Ein Monopolist müsste man sein – Teil 2

Wenn man Dir gibt, dann nimm, wenn man Dir nimmt, dann schrei! Die konkreten Auswirkungen des Sittenbildes in unserem Gesundheitssystem.

Die Krankenkassen (KK) schreien, sie werden von der Politik ausgehungert. Einmal abgesehen, dass demokratisch legitimierte Politiker das tun dürften, ist diese Aussage falsch und volksverblendend.

Zwischen 2002 und 2006 hat man den KK zwar einiges aufgebürdet, doch dafür auch einen Haufen Geld gegeben.

Die Rezeptgebühr ist in diesem Zeitraum angehoben worden und hat zu 19 Prozent Mehreinnahme geführt (die Wirtschaft ist gerade um 7 Prozent gewachsen). Gebracht hat das 140 Mio. Euro. 2004 und 2005 wurden die Höchstbemessungsgrundlagen angehoben, was zu zusätzlichen 65 Mio. geführt hat. Ab 2004 wurden die Beiträge zwischen Arbeitern und Angestellten „harmonisiert“, ein Plus von 290 Mio. Die Anhebung der Unfallversicherung seit 2004 hat 300 Mio. gebracht, die zusätzlichen Einnahmen aus der Tabaksteuer seit 2002 ebenfalls 300 Mio. Die Beiträge für die Mitversicherten bei den Selbständigen fallen mit 60 Mio. gering aus, haben dafür die Klein- und Kleinstbetriebe richtig getroffen. Mit ein paar anderen Maßnahmen, wie der e-Card-Gebühr, haben die KK – neben den „normalen“ Erhöhungen durch steigende Löhne (unsere Beiträge sind ja Prozentsätze und nicht absolut) – zwischen 2002 und 2006 zusätzlich über 2 Mrd. Euro mehr gekriegt.

Demgegenüber hat man die KK zusätzlich belastet. Das Wichtigste ist wohl die Sache mit den Arbeitslosen und dem Kindergeld. Hier wurden Pauschalierungen vorgenommen. Gekostet hat das 400 Mio. Und dann die Sache mit dem Hebesatz. Da Pensionisten keinen Arbeitgeber haben, bezahlt der Bund aus Steuern einen fiktiven Arbeitgeberanteil, den sogenannten „Hebesatz“. Der wurde gesenkt. Die „Verluste“ daraus sind mit etwa 45 Mio. gering. Aber argumentiert wird ja mit ganz was anderem. Nämlich, dass die Beiträge nicht kostendeckend wären, und daher der Bund mehr zahlen soll. Komisch, man hört kaum, dass die Beiträge der „Reichen und Gesunden“ viel höher sind als die Kosten, die sie verursachen. Und schon gar keiner will deswegen deren Beiträge kürzen. Tja, wenn man Dir gibt, dann nimm, wenn man Dir nimmt, dann schrei! Nichtsdestotrotz, in Summe war die Mehrbelastung 1,3 Mrd. wert.

Wer rechnen kann, wird sich fragen, ob zusätzliche 700 Mio. in fünf Jahren wirklich Zeichen einer Aushungerung sind! Die 1,3 Mrd. waren nie für die KK gedacht, sondern sollten nur ihren „Cash-Flow“ aufblasen, damit sie liquid bleiben. Es war quasi geliehenes Geld. Die Zinsen, die hätten die KK behalten können – aber halt nicht das Geld. Jetzt die 1,3 Mrd. einzufordern ist echte Chuzpe.

Und wie schaut es mit ihren Leistungen aus? Haben die KK wenigstens mehr geleistet? – Nun, die Besuche in den Spitalsambulanzen sind um 30 Prozent auf 6,5 Mio. gestiegen, die Wahlärzte, die man ja zu einem nicht unbeträchtlichen Teil selbst bezahlen muss, haben um 50 Prozent auf über 11.000 zugenommen. Einmal ganz abgesehen von den echten Leistungskürzungen, nenne ich das versteckte Leistungseinschränkung!

Und nur um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Die Länder sind, wenn man von den wenigen vernünftigen wie Bugendland absieht, keinen Deut besser. Aber, und das ist wesentlich, fabrizieren sie demokratisch legitimierten Blödsinn, den das Volk theoretisch abstellen könnte. Die Kassen allerdings, die entziehen sich dieser Kontrolle – eben echte Monopolisten!

Dieser Artikel wurde im September 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Monopolist müsste man sein – Teil 1

Wenn man dir gibt, dann nimm. Wenn man Dir nimmt, dann schrei.

Kinz & Kunz (KK) betreiben ein Geschäft mit vielen Filialen und noch mehr Chefs. Hauptsächlich organisieren sie Dienstleistungen. Eigentlich ist es aber ein Versicherungsgeschäft, aber auch nicht richtig. Denn die Kunden – und das macht ihr Geschäft so anders – müssen bei ihnen einkaufen und im Vorhinein bezahlen. Sie haben seit jeher Privilegien, die man eher aus dem Mittelalter kennt und dort dem Adel vorbehalten waren.

Ihre Geschäfte sind in neun Brav & Lieb-Einkaufszentren (BL) eingemietet. Die Besitzer sind so etwas wie Aktionäre. Theoretisch handelt es sich um eine Publikumsgesellschaft mit 100% Streubesitz. Ein Aufsichtsrat und neun Vorstände (sehr skurril!) machen – sagen sie – alles zum Wohle der Aktionäre (die ja wegen dem Streubesitz oft gleichzeitig Kunden sind!). Aber wie bei allen selbstherrlichen Gesellschaften scheint es, dass auch hier der Wurm drinnen ist und die Aktionäre wurst sind.

