Ernsthaft oder trickreich?

Der Hauptverband will bei den Spitälern mitreden; sehr vernünftig und sehr schwierig. Wird daraus eine Reform oder doch nur eine Geldbeschaffungsaktion?

Es ist 19:30, Freitag: Herr M. (54) betritt den Untersuchungsraum der Unfallambulanz des Spitals A. Als der Arzt fragt, wie lange denn das Fußgelenk weh tut, antwortet Herr M: „14 Tage, seit er mit Freunden Fußball gespielt hat – und das in seinem Alter! Kindisch! Aber lustig war’s schon“. „Ob er beim Hausarzt war“, will der Arzt wissen. „Nein, erstens müsse man da lange warten und dann hat es sich gerade gut getroffen, weil er in der Nähe einen Termin hatte und die Schmerzen schnell einmal abklären lassen wolle“. Eine halbe Stunde später geht der Patient mit einem Röntgen und einer Heparinsalbe gegen seine Verstauchung nach Hause.

Was hat so ein Patient in einer Unfallambulanz zu suchen? Nichts! Aber warum ist er dort? Weil das System der ambulanten Versorgung nicht richtig funktioniert!

Aus den Medien kann man entnehmen, dass der Hauptverband mehr Mitsprache in den Spitälern anstrebt, weil eine Sanierung der Kassen nur funktioniert, wenn man niedergelassene Ärzte und Spitäler als Teile EINES Systems denkt. Dieses Ansinnen ist absolut richtig. Aber wird ehrlich argumentiert?

Hauptargument ist, dass die Kassen viel in die Spitäler zahlen, ohne mitreden zu dürfen. Zwar stimmt das, aber dieses Schicksal ist selbst gewählt. Vor vielen Jahren haben sich die Kassen freiwillig aus dem Spitalswesen zurückgezogen. Man hat vereinbart, dass sie nicht mehr an den realen Kostensteigerungen beteiligt sein sollen, sondern nur mehr einen fixen Prozentsatz ihrer Einnahmen abliefern.

Für die ambulante Versorgung hat das nichts weniger bedeutet, als dass sie 1995 in zwei separate Welten zerhackt wurde – die Spitalsambulanzen und die niedergelassenen Ärzte. Und um die Ambulanzen mussten sich die Kassen nun keine Sorgen mehr machen. Dass die 400 Millionen Euro, die sie dort einzahlen, heute nur mehr ein Drittel der Kosten decken, ist für sie unerheblich, und dass sich die Zahl der Patienten in den Spitalsambulanzen seither um 60 Prozent erhöht hat, nebensächlich! Wenn man solche Zahlen betrachtet, dann kann man sehen, dass das Argument, es werden immer mehr Leistungen aus dem Spital zu den niedergelassenen Ärzten verlagert, falsch ist. Genau genommen kam es zu einer massiven Verschiebung in die Spitäler.

Und weil die ambulante Versorgung vollkommen dezerebriert in zwei unabhängige Welten getrennt wurde, und weil weder Leistungen, noch Öffnungszeiten, noch sonst irgendetwas gegenseitig abgestimmt wurden, war es logisch, dass Doppelgleisigkeiten aufgebaut wurden. Schätzungen gehen davon aus, dass diese jährlich etwa 500 Millionen Euro kosten. Anders ausgedrückt wurden additive Leistungen, die niemandem helfen, provoziert, die gesamtwirtschaftlich betrachtet viel Geld verschlingen, auch wenn die Kassen betriebswirtschaftlich „scheinbar“ entlastet wurden.

Was ist also gemeint, wenn der Hauptverband mehr mitreden will?

Will er die Fehler der Vergangenheit ausmerzen? Will er jetzt EINEN Leistungskatalog mit einheitlichen Honoraren für Ärzte und Spitalsambulanzen einführen? Will er ein vernünftiges Bedarfsberechnungsmodell einrichten, um die Doppelgleisigkeiten zu reduzieren? Wem wird er das Geld dafür wegnehmen wollen? Den Spitalsambulanzen (und damit den Ländern) oder den niedergelassenen Fachärzten?

Soll es wirklich eine Reform geben oder ist es wieder nur ein Trick, Steuergeld in die Kassen zu spielen, die dann über Schulden der Länder im Staatsdefizit landen?

Dieser Artikel wurde im Mai 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Gutgepflegte Realitätsverweigerung

In der ganzen westlichen Welt werden die Gesundheitssysteme reformiert, weil offenbar alle glauben, es ist wichtig – nur wir sind anderer Meinung.

Ruhig ist es geworden um die Gesundheitsreform. Viel hört man nicht und wissen tut man noch weniger. Soviel scheint sicher: Alle kriegen mehr Geld, die Länder behalten ihre Krankenhäuser und die Kassen werden allesamt erhalten bleiben.

1976 präsentierte die WHO das sogenannte Primärversorgungsmodell. Darin wurde festgehalten, dass die Versorgung so dezentral wie möglich (!) sein soll. Wohnortnähe wurde als Merkmal guter Qualität erkannt. Dabei wurde jedoch nicht an die wohnortnahe Nierentransplantation gedacht, sondern daran, dass dezentral möglichst alle Gesundheitsdienstleister – von Ärzten über Pflege, Hebammen zu Ernährungsberatern und Sozialarbeitern – koordiniert daran arbeiten sollten, Prävention, Rehabilitation, Pflege und Kuration, also das gesamte Spektrum der Gesundheitsversorgung möglichst nahe an die Bevölkerung heranzutragen.

