversicherung abgeführt werden müssen, bleibt unbedankt. Auch wie viel Arbeitszeit so ein Job verschlingt (keine Abgabe bezieht sich auf den Stundenlohn), ist egal. Brutto ist der Mann reich, also nehmen wir ihm was weg.

Nun, interessanterweise reagiert das Volk nicht dumm. Steigen die Pflichtabgaben und reduzieren so das frei verfügbare Einkommen, dann fliehen die Menschen zunehmend in die Leistungsverweigerung und den Schwarzmarkt. Wer also Rechnungen anstellt, dass man mit Beitrags- oder Steuererhöhungen die Einnahmen linear erhöhen kann, der wird sein blaues Wunder erleben. Und gerade dann, wenn die Wirtschaft kriselt, ist es sehr dumm jene zu belasten, die mit ihrer Produktivität Geld verdienen, nur um sich nicht der Realität stellen und unbequeme Gesundheitsreformen angehen zu müssen.

Dieser Artikel wurde im Februar 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Turnusärzte – das neue Proletariat

An der Misere der Turnusärzte ist die Ärztekammer weder ursächlich noch alleine Schuld. Eine Klarstellung und Abbitte.

Werte p.t. Leser! Mein letztes Rezept hat einen falschen Eindruck erweckt.

Die prekäre Situation der Turnusärzte und die schlechte Ausbildung derselben sind keinesfalls nur durch die Ärztekammer verursacht. Ganz im Gegenteil bemühen sich viele Funktionäre darum, die Situation zu verbessern. Alleine, sie tun es nicht mit der Inbrunst, die sie an den Tag legen, wenn es darum geht, Kassenverträge zu „retten“.

Zudem muss erwähnt werden, dass die größte Schwäche beim Versuch die Situation zu verbessern, die Turnusärzte selbst sind. Denn statt aktiv zu sein, oder wenigstens die Bemühungen der Kammer mit Ehrlichkeit zu unterstützen, ziehen sie sich zurück. Statt Missstände anzukreiden, leben sie lieber unter den gegebenen Bedingungen und kuschen; ganz nach dem Motto – „Hauptsache ich habe eine Stelle!“ Turnusärzte sind ein trauriges Beispiel fehlender Zivilcourage.

Doch zu den Fakten. Normalerweise sollen Turnusärzte zu Hausärzten ausgebildet werden. Sieht man von den wenigen in Spitälern fix angestellten Allgemeinmedizinern (AM) ab, ist und bleibt das Berufsbild der niedergelassene Hausarzt.

Pro Jahr werden ca. 1000 AM fertig ausgebildet. Demgegenüber gibt es aber nur 4000 Hausärzte. Der jährliche „Ersatzbedarf“, demographische Veränderungen eingerechnet, beträgt nicht einmal 300. Die übrigen 700 AM müssen sich was anderes suchen. Und nur so nebenbei gibt es bereits etwa 5000 fertige AM, die keine Arbeit haben und sich mit irgendwelchen Vertretungsjobs über Wasser halten.

Weil man also einen Riesenüberschuss an AM hat (im Gegensatz zu Fachärzten, die immer größere Mangelware werden), ist es seit vielen Jahren Usus, dass man vor einer Facharztausbildung einen abgeschlossenen Turnus braucht. Das verlängert vollkommen unnötig die Ausbildungszeit (wir haben die europaweit längste!). Meist wird argumentiert, dass angehende Fachärzte mit abgeschlossenem Turnus mit mehr Eigenverantwortung einsetzbar sind – gerade so als ob Ärzte, die schneller mit der Ausbildung fertig sind, nicht einsetzbar wären! – real geht es aber nur darum, länger „billige“ Auszubildende zu haben.

Und so kommen wir zum Kern. Denn wer profitiert von dieser Situation?