Wie auch immer, die eingemieteten KK-Geschäfte sind seit Jahren finanziell marode. Nicht, dass die Kunden zu wenig bezahlen; nein, ganz im Gegenteil. Um die Geschäfte am Laufen zu halten, wurden sie trickreich immer kräftiger geschröpft. Am Schluss hat man von ihnen sogar Eintrittgelder verlangt, auch wenn sie gar nicht Einkaufen gingen! Jaja, Monopolist müsste man sein! Gleichzeitig haben KK immer mehr Leistungen gestrichen und die Kunden sich selbst überlassen. Wenn BL nicht begonnen hätten, Kunden zu übernehmen, dann hätte diese gar nichts erhalten – obwohl sie bezahlt haben.

Kurz, KK sind nicht in der Lage, ihre Geschäfte richtig zu führen. Das ist aber auch verständlich, sind doch alle Chefs und Chefstellvertreter – wie im Übrigen auch bei BL – keine Profis, sondern nach anderen Kriterien amtseingesetzt. Viele sind zudem mit Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern von BL verbandelt und verwandt – eine Geschichte, die auch an feudale Strukturen erinnert. Jedenfalls haben unergründlicherweise BL KK nie fallen lassen.

Trotz aller Finanztricks hat es trotzdem nicht gereicht. Der letzte Trick aber ist nach hinten losgegangen. Um, wie üblich, die Geldgeschenke vor dem Volke zu tarnen hat der BL-Aufsichtsrat (sic!) KK mit Aufgaben betraut, die eigentlich nicht ihre sind. Dafür erhalten sie im Vorhinein eine Menge Geld. Das muss man sich so vorstellen, also ob ein guter Vater bereits Anfang des Jahres Geld leiht, das man erst Ende des Jahres braucht, um sein Konto abzudecken. Dazwischen kann man mit dem Geld machen was man will und die Zinsen behalten – also ehrlich, das ist doch nett! Dass KK irgendwann einmal auf die Idee kämen, das geliehene Geld als das „eigene“ zu bezeichnen, daran hat niemand gedacht. Aber genau das passiert jetzt. Trotz aller Wohltaten kommen KK wieder nicht über die Runden. Und listig wie sie sind, versuchen sie das geliehene Geld schlicht als das eigene zu reklamieren – anderenfalls gehen sie in Konkurs, an dem nicht sie Schuld sind, sondern der, der das Geld geliehen hat!? – verkehrte Welt!

Über was hier gesprochen wird ist wohl klar – Die Einkaufszentren sind unser Gesundheitssystem, die BL die Bundesländer, die KK die Krankenkassen, der Aufsichtsrat das Parlament, die neun Vorstände die Landesregierungen und die Aktionäre alle Österreicher – die man für blöd verkauft. Jaja, Lebenskunst ist die Fähigkeit auf etwas Notwendiges zu verzichten, um sich etwas Unnötiges zu leisten – ebenfalls ein sehr aristokratischer Ansatz.

Dieser Artikel wurde im September 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Outlaws der Gesundheitspolitik

Gesetzte sind dazu da, sie zu befolgen oder zu übertreten – oder, wenn man sie selbst macht, einfach zu ignorieren.

Wer falsch parkt, kriegt einen Strafzettel – man hat ein Gesetz übertreten. Das ist normal, für die meisten jedenfalls.

Gehen wir zurück ins Jahr 2000. Das Jahr war in der Gesundheitspolitik besonders. Nach langen Verhandlungen haben sich die hohen Politiker der Länder und des Bundes geeinigt, die Gesundheitsplanung komplett neu zu gestaltet.

Bis dahin gab es den Österreichischen Krankenanstalten Plan (ÖKAP). Darin enthalten waren alle Krankenhäuser mit einer fixierten Anzahl an Betten. Die Zahl wurde einerseits wissenschaftlich errechnet, andererseits politisch verhandelt. Ziel war es, die stationäre Versorgung – und ausschließlich diese – in einen vernünftigen Rahmen zu bringen. Nun gut, um die Wahrheit zu sagen, an den ÖKAP hat sich sowieso niemand gehalten. Jedes Bundesland, ja beinah jedes einzelne Krankenhaus, hat trotzdem gemacht was es wollte – meist wider die Vernunft. Und wenn was nicht ÖKAP-konform war, dann hat man die Politik losgeschickt, um den ÖKAP umschreiben zu lassen. Einmal wurde der ÖKAP sogar evaluiert. Das Ergebnis war so desaströs, dass man sich hinter verschlossenen Türen geeinigt hat, einfach so zu tun, als ob es das gar nicht gäbe – muss ja keiner wissen, dass man sich an die eigenen Pläne nicht hält.

Aber ab 2000 wird alles anders. Ein entscheidender Paradigmenwechsel in der Gesundheitsplanung ist eingeleitet worden: Die herkömmliche Planung wird durch eine gemeinsame, einheitliche, auf der bedarfsorientierten Leistungsangebotsplanung basierende Rahmenplanung aller Teilbereiche abgelöst. Die Planung umfasst so die stationäre UND ambulante Versorgung, die Rehabilitation und sogar ein bisschen die Pflege. Sie plant auch nicht mehr Betten, sondern soll vom Patienten ausgehend jene Leistungen planen, die man braucht, um eine gute Versorgung zu erreichen. Die Leistungen selbst dürfen nur erbracht werden, wenn man dafür auch bestimmte Qualitätskriterien erfüllen kann. Somit soll die Planung erstmals das gesamte Gesundheitswesen quantitativ und qualitativ umfassen.