Fast überall begann man diese Idee umzusetzen. Hausarztmodelle wurden etabliert und Gesundheitszentren errichtet, in denen interprofessionell gearbeitet wird. Alleinstehende Gesundheitsdienstleister wurden entweder abgeschafft oder dezentral vernetzt und die Systeme so ausgerichtet, die Bevölkerung entweder gesund zu halten oder so schnell wie möglich wieder gesund zu machen. In einigen Ländern ist das besser, in anderen schlechter gelungen. Aber nirgendwo wird mehr an der Richtigkeit der Idee gezweifelt.

Wir machen es bis heute anders, weil wir der festen Überzeugung sind, dass alleinstehende Arztpraxen, die sich auf die kurative Medizin konzentrieren, ein besserer Weg sind (die Pflege wurde sicherheitshalber 1978 aus dem Gesundheitssystem ausgegliedert!).

Längstens seit den 1980ern, als große Probleme mit multiresistenten Krankheitserregern auftraten, war klar, Spitäler sind ansteckend und machen krank. Um die Infektionsgefahr zu dämmen, begann man, weniger traumatische Operationstechniken zu entwickeln (Knopflochchirurgie!). Man begann die Aufenthaltsdauern zu reduzieren und setzte immer stärker auf ambulante oder tagesklinische Versorgung. In Holland hat man die Spitalshäufigkeit so weit reduziert, dass Patienten, wenn man sie schon aufnehmen muss, in Einzelzimmern liegen. Seit den 1990er Jahren kommt ein anderes Phänomen hinzu. Sehr alte Patienten werden durch einen Spitalsaufenthalt leicht aus der Bahn geworfen. Nach der Entlassung sind sie oft verwirrt und werden rasant zu Pflegefällen.

All das war Grund genug, dass europaweit die Spitalshäufigkeit in den letzen 15 Jahren trotz demographischer Veränderung entweder abgenommen oder sich wenigstens nicht erhöht hat.

Anders hierzulande; denn bei uns wird behauptet, Spitalsversorgung ist Spitzenmedizin. Und quasi als Zeichen der weltbesten Versorgung haben wir Europas höchste und weiter steigende Spitalshäufigkeit.

2008 hat die WHO den Staaten, die nach dem Untergang des Kommunismus ihre Systeme neu aufgestellt haben, eindrücklich gesagt: Je zersplitterter die Finanzierung ist, desto teurer und schlechter wird ein Gesundheitssystem funktionieren.

Was macht das schon aus, dass unser System als Paradebeispiel für Zersplitterung gilt. An zwei Dingen ist dennoch nicht zu rütteln: an der Macht der Länder und der Hoheit der Selbstverwaltung.

Die Selbstsicherheit, mit der behauptet wird, was in der Welt passiert gilt nicht für uns, ist frappant; keine Diskussion soll zweifeln lassen, dass wir die besten sind – und dass die anderen Reformen durchführen, beweist das doch nur!

Dieser Artikel wurde im Mai 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Als ob es kein Morgen gäbe oder nach uns die Sintflut

Uff! Ich dachte schon, es müsste wirklich Reformen geben, jetzt wo das Geld auszugehen drohte! Gott sei Dank haben wir noch ein paar Milliarden gefunden.

Jetzt ist sie also aus dem Sack, die Katze. Statt Reformen gibt es wie üblich mehr Geld – und das überreichlich.

Den Ländern geht es am besten! Zwar gibt es seit 40 Jahren keinen ernstzunehmenden Experten, der nicht erzählt, dass das Spitalswesen reformiert gehört, aber was sind schon 40 Jahre. Jetzt, weil eben die Spitäler nicht mehr finanzierbar schienen, hat man tatsächlich hoffen dürfen. Immerhin liegen 30 von 100 Österreichern einmal im Jahr im Spital. Die Deutschen – auch nicht schlecht, was die Spitalshäufigkeit angeht – schaffen 20, in der EU liegt der Wert bei 17. Und ein Spitalsaufenthalt kostet im Schnitt 3.000 Euro! Da könnte man doch meinen, dass Vernunft statt Populismus am Zug ist. Falsch gedacht!

Nur um nichts ändern zu müssen, hat man den Ländern schlicht „erlaubt“, Defizite zu schreiben. Und wir sprechen hier nicht von Peanuts. Statt 1,4 Mrd. Euro ins Budget einzuzahlen, machen sie jetzt 1,4 Mrd. Schulden. So erhöht sich der „Spielraum“ der Länder für Weihnachtsmannpolitik auf jährlich fast 3 Mrd. Euro (40 Mrd. Schilling). Da kann man dann Spitäler betreiben, ob man sie braucht oder nicht!

Und auch bei den Krankenkassen hat man sich nicht lumpen lassen. Pro Jahr gibt es mindestens zusätzliche 250 Steuer-Millionen. Also, wenn man nicht will, braucht sich gar nichts ändern! Hier scheint noch nicht alles verloren, denn der jetzige Hauptverbandschef Dr. Schelling spricht Probleme offen an und möchte was ändern. Man nimmt ihm ab, dass er nicht daran glaubt, dass man das System auf Pump aufrecht halten kann. Doch glaubt das ein anderer politischer Entscheidungsträger außer ihm auch?

