Wie im falschen Film – OÖ Ärztekammer über „geheime Gesundheitsreform“ Oktober 2012

Die Oberösterreichische Ärztekammer „informierte“ ihre Ärzte letzte Woche via Rundschreiben über die Gesundheitsreform, und das klingt so

Auszüge (Literatur beim Rezeptblog) :

„… worum es der Politik mit der geplanten Gesundheitsreform wirklich geht: Um massive Einsparungen auf dem Rücken der Patienten, um exorbitante Kostensenkungen auf dem Rücken der Ärzte und um eine zentrale Steuerung des Gesamtsystems durch anonyme Gesundheitsbürokraten unter Ausschaltung der bisherigen Gesundheitssystempartner. Kurz: es geht um die totale Verstaatlichung des Gesundheitssystems ohne Rücksicht auf Verluste.“ […]

„Gerade auch die bisherige Geheimhaltung der Pläne sowie die Geschwindigkeit, die die ansonsten träge Politik und Staatsverwaltung bei der gesetzlichen Umsetzung dieser Maßnahmen an den Tag legt (Anm. Termin steht seit 2007 fest und sogar im Regierungsprogramm), zeigt klar auf, dass hier auch die Überrumpelung der Patienten aber auch der Leistungserbringer im Gesundheitswesen versucht wird. Bevor Widerstand organisierbar ist, soll bereits alles über die Bühne sein. Es gilt daher, jetzt aufzustehen und ein klares und deutliches Signal zu setzen, dass sich die Ärzte und die ärztliche Standesvertretung nicht überrumpeln lassen, [..]. Wir wollen und werden daher mit allen uns zur Verfügung stehenden Mittel, die Bevölkerung auf die bisher geheim gehaltenen Pläne und Maßnahmen aufmerksam machen, wir werden die damit verbundenen negativen Konsequenzen […] in aller Deutlichkeit in der Öffentlichkeit publik machen. […] Wir werden die Verstaatlichung und Verbürokratisierung des Gesundheitswesens auf allen Ebenen bekämpfen. Und wir lassen uns als Ärzteschaft nicht unserer Mitspracherechte bei der Gestaltung des Gesundheitssystems berauben.“ [..]

„Um diese Ziele zu erreichen, ist jedoch Widerstand, rasch, gezielt und unter vollem Einsatz aller Oö. Ärztinnen und Ärzte notwendig. Wir brauchen daher jeden einzelnen Arzt, um mit voller Kraft gegenüber der Gesundheitspolitik auftreten zu können. Denn jetzt geht es ums Ganze, […] … wenn notwendig, werden wir auch vor Kampfmaßnahmen nicht zurückschrecken […].“

Danach interpretiert die Ärztekammer detailliert die „wichtigsten und einschneidendsten“ Reformvorschläge – da ich diese auch kenne, will ich festhalten, diese Interpretationen sind nicht nachvollziehbar. Aber, es geht ja wohl eher um Agitation, denn um Information, was man auch aus solchen Aussagen schließen kann:

„Nach dem Willen der sog. „Gesundheitsreformer“ sollen alle wesentlichen Entscheidungen im Gesundheitswesen von der „Zentrale Wien“ aus gesteuert werden. […] „D.h. nicht der Patient, nicht der ärztliche Sachverstand und auch nicht medizinische Notwendigkeiten entscheiden über die Leistungserbringung, sondern nichtärztliche Bürokraten am grünen Tisch in Wien.“

Na bumm! man möchte meinen, ein paar totalitäre Wiener wollen eine Diktatur errichten und die Ärztekammer der Rettungsanker der Demokratie ist.

Was kann man daraus lernen:

(1) es ist in einer Demokratie blöd, Gesundheitsreformen hinter verschlossenen Türe vorzubereiten

(2) es ist noch blöder, die Interpretationshoheit „geheimer Gesundheitsreformen“ der Ärztekammer zu überlassen.

Die österreichische Finanzierung aus einer Hand – und die Dänische Lösung

Der Streit zwischen Kassen und Ländern über die „Finanzierung aus einer Hand“ lässt vermuten, dass die Entscheidungsträger nicht wissen (wollen), wovon sie reden.

Unter Finanzierung aus einer Hand versteht die Welt, dass in einer definierten Region alle Leistungen der Prävention, Akutbehandlung, Rehabilitation, Pflege und Palliation/Hopiz aus einer Hand bezahlt werden, damit sie vernünftig aufeinander abgestimmt werden können. Aber bei uns dreht sich alles darum, die Finanzströme der niedergelassenen Ärzte und Spitäler, also die der Krankenkassen und der Länder virtuell zusammenzuführen. Es geht also nur darum, die Akutbehandlung aus einer Hand zu bezahlen, alles andere ist nicht einmal angedacht.

Schauen wir mal wie das die Dänen handhaben.

Vorweg, die Dänen geben aktuell etwa gleich viel aus, wie wir, die gesunde Lebenserwartung der 65+Bevölkerung liegt mit 12 Jahren aber um etwa fünf Jahre über der unsrigen (7 Jahre), und das bei ungefähr dem gleichen HDI. Das steuerfinanzierte System garantiert allen (= 100%) 5,4 Millionen Dänen freien Zugang zu allen Leistungen des Systems, begonnen bei der Prävention über die Pflege – zu der auch Heimhilfen für jene gehören, die mit den Aktivitäten des täglichen Lebens Probleme haben – bis hin zu Palliativversorgung. Man könnte viel über die Infrastruktur schreiben, aber nur soviel: gibt es in Dänemark pro einer Million Einwohner aktuell etwa acht und demnächst (eine Reform ist im Gange) nicht einmal mehr vier Spitäler, sind es bei uns über 20 und alle mit Standortgarantien, dafür haben sie um 40 Prozent mehr Hausärzte und ein gut ausgebautes Hausarztmodell – von dem wir eben nur reden.