Es ist ja mittlerweile Allgemeinwissen, dass wir zu viele Spitäler haben, von denen keines geschlossen werden darf. Spitäler sind an 365 Tagen pro Jahr, 24 Stunden pro Tag offen zu halten und brauchen daher eine Unmenge an Ärzten. Schon längst können sich Länder und Gemeinden diese nicht mehr leisten und haben nach „billigen“ Alternativen gesucht – und gefunden. Turnusärzte sind, gerechnet auf den Stundenlohn, billiger als Krankenschwestern, haben einen befristeten Vertrag, müssen also nicht einmal gekündigt werden, wenn man neue und billige Kräfte will, sind in Hülle und Fülle vorhanden und damit jederzeit superleicht ersetzbar und – da ja Ärzte – umfassend einsetzbar. So betrachtet, nimmt es nicht Wunder, dass Turnusärzte nur als Systemerhalter nötig sind. Ihre Ausbildung ist vollkommen egal! Und weil sie diese selbst nicht einfordern, und weil die Unterstützung durch die eigenen Standesvertretung schwach ist, werden sie zum Spielball jener Interessengruppen, die Spitäler um jeden Preis halten wollen: Länder, Gemeinden und nicht zu letzt die vielen Primarärzte, die um ihre vielleicht unnötigen Abteilungen – und den damit verbundenen einträglichen Jobs – fürchten. Alles auf Kosten der nächsten Arztgeneration!

Dieser Artikel wurde im Jänner 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ferraris und Fahrräder

Die Beharrlichkeit der wirklich Mächtigen, die neuerdings auch in der Regierung sitzen, um Eigeninteressen zu vertreten, wird groß genug sein, weiter jede Reform zu verhindern – bis es kracht!

Wer einen Oldtimer hat, liebt ihn und steckt eine Menge Geld und Zeit in seine Erhaltung. Allerdings käme niemand auf die Idee, zu behaupten, sein Oldtimer entspräche dem Stand der Zeit oder gar, er sei das einzig funktionierende Fortbewegungsmittel.

Nun hat die WHO vor 40 Jahren folgendes zum österreichischen Gesundheitssystem festgestellt: (1) Die Zusammenarbeit wird zugunsten von „Eigeninteressen“ behindert, (2) Es besteht keine Vorkehrung für eine Behandlung in Tageskliniken, daher werden im Allgemeinen nur „vollstationäre“ Patienten im Spital behandelt, (3) Es gibt die steigende Tendenz der praktizierenden Ärzte, ihre Patienten in ein Spital einzuweisen – diese Tendenz wird unter anderem durch das Honorierungssystem gefördert, (4) Die Vorsorge für die ärztliche Betreuung alter Menschen und chronisch Erkrankter ist im Allgemeinen unzulänglich.

Ohne detaillierter zu werden, besteht also seit langem ein Struktur- und kein Geldproblem! Wesentlichstes Strukturproblem ist und bleibt die fehlende abgestufte Versorgung, die eine unmittelbare Folge der wirren Kompetenzverteilung und machtsichernden Intransparenz ist. Man könnte es sich ungefähr so vorstellen, als ob für den Personenverkehr nur Ferraris (Krankenhäuser) oder Fahrräder (Einzelpraxen niedergelassener Ärzte) zugelassen wären; Keine Kombis oder Familienkutschen, keine Mopeds oder Busse. Wie würde da der Verkehr wohl aussehen? Billiger? Sicher nicht. Jede Familie würde beispielsweise mehrere Ferraris fahren müssen, die natürlich der Staat bezahlen muss, weil sich Normalverdiener maximal einen leisten könnten – und den auch nur, wenn sie auf fast alles andere verzichten.

Das gleiche gilt für das Gesundheitssystem. Abgestufte Versorgungsmodelle wie Gruppenpraxen und Tageskliniken sind Mangelware, medizinische Versorgungszentren wie in Deutschland unterliegen dem Denkverbot und Hausarztmodelle wie in der Schweiz sind nicht einmal ansatzweise zu erahnen. Selbst wenn in wenigen Fällen vernünftige, abgestufte Versorgungsmodelle erfolgreich versucht wurden, wie beispielsweise in Horn im Waldviertel oder Güssing im Burgenland, wird trotzdem behauptet, solche Modelle stellen eine weitere Ebene dar und sind teurer! Selbst wenn die gesamte Literatur zu diesem Thema als Erklärung herangezogen werden könnte, warum mit abgestuften Modellen integrierte Versorgungssysteme aufgebaut werden können, die neben der deutlich besseren Patientenorientierung, auch Qualitäts- und Kostenvorteile mit sich bringen, kann man hierzulande lesen, dass das niemand braucht.

Also, machen wir’s wie immer! Ändern wir die Finanzierung. Weil aber vermutlich das Volk ein bisschen grantln wird, werden jetzt halt „politische Interpretationen“ als Wahrheit selbst von allerhöchster Ebene dekretiert. Denn das Geld, das man haben will, brauchen nicht die Mächtigen, um ihre Jobs zu behalten, sondern die Versicherten. Und denen haben es alte Regierungen „entzogen“, und soll es die neue zurückgeben. Wer genauer rechnet, der wird diesen Raubzug kaum nachvollziehen können, da die Einnahmen der Kassen seit 2000 deutlich stärker gestiegen sind als ihre zusätzlichen Ausgaben und das SV-Budget seit Jahrzehnten schneller wächst als das Budget des Finanzministers. Aber genaue Rechner gibt es eh nicht.

