Vereinbarungsumsetzungsgesetz 2024 – wieder eine Gesundheitsreform ohne Reform

Wie zu erwarten, wurde es auch diesmal „die größte Strukturreform“ aller Zeiten. Eine Analyse des Vereinbarungsumsetzungsgesetz 2024 ist dann aber doch eher anders.

In Memoriam Franz Bittner!

(Lesezeit 15 Minuten)

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Legistik

Das Vereinbarungsumsetzungsgesetz 2024 ist nur ein Sammelsurium alter Gesetzestexte, die, wie etwa der §6 das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, mehr oder weniger wortgleich, einfach neu Fristen erhalten haben. In dem Fall ein Gesetz aus 1996, das die Diagnose-Codierung im ambulanten Bereich mit Frist 2001 vorschrübe, wird nun mit der neuen Frist 2025 versehen – Jetzt aber wirklich.

Ich glaube, es gibt keinen einzigen neuen Paragraphen. Die „Wiederverwertung“ alter Gesetze, die, wie die viele Rechnungshofberichte nach jeder Reform darlegen, in den letzten Jahrzehnten konsequenzlos ignoriert wurden (i.e Lex imperfecta), ist defacto das Rückgrat dieser „größte Strukturreform“. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass man nicht viel verhandeln muss. Es ist, wie Franz Bittner es ausdrücken würde: „… alter Wein in noch älteren Schläuchen“. Und weil es eben nichts neues ist, und die Texte ja schon verhandelt wurden, stehen sie daher weitgehend außer Streit. Das erspart viel Arbeit.

Allerdings, diese Texte so anzupassen, dass die „neuen“ Ideen reinpassen und Extra-Wünsche, v.a. der Länder, enthalten sind, macht diese praktisch unlesbar. Was genau der Inhalt mancher Passagen ist, wissen vermutlich nur die Verhandler selbst, wenn überhaupt. Der Normunterworfene allerdings kann kaum sagen, wie der Staat in einer bestimmten Situation handeln wird. Zu unklar und unscharf sind die Gesetze. Wenn etwa § 14 Gesundheits-Zielsteuerungsgesetzes den Aufbau eines Termin-Managementsystems „… mit Fokus auf den extramuralen Bereich im extramuralen Bereich durch die SV ..,“ vorsieht – was ist damit gemeint?

Hinter solchen Formulierungen versteckt sich ein Haufen Pfründe- und Willkür-Absicherung, der zeigt wie schwach verhandelt wurde. Im Beispiel, ich kann nur mutmaßen, dürfte es darum gehen, dass die Länder weiterhin für den intramuralen, die SV für den extramuralen ambulanten Akutbehandlungsbereich zuständig, und weiterhin niemand für irgendein Ergebnis verantwortlich ist. Spitalsambulanzen bleiben Ländersache, Kassenordis die der SV. Ich denke, das ist von Anfang an totes Recht – und weil das jeder Verhandler wusste, haben die nur darauf geachtet, dass da keine Fallstricke bei der Kompetenzverteilung enthalten sind und das hin und her schieben der Verantwortung nicht gefährdet wird. Das Resultat ist dann eben so ein Text.

Ein weiteres Beispiel dazu, ist der neue §62g des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes, in dem es um die Geschäftsordnung der nun in Bewertungsboard umbenannten Medikamentenkommission geht – weiter unten widme ich mich diesem Ding noch inhaltlich.

Herauszufinden, was das heißt, dauert. Am Ende ist klar, dieses „Board“ ist keines, es sind eher zwei – eines für die Spitäler, eines für die Kassen. Was sie eint ist, dass der Bund den Betrieb zahlen muss.

Im Grunde ist das KaKuG mittlerweile genauso unlesbar wie das ASVG – erschwerend kommt jedoch hinzu, dass dieses ja nur eine Grundsatzfestlegung ist – die Ausführungsgesetze werden dann je Land noch einmal in Eigenregie verändert, oder eben nicht. Durchblicken wird keiner.

Apropos Bewertungsboard; dass endlich englische Fachausdrücke, die es oft eben nur in Englisch gibt, eingeführt wurden, ist gut. Etwa die „spending reviews“ (Gesundheits-Zielsteuerungsgesetzes § 6 Abs. 2; warum die unter Anführungszeichen und klein geschrieben wurden weiß ich nicht), die bereits auf OECD-Ebene definiert sind (Anm.: das die in Ö wirklich kommen, ist unwahrscheinlich)

Zusätzlich sind die Gesetze aber voll von neuen merkwürdigen Austriaca, also nach Fachausdrücken klingende, aber nur in Österreichs Verwaltung vorkommende, Wörter, wie eben das denglische BewertungsBoard. Dann gibt es da noch die „analoge Vergleichbarkeit“ – wenn die weißen Schimmel im Amt wiehern. Auch der Ausdruck „tagesklinisch/tagesambulant“ klingt super, sagt aber nichts aus. Nicht neu aber erhalten blieben uns die zu Klassiker gewordenen „Best Point of Service“ (wohl in Anlehnung an Point of Care) und natürlich „Primärversorgungseinheit“.

Beeindruckend ist der „Ärztebereitstellungsdienst“ im §341ASVG. Diese Neuschöpfung, die es erst seit wenigen Monaten und exklusiv in NÖ gibt, und eine Art Poolärztedienst darstellt, nachdem das Leiharzt-Modell (landeseigene Spitalsärzte sollten an unbesetzten Kassenordis verliehen werden) nicht funktioniert,  findet nun Einzug in Bundesgesetze  – und erhält dort entsprechende Privilegien. Er, der Ärztebereitstellungsdienst, darf tun, was er will, weil es für ihn ergänzende oder abweichende Regelungen geben darf. Willkür eben! Wer oder was dieser Dienst ist, ist völlig unklar, offenbar ist es einfach ein Etikett, das man irgendwo draufkleben muss – ob ich sowas „einrichten“ darf?  nobody knows!

Und, anders als echte Pooldienste, werden die dort tätigen Ärzte, auch wenn es kaum etwas angestellteres gibt, sicherheitshalber gesetzlich zu Selbstständigen gemacht – die gesetzlich verordnete Nicht-Scheinselbständigkeits-Selbständigkeit

Ja, der §47a des Ärztegesetzes 1998 – ÄrzteG 1998 wird erweitert! Zuerst die Nicht-Scheinselbständigen, weisungs-, orts und zeitgebundenen Notärzte, jetzt die Poolärzte – der Paragraph entwickelt sich.

Aber die Legistik ist nicht nur schlecht, sondern auch schlampig. Ein Beispiel wäre die simple Umbenennung der Rahmen-Gesundheitsziele in die Gesundheitsziele -Österreich. Erstere sind ja schon ziemlich alt und unerreicht, die „neuen“ haben daher nichts mit den „alten“ zu tun – außer im § 9 G-ZG, dort hat man „vermutlich“ vergessen“ das „alte“ durch das „neue“ zu ersetzen!

Vermutlich, oder eben auch nicht. Nur wer dabei war, weiß, ob das bewusst oder unbewusst war. Weder Erläuterungen noch Text geben den Willen des Gesetzgebers klar weiter – also werden es Gerichte machen müssen, sollten jemand Fragen, wohin die Gelder geflossen sind.

Am Ende ist definitiv nicht viel Arbeit in diese Reform geflossen – auch wenn das der Minister anders empfinden mag.

Inhaltlich

„digital vor ambulant vor stationär“

Aufhänger ist „digital vor ambulant vor stationär“. Hier wurden die meisten „neuen“ Texte eingeführt – genauer betrachtet sind es aber nur Erweiterungen der bekannten „ambulant vor stationär“-Gesetze, die es seit Jahrzehnten gibt und deren Ziel immer der Abbau des akutstationären Bereichs bei gleichzeitigem Ausbau der ambulanten Versorgung unter Sicherstellung des Zugangs zu und der Verfügbarkeit von allen notwendigen Leistungen war.