Unzählige Arbeitgruppen haben getagt und Projekte wurden gestartet. In einem fünfjährigen Prozess, der so zwei, drei Millionen Euro gekostet haben dürfte, wurde der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) entwickelt. In der Endphase – so ab Mitte 2005 – jagt eine Sitzung die andere. Die Politik – obwohl in den gesamten Prozess eingebunden – hat am Ende noch jede Menge Änderungswünsche parat und oft auch wider jede Vernunft durchgesetzt. Wie auch immer, mit großem Pomp wurde die Gesundheitsreform 2005 beschlossen und als großer Wurf verkauft. Jedes Bundesland hat in seinen Landesgesetzen festgelegt, das der ÖSG geltendes Recht ist.

Heute, 2008, schaut man nach, was denn umgesetzt wurde. Und sieh da, kaum etwas. Obwohl Gesetz, ist die Planung der Teilbereiche nicht aufeinander abgestimmt; Länder machen weiter die Krankenhäuser, die Kassen die niedergelassenen Ärzte, der Hauptverband die Rehabilitation und die Pflege – naja, darüber ein Wort zu verlieren ist unnötig. Qualitätskriterien, ebenfalls Gesetz, werden nicht eingehalten. Oder kennen Sie Krankenhäuser bzw. Abteilungen, die, weil sie die zur Aufrechterhaltung der Qualität nötigen Fallzahlen – z.B. bei Geburten – nicht erreichten, geschlossen wurden?

So endet wieder ein Kapitel. Und wir harren dem nächsten Gesundheitsreform-Gesetz, das auch wieder nicht umgesetzt wird – Gesetze gelten halt nur für Parksünder.

Dieser Artikel wurde im September 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Das Geld der anderen

Wer aus dem zehnten Stock springt, der kann, solange er fliegt, behaupten: „Ist ja eh nichts passiert! Und weil eh nichts passiert ist, wird auch nichts passieren!“ Eine irreale Posse.

Wer zum Bankomaten geht weiß, dass er nur abheben kann, was auf dem Konto ist. Am Konto wird nur das sein, was eingezahlt wurde. Anders verhält es sich mit den magischen Bankomaten der Länder, die werfen immer Geld aus – und zwar Bundesgelder. Glücklicherweise hat auch der Bund einen Zauber-Bankomaten. Woher dieser das Geld nimmt, das weiß man nicht genau! Aus Steuereinnahmen, der inflationstreibenden und enteignenden Notenpresse oder doch den ungeborenen Enkelkindern?

Verfolgt man die Medien, dann häufen sich wieder die Rufe der Krankenkassen nach neuem Geld – eigentlich beschämend. Wie die Niederösterreichsche Krankenkasse (NÖGKK) mitteilt, rechnet sie 2008 mit Mehr-Einnahmen von 7,1 Prozent. Erstaunlich viel, wenn man bedenkt, wie wenig die Realeinkommen in diesem Jahr gewachsen sind. Eine Netto-Gehaltserhöhung von 7,1 Prozent wäre für die meisten wie Weihnachten und Ostern an einem Tag. Man würde darüber nachdenken, ob man in Neues investieren oder einen Notgroschen anlegen soll. Die NÖGKK – wie fast alle anderen Kassen – macht aber Miese! Warum? Ach ja, die demographische Entwicklung. Komisch, das die erst jetzt auffällt.

Demographische Prognosen zählen zu den stabilsten. Sie sind fast so stabil wie Naturgesetze. Das das alles jetzt passiert, ist daher nur für Nicht-Eingeweihte überraschend. Die Pleite der Kassen wurde bereits in den 1980ern vorausgesagt – und zwar für die Jahre nach 2005. Es war allen Experten klar, dass das System baden gehen wird. Mit der heutigen Situation hätte man also bereits seit zwanzig Jahren rechnen und daher darauf reagieren können – wenn man vorausgedacht oder wenigstens zugehört hätte.

Der kluge Beobachter wird sich fragen: „Warum leiden eigentlich die anderen Finanziers des Gesundheitswesens nicht an denselben Problemen?“ Nun, sie tun es, aber: Ist die Finanzierung des Kassensystems schon ein riesenhaftes Lügengerüst, ist es verglichen mit den anderen richtig ehrlich. Schon 1969 hat die WHO gemeint, dass zur Herstellung einer Kostenwahrheit Globaldefizitdeckungen kein geeignetes Mittel sind. Macht nichts. Wir machen es trotzdem noch immer. Die Länder zahlen aus politischem Kalkül Unsummen an Steuergeldern für die Erhaltung jedes auch noch so unwichtigen Krankenhauses, die Pensionsversicherung – hauptverantwortlich für die Rehabilitation und Eigner der meisten Kur- und Rehabilitationszentren – ruht sich auf der Defizitdeckung durch den Bund aus, und wenn irgendwo Schulden in öffentlichen Pflegeheimen auftreten, dann sind Landesgelder – und wie man hört bald auch Bundesgelder – dazu da, sie aufzufangen. Alle haben bereits ihren Zauber-Bankomaten als unversiegbare Geldquelle. Die einzigen, die noch keinen haben, sind die Kassen. Und die wollen diese Ungerechtigkeit beseitigt sehen. Aber natürlich ohne die Selbstverwaltung – also jene demokratisch kaum legitimierte Macht der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter mit deutlichem Gewicht auf den Arbeitnehmern – aufzugeben.

