(Lesezeit 4 Min) Unselbständige haben einen weitreichenden sozialen Schutz, und wissen meist gar nicht, woher das Geld dafür kommt. Bei den EPUs der SVA wird das dann plötzlich klar.
Wer als Unselbständiger monatlich 2.280€ brutto verdient, ärgert sich zwar, dass nicht einmal 1.650€ netto bleiben, vergisst aber auch schnell, dass es die 14 mal gibt, und dafür nur 10,5 Monate gearbeitet werden müssen. Mehr noch, wenn man krank ist (im Schnitt weitere 2 Wochen), erhält man weiter sein Geld – also bezahlter Krankenstand, die sogenannte Entgeltfortzahlung! Je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit zwischen 6 und 12 Wochen zahlt der Arbeitgeber volles, danach 4 Wochen halbes Gehalt. Dann erst springt die Sozialversicherungen mit Krankengeld ein
Am Ende erhält ein durchschnittlicher Arbeitnehmer pro Jahr, bei 32.000€ brutto, etwas mehr als 23.000€ netto – etwa 2.300€ pro real gearbeitetem Monat.
Das ist die Arbeitnehmerseite. Doch, was zahlt der Arbeitgeber? Ohne dass der Arbeitnehmer es merkt, muss der nämlich zusätzlich etwa 10.000€ an öffentliche Stellen abführen, mit fast 7.000€ geht der Großteil an die Sozialversicherungen.
Um 23.000 netto zu bezahlen, muss der Arbeitgeber mit der Arbeitskraft des Arbeitnehmers 42.000€ (exkl. USt) Einnahmen am Markt erzielen – und da der Arbeitnehmer nur 10 Monate zur Verfügung steht, bedeutet das, dass mindestens 4.200€ nur durch die Arbeitskraft (also ohne Sachkosten) erwirtschaftet werden müssen, um diesen Arbeitsplatz zu erhalten. Der Arbeitgeber hat jetzt noch gar nichts verdient.
Was soll all dieses Vorgerechne hier?
Es gibt eine Gruppe von Menschen, die sind gleichzeitig Arbeitnehmer UND Arbeitgeber: die Ein-Personen-Unternehmen (EPU). Von den etwa 300.000, die es in Österreich gibt, betreiben vermutlich 80.000 ihr Unternehmen hauptberuflich. Die meisten haben kaum Investitionen und i.d.R. auch wenig Sachkosten – sie sind Dienstleister.
Wenn diese so viel wie im Beispiel oben verdienen wollen, dann müssen sie, inkl. Umsatzsteuer und OHNE Sachkosten 50.000€ Umsatz machen. Eine ganze Menge.
Wenn sie das in 10 Monaten abarbeiten wollen, heißt das 5.000€ Umsatz pro Monat. Bei einer 40 Stundenwoche wären das 30€ pro Stunde. Zieht man Administration und Akquisition ab, ist ein dem Kunden zu verrechnender Stundensatz (ohne Sachkostenzuschlag) von 60€ (i.e. 50€ exkl.) eher untere Grenze. Und das zu erreichen, ist wohl bei einigen der EPUs kein leichtes Unterfangen
Weil es, v.a. nach 2007, offenbar wurde, dass EPUs mit niedrigen Umsätzen durch Krankheit rasch in einer Armutsfalle landen können, wurde die Idee geboren, auch für Unternehmer Krankengeld durch die SVA (also über einen Zwangsbeitrag einer Pflichtversicherung, der bei allen Unternehmern eingehoben wird) zu bezahlen, wenn der Krankenstand länger als 42 Tage (6 Wochen) dauert. 2012 wurde das dann auch eingeführt. Interessant, mit dieser Regelung wurde die SVA sozialer als Kassen der unselbständigen, die Krankengeld deutlich später (frühesten ab 10 Woche) auszahlen – davor muss eben der Arbeitgeber ran, den es bei EPUs so eben nicht gibt.
Eine An und Für sich merkwürdige Maßnahme, da Versicherungen bei Betriebsunterbrechung und auch Berufsunfähigkeitsversicherungen am freien Markt angeboten werden. Ob eine Sozialversicherung (also die Verteilung des Risikos auf alle bei gleicher (relativer) Prämienhöhe für alle) hier besser geeignet ist, das wurde damals nicht diskutiert – Wesentlich war nur, auf den politischen Druck zu reagieren, und der kam von den zahlenmäßig in der Wirtschaftskammer riesig angewachsenen EPUs. Um diese Wählerstimmer kümmerten sich immer mehr Fraktionen, und der Wirtschaftsbund verlor zunehmend an Boden. Und so hat er eben reagiert, um seine Vorherrschaft bei den Wirtschaftskammerwahlen nicht zu verlieren.