Organisiert ist das ganze über 98 kleine Versorgungsregionen, die für alle wohnortnah erbringbaren Leistungen, von der Prävention bis zur Palliativversorgung, zuständig (inklusive Finanzverantwortung) sind. Diese Regionen werden nicht von Experten geführt, sondern, als Ausdruck eines solidarischen Systems, von demokratisch legitimierten Politikern.

Früher waren diese Regionen auch direkt für Spitäler zuständig. Das hat sich nicht bewährt, weil so Spitäler erhalten wurden, die wegen der damit verbundenen Kleinräumigkeit des Einzugsgebiets nicht jene Spezialisierung erreichen konnten, die für eine qualitativ hochwertige Versorgung nötig ist (für uns ein etwas skurriler Gedanke, da es „früher“ 40 statt 20 Spitäler gab, wir haben hierzulande etwa 180!). Deswegen wurden die dezentralen Versorgungsregionen zu fünf Versorgungszonen, samt selbständiger Verwaltung zusammengefasst, die nun für Planung, Finanzierung und Betrieb der Spitäler zuständig sind. Zwar sind diese Versorgungszonen politisch den Versorgungsregionen unterstellt, Spitäler können, oder sollen künftig, nicht mehr regionalpolitische Bedürfnisse befriedigen. Das wird viel tagespolitischen Sprengstoff nehmen.

Also, wieviele Hände finden wir in Dänemark, einem Land, das nach allen Parametern, die wir so messen, wirklich und nicht nur behauptet über eines der besten Gesundheitssysteme der Welt verfügt? Genau! 98 Hände, von denen aber eben jede einzelne dezentral demokratisch legitimiert ist und in der anvertrauten Versorgungsregion für die Organisation aller benötigten präventiven, diagnostischen, therapeutischen, rehabilitativen, pflegenden oder palliativen Leistungen zuständig und endverantwortlich (auch finanziell) ist.

Das nennt man Finanzierung aus einer Hand!

Begründeter Zweifel an Gesundheitsreform

Länder und Kassen wollen über virtuelle Budgets gemeinsam Verantwortung tragen. Dazu werfen sie virtuell ihr Geld zusammen und realisieren damit gemeinsam jene Versorgungskonzepte, die für Patienten das Beste sind – und teilt dann die Kosten untereinander auf. Soweit so gut, aber real?

Wir wissen, dass es dank der abstrusen Kompetenzverteilung zwischen Kassen und Ländern zu Ineffizienzen kommt, unter anderem darin abzulesen, dass wir die weltweit höchste Krankenhaushäufigkeit haben – und das kostet eben, obwohl es nicht viel bringt.

Das führt dazu, dass es, wenn es wirklich eine gemeinsame Vorgehensweise gibt, bei steigender Versorgungsqualität (auch wenn das viele nicht glauben wollen) zu Einsparungen kommt Und genau da beginnen die Probleme, wie wir von den „virtuellen Budgets“ der Reformpoolprojekte wissen

Ist es nur ein geringes, wenn auch nicht zu unterschätzendes Problem, Kosten zu verteilen, ist die Verteilung der Einsparungen bis dato nicht möglich gewesen. Da pocht jede Seite darauf, dass sie es ist, die sie realisiert hat  Und da diese Einsparungen hinkünftig im gemeinsamen, virtuellen Topf, als echtes Geld übrig bleiben, ist Streit programmiert. Es braucht schon einen gewaltigen Paradigmenwechsel in den Köpfen der Entscheidungsträger diesen Streit zu umgehen. Schauen wir, ob es Anzeichen gibt, dass dieser gemeinsame Wille wirklich existiert.

In Salzburg wurde 2002, als es schien, dass es endlich zu einem bedarfsgerechten Ausbau der palliativen Versorgung kommt, vom Roten Kreuz ein Hospiz errichtet. Allerdings blieb vieles politisches Lippenbekenntnis. Selbst als es 2005 zu einem Konsens  zwischen Bund, Ländern und Kassen kam, den Ausbau entsprechend einem ÖBIG-Bericht voranzutreiben, blieben Fortschritte mager, vor allem im extramuralen (Kassen) Bereich.

Ende 2012, wird das Hospiz in Salzburg seine Pforten schließen – einfach, weil es pleite geht.

Ein Tag kostet im Hospiz etwa 430€. Die Krankenkasse übernehmen davon 51€, das Land 80€. Der Patient selbst steuerte 170€ (!) pro Tag (!) bei, den Rest von 130€ schoss das Rote Kreuz über Spenden und Überschüsse aus anderen Bereichen bei – und diese fallen hinkünftig weg. Damit ist das Haus pleite.

Das bedeutet, die öffentliche Hand trägt nicht einmal ein Drittel der Kosten, dafür gibt es einen Selbstbehalt von 40%. Und was die 51€ der Kassen betrifft, die decken lt. Angaben des Trägers nur etwas mehr als die Hälfte der anfallenden medizinischen Kosten.

Und so werden die Patienten nach dem Schließen des Hospizes wohl in ein Spital ausweichen müssen.

Dort werden aktuell pro Tag auf einer Palliativ-Station etwa 400€ aus dem LKF-System rückerstattet. Ein geringer Wert, der kaum die echten Kosten deckt und so für Spitalsbetreiber unattraktiv ist. Zudem sind die intramuralen Kapazitäten so ausgelegt, dass sie nur ausreichen, wenn die extramuralen entsprechend dem Plan ausgebaut sind. Fehlen diese, sind die intramuralen zu eng bemessen. Es werden daher nicht alle, vielleicht sogar nur wenige der jetzigen Patienten auf einer Palliativ-Station landen. Die anderen kommen auf andere, vor allem Interne Abteilungen.

