Pro oder Contra ELGA – eine ausführliche politische Würdigung

(11 Min. Le­se­zeit) Alle In­for­ma­tio­nen zu haben, um einen Fall rich­tig ein­zu­schät­zen und die pas­sen­de The­ra­pie zu fin­den, das soll­te doch außer Streit zu stel­len sein. Und trotz­dem dau­ert die ELGA- Dis­kus­si­on nun schon so viele Jahre. Und ir­gend­wie will sie ein­fach nicht auf­hö­ren – be­rech­tigt? Ich je­den­falls bin hin und her ge­ris­sen.

Wei­ter­le­sen „Pro oder Con­tra ELGA – eine aus­führ­li­che po­li­ti­sche Wür­di­gung“

Verantwortungs- und folgenlose Gesundheitspolitik

1969, also vor 44 Jah­ren, hat die WHO kri­ti­siert, dass unser Ge­sund­heits­sys­tem zu wenig „zen­tra­lis­tisch“ ist. Die Bun­des­re­gie­rung, deren Amts­sitz sich in Wien be­fin­det und daher sogar von Re­gie­rungs­mit­glie­dern, wenn sie aus an­de­ren Bun­des­län­dern kom­men, gerne als „die Wie­ner“ ti­tu­liert wird,  hat keine Mög­lich­keit, in die Spi­tals­land­schaft ein­zu­grei­fen, damit Spi­tä­ler Teil eines um­fas­sen­den Pla­nes der Ge­sund­heits­pfle­ge wer­den  – mit will­kür­li­chen und der Qua­li­tät ab­träg­li­chen Fol­gen. Das Spi­tals­pro­blem ist also alles an­de­re als neu oder un­be­kannt.

Seit­her wurde enorm viel un­ter­nom­men, um diese Will­kür ein­zu­fan­gen.

Wei­ter­le­sen „Ver­ant­wor­tungs- und fol­gen­lo­se Ge­sund­heits­po­li­tik“

Analyse – Der Bundes-Zielsteuerungsvertrag

Er­staun­lich, aber die Ge­sund­heits­re­form wurde so oft ver­kün­det, dass der ei­gent­li­che Akt der Re­form, also der Be­schluss des Bun­des-Ziel­steu­e­re­rungs­ver­trags (B-ZV) kaum mehr dis­ku­tiert wird.

Viel­leicht lang­weilt es die Me­di­en, stän­dig das Glei­che brin­gen zu müs­sen; denn schließ­lich hat die Re­gie­rung diese Re­form al­lei­ne 2013 be­reits 5 mal unter Jubel prä­sen­tiert. Al­ter­na­tiv denk­bar ist, dass es un­end­lich viele ge­hei­me Ne­ben­ab­spra­chen unter „Freun­den“ gibt, so­dass keine Dis­kus­si­on nötig ist, also alle Ak­teu­re mehr oder we­ni­ger zu­frie­den ge­stellt wur­den. Aber viel­leicht ist der ganze B-ZV auch nur nichts­sa­gend.

Nun, auf den ers­ten Blick scheint letz­te­res nicht der Fall zu sein. Der Ver­trag zwi­schen Bund, Län­dern und So­zi­al­ver­si­che­run­gen ent­hält, neben der üb­li­chen Selbst­be­weih­räu­che­rung, neue und gute Ma­nage­men­tin­stru­men­te – ein Ver­dienst der Kas­sen?

Wenn man die Ziel- und Maß­nah­men­ka­ta­lo­ge der Ka­pi­tel 6, 7 und 8 an­sieht, dann ist man ob der Klar­heit rich­tig er­staunt. Trans­pa­rent wer­den stra­te­gi­sche und ope­ra­ti­ve Ziele ge­nannt, Maß­nah­men, Mess­grö­ßen und Zeit­ach­sen vor­ge­ge­ben. Aber dann kommt das große ABER.