Und so kann man gespannt sein, wie die Politik die kranken Kassen retten wird. Der erste Schritt wird einmal die „Entschuldung“ sein – also ein Steuergeschenk, dass wir, die Bürger, bezahlen „dürfen“. Und das nächste? Wer weiß das schon. Am Ende kann man doch die Selbstbehalte erhöhen – egal ob das für Politiker vor den Wahlen in Frage kommt oder nicht. So ein ewig sprudelnder Selbstbehalts-Wunder-Bankomat, den kann doch keiner verwehren!

Dieser Artikel wurde im August 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Und nächsten Samstag Brahms

„Das Spital ist Österreichs liebster Zweitwohnsitz“; ein Zitat, das, weil drei von zehn Österreichern einmal pro Jahr im Spital liegen, zwar richtig ist, aber wohl nie als Programm gedacht war.

„Das war die Prager Sinfonie von Mozart. Danke, dass Sie bei unserer Samstagsmatinee waren – nächstes Mal gibt es Brahms – Schauen Sie noch bei unserer Vorsorgeabteilung vorbei – Eine Coloskopie ist immer einen Besuch wert!“ „Dieser Peter Rapp ist schon ein toller Moderator“, denkt sich Herr S., der noch immer ganz begeistert ist von der Akustik der neu errichteten großen Aula des Krankenhauses Zwettl. Es ist jetzt gerade 12:30 und er kann noch schnell seine Enkelin von der krankenhauseigenen Kinderbetreuung zur Vorstellung des Kindertheaters bringen – ebenfalls ein Angebot des Krankenhauses – bevor er seine Coloskopie kriegt. „Diese neuen Krankenhäuser sind schon spitze“ denkt er bei sich, “ich freue mich schon auf nächste Woche, da lass ich mir die Galle rausnehmen“.

So oder so ähnlich soll demnächst in Niederösterreichs Spitälern um Patienten gebuhlt werden. Man könnte fast meinen, es gäbe zu wenige Krankenhausaufenthalte und man müsste die Spitäler für die Niederösterreicher durch das Schaffen eines „normalen Lebensortes“ attraktiver gestallten; weil sonst Patienten gar zum niedergelassenen Arzt gehen und nicht – wie erwünscht – wegen jeder Kleinigkeit gleich in Spital.

Mit dem Konzept „Wohnen im Spital“, das bis 2016 jährlich mehr als 200 Mio. Euro an Investitionen verschlingen soll, beschreitet Niederösterreich einen absolut innovativen Weg. Zwar gibt es für so ein Vorgehen keine Erkenntnisse der Versorgungsforschung – eher im Gegenteil; geht man doch davon aus, dass man Spitalsaufenthalte so selten und kurz wie möglich halten soll, weil Krankenhäuser als Infektionsquelle bekannt sind, und man daher mit Recht sagen kann, Krankenhäuser machen (auch) krank. Aber solche Gedanken dürften nicht ins Gewicht fallen. Auch bekannt ist, dass das alles wahnsinnig viel kostet. Viel mehr als beispielsweise – wenn man internationaler Literatur folgt – die ambulante Behandlung, die, bei gleichem Ergebnis, um 50 bis 60 Prozent günstiger kommt. Aber was bedeutet schon Geld! Es sind doch nur Steuern, die man, um sie auszugeben, ja nur vorher der Bevölkerung abpressen muss. Und wenn es um Gesundheit geht, dann kann Geld doch keine Rolle spielen.

Die echte Innovation dürfte darin liegen, dass es das erste Mal in der langen, frustrierenden gesundheitspolitischen Debatte ist, dass ein Bundesland die Konsequenzen zieht und die niemals ernsthaft verfolgte Idee „ambulant vor stationär“ endgültig ad acta legt. Man muss wissen, dass wir uns seit den 1990er vom internationalen Trend, die stationären Spitalsaufnahmen zu reduzieren, abgekoppelt haben. Heute gibt es hierzulande um 70 Prozent mehr Aufnahmen als im EU-Schnitt. Selbst gegenüber dem zweitplazierten Deutschland liegen wir noch 40 Prozent höher. Und der Trend hält an. Da muss man schon den Schluss ziehen, dass der immer wieder geäußerte politische Wunsch weniger im Spital und mehr bei den niedergelassenen Ärzten zu behandeln, eher nur ein Lippenbekenntnis war.

Umso erfrischender jetzt das neue Konzept. Denn, wenn das Krankenhaus schon des Österreichers liebster Zweitwohnsitz ist, dann ist es politisch nur korrekt, diesen auch so wohnlich wie möglich zu machen. Was das allerdings für die wirkliche und nicht nur behauptete Versorgungsqualität heißt und wie es die Steuern belasten wird, das interessiert nur Kleingeister und Gesundheitsphilosophen, die, Gott sei dank, in Österreich nicht das Sagen haben.

Dieser Artikel wurde im August 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Über Selbstbehalte

Selbstbehalte leben in Österreich im Gesundheitssystem und kommen in allen Subsystemen vor. Lästig sind sie aber nur dort, wo sie auch so heißen.