Studien weisen klar aus, dass bei massiv sinkender Lebensqualität, die Versorgung sterbender Patienten auf normalen Abteilungen enorm teuer ist: so genau ist das nicht berechenbar, aber mit 800€ bis 1.000€ pro Tag liegt man sicher nicht falsch. Das hängt damit zusammen, dass diese weit weg sind von einem Bio-Psycho-Sozialen Ansatz. Dort gelten biologische Krankheitsbilder mit der Absicht der Heilung –oft koste es, was es wolle. Und das ist halt ganz was anderes, als eine palliative Versorgung – und sehr viel teurer.

Nun, das wissend, muss man sich die Frage stellen, warum können Kassen und Land keinen gemeinsamen Weg finden, eine Versorgung, und zwar OHNE Selbstbehalte, zu ermöglichen, die für Patienten einen enormen Zugewinn an Lebensqualität bedeuten und Steuer- und Beitragszahlern billiger kommt?

Und die antwort ist einfach! Wenn das Hospiz geschlossen wird, sparen sich die Kassen jene 180.000€ die sie jetzt schon nicht zahlen „müssten“, und die Länder sind nicht abgeneigt mehr Patienten in Spitälern zu versorgen, weil sie diese ja erhalten wollen. Und da politisch und finanziell eine Interne attraktiver ist, als eine „Sterbe-Abteilung“ werden diese Kapazitäten auch nicht ausgebaut. Umso mehr, als es ja Aufgabe der Kassen wäre, die extramuralen Kapazitäten auszubauen. Und wenn beiden das Geld ausgeht, dann müssen halt Einnahmen erhöht werden, also der Bund gefälligst für mehr Geld sorgen.

Und genau dieses, tief verwurzelte Jahrzehnte alte Denken, dass sich so klar an diesem Salzburger Hospiz kristallisiert *), soll mit der Reform beendet sein? Ganz ehrlich, ich glaube es nicht

 

*)aber nicht nur dort, ähnliches findet ja auch gerade mit der ambulanten Alkohol-Entzugstherapie im Anton-Proksch-Institut statt, wo die Wiener Gebietskrankenkasse nicht bereit ist mehr als 32,87€ pro Quartal (!) zu bezahlen. Damit ist die intensive ambulante Betreuung der Patienten schlicht nicht finanzierbar– aber die stationäre, die zahlt dann eh wieder das Land

Artur – ein gesundheitspolitischer Ritter

Der 8. Juli 2012 hätte das Zeug in die gesundheitspolitische Geschichte einzugehen. Es war der Tag, als den neue Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger so richtig Gas gab.

So meinte er in einem APA-Interview: „Wenn man im österreichischen Gesundheitssystem weiterkommen will, dann müsste man den Ländern die Krankenhäuser wegnehmen“ und: „Es kann nicht sein, dass die Länder gleichzeitig Gesetzgeber, Spitalsträger und Leistungsanbieter sind und dann auch noch am Finanzierungstopf sitzen.“

Mit solchen Aussagen macht man sich für Länder zum Paria, auch oder besonders, wenn man Ärztekammerpräsident ist. Aber der neue Präsident rüttelt auch an einem weiteren Dogma der österreichischen Gesundheitspolitik, der Pflichtversicherung. Die würde er gerne abgeschafft sehen, und den Bürgern Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Kassen geben – Und mit der Aussage mögen ihn die Sozialpartner auch nicht mehr.

Nun, die Kassen haben nicht reagiert, müssen auch nicht, weil sie wissen, dass sie dank der Verfassung niemand abschaffen / ändern / abwählen kann. Reagiert haben aber einige Länder – abschlägig, wie zu erwarten. Beispielsweise meint der Oberösterreichische Landeshauptmann: „Wir werden die Debatte [Anm.: gemeint ist die Gesundheitsreformdebatte – welche? Ich dachte, die Reform wurde von sechs Personen geheim verhandelt] sicher nicht wieder von vorne beginnen“.

Präsident Wechselberger, und da schließe ich mich an, hält übrigens die beschlossene Gesundheitsreform nur für „das übliche Gerangel um Geld und Geldflüsse“, wenn über eine neue 15a-Vereinbarung gestritten wird. Und ihn wie auch mich erinnern die vereinbarten virtuellen Budgets zur Steuerung des Systems an „Luftschlösser“.

Wie dem auch sei, ursprünglich dachte ich, der kämmerliche Vorschlag ist goldrichtig: echter Wettbewerb zwischen Kassen, und nicht nur als Pseudo- Argument für das Weiterbestehen von 21 Krankenkassen und 16 Krankenfürsorgeanstalten, die sich, dank Pflichtsystem nie um ihre Existenz fürchten müssen. Echter Wettbewerb wäre für viele ein kurativer Schlag!

Und dann die Entflechtung der Mehrfachkompetenzen der Länder, die sich als Gesetzgeber, Spitalsträger, Leistungsanbieter (samt Qualitätskontrolle) und Finanzier ohnehin schon in einem ständigen, schweren, inneren Interessenskonflikt befinden; gepaart mit dem Wunsch der Herrschenden nach Wiederwahl, kann so was ja fast nur pathologisch enden!

In einer zweiten Reaktion allerdings reflektierte ich die ebenfalls geforderte Stärkung der Sozialversicherung, bei gleichzeitiger Schwächung der Länder.

Genau betrachtet, recht viel besser haben die Kassen ja auch nicht gearbeitet. Anderenfalls hätten wir ein echtes Hausarztsystem, Gruppen-, statt Einzelpraxen, und das Honorarsystem der Ärzte wäre ein Steuerungsinstrument und kein gemauscheltes Geldverteilungssystem.