Der Oldtimer Gesundheitssystem wird als auf dem Stand der Zeit festgeschrieben, koste es, was es wolle – aber wie lange wird das gut gehen?

Dieser Artikel wurde im Dezember 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Muss der Staat alles zahlen?

Eigenverantwortung ist Teil eines öffentlichen Gesundheitssystems, das neben der Solidarität vor allem Subsidiarität fordert. Aber die ist mit Mühe verbunden, die niemand will.

Herr und Frau Österreicher wollen immer öfter jemanden (den guten Vater Staat), der sie an der Hand nimmt und führt – und den sie bei Misserfolg gleich verantwortlich machen können.

Das betrifft auch Krankheitsfragen. Und nicht nur deshalb, weil unser System zunehmend unübersichtlich wird, sondern vor allem, weil Grundkenntnisse über Gesundheitsprobleme und der Umgang mit ihnen völlig verschütt gegangen sind.

Es ist erstaunlich, wie oft Ärzte gerade von jungen Leuten gefragt werden, ob Fieber oder Husten ansteckend ist. Fieber ist ohnehin ein absolute Katastrophe und der wichtigste Grund, warum nächtliche Bereitschaftsdienste und Ambulanzen in Anspruch genommen werden. Legte man so ein Verhalten auf das Wechseln einer Glühbirne um, dann würden die Elektriker dieses Landes krisensichere Jobs haben – natürlich nur dann, wenn die Kunden nicht selbst bezahlen müssen, sondern „Väterchen Staat“ das für sie macht. Andernfalls würde ich tippen, täten die Leute ihre Birnen doch weiter selbst austauschen.

Der „mündige Patient“ hingegen weiß sehr oft nicht mehr (oder will es nicht wissen), was er mit einem Schnupfen anfangen soll und gerät in Panik. Dann sucht er sofort „Rat“ in der Versorgungspyramide, und dann maximal oben, am besten in einer Spitalsambulanz, wenigstens jedoch beim Hausarzt. Dort erwartet er sich allerdings genaugenommen keinen Rat, sondern sofortige Heilung. Ärzte müssen ja alles können, so sagt’s die Politik; was die Ärztekammerpolitik einschließt, die zu dieser „Alles ist Möglich“-Haltung viel beigetragen hat.

Das so ein unreflektiertes und eigenverantwortungsloses Verhalten nicht bei lapidaren Erkrankungen endet, sondern auch alle andere Folgeerkrankungen der Zivilastion betrifft ist klar – wer zwanzig Jahre fett war, der erwartet folgerichtig trotzdem sofortige aber vor allem schmerz- und mühelose Gratis-Heilung; und die Politik wird nicht müde, ihm das zu versprechen.

Dass das wahnsinnig viel Geld kostet ist auch egal. Und keinesfalls darf man darüber nachdenken, ob man nicht doch die Eigenverantwortung einfordern darf. Ob man wirklich ALLES kostenlos (wo es doch nie kostenlos sondern nur unentgeltlich ist!) vorhalten soll?

Erstaunlich, dass Staaten mit Zugangsbeschränkungen und steuernden Selbstbehalten ohne freie Arztwahl (mit sogenannten Hausarztmodellen), in der Zufriedenheit nicht wesentlich schlechter abschneiden. Wie paradox hochgeschraubt dagegen unser System ist, darüber könnten Ärzte in Fremdenverkehrsorten Bände erzählen: vor allem von völlig baffen Holländer und Dänen, denen über unsere Grundversorgung vor Ort regelmäßig der Mund offen bleibt.

Interessanterweise haben diese Staaten deutlich weniger Krankenhäuser (die Hälfte bis ein Drittel!), die halt immer noch die teuersten Einrichtungen sind. Und weil es weniger Krankenhäuser gibt, gehen die Patienten dort auch nur hin, wenn es nötig ist und davor bemühen sie sich gemeinsam mit dem Hausarzt ohne Wahnsinnsaufwand gesund zu werden – was ja meist gelingt!