Als Herr SC i.R MR Dipl-Ing. Breitfuss seine Abrechnung erhalten hat, hat er sich wieder einmal geärgert. „Wenn alle Selbstbehalte zahlen müssten, dann müssten wir das Gesundheitssystem nicht reformieren“ sinniert er in sich hinein, während er den Erlagschein ausfüllt. „Das wäre doch so einfach!“

In der Realität ist das aber ganz anders.

Das beginnt damit, dass zwar die meisten Bürger in den neun Gebietskrankenkassen (GKK) organisiert sind, doch gibt eine Unmenge anderer Kassen. Da haben neben den Bundesbeamten die Bauern, die Eisenbahner, die VÖSTler etc. ihre eigenen. Dazu kommen die Krankenfürsorgeanstalten (KFA), die sich um Bedienstete der Länder und Gemeinden kümmern. Am Ende gibt es ca. 60 KFA, die zu den mehr als 20 Krankenkassen kommen. Wer also welchen Selbstbehalt zahlt, das weiß niemand. Wie man so ein Wirrwarr umstellen könnte ist fraglich. Aber tun wir so, als ob es ginge. Doch ist es gescheit?

Nehmen wir der Einfachheit halber die Beamtenversicherten als Pars pro Toto. Diese zahlen einen lästigen 20-prozentigen Selbstbehalt auf alle Gesundheitsleistungen, die sie konsumieren. Und siehe da, die Beamtenversicherung gehört zu denen, die nicht von Pleite bedroht ist. Der einfache und für die meisten daher zwingende Schluss: Selbstbehalte halten Patienten davon ab, unnötige Leistungen in Anspruch zu nehmen. In der Kombination mit der ebenso einfachen Theorie, dass unnötige Leistungen das System unfinanzierbar machen, ist daher logisch: Selbstbehalte retten das Gesundheitssystem!

Wäre es so einfach, hätte die ganze Welt bereits top funktionierende Systeme und lauter gesunde Menschen.

Leider entstehen durch Krankheit aber weiterhin Kosten. Und nur zu einem Bruchteil sind diese durch Jux und Tollerei – was man ja bei der Konsumation von unnötigen Leistungen unterstellen muss – begründet. Die meisten „unnötigen Leistungen“ werden, wenn überhaupt, durch falsche Anreizsysteme vom Leistungserbringer verursacht, nicht vom Patienten. Selbstbehalten können hier kaum helfen. Der, der krank ist kostet. Daran ändern Selbstbehalte nichts. Nur wer gesund ist kostet nichts!

Und da kommen wir auf des Pudels Kern. Heute ist Gesundheit weniger eine Frage der Kosten des Systems, als eine Frage komplex ineinandergreifender sozioökonomischer Faktoren wie Bildung, Einkommen, Altersversorgung etc., die alle irgendwie das Gesundheitsbewusstsein beeinflussen. Und genau darin liegt es, warum die Beamtenversicherung schwarze Zahlen schreibt. Ihre Versicherten gehören auf Grund der Berufswahl automatisch zu den höchst Ausgebildeten. Sie haben verglichen mit den typischen GKK-Versicherten, den Arbeitern und Angestellten, die höchste Maturanten- und Akademikerquote. Dazu kommt, dass ihr Durchschnittseinkommen verglichen mit den GKKlern das höchste ist. Und last but not least beziehen Beamte im Vergleich zu den oben erwähnten die höchsten Pensionen. Wissenschaftlich betrachtet, müssten Beamte also zu den gesündesten der Republik gehören und daher am wenigsten kosten (auch dann, wenn sie die längsten Krankenstände aufweisen, was vermutlich anders zu erklären sein wird).

Selbstbehalte wie bei den Beamten haben eine untergeordnete Rolle auf das Gesundheitsbewusstsein. Keinesfalls könnte eine Einführung solcher Selbstbehalte die GKK sanieren. Da muss man schon die Selbstbehalte so umbauen, dass sie auch Anreize bilden, gesund zu bleiben. Und das würde dauern!

Dieser Artikel wurde im August 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Gesundheit ist nicht gratis!

Das „Gratis-Gesundheitssystem“ ist ein geliebter und heiß verteidigter Mythos.

Und? Haben Sie wahrgenommen, dass bald Heftiges passieren wird, weil nichts auf der Welt gratis oder kostenlos ist? Dass es nicht irgendwo einen Gelddrucker gibt, der inflationsfrei Geld druckt? Na ja, im Gesundheitssystem werden spätestens im Frühjahr 2009, wahrscheinlich aber noch diesen Herbst Politiker erleben, dass es so ist. Die brauchen jetzt viel Geld, für die ÖBB, die Wahlkämpfe und -zuckerl. Da wird dann wenig für das Gesundheitssystem oder eine Reform bleiben. Das macht aber nichts, immerhin kann man ja noch die Selbstbehalte erhöhen!

Dabei liegt Österreich im OECD-Vergleich mit mindestens 25% im Spitzenfeld – weit vor anderen Ländern, die wir gerne als unsoziale Abschreckungsbeispiele zitieren. Und es stimmt, Selbstbehalte sind ein Zeichen für die Entsolidarisierung eines solidarischen Systems.

