Die Salzburger und ihr Medikamentenexperiment

Die Idee der Salzburger Gebietskrankenkassen über Wettbewerb Medikamentenpreise zu senken wird funktionieren – aber zu welchem Preis?

Wenn ein Unternehmen ein Original-Medikament von den Kassen erstattet haben will, darf es den Preis – den sogenannten Fabriksabgabepreis (FAP) – nicht selbst festlegen. Zuerst wird der EU-Durchschnittspreis ermittelt, denn kein Original darf teurer als dieser sein. Auf dieser Basis wird dann mit dem Monopoleinkäufer Hauptverband verhandelt. Folgerichtig sind, international verglichen, unsere Preise niedrig. Generika, also Imitate der Originale, müssen sich nicht an EU-Durchschnittspreise halten, und so sind deren Preise vergleichsweise hoch. Nun gibt es ein weiteres Spezifikum. Originale sind an die Generikapreise gebunden. Je nachdem, wie viele Generika es gibt, müssen entsprechende Originale mit dem Preis runter. Ab dem dritten Generikum darf das Original nicht teurer, als das teuerste Generikum sein.

Am Ende geben Kassen, auf FAP-Basis, knapp zwei Milliarden Euro aus. Dazu kommt noch eine Milliarde für die staatlich festgelegten Handelsspannen der Großhändler und Apotheken.

Gemessen an den Preisen für Originale ist diese regulierte Vorgangsweise erfolgreich, aber nicht ungefährlich. Das zeigt die Tatsache, dass der oligopolartig organisierte Großhandel begonnen hat, zu exportieren, und die niedrigen Einstandspreise dazu nützt, international höhere Gewinne als die hierzulande festgelegten Handelsspannen abzugreifen. Die Folge sind Lieferschwierigkeiten für einzelne Medikamente in Österreich.

Nun, was heißt das im Zusammenhang mit der Salzburger Liste. Da Medikamente, wenn es mindestens drei Generika gibt, etwa gleich viel kosten, stehen Produzenten in einem preisunabhängigen Wettbewerb. Wer verkaufen will, kann sich nur durch Service abgrenzen. Es ist müßig nachzudenken, in wie weit es unethisch zugeht – am Ende, so will es das System, bleibt nur der Service um Produkte an Patienten zu bringen. Und weil wir kaum pharmaunabhängige Fortbildung haben, bildete dieser Service, ob wir wollen oder nicht, eine wichtige Stütze für die Qualität der Versorgung.

Die Idee der Salzburger Liste ist es, einen additiven Preiskampf einzuführen. Da wir hohe Generikapreise haben, wird es zu einem solchen kommen. Ist man der „billigste“, hat man die Chance, für eine Zeit lang, „Quasi“-Monopolverkäufer zu sein, ganz ohne Vertriebssystem und Sponsoring. Wirklich große Generikahersteller werden diese Chance nützen.

In der Folge werden Generika-Preise sinken. Die kleinen werden sich das nicht leisten können und aufhören. Der heute atomistische Markt wird zunehmend von Großen dominiert. Weiters wird es – dank unserem Gesetz – dazu kommen, dass die Preise für Originale noch weiter sinken müssten. Spätestens dann werden internationale Unternehmen nachdenken, ob sie Österreich noch beliefern. Und da der Großhandel bereits begonnen hat zu exportieren und so international auf Preise drückt, wird diese Entscheidung leicht fallen. Die Folge ist, dass Medikamente gar nicht mehr angeboten, und immer mehr Unternehmen ihre Forschungsaktivitäten und (auch die Generikafirmen) Vertriebsysteme einstellen werden.

Durch Kombination aus planwirtschaftlicher Preisregulierung und marktwirtschaftlichem Preiswettbewerb wird so die medikamentöse, und wohl auch – wegen immer schwieriger zu findenden Sponsoren für Fortbildungsveranstaltungen – die ärztliche Versorgung leiden. Und das alles wegen ein paar kurzfristig ersparter Millionen, die das System ohnehin nicht retten können.

Dieser Artikel wurde im Jänner 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Neujahrswünsche

Es ist undurchschaubar, unser Gesundheitssystem. Wenigsten 50 Interessensgruppierungen haben nur ein Ziel – unser Wohl. Ein tröstlicher Gedanke.