Die Diskussion über Notwendigkeiten (Redimensionierungen) wird uns in Zeiten wie diesen wieder einholen. Und wenn dann ein paar mutige, selbsternannte Gesundheitsökonomen – von denen es eh so gut wie keine gibt! – sich trauen in diesem paternalistischen System die Stimme zu erheben und diese Redimensionierung fordern, dann sollte man auf politischer Ebene doch froh sein. Sonst traut sich ja eh keiner mehr.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Eine wieder nicht-stattfindende Reform

Der Wahnsinn reitet wieder. Eine Gesundheitsreform wird es nicht geben, dafür höhere Schulden. Hurra!

Wenn Gefühle mit der Vernunft nicht in Einklang zu bringen sind, dann reagieren Menschen merkwürdig.

Stellen Sie sich vor, sie schließen die Tür hinter sich und wissen, sie ist ins Schloss gefallen. Sie haben das Klicken gehört und wissen: „Ja, das Schloss ist zu“. Doch Ihr Gefühl sagt: „Nein, die Türe ist offen“. Sie drehen sich um, rütteln an der Tür. Sie ist zu. Sie wissen nun sicher, die Türe ist zu und wollen gehen. Doch Ihr Gefühl, dass die Türe offen ist, bleibt bestehen. Sie wissen, die Türe ist zu, gehen ein paar Schritte, doch das Gefühl, die Tür ist offen lässt sich nicht abstellen. Sie drehen um, gehen zurück, rütteln an der Tür und stellen fest, die Türe ist zu. Wieder versuchen sie zu gehen, doch bereits nach wenigen Metern ist es wieder da, das Gefühl „die Türe ist offen“. Mit jedem Meter wird das Gefühl stärker, bis es sie übermannt und sie zurückgehen um wieder an einer geschlossenen Türe zu rütteln.

In der Medizin wird so ein Verhalten Zwangsneurose genannt. Es sind arme Menschen, die daran leiden. Hin und hergerissen, zwischen ihrer Vernunft und sinnlosen Handlungen.

Ich frage mich, wie man die Heerscharen an Experten und Wissenschafter, die seit Jahrzehnten probieren, die Politik zu einer patientenorientierten und nachhaltigen Gesundheitsreformen zu bewegen, einzuteilen sind? Zwangsneurotiker, die immer und immer wieder sinnlose Handlungen setzen, obwohl sie doch wissen müssten, dass diese sinnlos sind?

Irgend so etwas muss es wohl sein. Denn obwohl nun seit 40 Jahren die Probleme des Gesundheitssystems bekannt sind, wird uns wieder keine Reform erwarten. Die Grundlage aller Probleme, die man zwar leugnen kann, aber deswegen nicht weg sind, ist die zersplitterte Kompetenzlage. Hier sind so dermaßen viele rechtliche Wahnsinnigkeiten enthalten, dass man für eine ernsthafte Reform eine Verwaltungsreform braucht. 4.000 Finanzströme, die eine patientenorientierte Versorgung immer unmöglicher machen und die offenbar nur dazu da sind, möglichst intransparent alle Pfründe – der Länder oder Sozialpartner, wer kann das noch unterscheiden – zu schützen, müssten bereinigt werden. Das sagen alle, die sich auskennen. Doch was kommt zum Thema Verwaltungsreform? Irgendwelche Schulratskompetenzen werden neu geregelt! Das war’s. Aber was soll man auch erwarten, wenn Landeshauptleute, die Profiteure der Weihnachtsmann-Politik (das Land schenkt, der Bund zahlt), bittet, dieses Thema zu verhandeln.

Fast prophetisch war auch, als vor zwei Monaten an dieser Stelle stand, dass die Entschuldung der Kassen wohl der nächste Schritt sein wird. Dass diese 450 Millionen Euro ein Steuergeschenk sind und wir dieses Geld wirklich bezahlt haben – es sich also nicht um Monopolygeld handelt – scheint niemanden zu interessieren. Der Vergleich mit der Finanzwelt, in der es hauptsächlich um Monopolygeld geht, ist nicht zulässig und wird trotzdem ständig bemüht. Traurig! Noch trauriger ist, dass damit jede „Anti-Schulden-Politik“ als Lippenbekenntnis entlarvt wurde. Unsere Kinder werden diesen Wahnsinn bezahlen – oder wie Hayek es voraussagt, andere Wege finden, die Kosten zu reduzieren.