Wenn man Daten anschaut, haben die alten Gesetze kaum gewirkt. Es gab weder einen Ausbau der Spitalsambulanzen noch der Kassenversorgung und auch keinen Abbau des akutstationären Bereichs. Wenn es etwas gab, dann eine Verschiebung mancher vollstationären Leistungen in den, ebenfalls dem akutstationären Bereich zugerechneten, tagesklinischen Bereich. Was die vollstationäre Patientenzahl betrifft, sind wir immer noch Weltspitze. Und wer sich mit dem Spitalsbetrieb auskennt weiß, dass Bettenauslastung weiterhin das oberste Ziel der Verwaltung ist – kein Wunder, hängt sowohl das finanzielle als auch politische Überleben der Spitalsstandorte weiterhin von vollen Betten ab.

Warum sollte also das Ziel „„digital vor ambulant vor stationär“ jetzt verwirklicht werden können? Es einfach in ein paar Gesetzen, deren Nicht-Befolgung konsequenzlos ist, reinzuschreiben ist eben nicht genug. Patientenströme können nur dann sinnvoll gesteuert werden, wenn ALLE Anbieter an einem Strang ziehen – und das wäre eine Reform – aber es ist nicht diese.

Gestützt wird die Hypothese, dass sich nichts ändern wird, auch dadurch, dass es keinerlei veröffentlichte Entscheidungsgrundlagen gibt, die zu den politischen Aussagen rund um die erwartete bessere Patientensteuerung gibt. Ein digitales Tool ist ja nur dann hilfreich, wenn es bei bekannten Patientenwegen eingesetzt wird. Das was mit der Reform kommen soll, ist aber nicht mehr, als eine Option Akutpatienten eventuell davon abzuhalten, einen persönlichen Kontakt zu einem Gesundheitsprofessionisten zu verursachen. Die meisten Patienten sind aber eben nicht mehr akut, sondern chronisch. Telemedizin ist also vor allem dort hilfreich, wo es darum geht, chronisch Kranke zu führen – aber davon ist nicht die Rede.

Und nur so als Beiwort: 1450 ist die Telefon-Schmalspurvariante des TeWeb, das seit über 15 Jahren in Gesetzen und Planungen vorkommt, und ELGA hat über zwei Jahrzehnte auf dem Buckel -Papier ist geduldig.

Ärztekammer -Entmachtung

Der „große Wurf“, soll die Entmachtung der Ärztekammer sein, Und Prima Vista ist die Reduktion der Veto-Player in der ambulanten Versorgung tatsächlich etwas richtiges. Nicht weniges wurde auch, aber eben nicht nur, durch die Ärztekammer verhindert – etwa die Einführung von PHC, die über ein Jahrzehnt  mit Weltuntergangsszenarien bekämpft wurde (und auch noch wird, jetzt halt ein bisschen weniger dramatisch) oder ELGA , die ein Spuk wäre, der uns bloß stellt.

Der zweite Blick allerdings führt aber zur Frage, ob die ambulante Versorgungsplanung nun wirklich besser wird, weil DER Blockierer weg ist?

Die ambulante Versorgung ist aufgeteilt in Kassenstellen Ärzte-gmbHs (die es defacto kaum gibt, obwohl sie der Kernpunkt der größten Strukturreform von Stöger waren) Spezialambulanzen, Zentrale Ambulante Erstversorgung, interdisziplinäre  Aufnahmestationen  (die beiden letzteren gibt es, auch wenn das kaum jmd weiß, erst seit 2012 und waren die ersten rechtmäßigen Einrichtungen in Spitälern mit ambulantem Versorgungsauftrag),  kasseneigene Ambulatorien, selbstständige Ambulatorien, PVE, Facharzt-Zentren (Die es bis dato nur gesetzlich, aber nicht real gibt) und Wahlärzte. Alle diese Einrichtungen arbeiten nach unterschiedlichen Regularien und verfolgen unterschiedliche Ziele, von unterschiedlichen Entscheidungsträgern, von denen die Ärztekammer eben nur einer ist – und alle sind nicht aufeinander abgestimmt und liefern keine Daten, da es keinerlei Versorgungsaufträge gibt, auch wenn diese nach dem Zielsteuerung Gesundheit -Gesetz (Gesundheitsreformgesetz 2013)  eigentlich seit 2016 gesetzlich vorgeschrieben wären.

Mit dem Fehlen der Versorgungsaufträge und einem verbindlichen Leistungsspektrum, das durch die Rollenverteilung entstünde, machen im Grunde alle was sie wollen, bzw in den Spitälern als letzter Ausweg, machen müssen, weil es sonst keiner macht. Was wer wo macht wird entweder verhandelt oder willkürlich festgelegt. Egal was Gesetze sagen.

Wenn also jetzt das ÄK-Veto wegfällt, wie werden nun Planungsentscheidungen fallen werden?

Nun, das Veto-Recht der Ärztekammer bezog sich nur auf Ambulatorien und Kassenstellen, die beide nur dann errichtet werden durften, wenn es den nachgewiesenen Bedarf gibt UND die Kammer zustimmt. Weil aber vernünftige Rahmen für die Bedarfsprüfung fehlten und fehlen, wurden diese einfach immer verhandelt – immer. Egal ob das mit EU-Recht vereinbar ist oder nicht. Der Klagsweg ist schlicht für den einzelnen sehr aufwendig.

Und um das Chaos nun aber wirklich zu beenden, kommen die RSGs wieder ins Spiel. Diese Planungsinstrumente sind ebenfalls bald 20 Jahre alt – und versorgungswissenschaftlich völlig wirkungslos, wie die Inhomogenität der Versorgungslandschaft zeigt. Und weil die Wirkungslosigkeit schon vor 10 Jahren offenbar war, wurden eben 2013 in der Zielsteuerung ein Strategisches Ziel definiert, wonach die Versorgungsdichte bedarfsorientiert sein soll.

Und die so bedarfsorientierte Dichte soll dann in den RSGs münden

Geändert hat sich aber bis heute trotzdem nichts Weiterhin stehen einem Mühlviertler nur halb so viele Kassenfachärzte zur Verfügung, wie einem Wiener und die Innviertler liegen 50% häufiger im Spital als die Ost-Steirer.

Würden die RSGs, wie gesetzlich vorgeschrieben, echte Planungsinstrumente nach echten versorgungswissenschaftlichen Regeln, wie ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben, sein, es wäre kein Problem, diese zentral in der neuen Reform zu verankern – sind sie aber nicht. Wer die RSGs kennt, und die daraus folgende Inhomogenität der Strukturen und Versorgung, weiß, dass die halt nur willkürlich landespolitische Pläne sind, mit denen Betten auf willkürliche Standorte verteilt werden und mit ein paar unnachvollziehbaren alten Daten der Sozialversicherungen aufgehübscht sind. Selbst die Darstellung des IST-Stands in diesen Plänen ist mindestens 4 Jahre alt – also weit weg von irgendwas Ernstzunehmendem. Aber das dürfte nicht gestört haben, als der § 21 Abs. 3 Gesundheits-Zielsteuerungsgesetzes entsprechend installiert wurde

Die SV können gar nichts in einem RSG sicherstellen. Sie sind schon rein rechtlich gar nicht in der Lage, den Ländern bezüglich Betten, Tageskliniken oder Ambulanzen Vorschriften zu machen. Der Gesetzgeber für alle ambulanten Leistungen, die nicht in einer Kassenordi erbracht werden, sind die Landtage, und die Exekutive dieser Gesetze sind die Landesregierungen. Egal was in diesem Paragraphen steht, er ist nicht mit der Verfassung im Einklang, steht aber schon seit vielen Jahren so im Gesetz – und hat niemanden interessiert. Ein Hinweis darauf, dass es eben totes Recht ist.