Aber halt, Selbstbehalte gibt es bei uns ja gar nicht! Höchstens bei den Beamten! Oder? Der österreichische Weg der Selbstbehalte ist ein verschlungener. Sie heißen nicht einmal so. Man nennt sie Gebühren oder ähnliches. Und wenn man mehr Geld braucht, erhöht man nicht Selbstbehalte, sondern Rezeptgebühren oder Verpflegskostenbeiträge etc.

Nehmen wir die Rezeptgebühr. Normalerweise ist eine Gebühr dazu da, einen Beitrag für eine Dienstleistung zu erbringen. In Wirklichkeit aber ist die Rezeptgebühr längst ein Selbstbehalt am Medikamentenpreis. Will man nun, dass dieser höher wird, ohne die Gebühr zu erhöhen, braucht man nur die erlaubten Packungsgrößen verkleinern. Schon kann man mehrmals Rezeptgebühr verrechnen. Und so verwundert es nicht, wenn heute viele Medikamente, die anscheinend „gratis“ sind, durch die Rezeptgebühr bereits voll ausbezahlt werden – also 100% Selbstbehalt haben! Oftmals teilt einem der Apotheker sogar mit, dass man das Medikament lieber selbst bezahlen soll, weil die Rezeptgebühr über dem eigentlichen Preis liegt. So steuern die Krankenkassen über die Packungsgröße und das Ministerium über die Rezeptgebühr den Selbstbehalt – den es eigentlich gar nicht gibt. Wen wundert es, dass so die Einnahmen aus Rezeptgebühren seit 2000 um 37 Prozent stärker gewachsen sind, als die Wirtschaft. Die Folge dieser Politik ist, dass, ohne das Wort Selbstbehalt zu verwenden, bereits über 30 Prozent der Medikamenten- und Heilmittelausgaben nicht mehr durch die Krankenkassen bezahlt werden – komisch, dass wir immer mehr das Gefühl haben, es bleibt nichts im Tascherl.

Ähnliches gibt es so gut wie in allen Bereichen der Gesundheitsversorgung. Im Detail betragen beispielsweise die „Selbstbehalte“ für medizinische Dienstleistungen außerhalb des Krankenhauses fast 40 Prozent, für Rehabilitation mehr als 50, und im Bereich der Pflege, der nach internationalen Standards eigentlich Teil des Gesundheitswesens wäre, kann man nicht einmal herausfinden, wie viel Geld wirklich aus den eigenen Taschen fließt.

Ein interessantes Detail am Rande stellen die Selbstbehalte im Krankenhaus dar. Sie sind mit etwas mehr als zwei Prozent im Vergleich kaum vorhanden. Kein Wunder also, dass alles ins Krankenhaus drängt. Gesundheitsökonomischer Unsinn; aber das interessiert offenbar auch niemanden. Denn wenn das Geld knapp wird, wird man halt auf der Einnahmenseite „korrigieren“, „anpassen“ oder „harmonisieren“ – ohne jedoch Selbstbehalte einzuführen. Intransparenz ist ein hervorragendes Instrument zur Herstellung und Bewahrung der Illusion eines „Gratis-Gesundheitssystems“.

Dieser Artikel wurde im August 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Weg damit! – Ein innerer Monolog

Facharztdienste sind – in den meisten Fällen – lang und öd. Und manch altgedienter Oberarzt sinnt über das Leben nach.

„Schon wieder in einem der unnötigsten ärztlichen Tätigkeitsbereiche: dem DIENST (siehe 1 unten).

Da wären Millionen drin, wenn man die unnötigen Dienste reduzieren würd’. Wer braucht z.B. MICH im XS-Spital? Andererseits verdien’ ich wenigstens mehr. Vom Grundgehalt kann man ja nicht leben. Ich hab’ gehört, die Jungen im AKH verdienen ohne Dienste gerade einmal 1.100 € – Brutto! Wahnsinn!

Trotzdem; drei Fachärzte und ein Turnus-Sklave (siehe 2 unten) hier im Dienst, in unserer Quetsch’n! Völliger Schwachsinn! Nur weil’s ein Landesgesetz gibt, des vorschreibt, wie viele Ärzte da sein müssen – egal ob man’s braucht oder net. Und kaum si’ma im Dienst, wer’ma mit lauter Unsinn konfrontiert; angebotsinduzierte Nachfrage, ein Klassiker.

Es gibt kein richtiges Leben im falschen! Dienst ist zum überwiegenden Teil Unsinn, daher gibt’s im Dienst überwiegend nur Unsinn. Zweckmäßig ist hier nichts. Außer, dass ma’ deppert wird im Schädel und am nächsten Tag müd’ wie a alter Hund.

Wer braucht im XXL sieben (oder sind’s eh schon 15?) Kardiologen im Dienst? GLEICHZEITIG? Unfassbar. Und keiner schreit öffentlich auf, weil dem Volk vorgegaukelt wird, es sei eine gute Versorgung, wenn Fachärzte vor sich hindümpeln und artfremde Tätigkeiten verrichten; und in ihrer Überqualifikation dem Burn-Out entgegentreiben. Unterforderung KANN nur krank machen!

Im XL haben’s an Haut-Arzt, an HNO-Kollegen und fünf Internisten im Dienst! Samt zugehörigen Turnus-Sklaven, die stundenlang Spritzen geben und Infusionen anhängen – bei Patienten die davon eh nix haben. Nur weil die Schwestern vor lauter Doku-Wahn ständig Zeitmangel haben. Wer hat ihnen eigentlich diesen Blödsinn aufgedrückt. Sicher wieder irgend a Gesetz!