Dazu kommt aber noch, dass Kassen im Gegensatz zu den Ländern ein Legitimtätsproblem haben – denn Pflichtkassen, deren politische Führungen indirekt in Pflichtkammer-Wahlen mit niedriger Wahlbeteiligung gewählt“ werden, sind NICHT demokratisch legitimiert! Auch wenn das manche nicht hören wollen. Andererseits wird auch die Lockerung des Pflichtsystems vorgeschlagen, damit könnte dieses demokratische Manko kompensiert werden, sofern der angestrebte Wettbewerb wirklich auf den Boden kommt und nicht über den Hauptverband und irgendwelche Rettungs- und Zusammenarbeitsfonds abgefangen wird.

Aber all diese Gedanken habe ich in dem Augenblick vergessen, als ich die Reaktion der Länder las.

Da meint etwa Gesundheitsreferent J. Pühringer: „Ich lade den Herrn Präsidenten aber herzlich nach Oberösterreich ein, damit er sich erstens die exzellente Spitalslandschaft und zweitens die gelungene Spitalsreform anschauen kann.“ Deutlicher sein Vorarlberger Kollege Landesrat Ch. Bernhard: „Unsere Spitäler bleiben da, wo sie sind: nämlich bei uns“, weil nämlich jede Schwächung der Länder massive Nachteile für die Patienten hätte. Und aus Tirol erklärt gleich Landeshauptmann Platter im Namen aller Länder (er ist nämlich Vorsitzender der rechtlich völlig unbekannten Landeshauptleitekonferenz, die aber real mehr Macht hat, als jede verfassungsrechtlich festgelegte politische Institution): Man werde es jedenfalls „niemals zulassen“, dass der Bund vorschreibe, wo es in einem Bundesland ein Spital geben soll und wo nicht.

Damit war mir klar um was es geht: Es sind die gnädigen Länder mit ihren segensreichen Spitälern, die zwischen uns und unserem sicheren Tod stehen – und dankbar sollten wir sein, dass wir sooft drinnen liegen dürfen, in den ländlichen Spitäler. Das zu kritisieren oder ändern zu wollen, das kann nur böse sein.

Wie löst man den virtuellen Hausärzte- und echten Präventionsmangel auf einen Streich

Prävention soll verstärkt werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann nach „mehr“ Geld gerufen wird. Ich bin dafür, dass wir Geld aus den Spitälern zu den Hausärzten für Vorsorgemodelle umschichten.

Mit etwa 470 praktizierenden Ärzten (ohne Zahnärzte) pro 100.000 Einwohner liegen wir unangefochten an erster Stelle.  Auch mit 110 Millionen Kassenarzt-Besuchen sind wir vermutlich ganz vorne dabei; hier ist aber das Vergleichen nicht so leicht. Dass wir mit 30 Spitalsaufnahmen pro 100 Einwohner spitze sind, ist Allgemeinwissen. Und wenn wir gleich fünfmal mehr Spitäler als die Dänen, aber nur 1,5-mal Mehr Einwohner haben, denken viele darüber nach, ob’s nicht doch ein bisserl weniger sein dürfte.

Also an Mitteln mangelt es nicht. Aber was machen wir daraus?

Unsere Senioren dürfen eben nicht mit so vielen gesunden Lebensjahren rechnen wie in jenen Ländern, die gleich viel ausgeben wie wir. Hier spielen wir nicht in der Oberliga, sondern mit den Nachzüglern – die aber gleich 30% weniger Ressourcen aufwenden, um das Gleiche zu erreichen.  Dieser Umstand spiegelt sich dann auch in anderen Zahlen wider. Mittlerweile ist jeder dritte neue Pensionist invalide, das sind in etwa 30.000 pro Jahr und ein Spitzenwert. Logisch, unsere Bevölkerung ist ein Pflegefall. Während international bei über 80-Jährigen mit weniger als 25% Pflegebedürftigkeit gerechnet wird, sind es bei uns fast 60%.

Es sollte endlich klar werden, dass wir nicht mehr Mittel brauchen, sondern  diese vernünftig auf Prävention, Kuration, Rehabilitation, Pflege und Palliativversorgung aufteilen.

Und weil es hierzulande vor allem an der Prävention mangelt, hier gleich ein Vorschlag, der nicht nur der Prävention mehr Bedeutung gibt, sondern auch das Problem mit den Hausärzten lösen kann.

Der Mutter-Kind-Pass (MKP), der fast ausschließlich über ein monetäres Bonus-Malus-System angereizt ist, ist wohl das erfolgreichste Präventionsprogramm hierzulande. Es kostet etwa 60 Millionen €. Weil es funktioniert, würde ein monetäres Bonus-Malus-System vielleicht auch bei Erwachsenen (schließlich sind alle Eltern erwachsen) funktionieren.

Also sollte der Hauptverband den Spitälern 200 Millionen € (etwa 2% der Gesamtkosten) weniger überweisen und damit eine komplette neue hausarztzentrierte Vorsorgeschiene finanzieren, die wie der MKP angereizt wird.

Alle Österreicher zwischen 35 und 60 erhalten, wenn sie zur jährlichen Vorsorgeuntersuchung gehen, 100 € bar. In dieser Untersuchung werden mit dem Patienten individuelle, aber wissenschaftlich abgesicherte Ziele vereinbart (Abnehmen, mit dem Rauchen aufhören, mehr Bewegung etc. ähnlich aber etwas besser aufgesetzt als das SVA-Modell). Erreicht der Patient diese Ziele, erhält er zusätzlich 100 € – also 200 €.