Doch durch die Einführung des Abs. 2a (der Rest ist grosso modo alt, obwohl 1a eben aus einem anderen ignorierten Gesetz stammt) soll der RSG jetzt offenbar als Maß des Versorgungsbedarf festgelegt werden. Etwas das er ohnehin schon sein müsste, aber eben nie wurde – doch jetzt per Gesetz sehr detailliert bis auf Bezirksebene sein muss, da die RSGs verbindlich erklärt werden können, und damit den Bedarf fixieren. Das klingt etwas theoretisch, wird aber sehr reale Auswirkungen haben.

Statt einen Bedarf an einem bestimmten Ort prüfen zu lassen, werden nun Standorte verbindlich festgelegt und ersetzen die Bedarfsprüfungen (auch diese Idee ist bereits viele Jahre alt). Heißt, was nicht im RSG drinnen steht, darf es auch nicht geben. Wie weit das geht oder gehen kann ist aktuell nicht klar – könnten dadurch theoretisch etwa alles Kassenstellen in einer Region abgeschafft werden? Oder verdoppelt? Könnten alle Ambulanzen gesperrt oder verdoppelt werden? Könnte man überall jetzt Spitäler errichten oder sperren, nur weil es einem Landespolitiker gefällt? Niemand kann das auf Basis dieses Gesetzes erahnen, was wo wie warum passiert. Umso mehr, als dass alle Zahlen, Daten und Fakten, die den Planungen zu Grunde liegen sollen, weiter geheim und einer Begleitforschung entzogen bleiben. Gegen einen RSG vorzugehen war schon immer schwer, wird aber jetzt sehr viel schwerer. Aber ob diese RSGs auch einer rechtsstaatlichen Prüfung standhalten? Wohl nicht.

Ich wiederhole – wären die RSGs auch nur ansatzweise versorgungswissenschaftlich korrekte Planungsinstrumente und nicht Willkürakte, würde die Idee gut sein. Aber sie sind nun einmal nur willkürlich und nicht bedarfsorientiert. Und weil eben die Versorgung in jedem Winkel Österreichs derartig unterschiedlich ist, aber alles den gleichen Gesetzen und Planungsgrundlagen unterliegen muss, müsste praktisch überall geprüft werden, ob die RSGs nicht gegen Verfassung und EU-Recht stehen. Doch das wird nicht passieren. „Wo kein Kläger da kein Richter“ dürfte der Grundgedanke dieser Gesetze sein – Jetzt, wo ein Institutioneller Veto-Player mit Freude und Geld für jegliche Klage durch alle Instanzen, die Ärztekammer, nicht mehr im Spiel ist, ist es nicht abwegig anzunehmen, dass in diesem Gemauschel und Getauschel sich keiner trauen wird, gegen ein Land zu klagen. Es wird also die Willkür der jetzigen Entscheidungsträger unkontrolliert wachsen, und die Versorgung der politischen Ökonomie ausgeliefert sein.

Bewertungs-Board

Und die Willkür wird nun auch auf Medikamente im Spital ausgedehnt – mittels Bewertungsboard. Im Grunde ist das ein neuer Ausdruck für die Medikamentenkommission, die, obwohl 10 Jahre alt, halt niemanden interessiert hat, möglicherweise, weil sie nicht klar definiert wurde und von der normierten Arzneimittelkommission unklar abgegrenzt war

Um aber diesem toten Pferd Leben einzuhauchen hat man dem Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz nun ein neues Hauptstück gegönnt

Ein Hauptstück, das allerdings ohne eigene Paragraphen auskommt – denn es wurde schlicht der § 62 aus dem Hauptstück F um die Buchstaben d, e, f, g, h, und i ergänzt. Vermutlich wollte man sich Arbeit ersparen – aber wie gesagt, die Legistik ist furchtbar.

Würde das alles so laufen wie im NICE  in UK, also evidenzbasiert, transparent und nachvollziehbar, dann wäre das völlig in Ordnung. Das wird es aber nicht – denn das Board ist voll von Politikern, die Daten haben, die sonst niemand sehen darf, und deren Gesetzesvorgabe so unklar ist, dass alles oder nichts hier beschlossen werden kann. Denn während die Verteilung der Steuergelder auf 100tausendstel genau (also auf 10.000€ genau) geregelt ist, wird sich das Bewertungsboard mit voraussichtlich hochpreisigen und spezialisierten Medikamenten beschäftigen. Was hochpreisig ist, entscheiden sie selbst.  Und zwei Gummi-Absätze definieren was „spezialisiert“ ist

Was immer da auch jetzt hinter verschlossenen Türen passiert, es wird (1) geheim bleiben, da auch hier alle Zahlen, Daten und Fakten nicht offiziell sein werden, und die Geschäftsordnung vermutlich Geheimhaltung vorschreiben wird, und  (2) gesetzeskonforme Willkür sein – dafür sorgt dieses Hauptstück G. Und das es nur ums verhandeln (oder eben Mauscheln und Tauscheln) geht zeigt der §62i – bei dem sich ein Anführungszeichen aus einem offenbar anderen Text erhalten hat – wie gesagt, die Legistik ist unterirdisch

Conclusio

Länder und Kassen kriegen deutlich mehr Geld als früher, um weiter das zu machen, was offenbar bisher nicht funktioniert hat. Wahnsinn ist es, wenn man immer das Gleiche tut, und meint, es kommt was anderes heraus.

Wenn was Neu ist, dann könnte man eventuell behaupten, dass die Länder nun noch weniger Regeln haben, die sie missachten müssen, wenn sie tun was sie wollen. Und die Kassen kriegen jetzt erstmalig direkt zusätzliches Steuergeld, um eben das zu machen was sie wollen.

Wo genau die vom Minister zitierte „viele Arbeit“ lag und wo der Tisch steht, an dem jetzt alle zusammensitzen  – unklar

Aber, es ist klar die Handschrift der Länder zu erkennen – die wollen ja kein Spital sperren, brauchen dazu aber billige Arbeitskräfte – und die wurden fixiert.

Dafür sorgt die wenig diskutiert Änderung des Ärztegesetzes 1998 – ÄrzteG 1998 bei den Bestimmungen der Ausbildungsstätten für die Ausbildung zum Facharzt  § 10.

Diese Änderung wird wirkmächtig, und kommt ganz ohne Ziele aus. Es ist ein Rückschritt in der Ärzte-Ausbildung. Die Zahl der Ausbildungsstellen wird dadurch schlagartig steigen, weil nun ein Facharzt bis zu zwei Absolventen und fast unbegrenzt Studenten im KPJ ausbilden darf. Viel wird da nicht gelehrt werden, aber Dienstpläne können, so die Hoffnung der Länder, mit billigem Personal gefüllt und Spitalsstandorte gesichert werden – und „digital vor ambulant vor stationär“ konterkarieren. Alleine, die Absolventen werden da nicht mitspielen und ins Ausland gehen. Und das wird gute Gründe liefern, mehr MedUnis zu errichten. Und so beginnt alles von vorne.

Jetzt aber alle an einen Tisch!

Vorsicht, Sarkasmus – mit deutlichen Zügen verdrossener Gemütsstimmung.

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   Trotz verschiedenster Bemühungen um eine verstärkte Koordinierung und Angleichung der Interessen mussten wir feststellen, dass das österreichische Gesundheitssystem aufgrund seiner vielschichtigen Verwaltungsstruktur und dualen Finanzierung komplex und fragmentiert ist.

   Besonders die Aufteilung der Finanzierung von intra- und extramuralen Leistungen zwischen den Bundesländern und Sozialversicherungen kann die Betreuungskontinuität beeinträchtigen und zu Kostenverschiebungen führen. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass zurzeit die Gesundheitsergebnisse innerhalb der Bevölkerung schlechter und die Gesamtkosten höher ausfallen, als dies in einem koordinierten System der Fall wäre.