Denn rea­li­ter sind diese Ka­pi­tel nur eine De­tail­lie­rung der 15a-Ver­ein­ba­rung, eine echte Kon­kre­ti­sie­rung fin­det man nicht. Im Ge­gen­teil, in vie­len, vor allem heik­len The­men, ist die 15a-Ver­ein­ba­rung sogar kon­kre­ter und fin­det im B-ZV keine Ent­spre­chung; z.B. ist die Ver­öf­fent­li­chungs­pflicht von Mo­ni­to­ring­be­rich­ten– Ab­schnitt 7 d. 15a – im B-ZV nicht mehr be­schrie­ben. Man kann also wie­der ein­mal nur hof­fen, dass die Trans­pa­renz nicht wie immer auf dem Weg zur Re­form ver­schwin­det. Und die we­ni­gen An­sät­ze des B-ZV, die kon­kret sind, lie­fern alles an­de­re als An­lass zu Hoff­nung.

Ein Bei­spiel:

Wei­ter­le­sen „Ana­ly­se – Der Bun­des-Ziel­steue­rungs­ver­trag“

Das Hausärztesterben, Alois Stöger und die jungärztliche Ausbildungsreform

Weil der Lohn der Tur­nus­ärz­te pro ge­leis­te­ter Ar­beits­stun­de unter der einer di­plo­mier­ten Pfle­ge­kraft liegt, kommt kein Spi­tal mehr ohne sie aus – ohne Tur­nus­ärz­te müss­ten Spi­tä­ler ge­schlos­sen, oder aber das oh­ne­hin teu­ers­te Spi­tals­we­sen Eu­ro­pas noch teu­rer wer­den. Keine sehr at­trak­ti­ven Al­ter­na­ti­ven für Lan­des­po­li­ti­ker.

Gleich­zeit, und das wird gerne ver­ges­sen, sind Tur­nus­ärz­te aber der Nach­wuchs für Haus­ärz­te. Sie soll­ten im Tur­nus pri­mär aus­ge­bil­det wer­den und nicht ar­bei­ten. Aber, wie alle wis­sen, pas­siert das immer we­ni­ger. Statt aus­ge­bil­det zu wer­den, wer­den sie als Sys­te­mer­hal­ter her­an­ge­zo­gen, wes­we­gen immer we­ni­ger nach ihrer „Aus­bil­dungs­zeit“ im Spi­tal in eine Haus­arz­t­or­di­na­ti­on wech­seln. In Vor­arl­berg wurde bei­spiels­wei­se ge­ra­de ab­ge­fragt, wer denn nach dem Tur­nus Haus­arzt wer­den will – das Er­geb­nis: 82% wol­len NICHT.

Warum will kei­ner Haus­arzt wer­den? Und: Warum ma­chen trotz­dem alle den Tur­nus?

Wei­ter­le­sen „Das Haus­ärz­tes­ter­ben, Alois Stö­ger und die jung­ärzt­li­che Aus­bil­dungs­re­form“

Die Konkretisierung der Gesundheitsreform – Herzschwäche (Herzinsuffizienz)

Durch die Re­form soll die In­sti­tu­tio­nen­ori­en­tie­rung (Spi­tals­stand­or­te und Kas­sen­plan­stel­len) zu­guns­ten einer in­te­grier­ten Ver­sor­gung über­wun­den wer­den: Pa­ti­en­ten sol­len zur rich­ti­gen Zeit an der rich­ti­gen Stel­le– ge­nannt: „Best Point of Ser­vice“- be­han­delt wer­den. Wo das ist, wird nicht de­kre­tiert, son­dern ist de­zen­tral, auf Ebene der Ver­sor­gungs­re­gio­nen des ÖSG – davon gibt es 32 – fest­zu­le­gen.

Die am­bu­lan­te Ver­sor­gung ist der sta­tio­nä­ren vor­zu­zie­hen– das be­deu­tet, dass die am­bu­lan­te Ver­sor­gung durch Spi­tals­am­bu­lan­zen und Kas­sen(fach)ärzte be­darfs­ori­en­tiert auf-, aus- und um­ge­baut wird. Grup­pen­pra­xen wer­den dabei eine wich­ti­ge Rolle spie­len. So soll auf Sicht eine fach­ärzt­li­che Ver­sor­gung ge­währ­leis­tet wer­den, die nicht nur Bal­lungs­räu­me be­vor­zugt. An den Abbau von Haus­ärz­ten denkt de­fi­ni­tiv nie­mand –im Ge­gen­teil.