Da wären die Gesundheitspolitiker unterschiedlichster Couleur, auf Bundes- und Landesebene, so wie aus den Städten und Gemeinden, und natürlich die Sozialpolitiker, die oft aus anderen Parteien sind und schon deswegen immer das Gegenteil behaupten. Dann die Wirtschaftspolitiker, vor allem auf regionaler Ebene und nicht zu vergessen die Finanzpolitiker – ja, man muss diese getrennt betrachten, weil sie unterschiedliche Ziele verfolgen, wenn wir nur an die Schulden der Länder denken, die der Finanzminister nicht unter Kontrolle bringt. Absolut nicht zu vergessen sind die, den Politikern unterstellten Beamten, auch sie verfolgen nur all zu gerne eigene Ziele.

Die Funktionäre aus den 20 Krankenkassen und 15 Krankenfürsorgeanstalten, und natürlich die Funktionäre der Pensionsversicherungsanstalt, die ja hauptsächlich für die Rehabilitation zuständig ist. Nicht zu vergessen die privaten Versicherer, denen insbesondere bei den Löhnen der Spitalsärzte eine wichtige Rolle zukommt – fragen sie nicht!

Die Träger der Spitäler, seien sie nun staatlich oder auch gemeinnützig-privat (Ordenspitäler) oder rein profitorientiert. Nicht zu vergessen die Besitzer der Ambulatorien – die können Kassen oder niedergelassene Ärzte sein, auch wenn deren Ambulatorien, anders als Ordinationen, der Wirtschaftskammer und nicht der Ärztekammer zugerechnet werden (alles sehr verwirrend). Und natürlich die Personalvertreter aller Einrichtungen zur Wahrung von Standortinteressen.

Dann die Funktionäre der großen Gewerkschaften – ihnen „gehören“ ja nicht nur die Gebietskrankenkassen, sondern auch die meisten Reha-Zentren. Die Funktionäre der zehn Ärztekammern, die es mit den dutzenden Parteien in ihren Reihen sicher nicht leicht haben, oder wenigstens nicht so leicht wie die Funktionäre der Wirtschaftskammer.

Die mehr oder weniger gut organisierten Interessenvertreter (innerhalb und außerhalb der Kammern) der Primarärzte, der angestellten Ärzte mit Ordinationen und die der ohne Ordinationen (jaja, diese Unterscheidungen sind wichtig) und natürlich die Vertreter der Wahlärzte. Ebenfalls in dieser Reihe zu erwähnen sind die Funktionäre in den vielen wissenschaftlichen Fachgesellschaften, die oft gar nicht harmonisch mit den anderen zusammenarbeiten.

Fast nicht wahrnehmbar, aber doch vorhanden sind die Interessensvertreter der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe, besonders, wenn sie freiberuflich arbeiten können.

Die Funktionäre der meist gemeinnützigen Pflegevereine (übrigens nicht selten klar parteipolitisch zugeordnet inklusive Gebietsschutz; man sollte nicht glauben, wo es überall Pfründe geben kann) und natürlich die Träger der Pflegeheime.

Die Organisatoren des Krankentransportwesens und die Manager der Blaulichtorganisationen (auch hier ist zu unterscheiden!). Achja, nicht zu vergessen, die Manager der Pharmaindustrie und der Firmen, die sich Medizinprodukten widmen (zum Beispiel den sehr beliebten Großgeräten wie Computertomographen).

Und last but not least, die Patientenanwälte, die – ganz ohne Sarkasmus – glücklicherweise eine immer wichtigere Rolle einnehmen.

Und natürlich alle, die, obwohl alleine die oben genannten etwa 50 zu unterscheidende Interessensgruppierungen ergeben, hier vergessen wurden.

Sie alle arbeiten – so wollen wir wenigstens glauben – uneigennützig und nur zu unserem Wohle. Ich wünsche daher auf diesem Weg das allerbeste fürs kommende Jahr.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Fohnsdorf braucht dringend ein Spital

FOHNSDORF; gelegen zwischen Judenburg und Knittelfeld, besitzt der kleine Ort eine Therme – und hohe Schulden. Eine Satire!