   So die Worte einer Studie des Gesundheitsministeriums aus dem Jahr 2018. Was waren diese Bemühungen? Da gab es den Kooperationsbereich, der um 2000 eingeführt wurde. Er wurde in den Reformpool umgewandelt, in dem jeder (Länder und Krankenkassen) 1 Prozent seines Umsatzes einspielen sollte, um gemeinsame Projekte zu realisieren. Dazu wurden Landesgesundheits-Plattformen und die Bundesgesundheits-Agentur geschaffen, die, einem gesetzlichen Auftrag aus den 1990ern folgend, eine gemeinsame Sichtweise für das gesamte Gesundheitssystem schaffen sollte.

   Diese waren ebenso erfolglos wie die Reformpool-Projekte. Also musste was Neues her. Eifrig wurde reformiert und das Zielsteuerungs-Gesetz aus der Taufe gehoben – gut verwaltet von Landes-Zielsteuerungskommissionen und der darüber schwebenden Bundeszielsteuerungskommission, in der alle (Länder und Krankenkassen) gemeinsam das System anhand von konkreten Zielen steuern sollten. Hehre Ziele wurden in Verträgen festgelegt, und es gab ÖSGs, RSGs, LAP, ÜRVP, DIAG, LEICON und PVEs.

   Aber offenbar wurde dabei etwas Wesentliches vergessen: Die Partner saßen nicht an einem Tisch.

   Zwar dürfte es bis 2007, solange war ich dabei, einen gemeinsamen, immer sehr großen Tisch gegeben haben, aber danach eben immer seltener. Anders wäre der neueste Vorschlag von Gesundheitsminister Johannes Rauch kaum zu verstehen, wenn er meint, dass er „alle Player“ an einen Tisch bringen will.

   Wer hätte gedacht, dass es so simpel sein kann! Einfach diesen vielen Gremien einen Tisch sponsern – und schon halten sich alle an Gesetze und Verträge. Klar könnten einige meinen, dass das Ministerium als Aufsichtsbehörde auch mittels transparenter Berichterstattung, wie seit 20 Jahren gesetzlich vorgesehen, einfach offenlegt, wie wenig sich „alle Player“ an eigene Gesetze und Verträge halten, und das dann auch kommunizieren. Aber die verstehen Politik nicht.

   2023 kommt einmal der Tisch, oder auch zehn Tische. Um 2035 werden dann Stühle angeschafft. So gegen 2050 wird es so weit sein: „Alle Player“ haben eine gemeinsame Sicht des Gesundheitssystems entwickelt, es wird aus 15 Krankenkassen, einer AUVA, 9 Ländern und 10 Ärztekammer bestehen, die über 34 Säulen finanziert werden. Die Säulen werden ohne Murren vom Bund „gefüllt“ – der das Geld in Plantagen auf eigenem Grund zieht.

„Wiener Zeitung“ vom 29.12.2022   

Die ewige Gesundheits- und Pflegereform

   Gesetze sind dazu da, sie zu befolgen oder zu übertreten – oder, wenn man sie selbst macht, sie einfach zu ignorieren.

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   Wer falsch parkt, kriegt einen Strafzettel – man hat ein Gesetz übertreten. Das ist normal, für die meisten jedenfalls.

   Gehen wir zurück ins Jahr 2000, das in der Gesundheitspolitik ein besonderes war. Nach 20 Jahre dauerndem Dahinwursteln haben sich die hohen Politiker der Länder und des Bundes geeinigt, die Gesundheitsplanung komplett neu zu gestaltet. Das hat der EU-Beitritt so nach sich gezogen, nicht der politische Wille.

   Bis dahin gab es den „Österreichischen Krankenanstalten-Plan“ (Ökap). Darin enthalten waren alle Krankenhäuser mit einer fixierten Anzahl an Betten. Diese wurde kleinerenteils wissenschaftlich errechnet, größerenteils politisch verhandelt. Ziel des Ökap wäre es gewesen, die stationäre Spitalsversorgung – und ausschließlich diese – in einen vernünftigen Rahmen zu bringen. Nun gut, an den Ökap hat sich niemand gehalten. Jedes Bundesland, ja beinahe jedes einzelne Krankenhaus, hat gemacht, was es wollte. Und wenn etwas nicht Ökap-konform war, haben Politiker halt fallweise den Ökap umgeschrieben. Einmal wurde der Ökap sogar evaluiert. Das Ergebnis war so desaströs, dass man sich hinter verschlossenen Türen geeinigt hat, einfach so zu tun, als ob es diese Evaluierung gar nicht gegeben hätte.

   Aber ab 2000 wurde alles anders. Ein entscheidender Paradigmenwechsel in der Gesundheitsplanung wurde eingeleitet: Die herkömmliche Planung wurde durch eine gemeinsame, einheitliche, bedarfsorientierte Leistungsangebotsplanung abgelöst. Die Planung sollte die stationäre und die ambulante Versorgung, die Rehabilitation und sogar die Pflege umfassen. Geplant werden sollten nun nicht mehr die Spitalsbetten, sondern vom Patienten ausgehend jene Leistungen, die Patienten brauchen, und zwar dort, wo sie sie brauchen. Die Leistungen selbst sollten nur erbracht werden dürfen, wenn man dafür Qualitätskriterien erfüllen konnte. Somit sollte die Planung erstmals das gesamte Gesundheitswesen quantitativ und qualitativ umfassen (wie schon 1969 von der WHO gefordert).

   Unzählige Arbeitsgruppen später wurde der „Österreichische Strukturplan Gesundheit“ (ÖSG) mit großem Pomp beschlossen und als großer Wurf verkauft. Jedes Bundesland hat in seinen Landesgesetzen festgelegt, dass der ÖSG geltendes Recht ist.

   Heute, 2022, schaut man nach, was denn umgesetzt wurde. Und siehe da: kaum etwas. Obwohl gesetzlich anders vorgeschrieben, ist die „Planung“ chaotisch; Länder machen weiter in den Spitäler willkürliche Bettenplanung, Kassen und Ärztekammern verwalten weiter autistisch die Kassenarztstellen, die Reha geht an der Hand des Dachverbandes zielsicher an der Realität vorbei, und die Pflege ist weiterhin ein völlig ungelöstes Problem von irgendwem. Und die gesetzlich geforderten Qualitätskriterien wurden zu unverbindlichen Empfehlungen degradiert.

   Alles wird völlig faktenbefreit, dafür hochemotional diskutiert, etwa der Ärzte- und Pflegemangel, und alle Probleme, die seit nachweislich 53 Jahren bestehen, werden gepflegt und gehegt, deren Lösung in Gesetze gegossen – und diese dann geflissentlich ignoriert. Das wird ewig so weitergehen, denn einen Strafzettel für diese Gesetzesübertretungen wird es nie geben.

„Wiener Zeitung“ vom 23.06.2022  

Die Verlogenheit der Sonderklassemedizin

      Die Ärztekammer meint, wenn es keine Zwei-Klassen-Ambulanzen gibt, wird es eine Zwei-Klassen-Medizin geben – und die Länder stimmen zu.

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   Die Sonderklasse (SKL) ist merkwürdige. Abteilungen, die hinsichtlich Verpflegung und Unterbringung höheren Ansprüchen entsprechen, dürfen SKL-Gebühren einheben; und das nicht direkt, sondern über einen honorarberechtigten Arzt, in der Regel Primararzt, mit dem SKL-Versicherungen einen Vertrag haben. Was dieser SKL strikt verboten ist, ist eine bessere Behandlung respektive Versorgung (zum Beispiel kürzere Wartezeiten).

   Dass das verboten ist, ergibt sich aus dem politischen Versprechen, dass alle alles bekommen, auf allerhöchstem Niveau, überall und immer. Daher kann es keine „bessere Behandlung oder Versorgung“ geben, nur eine bessere „Hotelkomponente“.