Lustig ist das Argument, dass es bereits früher eine so hohe NEUverschuldung gab. Ja, die gab es; aber erstens hatte man damals in den 1970er Jahren keine ALTschulden und zweitens hat man das Geld in Infrastruktur gesteckt. Heute ist das anders. Wir sitzen noch immer auf dem Berg an Schulden, den uns die damalige Politik hinterlassen hat, und wir stecken neue Schulden in Pensionen und Krankenversorgung. Also in Bereiche, die sich nie refinanzieren können, schon gar nicht bei der demographischen Entwicklung. Und während die Häuslbauer der 70er Jahre Werte geschaffen haben, die auch auf dem Markt bestehen, ist der Wert neugebauter bzw. modernisierter Spitäler, die niemand braucht, fraglich.

Aber vielleicht irre ich mich ja. Die sozialistisch-kommunistische Doktrin, die man tot glaubte, betrachtet Geld als marktunabhängiges, gesellschaftspolitisches Instrument. Zwar glauben nobelpreisgekrönte Wirtschaftsphilosophen, dass Geld etwas mit Angebot und Nachfrage zu tun hat, man zwar das Angebot, aber nicht die Nachfrage planen kann, und dass man Schulden zurückzahlen muss; aber vielleicht liegen die ja falsch. Bei einer Staatsausgabenquote jenseits der 50 Prozent und branchenorientierten Konjunkturpaketen auf Pump, ist offenbar die Nachfrage doch planbar. Und Geld hat nur den Wert, den die Politik zubilligt. Konsequenterweise sind Schulden nur solange „wertvoll“, solange die Politik das will. Naja, und in ein paar Jahren wird die wohl hergehen und sagen, wir sind schuldenfrei, einfach so!

Wer nicht will, dass dieses Pyramidenspiel der Schuldenpolitik zusammenstürzt, dem kann man nur zurufen: „Vota Communista“. Alte, Kranke und sozial Abhängige sollten aber in Deckung gehen, wenn sich das alles ein weiteres Mal als Fantasie herausstellt.

Dieser Artikel wurde im April 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wer Köpfe zählt, der hat keine Ahnung

Nein, es müsste keinen Ärztemangel geben, wenn irgendwo ein solcher vorkommt, dann hat das nicht mit der Zahl der Ärzte zu tun, sondern mit Zynismus.

Was für ein Bild soll ein junger Mensch haben, wenn er hört, dass wir in einen Ärztemangel hineinschlittern? Soll er Medizin studieren, weil da krisensichere Jobs winken?

Bleiben wird bei den Fakten.

Anfang 2005 gab es 38.500 Ärzte, 2009 sind es schon 43.000. Also sind pro Jahr netto 900 Ärzte dazugekommen. In der gleichen Zeit wurden etwa 7.000 Ärzte mit dem Studium fertig. Zieht man die obigen 900 ab, haben 500 Ärzte pro Jahr entweder das Land verlassen oder aber frei werdende Stellen erhalten. Keine Rede von Mangel.

Von den 43.000 arbeiten 13.000 in Spitälern, dazu kommen noch 7.000 Turnusärzte, die darauf hoffen, später einen fixen Platz zu erhalten. 10.000 Ärzte haben einen Kassenvertrag. Also arbeiten 30.000 Ärzte im öffentlichen System, dass wenigstens 95 Prozent der Österreicher versorgt. Wo, fragt man sich, arbeitet der Rest; denn 13.000 haben im öffentlichen System keinen fixen Platz. Diese Ärzte verdingen sich als Wahlärzte, Vertretungsärzte, sitzen auf Karenzstellen oder fahren Notarztdienste. Keiner dieser Jobs ist sicher.

Warum soll plötzlich ein Mangel auftreten?

Ach ja, es wird argumentiert, dass demnächst so viele Ärzte in Pension gehen. Natürlich, wenn man sich nur jene anschaut, die im System sind, kann man den Eindruck haben. Aber wer schaut sich die 13.000 Ärzte an, die eben nicht im System sind? Wie alt sind die? Aber selbst bei den „System-Ärzten“ ist keine Gefahr in Verzug. Das Durchschnittsalter dieser Ärzte hat sich in den vergangen fünf Jahren gerade einmal um neun Monate erhöht. Und eine seriöse Berechnung hat ergeben, dass bis 2025 etwa 750 Ärzte pro Jahr in Pension gehen werden. Bis 2011 werden aber pro Jahr 1.600 Studenten fertig. Dann erst werden die Absolventen sinken – auf mindestens 1.1150, von denen wenigstens 850 aus Österreich kommen. Also selbst dann ist kein Mangel zu sehen. Bis zu dem Zeitpunkt ist die Zahl derer, die im System nicht unterkommen auf geschätzte 16.000 angeschwollen. Wollen wir auf diese einfach verzichten?

Noch ein Aspekt sollte einbezogen werden. Es gibt – was nicht bedeutet, dass es gut ist, nur dass es geht! – Gesundheitssysteme, die für die Versorgung von acht Mio. Einwohnern mit weniger als 20.000 Ärzten auskommen. Was passiert, wenn das Geld knapper wird und wir uns aus Kostengründen dorthin entwickeln? Werden dann noch mehr Ärzte im „Nichts“ verschwinden?