Über 60 wird es ein bisschen brenzliger: dort werden dem, der NICHT zur Vorsorgeuntersuchung geht, 300 € (pro Jahr! – also 21€ pro „Monat“ bei 14 Bezügen) von der (Brutto-)Pension abgezogen – analog dem einbehaltenen Kinderbetreuungsgeld, wenn MKP-Untersuchungen nicht wahrgenommen werden. Was für Familien in viel höheren Dimensionen (dort fehlen dann pro Monat deutlich mehr als 21€) erlaubt ist, kann bei Pensionisten nicht unmenschlich sein! Und geht ein Pensionist nicht nur hin, sondern erreicht auch seine Ziele, gibt es auch für ihn 100 € bar.

Rechnet man mit 50% Teilnahme bei den unter 60-Jährigen und mit 80% bei Pensionisten, einer Zielerreichung bei der Hälfte, stellt die jetzige Vorsorgeuntersuchung ein und widmet die einbehaltenen Pensionsanteile dem neuen Programm, dann ist das alles um jene zusätzlichen 200 Millionen zu haben, die den Spitälern weggenommen werden und nicht wirklich abgehen können.

Setzt man so ein Modell um, dann würden die Hausärzte so um etwa 120 Millionen mehr Umsatz machen als heute. Vorausgesetzt, die Zahl der Hausärzte wird nicht erhöht (was blöd wäre), dann käme das einer Einkommenssteigerung von etwa 30% gleich und würde so die große Differenz zu den niedergelassenen Fachärzten erheblich verkleinern. Und weil bekannt ist, dass eben diese Differenz einer der demotivierendsten Faktoren darstellt, würde so der Hausarztberuf  deutlich attraktiver werden.

Und weil so ein Präventionsprogramm hausarztzentriert aufgesetzt ist, wird die Rolle des Hausarztes im System massiv gestärkt – und zwar über den Bereich, wo wir nachhinken – der Prävention!  Im Übrigen, es ist Schwachsinn, Prävention, wie in einigen Bundesländern angedacht, ins Spital zu ziehen. Die gehört zum wohnortnahen Hausarzt (eigentlich zum so genannten Primärversorger, der unter Umständen auch ein Facharzt sein kann!) und sonst nirgendwo hin.

Allerdings, und das ist halt wichtig, muss es wirklich ein Programm sein, und nicht nur einfach eine Geldverschiebung (obwohl ich mich  schon mit dem zufrieden geben würde, weil eben dass Allokationsproblem wenigstens ein bisschen entschärft wäre).

Der Vorschlag ist zwar vermutlich nicht wirklich effizient, aber es würden sicher, eine begleitende Versorgungsforschung vorausgesetzt, einige Effekte auftreten, auf denen man weiterbauen kann.

 

PS: Mir ist klar, es ist eine etwas verquere Ethik, jene zu belohnen, die sich selbst nicht gesund halten. Aber für alle, die einzahlen, ist es, pragmatisch betrachtet, gescheiter, vorher weniger Geld herzuschenken, als später für teurere Behandlungen zu bezahlen. Ginge es, Prävention mit höheren Selbstbehalten für Therapien umzusetzen, wäre es mir lieber, ist aber bewiesenermaßen nicht möglich – eine Eigentümlichkeit des Gesundheitsmarktes.

 PPS.: dieses Modell kostet Steuer- und Beitragszahler keinen Groschen mehr, vorausgesetzt, die Spitäler schaffen es, ihre Effizienz um 2 % zu steigern!!

PPPS.: Ich weiß, dass die Länder nie zustimmen werden, auf diese relativ kleine Summe jemals zu verzichten, ja nicht einmal zustimmen würden, wenn es zusätzliche Mittel gäbe, auf „ihren“ Beuteanteil zu verzichten (die Hälfte der Kasseneinahmen gehen an die Länder – wonit dieses Programm automatisch schon 400 Mio.€ kosten würde!)

Ärztekammer auf echtem Reformkurs?

Der 8. Juli 2012 hätte das Zeug in die gesundheitspolitische Geschichte einzugehen. Es war der Tag, als den neue Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger so richtig Gas gab.

 So meinte er in einem APA-Interview: „Wenn man im österreichischen Gesundheitssystem weiterkommen will, dann müsste man den Ländern die Krankenhäuser wegnehmen“ und: „Es kann nicht sein, dass die Länder gleichzeitig Gesetzgeber, Spitalsträger und Leistungsanbieter sind und dann auch noch am Finanzierungstopf sitzen.“

Mit solchen Aussagen macht man sich für Länder zum Paria, auch oder besonders, wenn man Ärztekammerpräsident ist. Aber der neue Präsident rüttelt auch an einem weiteren Dogma der österreichischen Gesundheitspolitik, der Pflichtversicherung. Die würde er gerne abgeschafft sehen, und den Bürgern Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Kassen geben – Und mit der Aussage mögen ihn die Sozialpartner auch nicht mehr.

Nun, die Kassen haben nicht reagiert, müssen auch nicht, weil sie wissen, dass dank der Verfassung niemand sie abschaffen/ändern kann. Reagiert haben aber einige Länder – abschlägig, wie zu erwarten. Beispielsweise meint der Oberösterreichische Landeshauptmann: „Wir werden die Debatte [Anm.: gemeint ist die Gesundheitsreformdebatte – welche? Ich dachte, die Reform wurde von sechs Personen geheim verhandelt] sicher nicht wieder von vorne beginnen“.

Präsident Wechselberger, und da schließe ich mich an, hält übrigens die beschlossene Gesundheitsreform nur für „das übliche Gerangel um Geld und Geldflüsse“, wenn über eine neue 15a-Vereinbarung gestritten wird. Und ihn wie auch mich erinnern die vereinbarten virtuellen Budgets zur Steuerung des Systems an „Luftschlösser“.