   Das ist allerdings ein Versprechen, das jene 1,8 Millionen Österreicher, die eine SKL-Versicherung haben, nicht glauben. Fragt man diese, sind es gerade einmal 18 Prozent, die die Hotelkomponente als Kaufgrund anführen. Der Rest will Privilegien erkaufen, bessere Behandlung und Versorgung, bevorzugte und bessere Betreuung. Lauter Dinge, die rechtlich nicht angeboten werden können, aber trotzdem gekauft werden? Wenn jetzt über SKL-Ambulanzen geredet wird, in denen Snacks oder Ledersessel angeboten werden, dann ist das eben dem Recht geschuldet. Für Patienten ist das kein Kaufgrund.

   Doch warum ist das ein Problem?

   Es ist geplant, ambulante Versorgung zu stärken, was dazu führt, dass es zur Verlagerung von stationären Patienten in die Ambulanzen kommt – eigentlich sehr vernünftig. Aber, sollte es keine Zwei-Klassen-Ambulanzen geben, würden Spitäler um vielleicht zehn Millionen Euro weniger SKL-Einnahmen haben als heute. Verglichen mit den etwa 16.000 Millionen Euro, die die Spitäler kosten, ein verkraftbarer Verlust. Doch das ist eben nur die halbe Wahrheit. Denn diesen zehn Millionen Euro, die die Spitäler verlieren, stehen 80 Millionen Euro Einkommensverluste der Ärzte gegenüber – und dort, wo besonders viel verlagert werden soll, etwa Onkologie, Dermatologie oder auch Augen, müssten wohl einige Primarärzte Verluste von 20 Prozent oder mehr hinnehmen. Das sind schnell mehrere Tausend pro Monat – Auftritt Ärztekammer.

   Diese Ärzte würden dann völlig zu Recht eine entsprechende Gehaltsforderung an ihre Arbeitgeber stellen. Da aber Gehaltsverhandlungen wegen der Kollektivverträge so starr sind, dass es kaum möglich wäre, den Einkommensverlust individuell auszugleichen, droht eine allgemeine Gehaltserhöhung vor allem der höheren Ärzte, was politische unangenehm ist – Auftritt Länder.

   Ehrlich lösbar wäre das nur, wenn die Politik die Diskrepanz zwischen dem, was Menschen kaufen (bessere Behandlung), und dem, was Politik „erlaubt“ („Hotelkomponente“), zu kaufen, geschlossen würde.

So etwas geht aber nur mit harten Schnitten – etwa der endgültigen Beendigung der SKL in öffentlichen Spitälern. Solange öffentliche Spitäler jedoch auf die Quersubventionierung der Arztgehälter durch SKL-Versicherung setzen, wird das nicht passieren. Und deswegen wird die Verlogenheit rund um die SKL auf Ambulanzen ausgedehnt – mit dem festen Versprechen, dass es dort wie überall keine Besserstellung geben wird. Denn alle bekommen alles auf allerhöchstem Niveau, überall und immer.

„Wiener Zeitung“ vom 27.12.2018

Gesundheitspolitik wie gehabt – das Ende der Reform

Anlässlich von Wahlen kommen die Interessen immer am klarsten hervor – die Gesundheitsreform ist dabei völlig uninteressant.

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   Das Burgenland wählt am 31. Mai, und so verspricht Landeshauptmann Hans Niessl eine neue Spitalsabteilung, eine Urologie, in Kittsee.

   Das Spital Kittsee steht wegen der Nähe zum nächsten Spital in Hainburg (11 Autominuten; beide 50 Autominuten von Wien entfernt) schon lange in der Schließungsdiskussion – nicht grundlos. Beide Spitäler sind wegen ihrer Grenzlage eigentlich völlig deplatziert und könnten ersatzlos gestrichen werden, da ihre Einzugsgebiete einfach von angrenzenden Spitälern mitversorgt werden könnten.

   Doch statt diese Spitäler zu schließen, bekommt Kittsee jetzt sogar eine hochspezialisierte Abteilung, eine Urologie – spannend, 1969 hat die WHO angemerkt, dass „hochspezialisierte Fächer (zum Beispiel Urologie) auf zu viele und zu kleine Standorte verteilt sind“: Eine Erkenntnis, die offenbar nicht angekommen ist.

   Aber vielleicht ist ja im Rahmen der Gesundheitsreform diese Abteilung nötig?

   Die Reform möchte „die Versorgungsdichte bedarfsorientiert anpassen, insbesondere durch die Reduktion der Krankenhaushäufigkeit und den Abbau bzw. die Verhinderung von Parallelstrukturen.“

   In den burgenländischen Zielsteuerungsverträgen steht nichts von einer Urologie in Kittsee, was aber nichts heißt, weil dem Bund ja nur ein Minimum gemeldet wird – es könnte sein, dass Land und Kassen gemeinsam festgestellt haben, das nördliche Burgenland ist urologisch unterversorgt.

   Doch ein Blick in die gesetzlich vorgeschriebenen Planungsunterlagen zeigt, dass die Region rund um Hainburg-Kittsee urologisch von Wiener Neustadt, Mödling, Wien und Mistelbach mit mehr als ausreichend vorgehaltenen Betten mitversorgt wird. Von jedem Punkt der Region aus kann eines der Spitäler innerhalb von 45 Fahrminuten erreicht werden – 60 Minuten wäre die gesetzliche Vorgabe, die international betrachtet ohnehin zu niedrig angesetzt ist.

   Eine Abteilung muss mindestens 25 Betten haben. Um die einigermaßen sinnvoll zu füllen, muss das Einzugsgebiet 220.000 Einwohner groß sein. Wo wohnen die? Oder ist angedacht, die Abteilung von Mistelbach bis Wiener Neustadt zu verkleinern? Eher nicht.

   Also stationär kann da keine Unterversorgung bestehen, die neue Abteilung wird demnach eine bedarfsunnötige Erhöhung der Versorgungsdichte und eine Parallelstruktur darstellen.

   Es könnte aber sein, dass, wie die Reform vorschreibt, mit den Krankenkassen ein Versorgungskonzept nach dem Prinzip „ambulant vor stationär“ besteht, weil diese es aber nicht schaffen, ausreichend Kassenstellen zu besetzen, muss eine Abteilung samt Ambulanz eingerichtet werden? Nun, auch das ist irgendwie nicht der Fall. Burgenland Nord verfügt über eine völlig durchschnittliche Versorgungsdichte mit Urologen – also keine Unterversorgung.

   Es ist am Ende ein ländlicher Wunsch und Alleingang, weit weg von der Gesundheitsreform. Verkauft als „wohnortnahe“ Spitalsversorgung – ein Begriff, den nur die hiesige Politik kennt – die den Standort nachhaltig absichert. Und genau das ist es, was man zu Wahlzeiten machen muss – Reform hin oder her.

„Wiener Zeitung“ Nr. 054 vom 19.03.2015  

Pflegegeld statt Karenzgeld – ein Vorschlag aus Niederösterreich

In Niederösterreich, dem Land, das Erwin Pröll absolut regiert, wird die Pflege immer teurerer. Das ist im Grunde nicht überraschend.

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   In Niederösterreich wurden 2011, bezogen auf die Bevölkerung über 75 Jahre, offiziell nur etwa halb so viele Pflegeplätze vorgehalten wie in Salzburg, der Steiermark oder Wien. Niederösterreich ist bei dieser Kennzahl überhaupt das Bundesland mit der niedrigsten Ausstattung. Es ist also klar, dass da Kosten überproportional steigen, es gibt offenbar einen Investitionsrückstau.

