Aktuell bahnt sich einer jener peinlich-kleinlichen Machtkämpfe an, die unser Gesundheitsystem sattsam hat und deren ich so überdrüssig bin.
Auf der einen Seite, Peter McDonald, Chef des Hauptverbandes, der via Medien gerne mitteilt, wie gut alles ist, weil wir so viele Kassen haben, und dass er stolz ist, dass wir statt einer Credit-Card in Österreich nur die e-Card brauchen, um alles zu kriegen was wir brauchen.
Nun, alleine dieser Kartenvergleich stößt bei mir regelmäßig auf, weil er an Populismus praktisch nicht zu überbieten ist. Ich kenne jetzt kein high-income Land in Europa, in dem Credit-Cards gezückt werden müssen, um medizinisch versorgt zu werden. Mehr noch, ein Land, in dem, gegenüber nordischen Ländern OHNE Krankenkassen, nachweislich die Versorgung chronisch Kranker viel schlechter ist, und dessen Bevölkerung etwa fünf gesunde Lebensjahre verliert, aber dessen Gesundheitssystem gleichzeitig meist mehr kostet und einen höheren Privatanteil hat, sollte man sich als Hauptverbandschef im Glashaus wähnen, wenn man mit Steinen wirft.
Wie dem auch sei, dieses Gesundbeten durch Peter McDonald hat schon was absurdes. Und das er meint, die Ärztekammer rede von Versorgungsengpässe und Ambulanzschließungen um den Menschen zu suggerieren, dass die gute medizinische Versorgung in Gefahr ist, obwohl dem nicht so sei, hat was von Realitätverweigerung – denn alleine ein Blick in die eigenen Statistiken würde die suboptimale kassenärztliche Versorgung etwa der 250.000 Herzinsuffizienz-Patienten schnell darlegen. Da keine Versorgungsengpässe zu sehen, ist schon eher herb.
Und um ja der Ärztekammer den schwarzen Peter umzuhängen, legt er nach: „Trotz höchster Ärztedichte weltweit wird dem Bedürfnis nach Gesprächszeit und besserer Vernetzung zu wenig Rechnung getragen.“ – Gerade so, als ob es nicht genau die Fließband-Massenabfertigungs-Strategie seiner Kassen (was ja WGKK-Chefin Reischl irgendwann sogar mal zugab – leider finde ich das Interview nicht mehr) wäre, die bei den aktuellen Honoraren kein Zeit lassen – Vernetzung hin oder her. Wer mit den aktuelle Tarifen 120€ pro Stunde Umsatz machen muss, hat keine Zeit für Gespräche.
Aber, um eben das ohnehin niedrige Niveau der Gesundheitspolitik gleich noch mal ein bisschen zu drücken – auch wenn man meint, es geht nicht mehr – reagiert auf der anderen Seite der Ärztekammer-Chef der Kassenärzte Johannes Steinhart mit einer nahezu atemberaubenden Aussage.
Um Peter McDonalds Aussage der höchsten Ärztedichte zu begegnen, erwähnt Johannes Steinhart nicht, dass wir ein sehr ungutes Verhältnis zwischen Kassen und Nicht-Kassen-Ärzten (also Wahl- UND Spitalsärzten) haben, oder weniger wissenschaftlich, dass es zwar massenhaft Ärzte gibt, aber einfach immer weniger solche, die das Verhandlungsergebnis zwischen den Kassen und Ärztekammer toll genug finden, um für die Kassen zu arbeiten, und deswegen durch die Kassen nicht mitgezählt werden dürfen – das Feld sinnvoller Entgegnungen wäre schier endlos. Nein, Johannes Steinhart belehrt mit der Inbrunst der Überzeugung, dass die „höchste Ärztedichte weltweit“ nur eine angeblich sei, weil man Turnusärzte, und zwar alle ca. 7.000, also auch die, die in einer Facharztausbildung stecken, nicht mitrechnen dürfe. Zieht man die ab, gäbe es in Österreich 4,1 Ärzte pro 1.000 Bewohner, das entspräche der Dimension der Schweiz, Schwedens (jeweils 3,9), Deutschlands (4,0) und Norwegens (4,2).
Das ist schon erstaunlich. Warum sind aus Sicht des Dr. Steinhart, der neben seiner Funktion als oberster österreichweiter Ärztekämmerer der niedergelassenen Ärzte auch ärztlicher Direktor und Geschäftsführer eine Akutspitals in Wien ist (wie immer er das auch zusammenbringt), Turnusärzte keine Ärzte?
Denn, die von ihm zitierten Zahlen stammen aus der OECD. Die Zahlen die dorthin geliefert werden bestimmt die Ärztekammer, die sich an die Definition der OECD halten muss – alle Länder müssen das, damit eben die Zahlen vergleichbar sind. Und weil dem so ist, und weil (eben nur fast) niemand auf dieser Welt auf die Idee käme, Ausbildungsärzte nicht als Ärzte zu bezeichnen, werden diese in jedem anderen Land natürlich mitgezählt. Aber in Österreich wird das gerade von Seiten der Standesvertretung anders gesehen?
Ist es wirklich die Meinung der Ärztekammer, dass Turnusärzte eigentlich nicht als Ärzte gezählt werden dürfen? Und wenn ja, warum müssen die dann in der Ärztekammer sein? Warum sind sie dann nicht in der Arbeiterkammer? Warum laufen Turnusärzte unter ärztlichen Kollektivverträgen? Warum hat die Kurie der niedergelassenen Ärzte mit der der angestellten Ärzte einen Kollektivvertrag für Ärzte in einer Lehrpraxis abschließen können, wenn die doch gar keine Ärzte sind? Oder einfach gefragt, warum nennt man diese Turnusärzte überhaupt Ärzte – sind doch keine?
Frage über Fragen – und hier weiterzudenken macht einen nur sehr wirr im Kopf. Aber, vielleicht ist die Lösung ja ganz leicht? Turnusärzte sind in den Köpfen einiger Ärztekammerfunktionäre einfach keine echten Ärzte, oder eben Ärzte die zählen, sie sind sowas wie eine Manövriermasse in Machtspielchen. Das würde vieles erklären – vor allem warum ihre Situation so ist, wie sie ist.