Zen­tral wer­den Rah­men­zie­le auf­ge­stellt, an­hand derer der Auf­bau der in­te­grier­ten Ver­sor­gung ge­mes­sen wer­den kann. De­zen­tral – also in den 32 Ver­sor­gungs­re­gio­nen – sind diese unter Be­rück­sich­ti­gung der re­gio­na­len und spe­zi­fi­schen Be­son­der­hei­ten zu kon­kre­ti­sie­ren. Es sind keine „zen­tra­lis­ti­schen“ Dik­ta­te, an­ge­dacht, son­dern pra­xis- bzw. wir­kungs­ori­en­tier­te Rah­men­vor­ga­ben.

Die Re­form klingt abs­trakt! Stimmt – und wie könn­te das kon­kret aus­se­hen? (aber wird es wohl nicht, be­trach­tet man die Fort­schrit­te der Ver­hand­lun­gen)

 

Be­trach­ten wir Pa­ti­en­ten mit Herz­in­suf­fi­zi­enz

Wei­ter­le­sen „Die Kon­kre­ti­sie­rung der Ge­sund­heits­re­form – Herz­schwä­che (Herz­in­suf­fi­zi­enz)“

Konkretisierung der Gesundheitsreform – COPD

Durch die Re­form soll die In­sti­tu­tio­nen­ori­en­tie­rung (Spi­tals­stand­or­te und Kas­sen­plan­stel­len) zu­guns­ten einer in­te­grier­ten Ver­sor­gung über­wun­den wer­den: Pa­ti­en­ten sol­len zur rich­ti­gen Zeit an der rich­ti­gen Stel­le– ge­nannt: „Best Point of Ser­vice“- be­han­delt wer­den. Wo das ist, wird nicht de­kre­tiert, son­dern ist de­zen­tral, auf Ebene der Ver­sor­gungs­re­gio­nen des ÖSG – davon gibt es 32 – fest­zu­le­gen.

Die am­bu­lan­te Ver­sor­gung ist der sta­tio­nä­ren vor­zu­zie­hen– das be­deu­tet, dass die am­bu­lan­te Ver­sor­gung durch Spi­tals­am­bu­lan­zen und Kas­sen(fach)ärzte be­darfs­ori­en­tiert auf-, aus- und um­ge­baut wird. Grup­pen­pra­xen wer­den dabei eine wich­ti­ge Rolle spie­len. So soll auf Sicht eine fach­ärzt­li­che Ver­sor­gung ge­währ­leis­tet wer­den, die nicht nur Bal­lungs­räu­me be­vor­zugt. An den Abbau von Haus­ärz­ten denkt de­fi­ni­tiv nie­mand –im Ge­gen­teil.

Zen­tral wer­den Rah­men­zie­le auf­ge­stellt, an­hand derer der Auf­bau der in­te­grier­ten Ver­sor­gung ge­mes­sen wer­den kann. De­zen­tral – also in den 32 Ver­sor­gungs­re­gio­nen – sind diese unter Be­rück­sich­ti­gung der re­gio­na­len und spe­zi­fi­schen Be­son­der­hei­ten zu kon­kre­ti­sie­ren. Es sind keine „zen­tra­lis­ti­schen“ Dik­ta­te, an­ge­dacht, son­dern pra­xis- bzw. wir­kungs­ori­en­tier­te Rah­men­vor­ga­ben.

Die Re­form klingt abs­trakt! Stimmt – und wie könn­te das kon­kret aus­se­hen?

Be­trach­ten wir Pa­ti­en­ten mit COPD

Wei­ter­le­sen „Kon­kre­ti­sie­rung der Ge­sund­heits­re­form – COPD“

Konkretisierung der Gesundheitsreform – chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Durch die Re­form soll die In­sti­tu­tio­nen­ori­en­tie­rung (Spi­tals­stand­or­te und Kas­sen­plan­stel­len) zu­guns­ten einer in­te­grier­ten Ver­sor­gung über­wun­den wer­den: Pa­ti­en­ten sol­len zur rich­ti­gen Zeit an der rich­ti­gen Stel­le– ge­nannt: „Best Point of Ser­vice“- be­han­delt wer­den. Wo das ist, wird nicht de­kre­tiert, son­dern ist de­zen­tral, auf Ebene der Ver­sor­gungs­re­gio­nen des ÖSG – davon gibt es 32 – fest­zu­le­gen.