   Ebenfalls wenig überraschend ist es, dass Niederösterreich nach frischem Geld schreit – Bundesgeld natürlich. Überraschend allerdings sind die Vorschläge der Soziallandesrätin, Barbara Schwarz (ÖVP). Diese wird in der Tageszeitung „Kurier“ folgendermaßen zitiert: „Ich kann mir da ein Modell wie bei der Sozialversicherung vorstellen. Jeder Arbeitnehmer würde dann einen gewissen Prozentsatz seines Einkommens in einen Pflegetopf einzahlen.“ Im Gegenzug (also wenn man, also der Bund, nicht will, dass die Abgabenlast steigt; Anm.) müssten eben andere Abgaben der Bürger oder Aufgaben des Bundes überdacht werden. Als Beispiel nennt Schwarz das Kinderbetreuungsgeld (auch als Karenzgeld bekannt; Anm.).

   Übersetzt heißt das, entweder soll noch weniger netto vom Brutto bleiben oder, wenn nicht erwünscht, halt bei Familien gespart werden. Ein toller Vorschlag.

   Auf die Idee, landesintern ein bisschen zu reformieren, kommt man nicht. Also zum Beispiel ein bisschen weniger Spitäler, dafür mehr Pflegeheime zu bauen.

   So grob geschätzt, gehen von den zwei Millionen Spitalstagen, die in Niederösterreich anfallen, 400.000 auf das Konto von Menschen, die keine Spitalsbehandlung, sondern Pflege brauchen. So ein Spitalstag kostet 300 bis 500 Euro, macht jährlich 120 bis 200 Millionen Euro (zwischen 10 und 15 Prozent der stationären Spitalskosten), die gerne, aber völlig falsch ausgegeben werden.

   Würde man dieses Geld nehmen und der wohnortnahen Pflege geben und vielleicht auch ein bisschen davon den Hausärzten, die Forderungen nach neuem Geld wären für Jahre vom Tisch – und die Patienten würden von einer besseren Versorgung profitieren.

   Aber welcher Politiker, vor allem in Niederösterreich, verzichtet schon gerne auf prestigeträchtige Spitäler, zugunsten der definitiv weniger coolen Pflege – noch dazu, wo das Geld ohnehin vom Bund kommt: „Wir geben aus, wie es uns passt und wo es uns passt – geht das Geld aus, dann hat der Bund mehr herzugeben. Basta“

   Wenn der Föderalismus in seiner jetzigen Form nicht abgeschafft wird, wird es nie eine integrierte Versorgung geben, in der die Akutmedizin mit Prävention, Pflege und Rehabilitation so abgestimmt ist, dass der Patient zur richtigen Zeit das Richtige am richtigen Ort erhält – wenn das aber nicht klappt, werden wir immer mehr in ein immer ineffektiver werdendes System einzahlen, ohne dass Patienten davon profitierten.

   Das ist jetzt auch nicht überraschend und steht so schon seit Jahrzehnten in Gesundheitsreformpapieren. Aber wie gesagt, überraschend ist nur, mit welcher Chuzpe hier eine niederösterreichische Landespolitikerin höhere Steuern oder weniger Familienförderung verlangt, um hausgemachte Finanzierungsprobleme dem Bund umzuhängen.

„Wiener Zeitung“ Nr. 095 vom 15.05.2014    

Die Gesundheitsreform 2012 – eine Analyse

Auch wenn die Variante vom 27.9.2012 gegenüber der Endvariante – dazwischen liegen Monate politische Verhandlungen, an deren Ende Texte statt klarer und gesetzesfähiger immer unschärfer und unverbindlicher klingen – im Sinne der Versorgungsforschung deutlich besser war, das was rausgekommen ist, kann ernsthaft Grundlage einer echten Reform darstellen.

Die allgemeine Stoßrichtung

Wesentliche Aussage ist, dass unsere Versorgung zielorientiert gestaltet werden soll, wobei Ziele patientenorientiert aufzustellen sind und die Institutionen- Orientierung (also im Wesentlichen Spitalsstandorte und Kassenordinationen) einer integrierten Versorgung weichen soll. Patienten sollen dort behandelt werden, wo es richtig ist, und nicht dort wo gerade eine Gesundheitseinrichtung steht oder/und offen hat („Best Point of Service“).

Messgrößen und Zielwerte sind zu entwickeln und zu implementieren, die die Patientenorientierung sowohl in Ergebnissen, Strukturen und Prozessen messen sollen – es soll also transparent werden, ob der Patient zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle die richtige Leistung erhält.

Rahmenziele werden zwar zentral aufgestellt, aber sie sind dezentral unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten zu konkretisieren. Es sind definitiv keine „zentralistischen“ Diktate. Dezentral bedeutet übrigens auf Ebene der Versorgungsregionen (VR) des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG), und davon gibt es 32. Es ist also jedes Bundesland weiter unterteilt – das sollte dezentral genug sein.

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Ärztekammer auf echtem Reformkurs?

Der 8. Juli 2012 hätte das Zeug in die gesundheitspolitische Geschichte einzugehen. Es war der Tag, als den neue Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger so richtig Gas gab.

 So meinte er in einem APA-Interview: „Wenn man im österreichischen Gesundheitssystem weiterkommen will, dann müsste man den Ländern die Krankenhäuser wegnehmen“ und: „Es kann nicht sein, dass die Länder gleichzeitig Gesetzgeber, Spitalsträger und Leistungsanbieter sind und dann auch noch am Finanzierungstopf sitzen.“

Mit solchen Aussagen macht man sich für Länder zum Paria, auch oder besonders, wenn man Ärztekammerpräsident ist. Aber der neue Präsident rüttelt auch an einem weiteren Dogma der österreichischen Gesundheitspolitik, der Pflichtversicherung. Die würde er gerne abgeschafft sehen, und den Bürgern Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Kassen geben – Und mit der Aussage mögen ihn die Sozialpartner auch nicht mehr.

Nun, die Kassen haben nicht reagiert, müssen auch nicht, weil sie wissen, dass dank der Verfassung niemand sie abschaffen/ändern kann. Reagiert haben aber einige Länder – abschlägig, wie zu erwarten. Beispielsweise meint der Oberösterreichische Landeshauptmann: „Wir werden die Debatte [Anm.: gemeint ist die Gesundheitsreformdebatte – welche? Ich dachte, die Reform wurde von sechs Personen geheim verhandelt] sicher nicht wieder von vorne beginnen“.

Präsident Wechselberger, und da schließe ich mich an, hält übrigens die beschlossene Gesundheitsreform nur für „das übliche Gerangel um Geld und Geldflüsse“, wenn über eine neue 15a-Vereinbarung gestritten wird. Und ihn wie auch mich erinnern die vereinbarten virtuellen Budgets zur Steuerung des Systems an „Luftschlösser“.

Wie dem auch sei, ursprünglich dachte ich, der kämmerliche Vorschlag ist goldrichtig: echter Wettbewerb zwischen Kassen, und nicht nur als Pseudo- Argument für das Weiterbestehen von 21 Krankenkassen und 16 Krankenfürsorgeanstalten, die sich, dank Pflichtsystem nie um ihre Existenz fürchten müssen. Echter Wettbewerb wäre für viele ein kurativer Schlag!

Und dann die Entflechtung der Mehrfachkompetenzen der Länder, die sich als Gesetzgeber, Spitalsträger, Leistungsanbieter (samt Qualitätskontrolle) und Finanzier ohnehin schon in einem ständigen, schweren, inneren Interessenskonflikt befinden; gepaart mit dem Wunsch der Herrschenden nach Wiederwahl, kann so was ja fast nur pathologisch enden!

In einer zweiten Reaktion allerdings reflektierte ich die ebenfalls geforderte Stärkung der Sozialversicherung, bei gleichzeitiger Schwächung der Länder.

Genau betrachtet, recht viel besser haben die Kassen ja auch nicht gearbeitet. Anderenfalls hätten wir ein echtes Hausarztsystem, Gruppen-, statt Einzelpraxen, und das Honorarsystem der Ärzte wäre ein Steuerungsinstrument und kein gemauscheltes Geldverteilungssystem.