Nichts desto trotz gibt es zunehmend Mangelerscheinungen. Es wird immer schwieriger gerade in der Peripherie Ärzte zu finden, die bereit sind, für wenig Geld viel zu arbeiten. Zudem ist der Anteil der Frauen unter den Ärzten unter 35 Jahren bereits fast 70 Prozent. Diesen Frauen machen wir im System kein Angebot, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Kann man solche Mangelerscheinungen mit noch mehr Uni-Absolventen lösen?

Natürlich nicht. Ob Absolventen, ausländische wie inländische, hier arbeiten wollen, hängt davon ab, welche Vision sie in Österreich haben. Und da scheitert das System furchtbar. Um diese Mängel zu beheben müssen wir über Anreizsysteme und Perspektiven reden – nicht über noch mehr Studenten.

PS: Bei der in Linz geforderten Universität dürfte es wohl eher darum gehen, für die Spitäler neue Geldquellen zu erschließen (bei Uni-Spitälern muss der Bund mitzahlen) und/oder den vielen unechten Professoren, die dort arbeiten, endlich die Chance zu geben, „Richtige“ zu werden. Um Patienten geht es meiner Meinung nicht.

Dieser Artikel wurde im April 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt

Weiterbildung und Forschung gibt es nicht gratis. Wenn die öffentliche Hand nicht zahlen will, muss das wer Anderer tun. Warum ist das Korruption?

Als ich noch Pathologe war, besuchte ich eine einwöchige Fortbildung in Edinburgh. Damals erhielt ich vom Dienstgeber drei Tage Sonderurlaub, 5.000 Schilling und die Teilnahmegebühr. Persönlich „durfte“ ich zwei Tage Urlaub und 15.000 Schilling beisteuern. Gewohnt habe ich in einem umgebauten Dachbesenkammerl, das noch immer 1.200 Schilling pro Nacht gekostet hat.

Andere hatten da mehr Glück. Deren „Selbstkosten“ wurden übernommen, darum glauben alle, Pharmafirmen kaufen sich Ärzte.

Nun gut, es gab Zeiten, als „wichtige“ Ärzte eine Woche nach Hawaii eingeladen wurden, um sich „fortzubilden“. Was nicht selten als Produktpräsentation während dem Frühstück passierte – der Rest des Tages war frei verfügbar. Auch die Fernseher zu Weihnachten sind Legende. Aber das ist alles längst vorbei und hat auch damals nur die „wichtigen“ Ärzte betroffen.

Ärzte wie Industrie knebeln sich mittlerweile und lobenswerterweise mit Verhaltenskodizes um den Geruch der Korruption los zu werden. Alleine es hilft nicht, und die Politik fühlt sich bemüßigt, gesetzlich einzugreifen. Und das endet dann noch skurriler.

Nur um ja nicht korrupt sein zu können, dürfen Kongresse nur mehr von jeweils einem Arzt pro Abteilung besucht werden. Kongresse, die immer nur einen Vortrag nach dem anderen abhalten, sind jedoch längst vorbei. Heute werden parallel zig Vorträge zu den verschiedensten Themen an ein und demselben Fachkongress gehalten. Was soll er also tun, der arme einzelne Arzt – sich teilen?

Und da haben wir noch gar nicht über die Kosten der Fortbildung, die im Übrigen verpflichtend ist, gesprochen. Vom Arbeitgeber gibt es wenig, und wer die Gehälter der Spitalsärzte kennt, wird sich fragen, wer das bezahlen soll. Ganz abgesehen, reicht es meiner Meinung nach, dass die Ärzte Freizeit (und oft auch Familienzeit) opfern.

Doch nicht nur die von der Industrie übernommenen Fortbildungskosten sind im Gespräch. Auch die Forschung sei „gekauft“. Seit den 70er Jahren, als man dem Ideal der „freien Wissenschaft“ nachjagte, gibt es Gesetze, die es einem forschenden Arzt unmöglich machen, mit seiner Forschung Geld zu verdienen. Man stelle sich vor, wenn man Forschungsmittel (von wem auch immer) erhält, kann man damit zwar Personal anstellen (sog. Drittmittel-Stellen); aber sich selbst ein Gehalt zu bezahlen? – Nein! Ob man forscht oder nicht, man verdient immer das Gleiche.

Wenn dann wenigstens die Gehälter entsprechend wären. Aber wirklich gut verdienen Uni-Ärzte nur, wenn sie alte Verträge haben. Junge Professoren (und das sind die meisten) krebsen irgendwo bei 3.000 Euro brutto herum. Das man bei so einem Gehalt lieber darauf achtet, den Professorentitel in einer Privatordination zu vergolden, statt für Ruhm zu forschen, ist leicht verständlich. Wer trotzdem forscht und dafür dann einen Konsulentenvertrag einer Pharmafirma annimmt, sollte ja eher belobigt werden, als dass man ihn korrupt nennt. Immerhin bleibt er so der Forschung erhalten.

Das alles soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es echte Schlitzohren gibt. Doch ich will glauben, dass sie eine verschwindende Minderheit sind, die man sowieso nicht erwischt. Wenn die Politik jedoch Gesetze macht, die jedem automatisch Korruption unterstellen und gleichzeitig auch nicht bereit ist, jene Kosten zu übernehmen, die heute durch die Industrie gedeckt werden, dann muss ich mir die Frage stellen – ist der Schelm nicht so wie er denkt?