Jedenfalls gibt es seither parallel, ein öffentliches und ein privates Versicherungsnetzt im Falle eines langen Krankenstandes. Alles sehr merkwürdig für eine Unternehmer-Krankenkassen, wohl aber dem Zwist der Tagespolitik geschuldet, der trotzdem andauert, und wilde Blüten treibt
Das richtig absurde Spektakel findet aber aktuell statt.
Denn, das Instrument der freiwilligen Zusatzversicherung, die man bei der SVA abschließen konnte, wenn man Krankengeld haben wollte, wurde 2012 nicht abgeschafft, sondern existiert weiterhin. Wer freiwillig abschließt, erhält Krankengeld ab dem vierten Krankenstands-Tag. Und wie es aussieht, ist diese Versicherungsleistung schwer defizitär. Um hier wieder ein Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben herzustellen, wurden die Leistungen nun drastisch gekürzt. Und das führt zu heftigen politischen Schlammschlachten. So manch Unternehmer mit „Nicht-Wirtschaftsbund“-Hintergrund und politischer Funktion spricht von „Sauerei und Menschenverachtung“, oder klagt gleich alle an „Unternehmer lagern Dienstleistung aus, die Wirtschaftswelt drängt Arbeitnehmer in die Selbstständigkeit.“- eine eigenartiges Weltbild von Unternehmern
Da die Versicherung aber freiwillig ist, ist klar, dass es KEINE Sozialversicherung, sondern eine eigentlich marktfähige Privatversicherung ist. Das muss auch denen klar sein, die sie in Anspruch nehmen. Und anders als eine Sozialversicherung, muss diese Versicherung ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Risiko, Leistung und Prämie anstreben. Man kann sich fragen, warum eine Pflichtversicherung eine privatwirtschaftliche Versicherungsleistung anbietet, nicht aber, dass diese kostendeckend sein muss. Und wie damals in der Rieger-Bank sollten sich die, die dieses Angebot annehmen, fragen, warum es denn, im Vergleich zur Konkurrenz, dermaßen billig ist. Dass es so billig ist, und dass die Versicherungen Defizite aufgebaut hat, ohne in die Pleite zu gehen, ist meiner Meinung nach, der echte Skandal, nicht dass jetzt die Leistungen gekürzt wurden. Denn, wer soll (v.a. auf Dauer) für das Defizit aus dieser freiwilligen Leistung aufkommen – wem sollten denn die 10 Millionen weggenommen werden? Und mit welcher rechtsstaatkonformen Begründung? Oder reicht es aus, einfach zu fordern?
Und so wie die Einführung des Krankengeldes aus rein tagespolitischem Kalkül entstanden ist, so geht halt die sinnentleerte Polemik rund um die SVA jetzt munter weiter.
Lösen kann man das alles wohl kaum, es sei denn, man geht das Ganze anders an. Denn eigentlich ist bei EPUs ja die Frage: sind sie mehr Arbeitgeber oder Arbeitnehmer? – und wenn man sich als EPU für eine SV entscheiden könnte (aber wer trägt dann die Arbeitgeberbeiträge?), wäre vielleicht das Ende der Polemik angebrochen. Aber, so hört man, wollen die die GKKs das gar nicht – warum eigentlich?
PS: dass es diese merkwürdige Teilung in eine Unternehmer-Krankenkasse, eine Bauern-Krankenkasse etc gibt, hat einen zutiefst Ideologischen Grund, geboren aus dem Widerstand der Gewerkschaften in der Zwischen- und Nachkriegszeit, als es praktisch undenkbar war, „seine Arbeiter“ in der gleichen Krankenkasse wie den Klassenfeind zu wissen
PPS: ich weiß natürlich, dass Selbständige den gleichen %Satz zahlen, wie Unselbständige – dort aber eben so getan wird, als ob der DN die Hälfte der Beiträge entrichtet. Am Ende muss das GANZE am Markt verdient werden, und von dem gehen dann etwa 7,65% an die Kasse – ob man so tut, als ob die eine Hälfte vom DG und die andere vom DN bezahlt wird, ist mMn ein reines Politikum – siehe Ideologie oben!