Wie dem auch sei, ursprünglich dachte ich, der kämmerliche Vorschlag ist goldrichtig: echter Wettbewerb zwischen Kassen, und nicht nur als Pseudo- Argument für das Weiterbestehen von 21 Krankenkassen und 16 Krankenfürsorgeanstalten, die sich, dank Pflichtsystem nie um ihre Existenz fürchten müssen. Echter Wettbewerb wäre für viele ein kurativer Schlag!

Und dann die Entflechtung der Mehrfachkompetenzen der Länder, die sich als Gesetzgeber, Spitalsträger, Leistungsanbieter (samt Qualitätskontrolle) und Finanzier ohnehin schon in einem ständigen, schweren, inneren Interessenskonflikt befinden; gepaart mit dem Wunsch der Herrschenden nach Wiederwahl, kann so was ja fast nur pathologisch enden!

In einer zweiten Reaktion allerdings reflektierte ich die ebenfalls geforderte Stärkung der Sozialversicherung, bei gleichzeitiger Schwächung der Länder.

Genau betrachtet, recht viel besser haben die Kassen ja auch nicht gearbeitet. Anderenfalls hätten wir ein echtes Hausarztsystem, Gruppen-, statt Einzelpraxen, und das Honorarsystem der Ärzte wäre ein Steuerungsinstrument und kein gemauscheltes Geldverteilungssystem.

Dazu kommt aber noch, dass Kassen im Gegensatz zu den Ländern ein Legitimtätsproblem haben – denn Pflichtkassen, deren politische Führungen indirekt in Pflichtkammer-Wahlen mit niedriger Wahlbeteiligung gewählt“ werden, sind NICHT demokratisch legitimiert! Auch wenn das manche nicht hören wollen. Andererseits wird auch die Lockerung des Pflichtsystems vorgeschlagen, damit könnte dieses demokratische Manko kompensiert werden, sofern der angestrebte Wettbewerb wirklich auf den Boden kommt und nicht über den Hauptverband und irgendwelche Rettungs- und Zusammenarbeitsfonds abgefangen wird.

Aber all diese Gedanken habe ich in dem Augenblick vergessen, als ich die Reaktion der Länder las.

Da meint etwa Gesundheitsreferent J. Pühringer: „Ich lade den Herrn Präsidenten aber herzlich nach Oberösterreich ein, damit er sich erstens die exzellente Spitalslandschaft und zweitens die gelungene Spitalsreform anschauen kann.“ Deutlicher sein Vorarlberger Kollege Landesrat Ch. Bernhard: „Unsere Spitäler bleiben da, wo sie sind: nämlich bei uns“, weil nämlich jede Schwächung der Länder massive Nachteile für die Patienten hätte. Und aus Tirol erklärt gleich Landeshauptmann Platter im Namen aller Länder (er ist nämlich Vorsitzender der rechtlich völlig unbekannten Landeshauptleitekonferenz, die aber real mehr Macht hat, als jede verfassungsrechtlich festgelegte politische Institution): Man werde es jedenfalls „niemals zulassen“, dass der Bund vorschreibe, wo es in einem Bundesland ein Spital geben soll und wo nicht.

Damit war mir klar um was es geht: Es sind die gnädigen Länder mit ihren segensreichen Spitälern, die zwischen uns und unserem sicheren Tod stehen – und dankbar sollten wir sein, dass wir sooft drinnen liegen dürfen, in den ländlichen Spitäler. Das zu kritisieren oder ändern zu wollen, das kann nur böse sein.

Nutzen einer elektronischen Patientenakte (ELGA)

 Management Summary

 

Die IAS Horn stellt eine Einrichtung dar, die eine abgestufte Versorgung zwischen „rein“ intramural und „rein“ extramural ermöglicht. Als Reformpoolprojekt ist sie weder dem einen noch dem anderen Bereich eindeutig zuzuordnen und kann nach selbsterstellten Regeln arbeiten.

Der gesamte Patientenweg wird elektronisch erfasst. Die elektronische Patientenakte, die historische Informationen über stationäre Aufenthalte im Haus und etwaige Vorbesuche in der IAS enthält, wird bei Aufnahme durch die Administration freigegeben und erscheint auf den Displays in den Behandlungszimmern. Diese sind wie eine „normale“ Hausarztpraxis ausgestattet. Die IAS verfügt weder über ein Labor noch über eine radiologische Ausstattung oder ein Ultraschall (US)-Gerät. Die Behandlungszimmer sind 7 Tage in der Woche, 24 Stunden pro Tag durch Ärzte mit jus practicandi (Allgemeinmediziner AM) besetzt. Das Leistungsspektrum entspricht dem eines niedergelassenen AM (eine Mitgabe von Medikamenten, bzw. das Ausstellen eines Kassenrezeptes, sowie ein „Krankschreiben“ ist NICHT möglich!). Zur Diagnostik können radiologische und labortechnische Dienstleistungen angefordert werden. Sollte für die Entscheidung ambulant statt stationär ein Facharzt-Konsil nötig sein, kann der AM eines anfordern. Verantwortlich für die Entlassung ist der behandelnde AM. Er muss den Akt schließen. Dazu muss eine vollständige Dokumentation vorhanden sein, die auch eine Diagnosen- und Leistungsdokumentation nach standardisierten Katalogen (ICD10 und Katalog ambulanter Leistungen) enthält.

  Weiterlesen „Nutzen einer elektronischen Patientenakte (ELGA)“

Die Gesundheitsziele sind da! – Was ist da?