Dieser Artikel wurde im April 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Fast-Medizin und Mac-Ärzte

Es kommt wieder Schwung in die fast totgeglaubte Reformdebatte über ambulante Versorgungszentren – ob damit auch was in Bewegung kommt ist fraglich.

Unser knapp zweijähriger Sohn ist bereits im Kindergarten – einem Hort für alle möglichen Infektionen. Und obwohl meine Frau und ich Mediziner sind, fallen Dinge an, die man dem Spezialisten zeigen möchte.

Unseren Kassenkinderarzt haben wir verlassen. Nicht weil wir an seiner Kompetenz gezweifelt haben, sondern weil dieser einfach zu wenig Zeit hatte. Bei jedem Besuch wirkte er gehetzt, Fragen wurden nur in aller Kürze beantwortet. An Konsultationen, die länger als drei Minuten gedauert hätten, können wir uns nicht erinnern. Zudem sind die diagnostischen Möglichkeiten unerträglich eingeschränkt. Labor oder Röntgen erfordern zusätzliche Besuche bei anderen Ärzten – keine Freude mit einem Zweijährigen.

Auch mit einer Spitalsambulanz kamen wir in Kontakt. Die Untersuchung durch den Arzt dauerte keine fünf Minuten. Dieser erhielt die wesentlichen Informationen nicht von uns, sondern von einer Schwester, die uns im Vorfeld befragt hatte. Mit uns wechselte er kaum ein Wort.

Und weil die Situation so ist, wie sie ist, könnte es amüsant sein, wenn es nicht so traurig wäre, dass seitens einiger Ärzte eine schaurige Zukunftsvision entmenschlichter Medizin gezeichnet wird. Von anonymen AVZs (Ambulanten Versorgungszentren), ist die Rede, die „ähnlich einem Fast-food-drive-in“ funktionieren und billig angestellten Ärzten nur fünf Minuten für Diagnose und Therapie lassen würden. Die persönliche Beziehung gehe verloren und der Patient wird wie auf einem Fließband abgefertigt.

Worin soll sich das von heute unterscheiden?

Die Gründe für die schon bestehende Fließbandabfertigung in der ambulanten Versorgung liegen vor allem an der chronischen Unterfinanzierung. Kassenärzte werden nach einem System entlohnt, dass dank 14 verschiedener Honorarkataloge dutzender Krankenkassen nicht nur hoch komplex ist, sondern Leistungen mit zum Teil lächerlich anmutenden Beträgen honoriert. Ein Wiener Arzt (von Kasse zu Kasse variieren die Tarife erheblich) erhält pro Quartal für einen Patienten rund 20 Euro, egal wie oft der kommt. Zusatzleistungen wie Blutabnahmen werden im einstelligen Eurobereich entlohnt. Gagenkaiser sind die meisten Kassenärzte sicher nicht – im Gegenteil, angesichts der Klein- und Kleinstbeträge für ihre Leistungen müssen Ärzte möglichst viele Patienten in möglichst kurzer Zeit behandeln um überhaupt über die Runden zu kommen.

Aber auch Ambulanzen sind lächerlich unterfinanziert. Anstatt leistungsbezogen zu honorieren, erhalten die Spitäler meist Pauschalen; egal wie viele Patienten behandelt werden oder was es kostet. Und diese Kosten sind durch diese Pauschalen nur mehr zu einem Drittel gedeckt. Das Defizit muss das Spital tragen. Das spiegelt sich dann in der personellen Ausstattung wider; und das bekommen Patienten zu spüren. Wer nicht stationär aufgenommen werden kann, wird halt im Minutentakt abgefertigt.

Fraglich ist, warum Ärzte und Patienten mit diesem System so glücklich sein sollen, wie manche der Öffentlichkeit immer wieder zu vermitteln suchen. Warum die angefeindeten AVZ die heutige Situation verschlechtern sollten ist auch fraglich. Wenn sie auch nur Fließbandmedizin abliefern (was ich persönlich bezweifle), aber wenigstens die Rennerei von Arzt zu Arzt ersparen, wäre doch schon was erreicht. Und für die vielen Ärztinnen, die Familie und Beruf vereinbaren wollen, könnten attraktive Posten entstehen. Wer also wehrt sich dagegen und warum?

Dieser Artikel wurde im April 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die unsinkbare Titanic

Wann wird das scheinbar unsinkbare Gesundheitssystem erkennen, dass der wachsende Schuldenberg zum Schicksal wird?

In den nächsten 12 Monaten werden im öffentlichen Gesundheitssystem wenigstens 1,3 Mrd. Euro Defizit (3,6 Mio. Euro pro Tag) anlaufen, über eine Mrd. Euro alleine in den Spitälern. Der Schuldenberg wird damit immer größer und ist schon jetzt nicht klein. Neben den Schulden der Krankenkassen, haben einige Bundesländer Spitalsdefizite in ASFINAG-artigen Konstrukten geparkt oder greifen bereits „Bank-ähnlich“ auf Gelder zu, die sie erst zukünftig erhalten werden. Die Spitalsfinanzierung ist es auch, die dazu führen wird, dass die Länder statt den vorgeschriebenen Maastricht-Überschüssen Defizite bauen und so die Staatskasse tiefer in die roten Zahlen treiben.