Die steirische Therme, seit Dezember 2007 in Betrieb, hat noch nie schwarze Zahlen gesehen. Was nicht verwundert. Bereits beim Spatenstich wurde gezweifelt, ob der „Thermen-Markt“ nicht längst gesättigt sei. Bereits September 2009 (damals wurde ein Bericht der Fachabteilung 7A des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung über die Gebarung der Gemeinde Fohnsdorf ruchbar) war klar, dass die Zweifler recht behalten und die Therme nur durch „frisches“ Steuergeld gerettet werden kann; Geld, das allerdings nicht wirklich da war. Immerhin hat die 8.000 Seelen-Gemeinde bereits Verbindlichkeiten von etwa 30 Millionen Euro.

Und weil man vermutet hat, dass da ein Fass ohne Boden steht, wurde eine Überprüfung durch den Rechnungshof bis vor kurzem verhindert. Der allerdings hat jetzt geprüft und ein vernichtendes Urteil gesprochen.

Die Reaktion war typisch: Der Rechnungshof kennt sich nicht aus. Damit zeigt der Fohnsdorfer Bürgermeister bereits, dass er gelernt hat. Warum also nicht mehr lernen?

Klar hält er ja fest, dass die Therme ein Zuschussbetrieb ist und wohl auch bleiben wird: „Aber wir wissen, dass Infrastrukturprojekte in ganz Österreich nur funktionieren, wenn die öffentliche Hand, Bund und Länder, ihren Teil dazu beitragen. Das sehe ich auch als Aufgabe der öffentlichen Hand, die Regionen zu unterstützen.“ Mit der Definition der Therme als Infrastruktur- und Regionalförderprojekt ist er auf dem richtigen Weg.

Betrachten wir die Ausgangslage. Fohnsdorf liegt, über Hauptstraßen, mehr als 13 Kilometer von den Spitalsstandorten Judenburg und Knittelfeld entfernt. Damit, legt man niederösterreichische Logik (die auch bei der Finanzierung helfen könnte) an, weit genug, um ein Spital zu rechtfertigen, sowohl unter dem Aspekt der Versorgung, als auch der (!) Regionalförderung. Klar, das Einzugsgebiet ist mit dem Industrieviertel, wo in Baden und Mödling zwei Spitäler nebeneinander neu gebaut werden, nicht einfach vergleichbar – aber was ein „leeres“ Einzugsgebiet betrifft, da gibt es glücklicherweise ein anderes „Best-Practice-Modell“; und das gleich auch noch in der Steiermark: Bad Aussee. Dort wird für 14.000 Einwohner um knapp 30 Millionen Euro ein Spital neu gebaut. Es gib keinen Grund, nicht auch Fohnsdorf zum Spitalsstandort zu machen.

Ich denke, man kann erkennen, worauf ich hinaus will. Die Therme sollte nicht ein Wellness-Tempel, sondern ein Spital sein. Und da sollte man sich auf die wohnortnahe Behandlung von alten Patienten konzentrieren. Also eine kleine (aber feine) Chirurgie und eine kleine (aber persönliche) Innere Medizin und dann eine große Akutgeriatrie und Remobilisation – die voll auf Hydrotherapie mit Thermalwasser setzt – ein weltweit einzigartiges Angebot!

So kann man gleich zwei Fliegen auf einmal erschlagen. Erstens kann man um viel Geld die Therme umbauen. In der Zeit der Krise sollte man ja viel bauen, da kann niemand was dagegen haben. Zweitens wird man, einmal als Spital anerkannt, nie wieder irgendwelche peinliche Prüfungen über sich ergehen lassen müssen. Bei Spitälern wird nie nach Auslastung oder Bedarf gefragt, und niemand würde eine Schließung in Erwägung ziehen.

Im Übrigen sind solche Regionalförderungsprogramme, also die Errichtung von Produktionsstätten in wirtschaftlich schwachen Regionen nicht neu. Jenseits des ehemaligen eisernen Vorhangs wurde das lange geübt, mit hervorragenden Ergebnissen.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Frohbotschaft der Gesundheitsstatistik

Erstmals seit zwei Jahrzehnten soll die Zahl der spitalsversorgten Patienten 2009 rückläufig gewesen sein.

Der Rückgang der Spitalspatienten ist zwar nur sehr sehr gering, man spricht von 0,2 Prozent oder etwa 5.000 Fällen, aber manche, sehr wenige, hoffen trotzdem, darin eine Trendwende erkennen zu können.

