Licht ins Dunkel

Dass man dem Finanzministerium vorwirft, nicht an Patienten zu denken ist lächerlich; dass aber nur mehr dort an die Steuerzahler gedacht wird, erschreckend.

Ich werde mich hüten, die Meriten des geheimen, mir aber letztendlich doch bekannt gewordenen Hauptverbandpapiers zu kritisieren; denn diese sind gegeben. Insbesondere die Arbeitsgruppe „Qualität“ hat einiges zu Papier gebracht. Was davon zu leben beginnt, werden wir sehen. Viel Arbeit liegt hier vor denen, die Willen gezeigt haben.

Was sich aber politisch rund um das Papier abspielt, ist sagenhaft. So wirft der Gesundheitsminister denen, die zahlen sollen (Finanzministerium), vor, „Zahlenmenschen“ zu sein, denen es nicht um Patienten, sondern um „Machtspiele“ gehe. Und der Ärztekammerpräsident meint drohend, wenn das Geld nicht fließt, dann wäre der nächste Schritt dezidierte Leistungskürzungen.

Dass die beiden so reagieren ist ja verständlich, schließlich wollen sie nur eines: die Macht des siamesischen Ärztekammer-Krankenkassen-Zwillings retten. Den anderen Machtspiele vorzuwerfen, lenkt da wohl nur vom eigenen Wunsch ab.

Wenn man sich die Modellrechnungen im vierten Teil des geheimen Papiers ansieht, dann kann man den Finanzminister nur zu gut verstehen. Selbst ein Würstelstand, der einen Kredit beantragt, muss einen detaillierteren Plan vorlegen, will er nicht riskieren, aus der Bank gejagt zu werden.

Schauen wir einmal hinein, in das Zahlenwerk.

Bei den Medikamenten wird beispielsweise angenommen, dass die Ausgaben ohne Maßnahmen um etwa sieben Prozent jährlich steigen würden. Weil man aber Maßnahmen setzt, wird die Steigerung bei genau vier Prozent liegen. Das was aus dieser einfachen Rechnung als Differenz rauskommt, das ist das „Dämpfungspotential“. Woher die Zahlen kommen, ist unklar. Man kann nur froh sein, dass sie nicht gänzlich frei erfunden sein dürften. Wenn man zum Beispiel statt sieben acht Prozent Steigerung prognostiziert hätte, dann wären zu den 883 Millionen Dämpfungspotenzial gleich noch einmal 450 dazu gekommen! Was aber wirklich rauskommt, ist fraglich.

Wie man genau auf die avisierten vier Prozent kommen will, bleibt geheim. Denn in den dafür vorgesehen Tabellen – also dort, wo der Finanzminister vermutlich gerne genauere Zahlen hätte – herrscht gähnende Leere. Nur die Summenzeile ist ausgefüllt; mit genau den Zahlen, die aus der oben beschriebenen, simplen Rechnung stammen.

Was Leistungskürzungen betrifft, ist auch was zu finden. So wollen die Kassen 260 Millionen in der Rehabilitation sparen, in dem sie sie gänzlich der Pensionsversicherung (PV) übertragen. Es ist zwar sehr löblich hier endlich Kompetenzen zu bereinigen, aber wo bleibt das sonst so gerne zitierte „Geld folgt Leistung“? Wenn die PV die ganze Reha übernimmt, dann darf sie doch auch das Geld dafür von den Kassen erwarten! Nur die Leistungen rüber zu schieben und das Geld behalten, ist Chuzpe. Dass da der Finanzminister, der ja am Ende des Tages die Defizite der PV aus dem Budget decken muss, nicht glücklich sein kann, ist klar!

In den eigenen Reihen sehen die Kassen übrigens auch Potential – heiße 45 Millionen, oder gerade einmal 2,6 Prozent des gesamten ausgabenseitigen Dämpfungspotentials. Eine echte Kassenreform sieht anders aus.

Am Ende bleibt der schale Geschmack, dass hinter all den Rechnungen wohl nur die Beibehaltung der Strukturen (und Macht) stand, und das dafür notwendige Geld gefälligst aufzubringen ist. Froh kann man sein, dass doch noch manche wissen, dass Geld nicht auf Bäumen wächst, sondern von Bürgern erarbeitet werden muss. Gratulor!

Dieser Artikel wurde im Juli 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Fehlsteuerung und Fehlbelegung

Obwohl wir viele Krankenhäuser haben, werden echte Notfälle immer schwieriger versorgt werden können – dank der Fehlsteuerung und der Reformverweigerung.

Es ist unter der Woche, vormittags, als ein sichtlich kranker Mitt-Fünfziger mit blassem Gesicht und stechenden Schmerzen vom Hals bis zum Kreuz die Ambulanz eines großen Wiener Spitals betritt. Rasch erkennen die Ärzte die Situation: Der Mann hat ein Aortenaneurysma. So eine Diagnose ist ein Alptraum, denn in der Innenschicht der Hauptschlagader hat sich ein Riss gebildet, durch den sich nun das Blut in die Wand der Ader wühlt und sie so spaltet. Der hohe Druck führt dazu, dass die so verdünnte Wand sich immer stärker dehnt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie platzt. Passiert das, dann verblutet der Patient innerhalb kürzester Zeit. Die einzige Chance ist eine Not-Operation, die so groß und schwer ist, dass man, wenn man überlebt, postoperativ auf eine Intensivabteilung muss.