Die Hoffnung, dass die Gesundheitsversorgung günstiger wird, gibt es nicht. Demographie und medizinischer Fortschritt werden dafür sorgen, dass die Kosten auf Jahrzehnte hinaus weiter steigen. Will man ein solidarisches System behalten, kann man nur schauen, dass das System produktiver wird. Doch statt die Produktivität zu erhöhen, scheint sich alles nur darauf zu konzentrieren, die eigene Macht zu erhalten.

Wegen diesem Schrebergartendenken der Länder, Ärztekammern, Pensionsversicherungen, Krankenkassen, Gewerkschaften etc. ist das Gesundheitswesen in hunderte Kompetenzen zersplittert. Statt EIN System zu errichten, in dem Prävention, Akutbehandlung, Rehabilitation, Pflege und Palliativbehandlung so aufeinander abgestimmt sind, dass Patienten zum richtigen Zeitpunkt, an der richtigen Stelle die richtige Leistung erhalten, werden alle Strukturen rund um Einzelinteressen abgesichert. Statt miteinander zu arbeiten, leben die Machtkomplexe weiter „völlig autistisch vor sich hin und versuchen die Kostenstruktur einer auf den anderen abzuwälzen“ (Kdolsky 2007).

Eine Strukturreform ist entfernter denn je. Dabei wäre sie gar nicht so groß, wie man denkt. Grob kann man davon ausgehen, das 80 Prozent der etwa 19 Mrd. Euro öffentlicher Gelder richtig eingesetzt und daher von einer Reform gar nicht berührt würden. Sicher gäbe es auch hier Produktivitätsreserven – manche sprechen von 1,5 Mrd. Euro – aber die zu heben scheint unmöglich, da die Politik sich zunehmend in jede Detailfrage einmischt und jede Vernunft, die nicht zur Selbstdarstellung beiträgt, im Keim erstickt.

Viel wichtiger aber, als diese rein „betriebswirtschaftlichen“ Fragen, wäre es, die systemimmanente Verschwendung endlich abzustellen. Das sind echte Zukunftsfragen.

An den Schnittstellen werden aktuell mehr als 1,5 Mrd. Euro pro Jahr „verbrannt“. Wenn es beispielsweise möglich wäre, die Leistungen der Spitäler mit denen der Pflege abzustimmen, könnte man ohne Qualitätsverlust fast 700 Mio. Euro sparen bzw. sinnvoller einsetzen. Doch ein Vorstoß in diese Richtung durch den Hauptverbandschef Dr. Schelling verhallte lautlos. Verständlich, denn um dieses Thema abarbeiten zu können, müssten auf Landesebene Gesundheitspolitiker Kompromisse mit den Sozialpolitikern und alle gemeinsam mit den Krankenkassen und dem Gesundheitsministerium und Hilfsvereinen, Ärztekammern und Spitalsbetreibern eingehen – irreal!

Es wäre Klug, würde statt einer unstrukturierten und destruktiven Global-Defizitdeckung auch für das Gesundheitssystem ein Konjunkturpaket geschnürt, um damit jene Strukturreform zu finanzieren, die garantieren kann, dass das System effizienter und so wirklich eine Verbesserung für die Zeit nach der Wirtschaftskrise wird.

Dieser Artikel wurde im März 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Aber töte nicht den Überbringer!

Den Überbringer schlechter Nachrichten töten und den Vogelstrauss als Vorbild zu nehmen ist mancherorts Maxime politischen Handelns – Gott sei dank nicht überall

Wie die Politik auf die Kritik im Aufdeckerbuch „Verschlusssache Medizin“ reagieren wird, war letzte Woche noch Hoffnungssache.

In NÖ hat sie jetzt reagiert. Dort hat man kurzerhand den Kontrollarzt, der jene unangenehmen Qualitätsberichte erstellt hat, die NÖ in kein gutes, aber eben reales Bild stellen, entlassen. Alternativ wird ein sagenumwobener Masterplan vorgeschützt, den niemand außer denen kennt, die bereits die Qualitätsberichte unterdrückt haben – sehr vertrauenerweckend! Laut Plan soll es 2015 so weit sein, dann haben die Spitäler ein Qualitätssicherungssystem – und was passiert bis dahin?

Mit dieser Aktion hat man aber allen klar mitgeteilt: Wer Fehler aufzeigt wird entlassen, wer Fehler verschweigt, kann sich sicher fühlen. Fast hat es den Eindruck, als ob es da und dort so etwas wie eine politisch ausgestellte Lizenz zum Töten gibt.

Gott sei dank ist das nicht in jedem Bundesland so, denn anderenorts will man aus Fehlern lernen und versuchen, sie zu vermeiden.

Aber irgendwie ist ja auch die mediale Berichterstattung schief gelaufen. Wer hat sich um die Berechnungen gekümmert, die darstellen, wie sich die extrem langen Ärzte-Arbeitszeiten auf die Fehlerhäufigkeit auswirken. Keiner findet ein Wort über das perverse Bezahlungssystem der Spitäler und der Ärzte, die darin arbeiten, das nur Quantität und nicht Qualität entlohnt. All das ging gänzlich unter. Konzentriert hat man sich auf die knackige Zahl von 2.500 Toten durch vermeidbare Fehler. Und genau diese Zahl wird umgehend von den Apologeten des Systems – die das Buch nicht einmal gelesen haben – bekämpft.