Nun, abgesehen, dass simples Zählen wenig sagt – ist die Zahl der Patienten gesamt, also unabhängig, ob bei niedergelassenen Ärzten oder im Spital versorgt, vielleicht rückläufig und so der Anteil der Spitalspatienten gleich geblieben? Sind die Zahlen mit den Vorjahren vergleichbar, haben doch immerhin sehr viele Spitäler „virtuell fusioniert“ um K.O.-Kriterien (Fallzahlen!) zu umgehen und damit die komplizierten und sehr fragilen Patientenzählmethoden irritiert? Gehen mehr Patienten in Privatspitäler, die bei dieser Rechnung nicht mitgerechnet werden? Wie viele Abteilungen und Spitäler wurden zur Konjunkturbelebung 2009 umgebaut und konnte daher nicht im Vollbetrieb arbeiten? Und so weiter … – gab es so etwas bereits 2005. Damals sank die Zahl sogar etwas mehr und es gab echten Anlass an eine Trendwende zu glauben; wurde doch der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG), der dem explosionsartigen Wachstum der Spitalspatienten seit Einführung des leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF)-Systems 1997 Einhalt gebieten sollte, beschlossen. Aber die damalige Beobachtung erwies sich als nicht nachhaltig. Im Gegenteil, 2006 sprangen die Zahlen mit einem Satz wieder nach oben.

Betrachtet man den Zeitverlauf seit 1996, sieht man auch 2000, zwar keinen echten Rückgang aber eine „Wachstumsdämpfung“; von der nicht wirklich bekannt ist, wieso sie stattfand. Und, warum die Zahl 2001 wieder raufschnellte, ist ebenfalls unerforscht.

Wenn jetzt die Zahl wieder einmal „sinkt“, dann ist das wohl ebenfalls nur eines jener unerklärlichen Phänomene, die mit Regional-, Landtags- oder sonstigen Wahlen oder Änderungen in der Finanzierung oder Vertragsabschlüssen zwischen Ärztekammern und Krankenkassen oder unterschiedlich ausgeprägten Grippeepidemien oder Warnungen vor Menschenansammlungen wegen der Grippe oder sonst irgend etwas zusammenhängen. Vielleicht ist es diesmal auch die Finanzkrise oder aber auch das Wetter am 28. August, wer weiß?

Wirklich belegen kann man nichts, nicht nur, weil es niemanden wirklich interessiert, sondern auch weil das Spitalswesen nicht einheitlich ist.

Während in Oberösterreich die Aufnahmen auch 2009 steigen, sinken sie in Kärnten schon seit 2004 kontinuierlich. Bezogen auf die Wohnbevölkerung zählen wir in Oberösterreich 30 Aufnahmen pro 100 Einwohner, Kärnten liegt mit 26 im Österreichschnitt, in Wien sind es 24, und die Steiermark, weil sie für die onkologische Versorgung einen speziellen Deal mit der Krankenkasse hat, kommt gar mit nur 23 aus.

Außerdem sollte man nicht vergessen, dass die Zahl der Spitalspatienten nicht unendlich vergrößerbar sein kann. Früher oder später muss sich auch in Österreich die Spitalshäufigkeit irgendeinem Wert annähern, der nicht überschritten werden kann. Wenn wir bedenken, dass die Deutschen mit 21, die Schweizer mit 15, die Niederländer gar nur mit etwa 11 Aufnahmen pro 100 Einwohner auskommen, liegen wir mit unseren 26 ohnehin jenseits von Gut und Böse. Wohin soll denn diese Zahl noch wachsen?

Also ist die Hoffnung auf eine Trendwende noch verfrüht. Aber, dass diese gesehen wird, zeigt auch, dass die Hoffnung auf eine Gesundheitsreform, die eine wirklich ist, noch nicht tot ist.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Allokationsproblem – noch ein Lehrstück

Vielleicht ist es Zeit, ein Thema zu verbreiten, dass hierzulande unbekannt ist, aber anderswo schon lange diskutiert wird – das Allokationsproblem.

Frau M. (78) lebt alleine. Die häufigen Besuche ihrer Tochter reichen aus, dass sie mit dem täglichen Leben keine Schwierigkeiten hat. Zudem kommen oft ihre Enkel, samt Ur-Enkel vorbei. Das freut sie und für diese hält sie sich auch fit.

Eines Tages kriegt sie Fieber. Der Hausarzt diagnostiziert eine Lungenentzündung und schickt sie ins Spital. Dort wird sie auf Pneumokokken-Pneumonie sieben Tage lang behandelt. Jeden Spitalstag lässt ihre intellektuelle Kraft nach.