Warum gibt’s nicht kompetente kleine mobile Notfall-Teams für die Nachtstunden? Statt ausgelaugter Hundertschaften von Fachärzten, die in entwürdigenden Dienstzimmern entweder blödsinnig Fernschau’n, mürrisch ins Telefon plärr’n, insuffiziente Arztbriefe von unbekannten Patienten diktieren oder tschechern, bis sie ins verlotterte Dienstbett fallen, wo sie bestenfalls noch eine junge naive Kollegin verführen können?

Die Ärzte machen diesen Dienst-Scheiss ja nur, weil ihr Gehalt davon abhängt. NOTWENDIG oder EFFIZIENT ist das bei Gott nicht. Gebt den Fachärzten ein ordentliches Grundgehalt und Schluss! Wäre locker ein Drittel billiger. Wo es im niedergelassenen Bereich eh schon Fachärztemangel gibt, sitzen alle blöd im Dienst herum. Und alles auf Kosten der Allgemeinheit!

Hätten wir fliegenden Notfallteams, dann bräucht’ ma genau niemand! Außer vielleicht auf einer Gyn, einer Unfall, der Chirurgie, im Herzlabor und auf der Intensiv. Ansonsten reicht a Allgemeinmediziner, der kommt am Abend und geht in der Früh. Raus mit den Fachärzten, rein mit den Allgemeinmedizinern! Aber des geht gesetzlich wieder net.

Warum können die eigentlich keine g’scheiten Gesetze machen, die Bezahlern und Patienten nützen? Wenn es nach mir ginge, einfach weg damit!“

PS: Wer diesen inneren Monolog für Dichtung hält, der hat den Boden der Realität bereits verlassen! Tatsächlich ist er aus der Feder eines Spital-Facharztes.

1. vulg. für Nacht- und Wochenend-Dienste

2. Turnus: Bezeichnung für die mindestens dreijährige praktische Pflichtausbildung nach dem Medizinstudium. Turnus-Ärzte stehen in der Nahrungskette im Krankenhaus ganz hinten – also gerade noch höher als die ausgelagerten Reinigungskräfte. Daher das Wort Sklave.

Dieser Artikel wurde im Juli 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wer nicht entscheidet, für den wird entschieden!

Der Wunsch, ärztliche Entscheidungen wieder den Ärzten zu überlassen – und nicht den Ökonomen – ist zu spüren! Allerdings nur halbherzig.

Schließen Sie die Augen! Sie sind zehn Jahre alt und haben entsetzliche Bauchschmerzen. Der Blinddarm muss raus. Glücklicherweise ist alles früh festgestellt worden und der Operateur entscheidet, den Blinddarm endoskopisch, also mit Knopflochchirurgie, zu entfernen. Am zweiten Tag kommt der Arzt und sagt: „Sie sind gesund, sie können gehen“. Doch nein! Unmittelbar nach dem Arzt kommt der Krankenhausverwalter, ein Ökonom, und sagt: „Sie müssen bleiben, weil wir noch ein bisschen an Ihnen verdienen wollen.“ Der Arzt, der daneben steht, fällt dem Ökonomen jetzt nicht ins Wort und weist ihn zu Recht – nein, er gibt dem Ökonomen spontan recht.

Wachen Sie jetzt auf und lassen sich erklären, welchen Schwachsinn Sie geträumt haben.

Das Spitalswesen hierzulande wird von einem wenig vernünftigen System finanziert – der leistungsorientierten Krankenanstalten-Finanzierung (LKF). Es pauschaliert Leistungen, was Bezahlung als auch Aufenthaltsdauer betrifft. Beides wird von Statistikern berechnet, die Daten dafür werden in Referenzspitälern erhoben. Ökonomen haben hier nichts zu sagen. Die Einnahmen aus den Pauschalen decken längst nicht mehr die Kosten. Würden Ökonomen das Sagen haben, würden Sie versuchen, Kosten zu vermeiden. Gott sei Dank, haben Sie das aber nicht.

Für eine endoskopische Blinddarmentfernung gibt das System drei bis sieben Tage Aufenthaltsdauer an. Vom LKF her könnte man also ohne „Einnahmenverluste“ am dritten Tag entlassen, medizinisch noch früher. Unsere Kinder „dürfen“ aber durchschnittlich fünf Tage liegen. Offenbar ist nicht der Ökonom an der späten Entlassung Schuld, sondern doch eher wer anderer.

Vielleicht ist der Blinddarm ein schlechtes Beispiel. Schauen wir uns die Curretage oder die Konisation an. Zwei Eingriffe, die viele Frauen kennen – Männer nicht. Dafür liegen sie zwei Tage im Spital. Bezahlt wird vom System aber auch die ambulante Versorgung und sogar deutlich besser. Allein die Patientinnen würden so die Betten nicht belegen. Wer also legt die Patientinnen auf die Station? Der Ökonom? Vielleicht muss man an dieser Stelle festhalten, dass österreichweit die gynäkologischen Abteilungen nicht einmal mehr zu zwei Drittel ausgelastet sind. Viele Abteilungen müssten längst gesperrt sein, wenn die Ökonomen das Sagen hätten; und zwar ohne Qualitätsverlust. Manche behaupten sogar, mit Qualitätssteigerung – aber das sind besondere Wirrköpfe.