Wiewohl ein großes Spital, ist es für so eine Operation nicht ausgerüstet, also beginnen die Ärzte zu telefonieren. Doch in ganz Wien will den Patienten niemand haben. Die OPs seien alle belegt oder es sei kein Intensivbett frei! Man beginnt außerhalb zu suchen – und wird fündig in St. Pölten. Jetzt noch rasch einen Hubschrauber bestellt und alles wird gut! Falsch! Denn bei der Flugrettung erfährt man, dass alle Hubschrauber besetzt sind, frühestens in 70 Minuten wird einer frei! Soviel Zeit ist nicht, also legt man den Mann in eine Rettung und fährt mit Blaulicht nach Niederösterreich.

Was aus dem Mann geworden ist, weiß ich nicht. Aber verwundert hat mich das alles schon. Wie wahrscheinlich ist es, dass in ganz Wien kein OP oder Intensivbett für solche Notfälle frei ist? Rechnerisch gering. Wir sind gut ausgestattet mit OPs und verglichen mit anderen Ländern haben wir viele Intensivbetten. Gut, es war Vormittag, und nachdem unsere OPs nur vormittags benützt werden, ist klar, dass dann alle im Vollbetrieb sind – hauptsächlich mit geplanten Routineeingriffen. Aber warum war kein Hubschrauber frei?

Was ist passiert? Es kommen eigentlich nur zwei Erklärungen in Frage. Die erste ist zynisch. Sie würde bedeuten, dass so schwere Patienten, wenn möglich, abgelehnt werden. Das will ich ausschließen. Die zweite Erklärung ist aber nicht viel besser.

Durch das Finanzierungssystem geraten die Häuser immer mehr unter Druck. Statt Kapazitäten für Notfälle frei zu halten, müssen sie danach trachten, möglichst voll zu sein. Leere Betten, vor allem auf Intensivabteilungen, kosten nur und bringen nichts. Also „stopft“ man rein, was geht – ob nötig oder nicht.

Und wie ist das mit der Rettung? Ähnlich! Auch hier wird es für die Betreiber immer schwieriger, Hubschrauber herumstehen zu lassen. Da fliegt man dann schon lieber jede Bagatelle. Wenn dann wirklich ein Notfall auftaucht, braucht es niemanden wundern, wenn kein Hubschrauber frei ist.

Und so erklärt sich alles. Obwohl eigentlich genug Kapazitäten da wären, sind diese für Notfälle immer schwieriger zu erhalten. Skurrilerweise würde eine Erhöhung gar nichts bringen. Mehr Intensivbetten oder Hubschrauber würden nur dazu führen, dass die „Fehlbelegung“ zunimmt, weil die Preise sinken und so die Betreiber zwingen, die Auslastung weiter zu erhöhen; das geht aber nur mit planbaren Patienten, nicht mit Notfällen.

Helfen würde eine Änderung der Finanzierung und das wiederum geht nur, wenn die Kompetenzen endlich klarer strukturiert werden – weil das aber nicht passiert, sind die ersten „Opfer“ der Reformverweigerung echte Notfälle.

Dieser Artikel wurde im Juli 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Etwas ganz anderes

Weil sich sowieso niemand mehr wirklich auskennt, einmal etwas, ganz abseits der österreichischen Akut-Reform-Diskussions-Wahnsinnigkeiten.

Vor langer langer Zeit (1978), weit weit weg, im tiefsten Kasachstan, in einem Ort, der heute Almati heißt, hat die Welt beschlossen, Gesundheitssysteme neu und besser zu organisieren. Festgehalten wurde das in einer WHO-Deklaration, die Österreich natürlich auch unterschrieben hat.

Da stehen so schöne Dinge drinnen wie: „Das Volk hat das Recht und die Pflicht, gemeinsam wie individuell, in der Planung und der Umsetzung der Gesundheitsversorgung eingebunden zu sein“, aber auch so praktische wie: „Primary Health Care (Anm.: ein Ausdruck, den man hierzulande kaum kennt und sperrig als Primärversorgungsbereich übersetzt) behandelt die wesentlichen Gesundheitsprobleme der Bevölkerung, indem es entsprechende Leistungen der Gesundheitsförderung, Krankheitsprävention, Heilung und Rehabilitation zu den Menschen bringt.“

Weil es sich gerade trifft, und die Leiterin des Departments of General Practice an der School of Population Health in Auckland, Ngaire Kerse auf Besuch in Graz, ist, will ich das Thema aufgreifen.

Allgemeinmediziner, also Hausärzte, sind das Rückgrad der Primärversorgung. Sie sollten, so die Idealvorstellung seit dreißig Jahren, die Angelpunkte sein, um die sich Teams aus Pflegekräften, Hebammen, Sozialarbeiter etc. bilden, die die Gesundheitsversorgung zum Patienten bringen. Um so ein Hausarzt sein zu können, muss man gut für diese Aufgaben ausgebildet werden. So was geht nur, wenn man den Hausarzt als eigenständiges Fach sieht.