Die am­bu­lan­te Ver­sor­gung ist der sta­tio­nä­ren vor­zu­zie­hen– das be­deu­tet, dass die am­bu­lan­te Ver­sor­gung durch Spi­tals­am­bu­lan­zen und Kas­sen(fach)ärzte be­darfs­ori­en­tiert auf-, aus- und um­ge­baut wird. Grup­pen­pra­xen wer­den dabei eine wich­ti­ge Rolle spie­len. So soll auf Sicht eine fach­ärzt­li­che Ver­sor­gung ge­währ­leis­tet wer­den, die nicht nur Bal­lungs­räu­me be­vor­zugt. An den Abbau von Haus­ärz­ten denkt de­fi­ni­tiv nie­mand –im Ge­gen­teil.

Zen­tral wer­den Rah­men­zie­le auf­ge­stellt, an­hand derer der Auf­bau der in­te­grier­ten Ver­sor­gung ge­mes­sen wer­den kann. De­zen­tral – also in den 32 Ver­sor­gungs­re­gio­nen – sind diese unter Be­rück­sich­ti­gung der re­gio­na­len und spe­zi­fi­schen Be­son­der­hei­ten zu kon­kre­ti­sie­ren. Es sind keine „zen­tra­lis­ti­schen“ Dik­ta­te, an­ge­dacht, son­dern pra­xis- bzw. wir­kungs­ori­en­tier­te Rah­men­vor­ga­ben.

Die Re­form klingt abs­trakt! Stimmt – und wie könn­te das kon­kret aus­se­hen?

Be­trach­ten wir Pa­ti­en­ten mit chro­nisch ent­zünd­li­chen Darm­er­kran­kun­gen (CED)

Wei­ter­le­sen „Kon­kre­ti­sie­rung der Ge­sund­heits­re­form – chro­nisch ent­zünd­li­che Darm­er­kran­kun­gen“

Ich bin völlig verwirrt – die Kassensanierung

Man wird nicht recht schlau: Sind die Kas­sen nun sa­niert? ist die Ge­sund­heits­re­form eine Re­form oder nicht? spart sie das Sys­tem zu Tode, oder wird sie zu mehr Kos­ten füh­ren?

Man sagt, zwi­schen 2010 und 2013 haben die Kas­sen um 2,671 Mrd. Euro we­ni­ger aus­ge­ge­ben als sie selbst pro­gnos­ti­ziert hät­ten; das sind gleich 946 Mio. Euro mehr an we­ni­ger, als mit der Re­gie­rung ver­ein­bart. Zudem sind die Kas­sen jetzt fast Schul­den­frei.

Je­doch wird auch ver­mel­det, dass die Ge­ba­rungs­er­geb­nis­se vie­ler Kran­ken­kas­sen ohne au­ßer­or­dent­li­che Steu­er-Ge­schen­ke wei­ter­hin tief rot sind, also die or­dent­li­chen Bei­trags­ein­nah­men bei wei­tem nicht die Aus­ga­ben de­cken (An­ga­ben in Mio.​Euro: Wien -90,3 Kärn­ten: -35,9; Stei­er­mark: -15,8; Bur­gen­land: -10,0; Tirol: -3,5). Die Ärz­te­kam­mer (Vi­ze­prä­si­dent Dr. J. Stein­hart) nennt, die Sa­nie­rung der Kas­sen sogar eine „an­geb­li­che“ und spricht, von einem „Pro­pa­gan­datrick“.

Al­ler­dings erst seit kur­zem. Denn die glei­che Kam­mer be­ton­te zwei Jahre lang, dass es vor allem die Leis­tung der Kas­sen­ärz­te ge­we­sen sei (mo­dera­te Ho­no­rar­for­de­run­gen und strengs­te Dis­zi­plin bei der Ver­schrei­bung der Me­di­ka­men­te), die diese Sa­nie­rung er­mög­lich­te! Was war da jetzt die Leis­tung, wenn das alles doch nur Pro­pa­gan­da war? Und warum ist seit Mon­tag doch wie­der zu hören, dass die Sa­nie­rung ge­glückt und „genug ge­spart“ sei –  die Kas­sen daher ge­fäl­ligst wie­der mehr für Kas­sen­ärz­te aus­ge­ben sol­len.