Wenn also Ökonomen nicht schuld sind, sondern doch Ärzte, warum ist das so? Schwierig! Ich bleibe dabei, dass Primarärzte darauf achten, Ihre Abteilungen auszulasten. Immerhin sind Betten der einzige Maßstab für die Personalzumessung, und Klassebetten sind mit einem fixen Schlüssel an die Zahl der Abteilungsbetten gebunden. Zwei wichtige Argumente.

Und um klar zu stellen. Krankenhäuser sind auch in Österreich infektiös. Es ist daher nicht ihre Aufgabe, Sicherheit und Geborgenheit vorzutäuschen. Noch dazu um einen Preis, für den man in einer geborgeneren Versorgungseinrichtung – den eigenen vier Wänden – viel mehr Patienten kompetent betreuen könnte – auf Kosten des Systems!

Ja, es wäre wichtig, dass die Entscheidung, wie und wo behandelt und wann entlassen wird, wieder zu einer ärztlichen wird. Allerdings reicht es nicht aus, das zu fordern. Man muss es tun, jeden Tag! Und keinesfalls darf man sich als Arzt hinter irgendwelchen Ökonomen verstecken – sie sind nur Sündenböcke für die eigenen Sünden.

Dieser Artikel wurde im Juli 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Muss es wirklich immer so lang sein?

Wären Politiker entscheidungsfreudiger und Ärzte ehrlicher, müssten Patienten rund 50 Millionen Euro pro Jahr weniger aus der eigenen Tasche bezahlen.

Stellen Sie sich vor, Sie müssen wegen einer Star-Operation ins Spital. Wären Sie irgendwo in Europa, würden Sie in der Früh ins Krankenhaus gehen und am Abend nach Hause. In Österreich bleiben Sie drei Tage im Spital! Stellen Sie sich vor, Sie brauchen eine Gallenblasenoperation. Wären Sie irgendwo in Europa, würden Sie mit einem Spitalsaufenthalt von drei Tagen rechnen. In Österreich sind es sieben! Solche Beispiele gäbe es noch viele. Am Ende kommen fünf Millionen Krankenhaustage zustande, die eigentlich nicht nötig wären. Abgesehen davon, dass das der Allgemeinheit Kosten in Milliardenhöhe aufbürdet, müssen Patienten dafür aus der eigenen Tasche rund 50 Millionen Euro bezahlen – den sogenannten „Verpflegskostenbeitrag“.

Dass wir Weltmeister im Spitalsliegen sind, ist mittlerweile Allgemeinwissen. Warum wir es sind, diese Frage ist schon interessanter. Einmal ehrlich, hat der Patient wirklich eine Chance weniger im Spital zu liegen? Der Durchschnittsösterreicher hat weder Medizin studiert, noch kennt er sich mit Fragen der Versorgungsqualität aus. Das eine – so zumindest die Theorie – sollten doch die Ärzte am besten können, das zweite ist eigentlich Aufgabe der Länder. Beide betonen aber, dass alles zum Besten ist. Wer bleibt sonst übrig, um Patienten vor zu langen Spitalsaufenthalten zu bewahren? Nein, der Patient ist sicher kein selbstgemachter Weltmeister, sondern nimmt nur an, dass Ärzte und Politiker ihren Job gut machen. Wenn man aber ein bisschen genauer schaut, dann erkennt man rasch, dass es nicht so ist.

Auf der einen Seite sind da die Primarärzte. Das wichtigste Argument in der Frage der eigenen Existenzsicherung ist selbst im 21. Jahrhundert nicht der Patient, sondern noch immer die Anzahl der ausgelasteten Betten. Kurze Liegedauer oder gar ambulante Versorgung würde die Zahl der ausgelasteten Betten sinken lassen und so die eigene Existenz gefährden. Aber noch wesentlicher als die Betten, sind die Einnahmen aus den Klasseversicherungen. Wegen komplizierter verfassungsrechtlicher Bestimmungen sind die sogenannten Klassegelder noch immer weitgehend an die Länge des Spitalsaufenthalts gebunden. Je kürzer Patienten liegen, desto geringer diese Zusatzeinnahmen. Und um die Klasse-Patienten ja nicht auf den Geschmack kurzer Aufenthalte zu bringen, werden sicherheitshalber alle länger behalten.

Auf der anderen Seite stehen die Landespolitiker. Sie wären verpflichtet, die Krankenhaushäufigkeit und Liegedauer auf das medizinisch notwendige Maß zu minimieren. Würden sie diese Gesetzesvorschrift wirklich ernst nehmen, dann müssten sie Krankenhäuser sperren – und zwar viele. Damit würde sie aber ihre Spielwiesen verlieren. Auch wenn es zum Wohle des Patienten wäre, ist das eine Denkunmöglichkeit! Da ist es schon besser, man versteckt sich hinter den Primarärzten und behauptet wie sie, dass lange Aufenthalte notwendig sind (siehe oben).

Solange diese beiden Gruppen behaupten, dass lange Aufenthalte medizinisch begründet sind, wird es den Patienten schwer fallen, etwas anderes zu vermuten. Solange alles so bleibt wie es ist, werden sie dafür, angeblich zu ihrem eigenen Wohl, Jahr für Jahr Unsummen auf den Tisch legen. Und nur, dass es nicht zu Missverständnissen kommt, selbst wenn wir die oben beschriebenen fünf Millionen Krankenhaustage nicht mehr hätten, würden wir im europäischen Vergleich noch immer zum obersten Drittel der Spitalslieger gehören.

Dieser Artikel wurde im Juli 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.