Das alles ist unverständlich. Der Spitalsbereich ist so gigantisch. Täglich – an 365 Tage im Jahr – werden 70.000 Patienten mit 700.000 diagnostischen oder therapeutischen Behandlungen versorgt. Erledigt wird diese Herkulesaufgabe von 17.000 Ärzten, denen 59.000 Personen aus medizinischen Berufen helfen. 33.000 Menschen (verglichen mit der Zahl der Patienten ein bisschen viel?!) schauen, dass die Spitäler funktionieren. Wer kann ernsthaft behaupten, dass so ein Betrieb fehlerlos läuft?

Und trotzdem, die Apologeten attackieren die Aufdecker. Da wird argumentiert, dass das Vertrauen erschüttert ist, Qualitätsarbeit aber Vertrauenssache sei, dass man den Datenschutz beachten muss, dass man Patienten nicht verunsichern (aber falsch behandeln?) darf etc. Dass die Politik Patienten vollmundig Sicherheit und allerhöchste Qualität verspricht und damit Verantwortung verbunden ist, das hört man nicht!

Besonders gern wird auch die Anonymität beschworen, die man für eine Fehlerkultur braucht. Man will ja kein „Blame and Shame“-System haben. Ist das wirklich so? Die Unfallspitäler haben ein Fehlermeldesystem eingeführt und siehe da, 80 Prozent der Fehler wurden nicht anonym gemeldet – weil die meisten, die im Spital arbeiten, Interesse haben, Fehler auszumerzen. Die Basis will dieses „Wir sind fehlerlos“-Spiel nicht spielen; sie wollen arbeiten, ohne zu schaden!

Wen also beschützen die Apologeten? Doch nur die, die Fehler partout nicht zugeben wollen. Also in erster Linie sich selbst, weil sie gut von dem System leben. Und natürlich jene Primarärzte, die Angst davor haben, die Politiker, die sie zu Halbgöttern gemacht haben, zu enttäuschen, weil sie zugeben müssten, dass ihre Bereiche doch nicht fehlerlos funktionieren. Patienten werden sicher nicht beschützt – allen Beteuerung zum Trotz.

Dieser Artikel wurde im März 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Quo usque tandem – Wie lange noch?

„Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“ (Bertolt Brecht)

Wieder gibt es ein Medizin-Skandalbuch. Oft und oft verlieren sich solche Bücher in dramatischen Einzelschicksalen. Daran die Qualität eines Gesundheitssystems zu messen, ist unmoralisch und führt zu falschen politischen Reaktionen, die niemandem und schon gar nicht den Patienten helfen. Kein Gesundheitssystem kann so gut sein, dass Einzelschicksale vermieden werden.

Andererseits, wie soll man Ehrlichkeit in die Diskussion bringen?

Da gibt es eine Untersuchung über 30 Länder, die – weil Irren menschlich und kein nationales Vorrecht ist – alle ähnliche Ergebnisse zeigen: Bei 2 bis 4 Prozent der Spitalsbehandlungen erleiden Patienten Schäden durch vermeidbare Fehler. 0,1 Prozent sterben daran. Warum soll das bei uns anders sein?

So viele Staaten bemühen sich, die Patientensicherheit zu erhöhen und Qualitätsmängel auszumerzen. Sie dokumentieren Fehler, versuchen zu lernen und vermeidbare Fehler zu vermeiden. Sind die alle dumm? Warum strengen die sich an? Sollen sie doch nach Österreich schauen – wir zeigen wie es geht: Einfach nichts dokumentieren, dann gibt es auch keine Fehler!

Und wenn irgendwer dann doch eine Rechnung anstellt, dann schlägt das Imperium zurück. Leider Gottes sind es diesmal die Patientenanwälte, die sich vor den „Wir sind die besten und fehlerlos“-Karren spannen lassen. Kärnten beispielsweise glaubt, dass es bei 180.000 Spitalspatienten pro Jahr fünf Todesfälle (0,003 Prozent aller Patienten) durch vermeidbare Fehler gibt – die Dunkelziffer eingerechnet. In Vorarlberg (100.000 Patienten) sollen es in neun Jahren gar nur zwei (0,0002 Prozent) gewesen sein. Wien (540.000 Patienten) teilt mit, dass es überhaupt keinen Fall gegeben habe. NÖ (400.000 Patienten) meldet immerhin 140 Verdachtsfälle (0,04 Prozent).

Zur Orientierung: 2,5 Mio. Patienten werden jährlich stationär behandelt, 400.000 davon tagesklinisch, 38.000 (fast die Hälfte aller Todesfälle) sterben im Krankenhaus. Wo die Menschen sterben ist übrigens regional sehr unterschiedlich. Je stärker die familiären Strukturen sind, desto öfter stirbt man zu Hause.

Nun, ich glaube auch nicht, dass man für die Hochrechnung der oben zitierten Studie die volle Zahl der Patienten nehmen darf. Doch auch, wenn man die tagesklinischen Fälle abzieht, kommen wir auf 2000 (statt 2500) Tote durch vermeidbare Fehler – das ist noch immer gigantisch viel mehr, als offiziell zugegeben wird.

Und als Nebensatz verstehe ich anlässlich dieser Diskussion paradoxerweise das erste Mal, dass die Ärztekammer sich nicht von außen Qualitätskontrollieren lassen will. Wenn die Spitäler sich nicht ordentlich kontrollieren lassen, warum sollen es die niedergelassenen Ärzte tun?