Und dann ist da der Rech­nungs­hof, der hef­ti­ge und von der Ärz­te­kam­mer ge­teil­te Kri­tik an der Ge­sund­heits­re­form übt.

Da wird ein­mal kri­ti­siert, dass es zu kei­ner Kom­pe­tenz­ber­ei­ni­gung kommt. Das stimmt, aber eine sol­che Kom­pe­tenz­ber­ei­ni­gung – Stich­wort: Fi­nan­zie­rung aus einer Hand – ist nur über eine Ver­fas­sungs­re­form mög­lich, und diese wie­der­um be­nö­tigt eine zwei Drit­tel-Mehr­heit. Es ist schon sehr frag­lich, ob wir mit einer Re­form wirk­lich war­ten soll­ten, bis eine sol­che wie­der ein­mal in Re­gie­rungs­hän­den liegt. Und weil die Schöp­fer der Re­form eben nicht war­ten woll­ten, haben sie sich der alten So­zi­al­part­ner­re­gel „Ver­trag vor Ge­setz“ be­dient. Es mag dem Rech­nungs­hof und li­be­ral den­ken­den Men­schen nicht ge­fal­len, dass Pflicht­kam­mern über Ver­trä­ge den Staat aus­he­beln kön­nen, aber dass ge­ra­de die Ärz­te­kam­mer sich in ihrer Kri­tik be­stärkt sieht, ver­wun­dert, ist ihr „Ver­trag vor Ge­setz“ doch be­son­ders hei­lig- Stich­wort: Kas­sen­ver­trag statt „Staats­me­di­zin

Doch auch ein an­de­rer Punkt er­staunt.

Da meint der RH, die Re­form ist in ihren Spar­zie­len alles an­de­re als am­bi­tio­niert, weil das er­laub­te Aus­ga­ben­wachs­tum pro Jahr höher liegt, als die Wachs­tums­ra­ten der letz­ten Jahre, ja sogar über den Pro­gno­sen des Haupt­ver­ban­des; die Re­form also eine Kos­ten­stei­ge­rung und keine Kos­ten­dämp­fung ver­spricht. Auch in die­sem Punkt fühlt sich die Ärz­te­kam­mer merk­wür­di­ger­wei­se be­stä­tigt, ob­wohl sie seit Mo­na­ten her­um­läuft und, er­klärt, die ge­plan­te Re­form sei eine Ka­putt-Spar-Re­form, die sage und schrei­be elf Mrd. Euro ein­spa­ren soll.

Sehr ver­wir­rend das alles.

Ach, was würde ich darum geben, wenn sich die Ärz­te­kam­mer­funk­tio­nä­re auf den Ho­sen­bo­den setz­ten und über kon­kre­te Ver­sor­gungs­zie­le und kon­kre­te Ver­sor­gungs­stan­dards kon­kre­ter Pa­ti­en­ten­grup­pen nach­däch­ten (sol­che sol­len näm­lich am 30. Juni be­schlos­sen wer­den), statt bei Zah­len­spiel­chen mit­zu­ma­chen, die oh­ne­hin kei­nen kon­kre­ten Pa­ti­en­ten in­ter­es­sie­ren.

 

 

In leicht ab­ge­wan­del­ter Form er­schie­nen in der Wie­ner Zei­tung 18.04.2013

kurzsichtig und verantwortungslos

Dr. J. Stein­hart, Ober­arzt, Ge­schäfts­füh­rer und ärzt­li­cher Di­rek­tor eines Wie­ner Spi­tals, Kas­sen(Fach)Arzt, Vi­ze­prä­si­dent der Ös­ter­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer Vi­ze­prä­si­dent der Wie­ner  Ärz­te­kam­mer und als Ku­ri­en­ob­mann der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte in der Ös­ter­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer  deut­lich mäch­ti­ger als seine Prä­si­den­ten Artur Wech­sel­ber­ger (ÖÄK) und Tho­mas Sze­ke­res (ÄK für Wien) hat eine Mis­si­on:

Er will klar ma­chen, dass die „Kran­ken­kas­se kurz­sich­tig und ver­ant­wor­tungs­los“ agiert, weil es in Wien zu we­ni­ge Kas­sen­ärz­te gibt.