Ziele haben die (un)angenehmen Eigenschaft, dass man sowohl Effektivität (also den Grad der Zielerreichung) als auch Effizienz (wie viel hat es gekostet, das Ziel zu erreichen) an ihnen messen kann. Aber genau das ist  bei uns politisch nicht gewünscht.

 

Trotzdem wurde vor einem Jahr der Prozess gestartet, Gesundheitsziele zu entwickeln. Und, der Anfang war vielversprechend, wie die Informationsreste auf der eigens eingerichteten Homepage  zeigen. Jetzt wurde das Ergebnis abgeliefert und es ist (erwartbar) ernüchternd.

10 Ziele sollten es sein und sind es geworden. Manches klingt (!) gut, manches aber so als ob man unbedingt auf 10 kommen wollte!

Was soll man beispielsweise unter Ziel 5 „Durch sozialen Zusammenhalt die Gesundheit stärken“ verstehen? Selbst die erläuternden Sätze dazu bieten nichts Konkretes, Messbares, Anzuvisierendes.

Oder wie soll Ziel 8 –„Gesunde und sichere Bewegung im Alltag durch entsprechende Gestaltung der Lebenswelten fördern“ realisiert werden? Werden da die Lagerbestände der ISCH-Pickerl („Kampf dem inneren Schweinehund“-Kampagne von BM a.D. Maria Rauch-Kallat 2003) die das Stiegensteigen statt Liftfahren empfohlen haben, weiterverwertet? Immerhin hat der jetzige Minister ja auch wieder empfohlen Stiegen statt Aufzug zu verwenden! Und wird die Zielerreichung daran gemessen, ob die Lagebestände dann endlich leer sind?

 

 

 

Hier ein paar archäologische links zum iSch: ein NEWS-Artikel, die extra eingerichtete Homepage (was der wohl bezahlt hat, dem sie jetzt gehört, und an wen?)  und im ausführlichen Kontext des damaligen Gesundheitsreform-Vorhaben als Interview.

 

Und besonders witzig, das offenbar informelle „Oberziel“: „Die zehn definierten Rahmen-Gesundheitsziele sind ein wichtiger erster Schritt in Richtung einer gemeinsamen Strategie „Gesundheit für alle“ (Anm.: ein WHO-Ziel seit den 1970ern!). Die Rahmen-Gesundheitsziele sollen konkret dazu beitragen, dass in den nächsten zwanzig Jahren die in Gesundheit verbrachten Lebensjahre im Durchschnitt um zwei Jahre steigen.“ (Anm.: die Wirtschaftskammer  wollte eigentlich 5 Jahre bis 2020 – die sind wohl rausverhandelt worden!)

Einmal abgesehen, dass Ziele der Strategie folgen sollen und nicht umgekehrt, liegen wir international mit diesem Parameter so weit hinten (wohl etwa 6 Jahre!), dass vermutlich alleine die zu erwartende steigende Lebenserwartung dazu führen wird, dass dieses „Ziel“ erreicht wird  –ganz ohne weiterer Anstrengungen. 

 

 

Das was da also verkauft wird, ist ziemlich weich und erinnert eher an „gute Vorsätze“. Das werden sie wohl auch bleiben, selbst wenn jetzt versprochen wird, konkrete Schritte zu erarbeiten. Aber echte, erreichbare oder wenigstens anzustrebende Ziele hätten es wohl gar nicht werden sollen.

Wir hatte ja schon früher und viel besser definierte Ziele nicht eingehalten: z.B. wurden 1989 folgende Ziele für Diabetiker vereinbart und „versprochen“, bis 1994 zu erreichen: (1) Verminderung neuer diabetesbedingter Erblindungen um ein Drittel oder mehr. (2) Verringerung neu auftretenden terminalen Nierenversagens wegen Diabetes um mindestens ein Drittel. (3) Senkung der Zahl von Amputationen aufgrund diabetesbedingter Gangrän um mindestens die Hälfte. (4) Verminderung der Morbidität und Mortalität bei koronarer Herzerkrankung von Diabetikern mittels intensiver Programme zur Verringerung der Risikofaktoren. (5) Normaler Schwangerschaftsverlauf bei Frauen mit Diabetes – Umgesetzt wurde nichts, wie ein ministerieller Evaluierungsbericht aus dem Jahre 2005 gezeigt hat!

Es gibt zwei wesentliche Gründe, warum, Österreich mit „Gesundheitszielen“ Probleme hat.

Auf der einen Seite ist es der steigende Populismus. Das Aufstellen von real erreichbaren Zielen („allen alles auf allerhöchstem Niveau“ zu bieten, ist kein Ziel!), bedeutet Priorisierungen vornehmen zu müssen. Man kann nicht alles gleichzeitig angehen! Aber Priorisierung würde Wählerstimmern kosten, weil halt nicht alle die oberste Priorität erhalten werden.

Auf der anderen Seite ist es die Verteilung der Kompetenzen. Denn wer ist verantwortlich für die Erreichung von Zielen? Solange keine klare Kompetenzverteilung – die eine echte Gesundheitsreform verlangte – existiert, wird man Ziele zwar formulieren, aber nicht erreichen können. Denn nur wenn es klare Verantwortlichkeiten (nicht nur Zuständigkeiten) gibt, kann ein zielorientierter Prozess, der ja viele strukturelle Schnittstellen überwinden muss, auch zum Ziel führen.  Ein Blick in die „Experten“ der jetzigen Gesundheitsziele zeigt DIESES Problem deutlich. Statt dort Namen von Wissenschaftern zu finden, oder überhaupt Namen, finden wir eine endlose Liste von politischen Institutionen – von den Kammern bis zu ORganiationen, die ich nicht einmal kenne wie BAG freie Wohlfahrt oder AKS Austria. Wie sollen diese sich auf was Konkretes einigen? Wer soll da Prozess- und Ergebnisverantwortung übernehmen?