Dazu kommt aber noch, dass Kassen im Gegensatz zu den Ländern ein Legitimtätsproblem haben – denn Pflichtkassen, deren politische Führungen indirekt in Pflichtkammer-Wahlen mit niedriger Wahlbeteiligung gewählt“ werden, sind NICHT demokratisch legitimiert! Auch wenn das manche nicht hören wollen. Andererseits wird auch die Lockerung des Pflichtsystems vorgeschlagen, damit könnte dieses demokratische Manko kompensiert werden, sofern der angestrebte Wettbewerb wirklich auf den Boden kommt und nicht über den Hauptverband und irgendwelche Rettungs- und Zusammenarbeitsfonds abgefangen wird.

Aber all diese Gedanken habe ich in dem Augenblick vergessen, als ich die Reaktion der Länder las.

Da meint etwa Gesundheitsreferent J. Pühringer: „Ich lade den Herrn Präsidenten aber herzlich nach Oberösterreich ein, damit er sich erstens die exzellente Spitalslandschaft und zweitens die gelungene Spitalsreform anschauen kann.“ Deutlicher sein Vorarlberger Kollege Landesrat Ch. Bernhard: „Unsere Spitäler bleiben da, wo sie sind: nämlich bei uns“, weil nämlich jede Schwächung der Länder massive Nachteile für die Patienten hätte. Und aus Tirol erklärt gleich Landeshauptmann Platter im Namen aller Länder (er ist nämlich Vorsitzender der rechtlich völlig unbekannten Landeshauptleitekonferenz, die aber real mehr Macht hat, als jede verfassungsrechtlich festgelegte politische Institution): Man werde es jedenfalls „niemals zulassen“, dass der Bund vorschreibe, wo es in einem Bundesland ein Spital geben soll und wo nicht.

Damit war mir klar um was es geht: Es sind die gnädigen Länder mit ihren segensreichen Spitälern, die zwischen uns und unserem sicheren Tod stehen – und dankbar sollten wir sein, dass wir sooft drinnen liegen dürfen, in den ländlichen Spitäler. Das zu kritisieren oder ändern zu wollen, das kann nur böse sein.

Warum es keine Spitalsreform geben wird/kann – Ein Text zum Verständnis!

Auf Bundeslandebene fehlt jegliche „Krankheitseinsicht“; die ist aber nötig, will man therapieren!

„Es ist nicht eine Frage, ob wir uns das leisten wollen, sondern es ist klar, dass wir uns das leisten müssen. Die Bevölkerung hat den Anspruch auf eine optimale Versorgung. Wir lassen uns da von Theoretikern, Experten oder Rechnungshofbeamten, die von der Praxis keine Ahnung haben, nichts vorschreiben.“

Das war die Antwort von LH Erwin Pröll auf die Frage, ob denn die 27 Spitäler in NÖ weiter bestehen werden. Nun, da fällt mir ein Witz ein: Was ist der Unterschied zwischen dem lieben Gott und einem Landeshauptmann? – Der liebe Gott weiß, dass er kein Landeshauptmann ist!

Jedenfalls ist klar, dass die Definition der optimalen Versorgung Hoheitsakt der landesfürstlichen Verwaltung ist! Es dürfte wenig Einsicht geben, in das Problem, dass wir zu viele Spitäler und Betten haben, dass unser System schlicht spitalslastig (XLS-Tabelle des OECD Originallink! ) (wo vor allem stationär statt tagesklinisch (XLS-Tabelle des OECD Originallink!) gearbeitet wird) ist, und die Ressourcen, die unnötigerweise dorthin fließen, dann woanders fehlen – gilt natürlich nur dann, wenn man noch genug Realitätssinn hat, nicht von unendliche Ressourcen auszugehen (Allokationsproblem).

In Kärnten wiederum herrscht Freude darüber, dass das LKH Wolfsberg seine Unfallchirurgie und Geburtshilfe behält . Ein Spital mit 68.000 Einwohnern im Einzugsgebiet dürfte nach den Bundesplanungsvorgaben (festgelegt im Österreichischen Strukturplan Gesundheit ÖSG, seit 2005 gesetzlich verbindlich, aber was sind schon Gesetze hierzulande, wo wir doch Fürsten haben) weder eine Unfallchirurgie noch eine Geburtshilfe haben.

Für eine Gynäkologie, die ja eine Mindestgröße (Mindestbettenzahl) nicht unterschreiten darf, sollte das Einzugsgebiet mindestens 110.000, für eine ‚Unfallchirurgie 90.000 Einwohner betragen. Nur dann ist realistisch anzunehmen, dass die dort  aufgestellten Betten (für österreichische Verhältnisse, international wären es noch immer zuviele) sinnvoll genützt werden. Ist das Einzugsgebiet kleiner, werden die Betten sicher auch genützt, aber halt nicht sinnvoll – dann liegt möglichst jeder drinnen, egal ob nötig oder nicht. Und mit welcher Folge? Nun, es muss ja einen Grund geben, warum wir, pro Kopf gerechnet die meisten Krankenhausaufnahme der Welt haben.

(der rote nach oben ausschlagende Strich ist Österreich!).

Abb. der Krankenhaushäufigkeiten in der EU

Also auch hier wenig Verständnis dafür, dass auf Bundesebene Vorgaben gemacht werden, die auf Landesebene eingehalten werden sollen.

Tagespopulistisch ist nicht zu erwarten, dass die Länder reformfreudig und vernünftig werden –dass sie polemisch bleiben, ist wohl eher zu erwarten.

Aber auch die Zahlen im Stabilitätspakt deuten nicht darauf hin, dass sich was ändern soll.

Den Ländern wird erlaubt, weiter Schulden zu machen, geringer als bisher, aber doch. Zudem werden Mehreinnahmen durch die Erhöhung diverser Steuern in Aussicht gestellt: gesamt etwa 2,3 Mrd.€. Das deswegen, weil der Finanzausgleich und damit die Aufteilung der Steuereinnahmen in der jetzigen Form beibehalten wird. Damit das so bleibt, versprechen die Länder etwa 2,9 Mrd.€, drei Viertel davon in den Spitälern, zu sparen.

Doch wie geht das Sparen vor sich? Wird hier wirklich gespart? Nein, dass läuft ganz anders – und zwar ungefähr so (die jetzt dargestellte Milchmädchenrechnung ist ziemlich ungenau, weil ja auch die Angaben der Politik sehr ungenau sind):

Das Zauberwort ist „Deckelung der Spitalskostensteigerung“

Zuerst wird angenommen, die Spitalskosten steigen ohne Reform um 4,5% jährlich. Dieser Wert soll angeblich der langjährige Schnitt sein, oder so was! Wirklich transparent dargestellt ist es nicht, wohl eher politisch einfach festgelegt Jedenfalls nachrechenbar ist der Wert nicht. Jetzt versprechen die Länder, dass die Spitalskosten nicht über 3,5% steigen werden (eine Bindung der Kostensteigerung an das Wirtschaftswachstum erfolgt nicht, sondern wird uns nur erzählt, wie so vieles erzählt wird). Rechnet man jetzt aus, was die Spitäler bis 2016 in Summe mehr kosten, wenn die Kosten um 4,5% steigen, dann kommt etwa 11,2 Mrd.€ heraus. Nimmt man aber die 3,5%, dann beträgt diese Summe „nur“ 8,6 Mrd.€. Es entsteht also eine Differenz von 2,6 Mrd.€. Und die, so versprechen die Länder, werden sie einsparen! (offiziell meinen die Länder, sie wollen nur 2,1 Mrd.€ einsparen, woher die 500 Mio.€ Differenz zu meiner Milchmädchenrechnung kommen? Ich weiß es nicht! Vielleicht sind die als „wir sind super und über Plan“-Meldungen, analog den Kassen – eingeplant! Andererseits sollte man 500 Mio.€ auch nicht so genau nehmen, bei einem Volumen von fast 90 Mrd.€, die uns die Spitäler in dem Zeitraum gekostet haben werden)

Ein nettes Versprechen also, vor allem aber ein sehr leichtes!  Ein kleiner Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Spitalskostensteigerung seit 2009 in etwa bei 3,5% liegt. Folglich, müssen die Länder nur versprechen, dass das so bleibt. Und weil es ohnehin keine Sanktionen geben wird, wenn die Kosten stärker steigen, ist so ein Versprechen gleich noch leichter gemacht.