Und um das zu be­le­gen, wer­den ein „Groß­stadt­fak­tor“ und ein „deut­sches Ver­sor­gungs­kon­zept“ her­an­ge­zo­gen.

Be­haup­tet wird, in Wien kom­men auf einen Haus­arzt 2170 Pa­ti­en­ten, das deut­sche Kon­zept sieht hin­ge­gen le­dig­lich 1671 vor. Rea­li­ter geht es wohl um Ein­woh­ner­zah­len pro Arzt und nicht wie be­haup­tet, um Pa­ti­en­ten pro Arzt – naja, mit sol­chen De­tails be­schäf­ti­gen sich nur Klein­geis­ter. Aber es stimmt, die an­ge­streb­te Haus­ärz­te­dich­te, ge­mes­sen an Ärz­ten pro Ein­woh­ner ist in Deutsch­land höher –warum? Weil es dort Haus­arzt­mo­del­le gibt. In sol­chen Mo­del­len müs­sen sich Pa­ti­en­ten bei einem Haus­arzt ein­schrei­ben und sich ver­pflich­ten, die­sen, vor einem Fach­arzt­be­such auf­zu­su­chen. Da­durch wer­den viele Pa­ti­en­ten ganz ohne Fach­arzt­be­such ge­sund.

Sol­che „Gate­ke­eping“-Mo­del­le, die mehr Haus­ärz­te er­for­dern, wer­den sei­tens der Ärz­te­kam­mer ka­te­go­risch ab­ge­lehnt – denn die „freie (Fach)Arzt­wahl“ ist uns (ihnen) hei­lig.

(Stein­hart ver­gleicht das ganze Pro­ce­de­re rund um die Ge­sund­heits­re­form gar mit einem „bi­bli­schen De­sas­ter“ und lis­tet sie­ben Tot­sün­den der ös­ter­rei­chi­schen Ge­sund­heits­po­li­tik auf, zwei davon be­zie­hen sich auf die freie Arzt­wahl: 2) Zer­stö­rung […] der frei­en Arzt­wahl – eine Zen­tra­li­sie­rung à la Po­ly­kli­ni­ken in der DDR drohe; 3) das Nie­der­kämp­fen der frei­en Arzt­wahl – ge­meint ist al­ler­dings nur, dass der Ge­samt­ver­trag hin­künf­tig auch mit den Län­dern ab­ge­stimmt sein muss, daher die Macht der Kam­mer schwin­det)

Doch zu­rück zum Thema: Wei­ters wird sei­tens der Kurie der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte be­haup­tet, HNO-Ärz­te be­treu­en in Wien um 73 Pro­zent, Kin­der­ärz­te um 60 Pro­zent und Au­gen­ärz­te um 40 Pro­zent mehr Pa­ti­en­ten als es laut dem deut­schen Ver­sor­gungs­kon­zept ideal ist.

Ge­nau­er wird nicht dar­auf ein­ge­gan­gen – ver­ständ­lich. Denn ver­mut­lich sind es wie­der nicht Pa­ti­en­ten, son­dern Ein­woh­ner pro Arzt, um die es hier geht. Und was tun­lichst ver­schwie­gen wird ist, dass es in Deutsch­land so gut wie keine Spi­tals­am­bu­lan­zen gibt. Es ist daher klar, dass es dort au­ßer­halb der Spi­tä­ler mehr Fach­ärz­te geben muss, wäh­rend bei uns eben die freie Arzt­wahl den Pa­ti­en­ten auch er­laubt di­rekt und ohne Zu­wei­sung in eine Spi­tals­am­bu­lanz zu gehen. Und was es in Deutsch­land auch nicht gibt, sind Wahl­ärz­te, die ja neben den Kas­sen­ärz­ten auch nicht un­tä­tig her­um­sit­zen. Tja, aber mit den Wahl­ärz­ten  hat es die Kam­mer nicht so – aus ihrer Tä­tig­keit lässt sich keine po­li­ti­sche Macht ab­lei­ten – daher un­in­ter­es­sant; das gilt im Üb­ri­gen auch für an­ge­stell­te Ärzte.

