Erschreckend, wo die Gesundheitspolitik angekommen ist – selbst Ludwig XIV. hatte wohl mehr Skrupel, sich über Realitäten hinwegzusetzen, als unsere Politiker.
F. Nietzsche und O.Spengler würden hämisch lachen, J. Evola wäre entzückt über das Gehabe hiesiger Landespolitiker. Machiavelli wäre stolz, dass, nach 500 Jahren und scheinbarem Untergang des Absolutismus, seine Ratschläge noch immer beherzigt werden. Was diese Philosophen eint? Mit Ausnahme letzterem haben sie alle die Demokratie verachtet. Letzterer, zwar theoretisch Anhänger von Republiken, hat trotzdem allen Machthungrigen, und besonders selbsternannten Fürsten, eine Anleitung gegeben, wie sie durch Lug, Trug und Täuschungen ihre Macht mehren können.
Was mich zu diesen Philosophen geführt hat? Der Expertenbericht „Gesundheit und Pflege“, samt Spitalsschließungsdiskussion und den konsequenten Politikerreaktionen.
Schon die Wahl der „Experten“ für den Bericht zeigt, dass die, die ihn beauftragten (Bundes- und Vizekanzler), nichts Überraschendes hören wollten. Wer Namen sucht wird enttäuscht, denn die Experten sind Institutionen.
Da sind das IHS, das als „roter“ Think-Tank gegründet wurde und das Wifo, als dessen „schwarzes“ Pendant. In beide wird, trotz Dementis, kräftig hineinregiert. Zu der „schwarz-roten“ Expertentruppe gesellen sich der, laut fürstlichem Entschlusse sich immer wieder irrende, Rechnungshof und das KDZ, eine eher unbekannte Größe, die sich seit Jahrzehnten mit der Verwaltungsreform beschäftigt – daher auch der Bekanntheitsgrad.
Diese „Vier“ sind DIE Experten für das Gesundheits- und Pflegewesen!? Andere sind wohl grundsätzlich mit keiner „Expertise“ ausgestattet. Zum Beispiel das ÖBIG (Österreichische Bundesinstitut im Gesundheitswesen, das jetzt unter Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) firmiert), das seit Jahrzehnten keine andere Aufgabe hätte, als die wissenschaftliche Durchdringung des Gesundheitswesens. Nicht einmal deren Publikationen werden von den „Vier“ herangezogen. Vielleicht deswegen, weil das ÖBIG, in skurriler Weise, von einem schwarzen Geschäftsführer bei einem roten Eigentümer (Gesundheitsministerium) geführt wird? Sehr unsichere Gesellen!
Wie dem auch sei, die „Vier“ haben in eineinhalb (!) Jahren einen 65 (!) Seiten langen (Geheim)Bericht erstellt, der Grundlage für politische Diskussionen einer „echten“ Reform sein soll. Puh! Wer in anderen, aber eben modernen Demokratien herumschaut, erschaudert sanft. Berichte von deutlich geringerer Tragweite haben 500 und mehr Seiten – ja selbst Kurzfassungen sind ausführlicher (z.B. deutscher Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen).
Wen wundert’s, dass in unserem Bericht nur arbiträre Meinungen zu finden sind. Das zeigt auch die Quellenangabe; fast nur eigene Arbeiten der „Vier“, kein Hinweis auf wissenschaftliche – und transparent publizierte – Literatur. Ich habe Diplomarbeiten gelesen, die besser recherchiert waren.
Aber egal wie schlecht dieser Bericht gemacht wurde und egal welche Winkelzüge Politiker im Vorfeld versucht haben, er ist für sie schlicht vernichtend. Offenbar sind selbst die „eigenen“ Experten nicht mehr bereit, Objektivität heuchelnd Lobeshymnen zu singen.
Und da kommt sie, die an Nietzsche & Co erinnernde Reaktion: Alles falsch, gemacht von „selbsternannten“ (sehr merkwürdig!) Experten, die keine Ahnung haben, um was es wirklich geht – und genau da stellen sich mir die Nackenhaare auf!
PS: wenn jemand den Bericht lesen will – per E-Mail unter Auflage strikter Geheimhaltung beim Rezeptblock erhältlich.
Dieser Artikel wurde im Juli 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.