Aber hierzulande kann man nach drei Jahren Spritzendienst im Krankenhaus Hausarzt werden, ohne jemals eine Ordination von innen gesehen zu haben. Es gibt in ganz Österreich gerade einmal drei Professoren für Allgemeinmedizin. Seit 1950 sind ganze 25 wissenschaftliche Arbeiten von österreichischen Allgemeinmedizinern (davon 20 im Inland) erschienen und selbst das Gesundheitsministerium ist gegen eine rasche Etablierung des Hausarztes als Facharzt.

Zum Vergleich: Neuseeland hat für 4 Millionen Einwohner gleich sechs Universitätsinstitute für Allgemeinmedizin. Am Institut von Frau Prof. Kerse arbeiten sechs Professoren Vollzeit. Allein dieses Department publiziert jährlich mehr als 60 Artikel in internationalen Journalen. Die Ausbildung von Allgemeinmedizinern in Neuseeland beinhaltet zwölf verpflichtende Wochen während des Studiums, einen zweijährigen Spitalsturnus und danach 12 verpflichtende Monate in speziellen allgemeinmedizinischen Lehrpraxen. Für den endgültigen Abschluss sind dann noch zwei supervidierte Jahre in eigenständiger Praxis notwendig.

Im neuseeländischen Primärversorgungsbereich kooperieren mit den gut ausgebildeten Hausärzten ebenso gut ausgebildete Krankenschwestern (practice nurses, community nurses, familiy health nurses, district nurses, diabetes nurses, etc.).

In der WHO-Deklaration steht auch drinnen: „Alle Regierungen sollen nationale Strategien und Umsetzungspläne entwickeln, um Primary Helath Care als Teil einer umfassenden Gesundheitsversorgung zu etablieren und zu stärken.“

Und um was dreht sich die Diskussion seit vielen Jahren bei uns? Um Kassenverträge und Spitalsreformen. Und immer öfter werden diese Diskussionen nicht einmal mehr öffentlich geführt. Warum auch, nur weil die WHO gemeint hat, dass das Volk das Recht und die Pflicht hat, in der Planung und Umsetzung der Gesundheitsversorgung eingebunden zu sein?

Dieser Artikel wurde im Juli 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Geheimdiplomatie

Die Geheimniskrämerei rund um das Kassensanierungskonzept ist demokratiepolitisch traurig, auch wenn man erstmals auf Vernünftiges hoffen darf!

Es ist wieder einmal Zeit, tiefschürfende Gedanken zu wälzen.

Jetzt ist es also veröffentlicht worden, das (Kurz)Konzept der Kassensanierung. Zwar haben einige versucht, daraus ein Gesundheitsreformpapier zu machen, aber die, die es geschrieben und veröffentlicht haben, weisen zurecht darauf hin, dass es nur ein Konzept ist, die zu erwartenden Kassen-Schulden nicht entstehen zu lassen. Daher ist das Wort Einsparungspotential auch falsch! Es wird nicht gespart, es sollen die Ausgaben nur nicht schneller wachsen als die (prognostizierten) Einnahmen.

Das veröffentlichte Papier selbst, gerade einmal 20 Seiten stark, zeigt mit seiner Wortwahl und seinem Aufbau bereits klar, dass es sich dabei nur um eine hochaggregierte Zusammenfassung handelt. Dahinter stehen viele Seiten Detailbeschreibungen, die allerdings streng geheim bleiben.

Schon im Vorfeld wurde bekannt, dass erstmalig auch externe Experten mitgearbeitet haben. Ein Quantensprung! Wer diese externen Experten sind, das ist aber leider auch geheim! Einer davon (dem das Konzept allerdings nur vorgestellt wurde) hat aber behauptet, es sei das Vernünftigste, was er in seiner Karriere jemals seitens der Sozialversicherungen gesehen hat!

Es schaut also so aus, als ob da wirklich was Gescheites herausgekommen sein könnte. Warum, frage ich mich nun, wird dieses offenbar gute Werk nicht veröffentlicht und einer breiten Diskussion unterworfen?

Immerhin sind da einige Dinge drinnen, die man sicher nicht einfach dekretieren kann. Da denke ich beispielsweise an die vorgeschlagenen Disease Management Programme. Um solche strukturierten Behandlungsprogramme für große Patientengruppen mit chronischen Krankheiten (z.B. Diabetiker, Bluthochdruckpatienten etc.) umzusetzen, muss man einen breiten und langen Konsensprozess einleiten. Die Finnen haben zehn Jahre gebraucht, um ihr Diabetiker-Programm abzustimmen. Dafür weiß nun jeder, was er zu tun hat – beginnend bei der Nahrungsmittelindustrie, bis hin zu den Pflegeheimen.

Aber auch ganz generell sollte doch jeder wissen können, was da im solidarisch finanzierten Gesundheitssystem geplant ist. Alle sollten sich ein Bild machen können, nicht nur Privilegierte, auch „selbsternannte Experten“ (ein Ausdruck, der immer häufiger verwendet wird und mich erschreckt, da er nur dazu dient, andere „klein“ zu machen; und überhaupt: Wer darf denn Experten ernennen?) und Journalisten.

In einer Demokratie müssen doch alle, interessierte Laien genauso wie ernannte Experten, Zugang zu den gleichen Informationen haben. Immerhin geht es in diesem Fall ja um ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem. Das Geld, das da reingesteckt wird – seien es Pflichtbeiträge oder Pflichtsteuern – stammt vom Volk und nicht von irgendwelchen Institutionen, die gerne als Scheingeldgeber auftreten. Geheimniskrämerei ist vielleicht in Sachen innere Sicherheit und Landesverteidigung angebracht, aber sicher nicht beim Thema Gesundheitsversorgung.