Dass man so ein Versprechen überhaupt abgeben muss (manche Länder mögen das wohl sogar als Demütigung, gar als Majestätsbeleidigung empfinden), hat weniger mit der Macht des Bundes zu tun, als mit der EU. Die wird sich nämlich die Zahlen genau anschauen, und für die muss es plausibel klingen, das Versprechen!

Ob es eingehalten wird, das steht dann auf einem anderen Blatt. Und dass sich die Länder nicht wirklich anstrengen wollen, auch wenn sie behaupten, vor ihnen liege harte Arbeit, zeigt ja schon die Tatsache, dass alle Länder fest behaupten, sie hätten schon alle Anstrengungen unternommen, um die Kostensteigerung im Zaum zu halten – heißt übersetzt: alles erledigt, Reform umgesetzt, Stabilitätspakt erfüllt! Jetzt muss der Bund unsere Forderungen erfüllen – und die sind heftig, s. Seite 9 letzter Absatz – der Rest der ländlichen Reformvorschläge sind nur Schaumschläge zum ablenken!

Vernunftbegabte Menschen sollten Länderversprechen ohnehin nicht ernst nehmen. Obwohl die Länder 2005 erstmals und dann im vorgezogenen Finanzausgleich 2008 noch einmal ganz fest versprachen zu sparen, haben sie es nicht getan. Denn als der Rechnungshof das Versprechen in drei Ländern kontrollieren wollte, sah das so aus: Salzburg lag 2010 bei den Spitälern um 17% über dem versprochenen  Zielwert, die Kosten stiegen von 2005 bis 2010 von 242 auf fast 340 Mio. €. In Wien kletterten die Kosten von 1,1 auf 1,6 Mrd.€, und 30% darüber. Und die Steiermark hat Ausgaben von 545 Mio.€ einfach nicht gemeldet, um sich der Kontrolle gleich zu entziehen.

Gut, also ich gehe mal davon aus, dass die Länder weiter spitalszentriert denken und eine integrierte Versorgung nicht wie üblich rund um den Hausarzt, sondern rund um ein Spital denken. Und ich gehe weiter davon aus, dass sie durch keine Macht und schon gar nicht Vernunft von diesem Weg abzubringen sind.

Wird es trotzdem die versprochene Spitals/Gesundheitsreform geben?

Auch wenn die Länder es nicht hören wollen, alle Experten, zuletzt sogar die Industriellenvereinigung, deren Mitglieder ja sicher nicht schlecht an diesen Spitälern verdienen, sagen, wir haben zu viele Spitäler und daher zu viele Spitalsaufnahmen, was in weiterer Folge zu einer Unterfinanzierung der niedergelassenen Ärzte führt. Eine Reform muss bei den Spitälern ansetzen! Wir müssen Spitäler redimensionieren, in dem wir schauen, dass die Patienten vom Spital weg, zu den niedergelassenen Ärzten gelenkt werden. Aber wie?

Die Kassen werden bis 2016 grosso modo gleich viel Geld haben wie heute! Vielleicht ein bisschen mehr, weil es jetzt die Solidaritätsabgabe für Reiche gibt, vielleicht ein bisschen weniger, weil dafür andere Dinge wegfallen, z.b. die überbezahlte Mehrwertsteuerrückerstattung (s. auch Uraltartikel). Wie dem auch sei, ein Ausbau des Kassenbereichs durch die Kassen ist wohl nicht möglich! Außer, es käme Geld von den Ländern! Also Umlagerung der Leistung vom Spital zu den niedergelassenen Kassenärzten (die dann zahlenmäßig auch steigen müssten;(seit wenigstens 15 Jahren sinkt die Zahl der Stellen sogar leicht !!), bei gleichzeitiger Umschichtung von Geld von den Länder zu den Kassen – „Geld folgt Leistung“!

Es ist eigentlich denkunmöglich, dass es jemals dazu kommt, dass Bundesländer auf Geld verzichten – und schon gar nicht, dass die es den Kassen „schenken“. Und weil die Kassen auch nichts hergeben wollen und beide auf Verfassungsrechte pochen können, braucht es einen, dem Volk präsentierbaren, Kompromiss. Und da kommen sie daher, die fiktiven Budgets der Gesundheitsplattformen. Sie sind der letzte Schritt der österreichschen Diskussion von der „Finanzierung aus einer Hand“ hin zu „es darf sich nichts ändern“!

Mit solchen Budgets gibt es bereits Erfahrungen. Als mit der Gesundheitsreform 2005  Reformpoolprojekte  eingeführt wurden, gab es die Verpflichtung, für jedes Projekt solche Budgets zu rechnen. NÖ hat einst 800.000€ für die Entwicklung eines eigenen EDV-Tools (Reformpoolmanager) bezahlt, damit solche Budget errechnet werden können. In Betreib ist der Reformpool-Manager nie gegangen, weil keiner der involvierten Partner bereit war, seine Daten einzuspielen und damit der anderen Seite zu offenbaren. Schließlich leben sie doch alle in der Intransparenz! Und weil es eben nicht geschafft wurde, Datentransparenz herzustellen, wurden Reformpoolprojekte per Hand gerechnet.

Eines davon habe ich (allerdings unter Pseudonym) rechnen dürfen – wobei das eben mit rechnen nur sehr wenig zu tun hatte, mit Diplomatie eher – denn keine Seite (Land und SV) wollte die Wahrheit wissen, und die Rechnungen duften nur das ergeben, was die beiden  langwierig ausverhandelt haben (btw. Ich hab die Rechnungen sechs mal gemacht, weil jedes Mal „neue“ Daten die „alten, falschen“ ersetzen mussten, bis die Kassen ihren Teil der Berechnung überhaupt selbst geschrieben haben. Es dauerte 6 Monate, bis eine Einigung erzielt wurde! Der wissenschaftlich fundierte Bericht wurde nie publiziert – bis jetzt)

Wie dem auch sei, mir ist kein Reformpoolprojekt bekannt, dass es geschafft hätte, Konsens zwischen allen 21 Krankenkassen und den Bundesländern herzustellen um die Rechnungen ernsthaft zu machen und das Prinzip „Geld folgt Leistung“ umzusetzen. Im Gegenteil, je näher das Ende eines Projekts kam, desto klarer war, dass kein Interesse an Änderungen bestand. Deswegen hat es auch kein einziges Reformpoolprojekt geschafft, flächendeckend ausgerollt und in die Regelfinanzierung übernommen zu werden (sieht man von jenen ab, die eine Sonderfinanzierung erhalten haben)

Tja, und so wie es aussieht, soll die Idee der „fiktiven Budgets“ nun die Gesundheitsreform bringen. Es soll also jetzt auf Bundeländerebene eine flächendeckende, allumfassende fiktive Rechnung gemacht werden, damit man erkennen kann, wer von welcher Maßnahme oder Planung wie profitiert, um dann eine Finanzierung aus einer Hand simulieren zu können.  Was also für lächerliche Kleinigkeiten schon nicht funktioniert hat, soll jetzt im Grossen funktionieren? Nie!

Aber ich bin sicher, die Reform wird, wie eh und jeh, medial groß kommen und bestens verkauft werden. Realiter aber, wurde so eine Gesundheitsreform erfolgreich ausgesessen wieder einmal !