Wie es mit einem Neurotiker halt so ist, werde ich das Wissen nicht los, dass es nie eine Reform geben wird, auch wenn mir das Gefühl sagt, das es ohne nicht gehen wird. Oder ist es das Wissen, dass es ohne Reform nicht geht und das Gefühl, dass es keine geben kann? Was soll`s!

Dieser Artikel wurde im November 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Monopolist müsste man sein – Teil 1

Wenn man dir gibt, dann nimm. Wenn man Dir nimmt, dann schrei.

Kinz & Kunz (KK) betreiben ein Geschäft mit vielen Filialen und noch mehr Chefs. Hauptsächlich organisieren sie Dienstleistungen. Eigentlich ist es aber ein Versicherungsgeschäft, aber auch nicht richtig. Denn die Kunden – und das macht ihr Geschäft so anders – müssen bei ihnen einkaufen und im Vorhinein bezahlen. Sie haben seit jeher Privilegien, die man eher aus dem Mittelalter kennt und dort dem Adel vorbehalten waren.

Ihre Geschäfte sind in neun Brav & Lieb-Einkaufszentren (BL) eingemietet. Die Besitzer sind so etwas wie Aktionäre. Theoretisch handelt es sich um eine Publikumsgesellschaft mit 100% Streubesitz. Ein Aufsichtsrat und neun Vorstände (sehr skurril!) machen – sagen sie – alles zum Wohle der Aktionäre (die ja wegen dem Streubesitz oft gleichzeitig Kunden sind!). Aber wie bei allen selbstherrlichen Gesellschaften scheint es, dass auch hier der Wurm drinnen ist und die Aktionäre wurst sind.

Wie auch immer, die eingemieteten KK-Geschäfte sind seit Jahren finanziell marode. Nicht, dass die Kunden zu wenig bezahlen; nein, ganz im Gegenteil. Um die Geschäfte am Laufen zu halten, wurden sie trickreich immer kräftiger geschröpft. Am Schluss hat man von ihnen sogar Eintrittgelder verlangt, auch wenn sie gar nicht Einkaufen gingen! Jaja, Monopolist müsste man sein! Gleichzeitig haben KK immer mehr Leistungen gestrichen und die Kunden sich selbst überlassen. Wenn BL nicht begonnen hätten, Kunden zu übernehmen, dann hätte diese gar nichts erhalten – obwohl sie bezahlt haben.

Kurz, KK sind nicht in der Lage, ihre Geschäfte richtig zu führen. Das ist aber auch verständlich, sind doch alle Chefs und Chefstellvertreter – wie im Übrigen auch bei BL – keine Profis, sondern nach anderen Kriterien amtseingesetzt. Viele sind zudem mit Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern von BL verbandelt und verwandt – eine Geschichte, die auch an feudale Strukturen erinnert. Jedenfalls haben unergründlicherweise BL KK nie fallen lassen.

Trotz aller Finanztricks hat es trotzdem nicht gereicht. Der letzte Trick aber ist nach hinten losgegangen. Um, wie üblich, die Geldgeschenke vor dem Volke zu tarnen hat der BL-Aufsichtsrat (sic!) KK mit Aufgaben betraut, die eigentlich nicht ihre sind. Dafür erhalten sie im Vorhinein eine Menge Geld. Das muss man sich so vorstellen, also ob ein guter Vater bereits Anfang des Jahres Geld leiht, das man erst Ende des Jahres braucht, um sein Konto abzudecken. Dazwischen kann man mit dem Geld machen was man will und die Zinsen behalten – also ehrlich, das ist doch nett! Dass KK irgendwann einmal auf die Idee kämen, das geliehene Geld als das „eigene“ zu bezeichnen, daran hat niemand gedacht. Aber genau das passiert jetzt. Trotz aller Wohltaten kommen KK wieder nicht über die Runden. Und listig wie sie sind, versuchen sie das geliehene Geld schlicht als das eigene zu reklamieren – anderenfalls gehen sie in Konkurs, an dem nicht sie Schuld sind, sondern der, der das Geld geliehen hat!? – verkehrte Welt!

Über was hier gesprochen wird ist wohl klar – Die Einkaufszentren sind unser Gesundheitssystem, die BL die Bundesländer, die KK die Krankenkassen, der Aufsichtsrat das Parlament, die neun Vorstände die Landesregierungen und die Aktionäre alle Österreicher – die man für blöd verkauft. Jaja, Lebenskunst ist die Fähigkeit auf etwas Notwendiges zu verzichten, um sich etwas Unnötiges zu leisten – ebenfalls ein sehr aristokratischer Ansatz.