So habe ich ein lachendes und ein weinendes Auge. Ich will hoffen, dass das Konzept so gut ist, wie es Menschen, denen ich zutraue es zu beurteilen, hinter vorgehaltener Hand beschrieben. Aber, dass man sich nicht traut, es zu veröffentlichen und nur ausgewählten Entscheidungsträgern (denen ich nicht zutraue, es richtig zu bewerten!) vorlegt, die dann vom hohen Ross herab sagen: „Ja, das ist gut für’s Volk“, das irritiert mich. Demokratie funktioniert anders!

Dieser Artikel wurde im Juni 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Versteckspiel oder Verschwörungstheorie

Rund um das Hauptverbands-Papier erleben wir ein bravouröses Medien-Spiel. Damit ist das besser als beim letzten Mal; und Machiavelli lässt grüßen!

Immer mehr „sickert“ durch. Vor zwei Wochen war es die Sache mit den Kassenarztstellen. Diese sollten nur nachbesetzt werden, wenn Leistungen nicht durch Spitalsambulanzen erbracht werden können. Die Reaktionen waren interne Proteste und ein sofortiges Dementi: „So war das nie gemeint!“ Komisch, wenn Kassen sparen wollen, dann kann das nur bedeuten, Stellen zu streichen – Was kann man da missverstehen?

Die Frage bleibt, warum ist das durchgesickert? Betrachten wir es so:

Das wohl einzige Thema, dass Ärzte direkt betroffen hätte, wurde „rausgespielt“. Der so provozierte Widerstand gab – je nach Stärke – die Möglichkeit, diesen Punkt anzupassen.

Dann erhält letzter Woche „Der Standard“ – bekannt für seine kritische Haltung gegenüber neoliberalen Strömungen – das Papier zugespielt. Darin wird dargestellt, welche Summen man sich sparen kann, wenn man auf Generika umsteigt. Außerdem sollen die Preise sinken, wenn man Pharmaunternehmen Werbung verbietet. Und weil’s so schön ist, sollen Apothekenaufschläge gekürzt werden. Das mit den Kassenarztstellen ist bereits entschärft.

Mal sehen, wie der Vorschlag ankommt? Dann ein Rückschlag. Statt wie erwartet, wird nicht auf die „bösen“ Geschäftemacher eingeschlagen, sondern – deswegen ist „Der Standard“ ja eine Qualitätszeitung – differenziert berichtet. Mehr noch, in einem Folgeartikel lässt man einen Experten (mich) und die Industrie zu Wort kommen, die die dargestellten Einsparungen nicht nachvollziehen können und „Werbeverbote“ an kommunistische Ideen erinnern.

Aber das Spiel geht weiter. Jetzt erhalten mehrer Zeitungen das Papier gleichzeitig. Im „Kurier“ erreicht man damit sogar die Seite eins der Wochenendausgabe. Welche Version der Kurier hat, ist unbekannt. Berichtet wird zwar noch immer über Einsparungen bei den Medikamenten (keine Euro-Angaben mehr – merkwürdig!), aber jetzt liegt der Spin auf Patientenorientierung: weniger Rezeptgebühr und längere Öffnungszeiten bei niedergelassenen Ärzten. Der Bericht ist also anders als alle anderen! Was soll man davon halten?

Egal! Bei allem, was man bisher zu wissen glaubt, eines ist sicher: Reformiert wird wenig und gespart nur bei den Medikamenten. Das ist schon beeindruckend. Kein unabhängiger Experte hätte hier jemals ein so großes Potential gesehen, dass damit das System gerettet werden könnte. Man sollte nicht vergessen, dass die Medikamentenkosten mit gerade 13 Prozent der Gesundheitsausgaben EU-weit unterdurchschnittlich sind, und auch die Preise selbst unter dem EU-Schnitt liegen. Und was das senken der Apothekerspannen betrifft, wird das großen Apotheken in zentraler Lage vermutlich egal sein, aber in der Peripherie wird das existenzbedrohend – zur Freude der ärztlichen Hausapotheken, die damit ihre eigenen Existenzen festigen?

Damit komme ich zum Schluss: Alle, die nicht mitverhandeln durften (alle außer Ärztekammer und Kassen) sind die Blöden; das Floriani-Prinzip in Reinkultur. Draußen, außerhalb der Welt, die Gesetze beschließen und dank Gewaltmonopol exekutieren kann, wäre ein Vertrag zuungunsten Dritter schlicht unwirksam. Aber hier? Wo sich Kämmerer und Gewerkschaften bester Kontakte zur Legislative erfreuen?

PS.: Der letzte Vorschlag, die Packungsgrößen zu senken ist übrigens eine versteckte Erhöhung der Selbstbehalte, weil für die gleiche Menge an Tabletten öfter Rezeptgebühr anfällt! Aber Patienten haben ja auch nicht mitverhandelt.

Dieser Artikel wurde im Juni 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Löbliche Abteilung

Mit den Sparvorhaben der Krankenkassen soll es ernst werden. Und mit „bedarfsorientierten Kassenverträgen“ hört man wirklich Neues(?)!