Als sie wieder nach Haus kommt, ist sie verwirrt. Die Familie ist überfordert. Statt auf professionelle (und kostspielige) Hilfe zu setzen, versucht sie mit häufigeren Besuchen und der Übernahme von Tätigkeiten, die früher Frau M. selbst erledigt hat, zu helfen. Aber alles hilft nicht, Frau M. dämmert immer stärker ein. Sechs Monate später muss sie ins Heim, wo sie, schwer dement, nach drei Jahren stirbt.

Was ist passiert? Der Spitalsaufenthalt hat Frau M. aus der Bahn geworfen. Er stellte ein Life-Event dar, das, wenn nicht richtig behandelt (reaktivierende Pflege!), oft zur „Dekompensation“ führt; die durch eigenen Willen und Training hintan gehaltene Demenz tritt plötzlich auf.

Der initiale Spitalsaufenthalt hat etwa 4.000 Euro gekostet. Das Pflegeheim, das sich die Familie nicht leisten konnte, wurde von der zuständigen Sozialabteilung bezahlt und kostete bis zum Tod von Frau M. 36.000 Euro.

War das nötig? Nein.

Beginnen wir damit, dass der Hausarzt die Pneumonie zu Hause behandeln und den Spitalsaufenthalt, der ja Auslöser war, vermeiden hätte können. Kosten dafür vielleicht 1.000 Euro, die jedoch aktuell nur unzureichend vom Kassensystem bezahlt werden. Das System verdrängt gerade ältere Patienten ins Spital.

Dann die Pneumokokken-Pneumonie. Vielleicht hätte diese vermieden werden können, in dem die Ur-Enkel geimpft gewesen wären. Eine solche Impfung verhindert nämlich nicht nur Mittelohrentzündungen bei Kindern, sondern auch Lungenentzündungen bei der Großelterngeneration. In diesem Fall hätte man mit 300 Euro für die Impfung nicht einmal die 1.000 Euro für den Arzt aufbringen müssen.

Dann das Heim. Auch das wäre nicht nötig. Würde bedarfsorientierte Pflege genau so als Sachleistung zur Verfügung stehen wie das Spital, hätte Frau M. für ein paar Wochen täglich eine reaktivierende Pflege und allenfalls auch eine Haushaltshilfe erhalten, die zusammen vielleicht 3.000 Euro gekostet und den Verlauf hätten mildern oder gar verhindern können.

Natürlich ist das zu simpel. Schließlich bedeutet die Verhinderung eines Krankheitsverlaufes nicht, dass damit alles eitle Wonne ist. Aber vieles deutet darauf hin, dass es gerade bei alten Menschen viel bringt, wenn Spitalsaufenthalte vermieden werden. Und mehr noch, selbst wenn wir annehmen, dass die Behandlungskosten nicht gesenkt werden können, weil Frau M. später an einer anderen teuren Krankheit sterben würde, eines hätte wir auf jeden Fall eines erreicht: eine höher Lebensqualität, nicht nur für die Patientin, sonder auch für die Familie.

Um das zu erreichen müssen Ressourcen so verteilt werden, dass sie an der richtigen Stelle vorhanden sind. Aber, solange sie in bestehende und oft falsche Strukturen (etwa unnötige Spitäler) gesteckt werden, fehlen sowohl Motivation als auch die Ressourcen selbst, eine patientenorientierte Neuverteilung vorzunehmen. Das nennt man das Allokationsproblem, das nur vom System gelöst werden kann.

Dieser Artikel wurde im November 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wow! Sie bewegt sich doch

Am erstaunlichsten in der Gesundheitsreformdebatte ist, dass sie nun wirklich ganz oben von Selbstkritikfähigkeit getragen scheint – dass ich das erleben darf.

Kaum wer wird ihn kennen, Rudy, den gigantischen Suchomimus aus dem Zeichentrickfilm „.Ice Age 3“. Er ist der Leibfeind von Bug, dem Wiesel (fragen Sie nicht, warum Säuger und Dinosaurier zeitgleich vorkommen können), der trotz seiner relativen Winzigkeit das Ziel verfolgt, Rudy zur Strecke zu bringen. Gegen Ende wird Rudy von jemand anderem in eine Schlucht gestürzt, und Bug starrt ihm entgeistert nach. Was soll er denn jetzt tun?