Und der Groß­stadt­fak­tor? Nun, da ja mit Pa­ti­en­ten ar­gu­men­tiert wird (War­te­zei­ten!), schau­en wir uns an, wie viele Ärzte in Wien im Ver­gleich zu Ös­ter­reich be­reit­ste­hen.

Zählt man alle am­bu­lant tä­ti­gen Ärzte (lt. ÖSG Pla­nungs­ma­tix), also auch die in den Spi­tals­am­bu­lan­zen, kommt in Wien auf 10.00 Ein­woh­ner ein Kin­der­arzt, Ös­ter­reich­weit gibt es einen auf 18.000; in der HNO ist das Ver­hält­nis Fach­arzt / Pa­ti­en­ten in Wien 1:16.000 – Ös­ter­reich­weit  1:27.000; Augen: Wien: 1:12.000 – Ös­ter­reich 1:18.000. Also, der Groß­stadt­fak­tor muss ge­wal­tig sein, wenn das nicht reicht!  Mal ab­ge­se­hen, dass es die­sen Fak­tor nur in Ös­ter­reich als Pla­nungs­grö­ße gibt.

Dass Wien mehr Kas­sen­stel­len hat als an­de­re Bun­des­län­der hat üb­ri­gens gar nichts mit Ver­sor­gungs­be­darf oder Pa­ti­en­ten zu tun, son­der ist aus­schließ­lich his­to­risch be­grün­det. Als die Ärz­te­kam­mer 1948 mit­tels Be­set­zung des Ha­nu­sch­kran­ken­hau­ses die Re­gie­rung ge­zwun­gen hat, Plan­stel­len fix in das ASVG  und den Ge­samt­ver­trag auf­zu­neh­men, hatte Wien die höchs­te Ärz­te­dich­te (wie heute haben große Bal­lungs­räu­me eine hohe At­trak­ti­vi­tät für Ärzte). Da­mals wur­den ein­fach alle prak­ti­zie­ren­den Ärzte über­nom­men – that is it!.  Und als sehr viel spä­ter die an­de­ren Bun­des­län­der müde wur­den, über einen Aus­gleich­stopf die De­fi­zi­te der Wie­ner Ge­biets­kran­ken­kas­se mit zu tra­gen, wurde der My­thos des Groß­stadt­fak­tors ge­bo­ren – und lebt bis heute!

 

Je­den­falls, an Ärz­ten man­gelt es nicht, aber, es man­gelt an ver­bind­li­chen Re­geln, was ein Kas­sen­arzt ar­bei­ten muss.

Hat ein Arzt einen Kas­sen­ver­trag, kann er aus dem Kas­sen-Ho­no­rar­ka­ta­log an­bie­ten was er will. Es be­steht keine Mög­lich­keit ver­bind­lich vor­zu­schrei­ben, was er zu tun hat. Die Folge ist, dass ver­mut­lich viele (aber Gott sei dank bei wei­tem nicht alle!) ein­fach nur das tun, was Spaß macht und Geld bringt – und alles an­de­re über­lässt man dann gerne der Spi­tals­am­bu­lanz. Soll­te ein Haut­arzt keine Warze ent­fer­nen wol­len, wird er den Pa­ti­en­ten ins Spi­tal über­wei­sen, daran kann ihn nie­mand hin­dern – und so braucht man für eine Warze plötz­lich zwei Ärzte!

Wenn die Kurie der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte nicht rasch er­kennt, dass sie statt mehr Stel­len zu for­dern, den Kas­sen ver­bind­li­che (und auch gut do­tier­te) Ver­sor­gungs­kon­zep­te an­bie­ten oder we­nigs­tens ab­for­dern muss, dann sehe ich schwarz für Kas­sen­fach­ärz­te – dann wer­den sie ähn­lich wie in Hol­land bald an­ge­stell­te der Spi­tä­ler sein! Und das war es dann auch mit der mäch­ti­gen Kurie!