Wenn ein Arzt etwas von einer Spitalsabteilung will, dann ist es Etikette, diese auf dem Überweisungsschein mit „löbliche Abteilung“ anzusprechen. Was man dann will, das ist oft kryptisch. Allzu oft steht nach formvollendeter Anrede nur: „Fachärztliche Abklärung erbeten“. Welches Fach gemeint ist, oder welches Problem abgeklärt werden soll, das kann sich der Spitalsarzt aus den Fingern saugen. In der Regel wird nicht mitgeteilt, welche Untersuchungen bereits durchgeführt wurden und zu welchem Ergebnis sie geführt haben und nur selten wird eine konkrete Frage gestellt.

Diese Seltsamkeit – auch bekannt als Schnittstellenproblem – hat zwei Ursachen: (1) es gibt keinen einheitlichen Katalog für ambulante Leistungen (es gibt 14 Kassen-Honorarkataloge und in den Spitalsambulanzen gar nichts) und (2) fehlt jegliche Abstimmung zwischen Kassenbereich und Ambulanzen. Damit fehlt eine gemeinsame Grundlage, ja selbst eine gemeinsame Sprache ist unmöglich.

Ich habe mir einmal den Spaß erlaubt, die Anzahl der Patientenkontakte bei Kassenärzten mit der der Ambulanzbesuche und stationären Aufnahmen zu vergleichen. Definitiv in Verbindung stehen Ambulanzbesuche und stationäre Aufnahmen. Das heißt, dort, wo Patienten oft in eine Ambulanz gehen, dort werden diese auch oft aufgenommen – ein Effekt des Finanzierungssystems, das ambulante Leistungen schlecht und stationäre gut bezahlt. Überhaupt keine Übereinstimmung findet man aber zwischen Kassenarztkontakten und Ambulanzbesuchen. Anders ausgedrückt, die beiden Welten „Kassensystem“ und „Spitalssystem“ haben statistisch betrachtet nichts mehr miteinander zu tun.

Welche Auswirkung dieses seit 1995 (damals haben sich die Kassen aus den Ambulanzen zurückgezogen und sich selbst überlassen) bestehende Nebeneinander hat, lässt sich in Zahlen ausdrücken. Die Zahl der Ambulanzpatienten ist von 4,5 auf 7,5 Millionen gestiegen. Die Kosten haben sich verdoppelt und liegen bei 1,4 Mrd. Euro. Die stationären Patienten sind von knapp 2 auf über 3 Millionen gestiegen. Auch wenn gerne das Gegenteil behauptet wird, es gab – verstärkt durch das Kassenhonorarsystem – eine massive Verlagerung in die Spitäler, die ein Vielfaches einer wohnortnahen Behandlung durch niedergelassene Ärzte kosten – aber diese Kosten gehören eben wem anderen: den Steuerzahlern (vertreten durch Landesfürsten).

Wenn also künftig Kassenverträge nicht automatisch nachbesetzt werden, sondern nur nach Bedarf, sofern Leistungen nicht auch von Spitälern oder Ambulanzen erbracht werden können, dann bin ich gespannt, wie dieser Bedarf bei fehlenden Leistungskatalogen und -abgrenzungen (Wer soll was wann wo machen) ermittelt werden soll. Denken wir praktisch. Reicht die Nähe eines Spitals aus, dass es keinen niedergelassenen Arzt mehr geben muss? Wird so jede Stadt mit Spital frei von Kassenärzten? Wenn noch mehr in Spitäler verlagert wird, was wird uns Steuerzahler dann die Einsparung der Kassen kosten?

Sehen wir es positiv. Der Ansatz der am Patientenbedarf orientierten Planung ist goldrichtig (aber nicht neu – denn schon seit 1958 Gesetz!). Politiker haben zwar hierzulande keine Ahnung, wie man so was macht und noch nicht einmal geeignete Daten, um so was abzuschätzen, aber so nach 50 bis 100 Jahren, werden sie schon draufkommen, wie es geht – mittels „try and error“, dem wohl gängigsten und teuersten Steuerungsinstrument des hiesigen Gesundheitssystems.

Dieser Artikel wurde im Juni 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ein Arzt aus Leidenschaft ist immer in Ihrer Nähe

Was ein Chorsänger und eine Pensionistin in den nächsten Wochen gemein haben? Sie sollen der Ärztekammer helfen, beliebt zu werden!

Jetzt, wo die EU-Wahl hinter uns liegt, und die freundlich lächelnden Papp-Spitalsärzte der Wiener Ärztekammer im Plakatdschungel wohl nicht ganz zur Wirkung kamen, werden sie uns sicher auffallen, die neuen Plakate der Österreichischen Ärztekammer.

Im Juni sollen an rund 1.100 öffentliche Stellen Straßenplakate stehen, auf denen einem Chorsänger der Hals von einer adretten Blondine untersucht wird – während er singt, versteht sich.

Die Plakate, so verspricht sich die Kammer, werden insgesamt etwa 19 Millionen Kontakte in der Zielgruppe 18 Jahre und älter erzielen. Nicht nur Plakate solle es geben, auch Radio-Werbung. Zwei Hörfunk-Spots sollen insgesamt 147 Mal ausgestrahlt werden. Die Hörfunkspots und die Straßenplakate haben zusammen eine Reichweite von über 90 Prozent. Das heißt: „Jeder Bürger oder jede Bürgerin kommt mit den Botschaften unserer Werbung öfter in Kontakt.“ Und was ist die Botschaft? Ein Arzt aus Leidenschaft ist immer in Ihrer Nähe.