Trotzdem werden jetzt sicher „konkrete nächste Schritte“ folgen, die bei den nächsten Wahlen sehr gut in die Wahlkampfstrategie passen – die ersten sind ja bereits erfolgt, mit dem NAP Bewegung, der natürlich neben hübschen Veranstaltungen auch wieder eine eigene Homepage  hat. Nach den Wahlen, da bin ich sicher wird alles wieder einschlafen – bis die nächsten Wahlen kommen und alles von vorne beginnt.

 

Der EHCI 2012 oder die Beliebigkeit der Gesundheitspolitik

Warum interessiert der Euro Health Consumer Index (EHCI) 2012 niemanden? Weil er keine guten Nachrichten bringt?

 „Österreich absolviert einen Sturzflug auf der Rangliste des Euro Health Consumer Index (EHCI) 2012  […]. Österreich erhielt 737 Punkte und fällt damit von Rang 4 (2009) (Anm:. 2007 Rang 1) auf Rang 11. […] Österreich stellt seine Ärzte noch immer höher als seine Patienten. Das System ist weder transparent noch benutzerfreundlich. Österreich zeigt überraschende Schwächen bei grundlegenden öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen wie Kinderimpfungen oder Mammographien. Die Diagnosen sind mittelmäßig. Die Inanspruchnahme von E-Health erfolgt nur langsam und das kann die Patientensicherheit und -transparenz gefährden. […] Der Leistungseinbruch im Gesundheitssystem ist alarmierend und Brüssel sollte sich, in Anbetracht der Tatsache, dass sich die EU die Reduzierung der Lücken im Gesundheitssystem zum Ziel gesetzt hat, darüber Gedanken machen!“

Schmeichelhaft sind sie nicht die Aussagen, die im EHCI 2012 stehen. Und vielleicht gerade deswegen reagiert absolut niemand auf diesen jetzigen Bericht.

Beim EHCI 2007als wir erster wurden, war das ganz anders. Da überschlugen sich Politiker aller Ebenen und Institutionen im Lob unseres „weltbesten Gesundheitssystems“. Vor allem die Ärztekammer fiel da mit euphorischen Aussagen auf, wohl um jegliche Reformbestrebungen abzuwürgen – denn das Beste kann eben nicht wirklich verbessert werden:

Nun, damals war der EHCI schon kein Maßstab für die Systemqualität und er ist es heute auch nicht. Es gab zwar methodisch massiv Verbesserungen, aber der Index bleibt unsicher. Das betonen auch die Autoren dieses Werkes immer wieder. Sie wollen gar nicht wissenschaftlich sein. Der Index will Anregung zur Verbesserung liefern, keine rigide Messschnur darstellen – Eine  Botschaft, die bei uns nie angekommen ist!

Schon wie 2007 (und Folgejahren) sind selbst bei oberflächlicher Analyse auch die Bewertungen des EHCI 2012 oft nicht haltbar. So gibt es beispielsweise weiters kein „Recht auf eine Zweit-Meinung“, obwohl es (wieder einmal) behauptet wird.

Ohne auf Details einzugehen, auch 2012 sind viele Angaben falsch, und wie bereits seit jeher, besonders dort, wo sich die Autoren nicht auf Daten sonder auf Befragungen von Akteuren der Szene verlassen müssen. Eine Neubewertung, die auf Fakten und nicht politischen Wunschvorstellungen beruht, ließe uns gar auf Platz 17 (nach Deutschland, Tschechien und Slovakei) zurückfallen, sofern die anderen nicht ebenso schöngefärbt und geflunkert haben wie wir. Soweit ich aber die Szene kenne, ist das Gesundbeten um jeden Preis eher ein Österreich-Spezifikum.

Aber, um das geht es ja gar nicht. Es geht darum, dass unsere Politik nur mehr Jubelmeldungen haben will! Kritik, wird ignoriert. Die Kritikkompetenz der Gesundheitspolitiker tendiert gegen null. Genaugenommen ist sie wohl dort schon angekommen. Aber ohne Kritikkompetenz ist die Gestaltung der Zukunft nicht möglich. Und es scheint, als hat der Gestaltungswille dem reinen Machtwillen der Akteure das Feld endgültig überlassen.

Abo-Literatursevice: Euro Health Consumer Index 2012

„Österreich absolviert einen Sturzflug auf der Rangliste des Euro Health Consumer Index (EHCI) 2012 […]. Österreich erhielt 737 Punkte und fällt damit von Rang 4 (2009) (Anm:. 2007 Rang 1) auf Rang 11. […] Österreich stellt seine Ärzte noch immer höher als seine Patienten. Das System ist weder transparent noch benutzerfreundlich. Österreich zeigt überraschende Schwächen bei grundlegenden öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen wie Kinderimpfungen oder Mammographien. Die Diagnosen sind mittelmäßig. Die Inanspruchnahme von E-Health erfolgt nur langsam und das kann die Patientensicherheit und -transparenz gefährden. […] Der Leistungseinbruch im Gesundheitssystem ist alarmierend und Brüssel sollte sich, in Anbetracht der Tatsache, dass sich die EU die Reduzierung der Lücken im Gesundheitssystem zum Ziel gesetzt hat, darüber Gedanken machen!“

Schmeichelhaft sind sie nicht die Aussagen, die im EHCI 2012 stehen. Und vielleicht gerade deswegen reagiert absolut niemand auf diesen jetzigen Bericht.

Enthalten sind alle Unterlagen des EHCI 2012, wie sie auch hier runtergeladen werden können, sowie eine kritische Analyse.

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