So ähnlich geht es mir nach der letzten Woche.

Als ich vor zehn Jahren begann, das Gesundheitssystem nach wissenschaftlichen Kriterien zu durchleuchten und die Schwächen (unzureichende Versorgung im niedergelassenen Bereich, zu viele Spitäler, die wegen politischem Kalkül bestehen, fehlende Abstimmung zwischen Pflege, Reha und Akutversorgung, unpraktikabler Kompetenzdschungel etc.) analysierte, gab es außer einer Hand voll Experten niemand „Wichtigen“, der sie sehen wollte.

Vor acht Jahren, als ich mich „innerhalb“ bewegte, wurden die Verweigerer scheinbar mehr, aber es fanden sich zunehmend Spitalsärzte – vornehmlich in niedrigen Positionen –, Wahlärzte und auch einige Kassenärzte, die meine Kritik teilten.

Vor sechs Jahren, mit den Arbeiten zur Gesundheitsreform 2005, wurden die Zweifler immer höherrangig. Aber auch die Gesundbeter wurden immer kecker. Beinah amüsiert erinnere ich mich an die „politisch korrekte“ Aussage anlässlich einer Publikation aus Großbritannien, wonach es dort Tote wegen Spitalsinfektionen geben soll – bei uns gäbe es so was nämlich nicht!

Vor drei Jahren, ich hatte gerade meinen Job in Niederösterreich verloren, und zwar vollkommen unabhängig von der Veröffentlichung meines systemkritischen Buches, waren die Skeptiker bereits in die Primararztebene und die der „niedrigen“ Chargen der Ärztekammer vorgedrungen. Die höhere Politik allerdings hatte alle möglichen Superlative erfunden. Da denke ich nicht nur an BM a.D. Andrea Kdolsky, die wenige Monate nach Antritt aus dem „guten“, das „weltbeste“ Gesundheitssystem gemacht (herbeigeredet) hat – etwas, das sie heute bereut, aber wohl das nachhaltigste ihrer Regierungszeit ist.

Mit Hans Jörg Schelling ist vor zwei Jahren der erste Kritiker in höchste Ämter aufgestiegen. Hat es kurz danach ausgesehen, als ob er seine Kritikfähigkeit verlöre, meldete er sich mit „dem Selbstmord mit Anlauf“ (gemeint war das Gesundheitssystem, das ohne Reformen sehenden Auges an die Wand fährt) Anfang 2010 drastisch zurück.

Anfang November (genaugenommen bereits im August) kam Gesundheitsminister Alois Stöger mit dem Vorschlag, die Länder zu entmachten, weil es einfach einen zu krassen Reformstau gibt. Nach anfänglicher Kopflosigkeit kristallisierte sich eine parteipolitische Linie heraus. Die Schwarzen sind dagegen, die Roten dafür.

Als nun diese Woche der „Masterplan Gesundheit“ des Hauptverbandes, ein Stück Strategiearbeit, dem Anerkennung gebührt, das Licht der Welt erblickte, bröckelte sogar die schwarze Front und ein niederösterreichischer Landesrat sprach mit – für seine Verhältnisse – kreideweicher Stimme.

Die Selbstkritik ist ganz oben angekommen, auch wenn sie sich jetzt noch hinter einem unwürdigen Tauschgeschäft (Lehrer gegen Spitäler) versteckt.

Was soll ich tun, wenn wirklich ernsthafte und vor allem richtige Reformbewegung eintritt? Aber andererseits, auch in „Ice Age 3“ meldet sich Rudy unerwartet wieder, und Bug nimmt den Kampf erneut auf.

Dieser Artikel wurde im November 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Chuzpe – oder die Demokratie im Gesundheitssystem

Kaum schaut es danach aus, als ob Vernunft in die Gesundheitspolitik einziehen möchte, ist es auch schon wieder vorbei – ich bin stinksauer.

Da scheint der Gesundheitsminister sein, für mein empfinden, sklavisches Verhalten gegenüber der Ärztekammer (der Minister machte einen Antrittsbesuch beim Ärztekammerpräsidenten, nicht umgekehrt!) abzulegen und für die Bevölkerung da zu sein, geht er auch schon wieder in die Knie! Warum?