Wer so viel Geld in Imagekampagnen investiert, der hat dafür seine Gründe.

Nun, wenn man einmal absieht, dass diese Kampagnen nicht wirklich das Image der Ärzte verbessern kann (Die Kammer selbst zitiert aus Studien, wonach die Ärzte weiterhin Traumwerte erzielen und solange die Informationsasymmetrie zwischen dem hilfesuchenden Patienten und dem studierten Arzt existiert, wird sich daran kaum was ändern), muss was anderes dahinter stehen.

Vielleicht hat die Kammer ja einfach zuviel Geld, das sie teuren PR-Agenturen geben will. Natürlich könnte auch ein interner Machtkampf dahinter stehen. Schließlich zerreisst es die Kammer, weil sie die Grätsche zwischen den angestellten Ärzten, den niedergelassenen Kassenärzten und den Wahlärzten kaum mehr auf die Reihe bringt. Dieser Konflikt wird früher oder später zu einer Trennung der Bereiche führen müssen – oder die Kammer in die Bedeutungslosigkeit verbannen.

Aber ich persönlich tippe auf etwas viel Simpleres. Der 30. Juni steht vor der Tür, und dann wird man Reformvorschläge durch den Hauptverband vorfinden. Bei einigen wird man mitkönnen, bei anderen – insbesondere wenn es um Verträge und Honorar geht – wird man eine starke Verhandlungsposition brauchen. Und die gilt es vorzubereiten.

Beim letzten Mal hat das mit dem Streik ja noch geklappt, aber die Bevölkerung war da schon skeptisch. Zudem gibt es aus Deutschland ganz andere Signale. Dort ist die Regierung in ihren Reformschritten sehr viel unbarmherziger und lässt sich auch von Massendemonstrationen und Streiks nicht abbringen. Und um hiesige Politiker gleich weich zu kochen, wird ihnen daher mitgeteilt, dass alle Österreicher von dieser Kampagne gleich öfter erfahren werden! Also aufpassen, liebe Politiker!

Daher wird es wohl nur darum gehen, sich mit sehr viel Geld für Streikmaßnahmen zu rüsten. Wohlgemerkt stammt das Geld aus Pflichtbeiträgen aller Ärzte, also der angestellten genau so, wie von den etwa 10.000 armen Schluckern, die zwar niedergelassene Ärzte sind, aber keinen Kassenvertrag haben. Aber wie der Text der Pressekonferenz zu dieser Kampagne verrät, geht es eigentlich nur um Kassenärzte.

Aber was soll’s. Ich finde die Plakate drollig. Besonders das Plakat, das in den Ordinationen aufgehängt werden soll. Da überprüft ein junger adretter Arzt einer alten Dame den Kniereflex – während diese mit ihrer ebenfalls betagten Freundin Tauben im Park füttert.

Dieser Artikel wurde im Juni 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Geschlossene Gesellschaft

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte – wenn zwei sich einigen, bezahlt das der Dritte. Aber wer ist das wohl – unsere Kinder oder doch wir?

Es ist wie eh und je, was abläuft bleibt den öffentlichen Ohren verwehrt. Das Volk soll nicht zu viel mitkriegen! Schließlich wissen jene, die da verhandeln, am besten, was uns gut tut. Und so dringt nicht viel von dem nach außen, was Ende Juni unser Gesundheitssystem retten soll.

Was ist bekannt?

Da wäre einmal der Auftrag an den Hauptverband. Dieser soll zwei Dinge erledigen: Zuerst soll er innerhalb von sechs Monaten ein, mit allen abgestimmtes, Konzept zur mittelfristigen Sanierung der Krankenkassen vorlegen. Wer das Schauspiel länger kennt, der weiß, dass alleine die Festlegung, wer zu „allen“ gehört, kein leichtes Spiel ist (nur Ärztekammern und Kassen, oder auch die Wirtschaftskammer? Sind die Länder dabei? Was ist mit der Pharmaindustrie? etc). Aber selbst wenn das gelänge, dann ist es unmöglich, all diese Interessensgruppen in so kurzer Zeit zu einem Beschluss zu bringen. Also wird es wohl wieder nur eine geschlossene Gesellschaft sein, die da was ausmauschelt – die anderen bleiben draußen.

Der zweite Teil der Aufgabe ist noch unmöglicher. Der Hauptverband soll die Finanzierung aus einer Hand – oder wie es neuerdings heißt „aus einem Topf“ – vorbereiten, bei Beibehaltung der Verhandlungshoheit der einzelnen Krankenkassen. Alleine darüber nachdenken macht einen Knopf im Kopf.

Was weiß man noch?

Da gibt es eine ganze Menge Arbeitsgruppen; die meisten und offiziellen im Hauptverband, aber auch jede andere Gruppe, ob in Verhandlungen eingebunden oder nicht, hat solche inoffiziell eingerichtet – die Ärzte, die Pharmaindustrie, die Länder, die einzelnen Kassen, das Ministerium, die Parteien etc. Wer da was arbeitet, weiß man nicht – man kann aber vermuten, dass sich alle sicherheitshalber aufrüsten – für den Tag danach, also den 1. Juli.