Dieser Artikel wurde im September 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Kühle Rechner oder machthungrige Funktionäre?

Die Sozialpartner übernehmen die Macht im Gesundheitssystem – und haben dabei nicht einmal ihr eigenes Geschäft im Griff. Wohin führt das?

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   Wer liest schon ein technokratisches Papier, das von irgendwelchen Vereinen geschrieben wird? Kaum jemand! Mit diesem Kalkül sind wohl auch die Autoren des Reformvorschlags „Zukunftssicherung für die soziale Krankenversicherung“ vorgegangen. Anders ist es nicht zu erklären, da das, was da veröffentlicht wurde, nicht gerade von hoher Kompetenz zeugt. Und trotzdem ist es die Basis einer Reform.

   Nichtsdestotrotz gibt es einige, die sich mit solchen Papieren auseinandersetzen. Dazu gehören unter anderen die Mitglieder der kleinen aber feinen Österreichischen Public Health Gesellschaft. Und es ist nicht verwunderlich, dass diese Kreise, die halt eher denken als plaudern, schon bei Bekanntwerden des oben erwähnten Papiers nur ein Kopfschütteln übrig hatten.

   Da ist einmal eine Darstellung der Finanzströme. Abgesehen davon, dass weder Quellen- oder auch nur Jahresangaben zu finden sind, sind die Zahlen alles andere als schlüssig. Das beginnt damit, dass offenbar alle irgendwie im Vorhinein Geld haben. Steuer- und Beitragszahler, die das Geld bereitstellen, kommen gar nicht vor. Ebenfalls wird nicht dargestellt, wofür das Geld ausgegeben wird, also für Krankenhäuser oder Ärzte etwa. Ausgewiesen wird nur, wie es hin und her geschoben wird. Und siehe da, die dargestellten Institutionen wie Kassen oder Länder schieben das Geld so lange hin und her – wenigstens aus Sicht der Sozialpartner – bis die Länder 4,4 Milliarden Euro Einnahmen ohne Ausgaben haben, während die „armen“ Sozialversicherungen 2,7 Milliarden mehr ausgeben als sie einnehmen.

   Noch skurriler wird es, wenn man all das Hin- und Hergeschiebe summiert, dann werden es alleine durch die Bewegung des (Monopoly)Geldes innerhalb eines Jahres 430 Millionen Euro mehr!? Eigenartige Vermehrung – wird da spekuliert oder einfach falsch gerechnet?

   Doch nicht nur die Zahlen sind unschlüssig. Im Kapitel Spitäler wird festgehalten, dass es im EU-Durchschnitt 17,14 Aufnahmen in Akutkrankenhäusern pro 100 Einwohner gab. Für Österreich lag dieser Wert bei 26,09 und damit um 52 Prozent über dem EU-Schnitt. Soweit so gut. Ein bisschen weiter unten auf derselben Seite liest man dann voll Erstaunen, dass Verlagerungen vom Spitalsbereich in den kassenfinanzierten Bereich stattfinden. Was jetzt? Rein oder raus? Oder beides? Natürlich stimmt das nicht für das Hanusch-Krankenhaus, das einzige Krankenhaus, das von einem Sozialpartner (Wiener Gebietskrankenkasse) betrieben wird. Denn wie man nachlesen kann, entlastet das besagte Krankenhaus – offenbar als einziges Österreichs – das Land Wien in seinem Versorgungsauftrag. Von diesem wird hiefür allerdings nur unzureichend Kostenersatz geleistet. Auch eine einzigartige Situation?

   Wer nun hofft, es gäbe ein ausführlicheres Papier, das dem Ganzen zugrunde liegt, der wird enttäuscht. Es gibt nichts, zumindest nichts, das man als Bürger zu sehen bekäme. Aber all diese Widersprüche sind offenbar vollkommen egal; denn „kreative Buchführung“ scheint ja in „gewerkschaftseigenen“ Einrichtungen nicht unüblich zu sein.

   Und so verwundert es nicht, dass es den ansonsten eher unpolitischen Mitgliedern der oben erwähnten Gesellschaft sogar ein mitleidiges Wort entlockt: „Mir tun der Bundeskanzler und die Frau Minister leid, mit so unklaren Phrasen werden die gefüttert und dürfen dann dafür die Verantwortung übernehmen . . .“ Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Gewerkschaft und Wirtschaftskammer doch eher an der Macht als an der Sache interessiert sind.

„Wiener Zeitung“ Nr. 99 vom 20.05.2008