Selten, dass an der Spitze der Gesundheitspolitik dermaßen viel Bewegung ist. Doch was bringen diese Personalrochaden?
Politisch verkauft wird er als Kassen-Sanierer. Betrachtet man die Zahlen genauer, stellt man fest, dass der Schuldenabbau wohl weniger sein Verdienst war. Es waren eher die, durch Patentabläufe gesunkenen, Medikamentenpreise – In früheren Jahren DIE Kostentreiber, stagnieren die Ausgaben für Heilmittel seit einigen Jahren praktisch.
Und natürlich die Steuerzahler, die erhebliche Mittel in die Kassen zahlten, bzw. Schulden, die die Kassen beim Bund hatten, nachließen. Die Kassen wurden also nicht durch eigene Kraft oder Umstrukturierungen „saniert“, sondern durch goldige Segnungen von Außen.
Allerdings hat Schelling etwas sehr viel wichtigeres geschafft. Unter seiner Führung, wurde das Denken des Hauptverbandes weg vom reinen Verwalter, hin zum Gestalter des Gesundheitssystems, geändert. Er hat nicht nur neue Management-Instrumente eingeführt, wie z.B. eine Balaced-Scorecard, die Führungskräften zeigt, was eigentlich Ihre Aufgaben und Ziele sind, sondern auch das Denken im Hauptverband modernisiert. Der Hauptverband fühlt sich stärker als Versorger, denn als Dachverband von Krankenkassen, deren Aufgabe es ist mit Ärztekammern zu verhandeln. Dieses „gestalten statt verwalten“ begann langsam auch in die vielen Kassen hinein zu diffundieren – und das nicht ohne Konflikte, vor allem mit Ärztekammern und Ländern, wie man an der Kasperliade rund um den Landeszielsteuerungsvertrag Niederösterreich erkennen konnte.
Ob der Weg in den Kassen fortgesetzt wird, jetzt, wo Schelling fort ist, und die Konflikte wegen der Gesundheitsreformvorhaben größer werden müssten (wenn die Reform umgesetzt würde), ist ungewiss. Warum sollte man einen Konflikt wagen, wenn man nicht hineingetrieben wird? Ein Rückfall in die selbstgefällige Selbstverwaltung ist durchaus realistisch.
Er verlässt nach neun Jahren die Gesundheitspolitik – länger war er nicht dabei! Auch wenn gerne behauptet wird, Stöger wurde wegen seiner Erfahrung Gesundheitsminister; wer genau schaut, sieht, er kam erst 2005 über die Gewerkschaft als Obmann der OÖ-GKK in das Gesundheitssystem. Und dort erntete er im Grunde nur das, was sein Vorgänger gesät hatte. Nur drei Jahre später, und wohl zur Erleichterung einiger, war er dann Minister in Wien. Es ist also nicht so, dass er auf eine fundierte Ausbildung, große Erfolge oder wenigstens langjährige Erfahrung im Gesundheitssystem bauen konnte. Was man auch schnell merkte – denn statt Gesundheitsminister für Österreich zu sein, war er ein Gewerkschaftsfunktionär aus Oberösterreich.
Interessant ist, dass ihm trotzdem als Minister sehr viel zugesprochen wird. Aber auch das hält nicht stand. So wie viele seiner Vorgänger hat auch er nur papierene Reformen hinterlassen, die noch lange nicht leben und selbst wenn, nur an der Oberfläche kratzen. Die Reformen sind weitgehend so verhandelt, dass sie niemandem weh tun, weil sie eben keine Strukturreformen beinhalten oder wenigstens spürbare Sanktionen für die vorsehen, die sich nicht an Verhandlungsergebnisse und Gesetze halten – alles wie gehabt.
Wer beispielsweise die Landes-Zielsteuerungsverträge, Kernstücke der Gesundheitsreform, analysiert, erkennt, dass seine Reform, wie alle davor, an Ländern und Kassen zerschellt. Keiner der Verträge ist so aufgesetzt, dass man damit die schön formulierten, vertraglich fixierten Ziele der Reform erreichen kann. Und das ist eigentlich auch klar – ohne Kompetenzbereinigung dieses zersplitterten Systems kann keine Verbesserung eintreten, wie schon eine selbst eingesetzte Arbeitsgruppe (im laufe der letzten Jahrzehnte ein weiteres mal) 2010 festhielt
Und was ist mit den ohnehin nur schaumgebremsten (große Pläne hat die große Koalition seit Jahrzehnten nicht mehr) Vorhaben, die sonst noch in den beiden Regierungsprogrammen seit 2008 (2008-2013; 2013-2018) drinnen stünden, aber nicht einmal auf die Verhandlungsagenda kamen? Sie stehen dort wohl, wie so manches aus der Ära Stöger (Zahnspangen, Gesundheitsziele, …) aus rein populistisch-propagandistischen Gründen.
Nachdem sie nie durch eigene Vorstellungen oder Ideen auffiel, oder gar mal eine Kante gezeigt hätte, also weil sie eben nur den Eindruck einer sehr eloquenten, superbraven, linientreuesten, angepassten, soldatisch loyalen, sozialistischen Gewerkschafterin machte, habe ich natürlich genau hingehört, was die neue Gesundheitsministerin sagt.
Wer Nietzsche liest, so sagt man, sollte es zwei Mal tun, denn seine mächtige Sprache lenkt beim ersten Mal lesen von den oft nur dünnen Gedanken ab, die man dann beim zweiten Mal klar erkennt.
Und so ist es wohl auch hier. Rhetorisch (glatt)geschliffen und überzeugend erklärt die neue Ministerin nur, dass sie keine weiteren Reformen wünscht, schon gar nicht Strukturreformen. Sie will den Weg ihres Vorgängers fortsetzen und, ganz gewerkschaftlich, viel verhandeln (wobei mir nicht klar wurde, was genau). Dass die Reformen ihres Vorgängers aber eher Sackgassen bilden, weil es keine Strukturreform gibt, stört sie nicht. Aber dort wo es möglicherweise opportun scheint, ist ihr ein Aufweichen des Kurses ihres Vorgängers möglich – vor allem bei der ELGA, hier darf es dann ruhig noch ein bisschen länger dauern.
Dafür will sie beim Nicht-Raucher-Schutz (offenbar ihr Steckenpferd, aber bei all den Problemen, die unser Gesundheitssystem hat, nicht gerade das drängendste Problem) aktiv werden: ein totales Rauchverbot in der Gastronomie soll zu einem „Zeitpunkt fixieren werden, der in der Zukunft zu finden ist“, hat sie uns am 1. September 2014 in der ZiB2 mitgeteilt.