Ach, und dann gibt es bereits erste Aussagen. Die Ärzte meinten vor zwei Wochen noch, dass es unmöglich ist, in so kurzer Zeit ein Konzept vorzulegen. Letzte Woche dann der Schwenk, jetzt soll doch was Gescheites rauskommen. Was mag passiert sein?

Der Minister hat ausrichten lassen, dass er keinesfalls eine Fristverlängerung zulassen will. Weiß er bereits mehr?

Und jetzt wage ich eine Prognose!

Im Konzept wird stehen, dass die Steuerzahler zu ihrem eigenen Wohl mehr in die Kassen zahlen „dürfen“, natürlich ohne demokratisches Mitspracherecht. Argumentiert wird das mit den kassenfremden Leistungen. Die Selbstverwaltung bleibt in ihrer derzeitigen Form, mit allen Kassen und ihren Verhandlungshoheiten bestehen, der Hauptverband dient dazu, die zusätzlichen Steuergelder nach irgendeinem abstrusen Schlüssel zu verteilen. Damit werden die Kassen erhalten und der Hauptverband hat seinen „Topf“.

Die Ärzte werden ruhig gestellt, weil durch die Kassen-Entschuldung und den damit wegfallenden Zinszahlungen (die meisten Schulden haben die Kassen bei den Steuerzahlern, die also nicht nur die Schulden bezahlen, sondern gleichzeitig auch auf Zinsen verzichten werden müssen), Spielraum für Honorarsteigerungen sein wird.

Die Länder, nachdem ihnen erlaubt wurde, deftige Schulden aufzubauen, um ihre Lieblingsspielwiese – die Spitäler – weiter zu kultivieren, haben ohnehin bereits klargemacht, dass sie vor 2013 keinen Reformbedarf sehen.

Und damit sind alle glücklich. Nur für die, die nicht dabei sind, was die geschlossene Gesellschaft beschließt, wird das Ergebnis vermutlich die Hölle – seien es wir Steuerzahler oder unsere Kinder.

Dieser Artikel wurde im Juni 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Typisches Schauspiel um eine Abteilungsschließung

Vom Rest Österreichs weitgehend unbemerkt, versucht man in der Steiermark, eine Chirurgiereform durchzuziehen, die beispielhaft sein könnte.

Die schlechte Auslastung der kleinen Chirurgien (die meisten davon sind kaum zur Hälfte ausgelastet, obwohl man mittlerweile jeden noch so kleinen Eingriff, der sonst überall ambulant durchgeführt wird, stationär aufnimmt) und die Befürchtung, dass sowohl die Ergebnis- als auch die Aus- und Fortbildungsqualität nicht mehr dem Stand des Wissens entspricht, hat die Steirer dazu bewogen, sehr kleine Chirurgien aus der stationären Versorgung zu nehmen. Was jedenfalls vorort bleiben soll, ist eine ambulante chirurgische Versorgung durch in einem nächstgelegenen größeren Spital angestellte Ärzte. Vom Versorgungsstandpunkt aus ist so ein abgestuftes Modell goldrichtig – aber für manche Politiker offenbar ein Armageddon.

Eines der betroffenen Spitäler steht in Bad Aussee, dessen Chirurgie seit Jahrzehnten als Schließungskandidat diskutiert wird. Das Spital liegt 27 Kilometer und eine Landesgrenzen von Bad Ischl entfernt und ist daher eigentlich nicht als Randlage zu betrachten – außer, man macht die Landesgrenze „dicht“, dann ist das nächste Spital 55 Kilometer entfernt; und für österreichische Verhältnisse – wohlgemerkt nur hier zulande – ist die Entfernung dann „extrem“.

Beeindruckend der Stil der Diskussion: Die Chirurgie Bad Aussee ist DAS Herzensanliegen der Bevölkerung, sie stellt die Seele der Region dar. Atemberaubend! Es ist ja nicht so, dass man den Grundlsee trockenlegen oder die Wälder zubetonieren will. Dass man in so einem Fall davon sprechen könnte, man reißt der Region das Herz und die Seele heraus, wäre verständlich; aber die Chirurgie?

Um ein bisschen mehr Sachlichkeit und weniger Polemik in die Diskussion zu bringen, hat die Landesregierung eine Enquete veranstaltet. Dazu wurden Experten geladen, die ihre Meinungen abgaben. Aus wissenschaftlicher Sicht war nichts Neues zu hören. Mindestfallzahlen – deren Nicht-Erreichung eines der wichtigsten Argumente für die Schließung ist – seien zwar kein Garant für gute Qualität, aber es gibt doch deutliche Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Menge und Qualität. Jedenfalls muss man Prozessqualität mitberücksichtigen. Und der deutsche Experte stürmte vor und sagte, dass, seit Ergebnisqualitätsparameter (Komplikationen und Sterblichkeitsraten) pro Spital publiziert werden, ein Qualitätssprung gemacht worden ist, der die Mengen-Relationen stark verwässert hat. Auch kleine Spitäler können gute Qualität liefern.

