Seit kurzem existiert ein Blog, der sich mit den frei zugänglichen Daten unseres Gesundheitssystems beschäftigt.
Mit jugendlichem Elan, fast Leichtsinn, wenn man das verpolitisierte Gesundheitswesen kennt, stellt der Autor eines neuen Blogs (www.healthquanti.bplaced.net/wordpress/), Florian Habersberger, Zusammenhänge dar und konkretisiert längst bekannte Fakten in einer Klarheit, die fast weh tut.
Dass die hohe Krankenhaushäufigkeit (KHH) weniger mit medizinischer Notwendigkeit, sondern mehr mit der Dichte an Spitalsbetten zu tun hat (doppelt so hoch wie Dänemark oder Schweden), ist ja mittlerweile Allgemeinwissen, aber wie diese Bettendichte innerhalb Österreichs dazu führt, dass in den Regionen mehr oder weniger Patienten auftreten, ist schon weniger klar.
Weiterlesen: Faktensichere SystemkritikDas hat der studierte Volks- und Betriebswirt eben herausgefunden. Steigt die regionale Bettendichte um ein Prozent, führt das zu einer 1,11 Prozent höheren KHH.
Ebenfalls (qualitativ) vermutet, ist der Zusammenhang zwischen der Dichte an ambulant tätigen Ärzten (Kassenärzte und Ärzte in der Spitalsambulanz) und der stationären Aufnahmen. Bis dato unbekannt war die Quantität. Steigt die Zahl der ambulanten Ärzte in einer Region um ein Prozent, sinkt die KHH um 0,65 Prozent.
Und da ja so gut wie alle Länder der Welt zeigen, dass man mit weniger Spitalsaufenthalten auskommen kann, müssen wir davon ausgehen, dass es nicht Patienten sind, die Spitäler brauchen, sondern Spitäler Patienten „erzeugen“ – und das, obwohl jeder Spitalsaufenthalt mit Risiken (etwa Hospitalismus, Nosokomiale Infektionen, unnötige Operationen) verbunden ist, über die auch alle Gesundheitspolitiker, Kassen- und Spitalsmanager oder Primarärzte Bescheid wissen.
Auch für die oftmals postulierte, aber stets dementierte Verdrängung aus dem Kassenbereich in die Spitalsambulanzen konnte Habersberger Zahlen finden.
Zwischen 2006 und 2010 ist die Versorgungswirksamkeit der Kassenärzte (entweder, weil Kassenstellen gestrichen wurden oder aber Kassenärzte weniger arbeiten, was bei dem Honorarsystem hochvernünftig ist) um acht Prozent gesunken. Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Ärzte in den Spitalsambulanzen um 26 Prozent.
Auf Fächer aufgeteilt findet sich oft Überraschendes. Gab es 2006 noch mehr Internisten in wohnortnahen Kassen-Ordinationen (6,7 je 100.000 Einwohner) als in Spitalsambulanzen (5,6), hat sich seit 2008 das Verhältnis gedreht (Kassen 5,2, Spital 7,8). Ähnliches gilt auch bei Neurologen – zwei Fächer, die eigentlich wegen der alternden Bevölkerung vermehrt statt reduziert werden sollten (es sei denn, man will Patienten in die Spitäler verdrängen). In diesem Zusammenhang beeindruckend und klar: Steigt der Anteil der über 60-Jährigen in einer Region um ein Prozent, steigt die KHH um 2,62 Prozent.
Das eigentlich erschütternde ist, dass diese Zahlen vor allem jenen bekannt sein müssten, die darauf aufbauend unsere Versorgung zu organisieren hätten. Da aber das, was sie sagen und das, was sich hier in Zahlen abbilden lässt, nicht zusammenpasst, ist die Frage, ob diese Zahlen denn überhaupt Bedeutung im politischen Diskurs haben.
„Wiener Zeitung“ Nr. 095 vom 16.05.2013