Persönlich glaube ich, darf man in NÖ, obwohl man in dem Skandal-Buch wirklich schlecht wegkommt, stolz sein. Immerhin hat man es gewagt, eine systematische Qualitätsarbeit zu beginnen und schriftlich festzuhalten. Wir würden nicht darüber diskutieren können, das was schief läuft, wenn solche Arbeit nicht geleistet worden wäre. Schade, dass offenbar erst eine undichte Stelle diesen mutigen Weg aufgezeigt hat. Wer die Wahrheit sucht, darf sich aber nicht schrecken, wenn er sie findet.

Man kann gespannt sein, wie die Politik reagieren wird. Der leichte, übliche Weg? Undichte Stellen ausmerzen, systematische Qualitätsarbeit stoppen und alle vorhandenen Berichte totschweigen! Oder der anstrengende, richtige Weg? Lernen und verbessern!

Dieser Artikel wurde im März 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ärztebedarf

Ärztemangel oder -überschuss – das hängt davon ab, wie Ärzte eingesetzt werden: Bleibt alles wie es ist, dann wird es einen Mangel geben.

Ein Politiker hat an einem Sonntag eine Autopanne. Er schafft es gerade noch bis zur nächsten Tankstelle – dort angekommen verlangt er, dass sein Auto repariert wird. Der Tankwart schaut ihn groß an und sagt: „Das ist eine Tankstelle, keine Werkstatt. Ich kann das nicht!“ Empört, dass die Realität nicht seinem Wunsch entspricht, verordnet der Politiker, dass alle Tankstellen hinkünftig Mechaniker anstellen müssen. Seither hat jede Tankstelle zu den Öffnungszeiten (meist rund um die Uhr) einen Mechaniker – und der Politiker ist zufrieden.

Allerdings haben die Mechaniker dort nur wenig zu tun, sodass sie die meiste Zeit nur herumstehen oder etwas anderes arbeiten. Einmal abgesehen davon, dass ihnen Reparaturerfahrung fehlt, müssen sie, um sich selbst zu erhalten, überhöhte Preise verlangen, dass sich kaum jemand leisten kann, sein Auto an der Tankstelle reparieren zu lassen. So kommen Kunden nur im Notfall, und die Mechaniker werden zu einem immer größeren Verlustgeschäft.

Als Folge drohen die Tankstellenbesitzer zuzusperren. Das behagt dem Politiker gar nicht, also tut er, was er in so einem Fall immer tut, nimmt Steuergelder in die Hand und finanziert die Tankstellen-Mechaniker. Da die Tankstellen plötzlich billig, ja fast gratis reparieren, kommen die Kunden in Scharen. Aus dem Verlustgeschäft wird scheinbar ein Gewinn und immer mehr Tankstellen eröffnen. Damit allerdings stellen sie eine so große Konkurrenz dar, dass nun die Werkstätten in Konkurs zu gehen drohen – konsequenterweise bekommen sie auch Steuergelder.

Mittlerweile ist die Mechaniker-Dichte so hoch, dass es eigentlich nicht genug Pannen gibt, um alle zu beschäftigen. Das macht aber nichts, weil alle zufrieden sind. Nun geschieht es, dass die Zahl der Autos steigt. Ökonomen beginnen zu rechnen und stellen fest, dass durch die steigende Zahl demnächst ein Mechanikermangel droht. In diesen Rechnungen wird jedoch nicht nach der Zahl der Pannen gerechnet, sondern nach der Zahl der Mechaniker, die pro Auto zur Verfügung stehen. Man kann es den Ökonomen gar nicht verübeln. Denn um die „Überzahl“ an Mechanikern zu vertuschen, und um jede Werkstatt und Tankstelle zu rechtfertigen – immerhin steckt viel Steuergeld drinnen, das man irgendwie plausibel machen muss –, hat der Politiker nicht ohne Wohlgefallen der Mechaniker, die ja vom Politiker bezahlt werden, verboten, Pannen zu zählen. Gezählt werden dürfen nur Autos und eben Mechaniker, ob nötig oder nicht. Und so kann man wirklich glauben, man wird demnächst mehr brauchen, und es werden mehr ausgebildet; die natürlich immer mehr Steuergeld kosten – das nie auszugehen scheint.

Hat das was mit dem Ärztebedarf zu tun? Natürlich! Um in unseren 180 Krankenhäusern 55.000 Betten mit mehr als 2,5 Millionen Patienten 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr zu betreuen, brauchen wir viele Ärzte, vor allem billige Turnusärzte – egal ob der Patient sie braucht. Und weil so viele Ärzte in den Krankenhäusern mit oft unsinnigen Dingen beschäftigt sind und weil immer mehr Patienten ins Spital gehen (1990 gingen 21 Prozent, 2007 schon 30 Prozent der Bevölkerung einmal pro Jahr ins Krankenhaus, der EU-Schnitt liegt bei 18 Prozent), schaut es fast so aus, als ob wir nicht genug Ärzte produzieren können.

Aber hat schon jemand darüber nachgedacht, ob die Ärzte vielleicht in weniger Krankenhäusern sinnvoller eingesetzt werden könnten.

Dieser Artikel wurde im März 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.