Gut, so kleine Spitäler wie Bad Aussee ist (74 Betten!) sind in Deutschland eine Seltenheit. Aber man darf es glauben. Größe alleine ist nicht ausschlaggebend, öffentliche Ergebnisqualitätsparameter schon. Aber nachdem in Österreich kaum Prozessdefinitionen bestehen und man das Wort Ergebnisqualität im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung nicht einmal denken darf, bleibt der Politik halt nur, sich auf Strukturqualität und damit auch auf Mindestfallzahlen zu stützen – leider!

Wie dem auch sei, die Reaktion der Politik auf diese Experten war schon merkwürdig. Jeder hat nur das gehört, was er hören wollte. Besonders beeindruckend die ÖVP, die sich in einer brachialoppositionellen Rolle gut gefallen hat. Sachlich war da nichts mehr.

Es gilt zu hoffen, dass auch Österreich beginnt, Ergebnisqualitätsparameter öffentlich zugänglich zu machen, statt sich in peinlicher Parteipolitik zu ergehen und die Stimmungslage der Bevölkerung so dermaßen zu missbrauchen, um Angst zu verbreiten.

Dieser Artikel wurde im Mai 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Kritik der praktischen Medizin – ein Teufelskreis

Die Fehler im ambulanten Versorgungssystem sind mittlerweile Kulturgut geworden. Und Kulturen kann man nicht schnell ändern – wenn überhaupt.

Da sitze ich mit einem Freund, technischer Physiker und einer jener Menschen, die ich als Genie bezeichnen würde, im Gastgarten, unsere Kinder spielen im Sand und wir reden – was sonst – über das Gesundheitssystem. Und ich weiß nicht, wie wir darauf gekommen sind, jedenfalls stellt er fest, er braucht keinen Hausarzt, weil er am besten Wisse, welchen Facharzt er benötigt. Und wenn er das ohnehin wisse, dann geht er doch lieber gleich in die Spitalsambulanz, da gibt es alles, was er braucht. Und gleich heißt gleich – Öffnungszeiten sind da unwichtig.

Es hat mich wieder richtig gerissen. Ist das die Einstellung der heutigen Patienten? Um Arzt zu werden, braucht es eine 10- bis 15-jährige Ausbildung, erst dann hat man das Recht, krank von gesund zu unterscheiden. Wie also kann ein „Laie“ so selbstsicher davon ausgehen, dass er es besser wisse? Wie kann es passiert sein, dass der Patient der Arzt-Patienten-Beziehung so wenig traut, dass er lieber in eine hochtechnisierte Ambulanz geht, als sich seinen Arzt zu suchen?

Aber andererseits ist es verständlich.

Es schaut so aus, als ob die Infrastrukturen im niedergelassenen Bereich ausgehöhlt wurde: In den Spitälern hat sich die Zahl der Ärzte in den letzten 20 Jahren fast verdreifacht. Und bei den Kassenstellen für Hausärzte? Da hat sich eigentlich nichts getan. Zudem ist das Leistungsspektrum zurückgegangen. Hat ein Hausarzt früher noch kleine Wunden genäht, sogar Röntgenbilder gemacht, war er früher „regelmäßig“ bei den Familien zu Hause, wartet er zunehmend, nur mehr mit dem Stethoskop in den Ohren in seiner Ordination auf Patienten.

Wohlgemerkt war das nicht der Wunsch der praktischen Ärzte, denn in deren Reihen waren und sind immer wieder Idealisten, die versuchen, die Rolle des Hausarztes zu stärken. Es war das System, dass offenbar wenig für sie über hat. Interessanterweise hat die WHO bereits 1969 (!) festgehalten, dass es die steigende Tendenz gibt, Patienten in Spitäler einzuweisen, und dass diese Tendenz durch das Honorierungssystem (das die Ärztekammer mitzuverantworten hat!) gefördert wird. Aber außer unzählbaren politischen Lippenbekenntnissen hat sich wenig getan, und so wird der Hausarzt halt immer unwichtiger und in der Versorgung unwirksamer.

Wen wundert es, dass Patienten den Hausarzt nur mehr als „Überweiser“ und „Krankschreiber“ und nicht mehr als vertrauenswürdigen Diagnostiker und Therapeuten wahrnehmen? Warum sollte man einem Arzt vertrauen, der keine Zeit hat, bei dem man lange warten muss, der dann ohnehin nur überweist – und das oft in die Ambulanz? Mehr noch, durch den massiven Ausbau des Spitalssektors und einer maßlosen Schönwetterpolitik, werden mittlerweile vermutlich viele Patienten, selbst wenn sie vom Hausarzt richtig und ausreichend therapiert wurden, anschließend die Ambulanz aufsuchen, weil sie der Meinung sind, Spitzenmedizin gibt es nur dort.

Dass bei so einer Politik aber die Wohnortnähe verloren geht, ist offenbar unwichtig, ebenso, dass damit eine sinnlose und teure Überversorgung erzeugt und bald wegen jedem Schnupfen ein komplettes Labor angefordert wird.

Es ist eigentlich ein Wahnsinn, wenn man Gesundheitspolitik mit Populismus paart. Alle erhalten alles, jederzeit, gratis, auf allerhöchstem Niveau ohne Eigenverantwortung und ohne Rücksicht auf Kosten. Ob man die ambulante Versorgung jemals wieder auf zukunftsträchtige Beine stellen kann? Ich weiß es nicht!

Dieser Artikel wurde im Mai 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.