Die Ärztekammer publizierte am 16.12. folgendes:

Sie sieht „im Falle der Verwirklichung des Hauptverband-Planes (Anm.: Masterplan Gesundheit) die Gefahr einer gravierenden Aushöhlung der kassenärztlichen Versorgung, in der Folge eine Ausweitung der Staatsmedizin“, und „dass Patienten und ihre Gesundheit keine Ware seien, deren Qualität und Preis sich an marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten orientierten.“ Also was jetzt? Was genau haben die Kämmerer da aus dem Plan gelesen (was ich nicht einmal ansatzweise finden konnte)? Verstaatlichung, Privatisierung oder beides gleichzeitig? Wurde da eine komplett neue Wirtschaftstheorie geboren? Oder werden einfach Klischees bedient, um zu mobilisieren – doch was soll rauskommen? Die Diktatur der ständischen Vertretung der Ärzteschaft?

Jedenfalls hat, am Tag nach diesen Veröffentlichungen, der Minister seine Meinung gegenüber dem Masterplan geändert. Hat er diesen vor kurzem noch gelobt, ist er jetzt überflüssig. Mehr noch, obwohl Mag. Ingrid Reischl, Vorsitzende der Trägerkonferenz im Hauptverband, in der alle gewählten Funktionäre – die Obleute – der Kassen sitzen, und selbst Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse, festhielt: „Alle Obleute stehen hinter dem Masterplan“ meint der Minister: „Ich weiß nicht, was das soll. Mir ist auch kein Beschluss der Kassen zu diesem Masterplan bekannt.“

Und weil diese Kasperliade noch zu toppen ist, hat die Ärztekammer am 18.12. mittels Presseaussendung dem Hauptverband nicht nur jegliche Kompetenz (welche hat sie denn selbst, wenn man die Ausbildungssituation der Turnusärzte, die Arbeitssituation der Spitalsärzte oder das Einkommen der Hausärzte bedenkt!), sondern auch die „demokratische Legitimation für Planung, Steuerung und Finanzierung im Gesundheitswesen“ abgesprochen.

Schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Proponenten dieser Aussagen zusammen wohl nicht einmal 10.000 Stimmen auf sich vereinigen können! Stimmen übrigens, die nur gültig sind, wenn man in Ärztelisten geführt wird – ein exklusiver Club! Stellt man das den Obleuten der Kassen und damit auch dem Hauptverband gegenüber, findet man dort drei Millionen Stimmen – so viele Österreicher gingen zu den, für die Besetzung der politischen Positionen relevanten, Arbeiter- und Wirtschaftskammerwahlen! Nicht, dass ich das für eine ideale demokratische Vorgangsweise halte – immerhin können vier Millionen Kinder, Arbeitslose und Pensionisten nicht mitstimmen – aber doch deutlich demokratischer als dieses Ärztekammerdünkel!

Nun, ich gebe zu, dass im Masterplan einiges unlauter oder undiplomatisch verpackt ist, was den Ärzten sauer aufstoßen muss. Der Hauptverband hat Forderungen formuliert, wo er zumindest wissen müsste, dass die für die Ärztekammer absolut unakzeptabel sind. Aber daraus eine solche Reaktion abzuleiten ist echte Hybris.

Und wenn ich wählen könnte, dann fiele meine Wahl auf den Hauptverband – denn als Patienten, fühle ich mich in keinster Weise durch Ärztekammer oder Gesundheitsminister vertreten, daher verbiete ich mir auch, dass mich diese ständig für deren Eigeninteressen vorschieben.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Steuererklärungen à la Gesundheitspolitik

Demnächst werde ich wieder meine Steuererklärung machen müssen. Denn, wie bekannt ist, muss man ja nur zwei Sachen wirklich: Sterben und Steuern zahlen.

So eine Steuergeschichte ist immer sehr mühsam, weil man, will man legal bleiben, jedem Cent nachlaufen und genau schauen muss, ob er eh an der richtigen Stelle vermerkt wurde. In Deutschland wurde letzthin ein sehr unbequemer Gesundheitsökonom (Peter Sawicki) wegen einer falschen Taxi-Abrechnung aus seiner Position entfernt – da kennt das System keine Gnade. Und wenn ich mich recht erinnere, hat man einen gewissen Al Capone auch nicht wegen seiner wirklich kriminellen Handlungen hinter Gitter gebracht, sondern wegen Steuerhinterziehung. Jaja, die Steuer ist schon ein eigenes Thema.

Also, um Probleme zu vermeiden, versuche ich immer katholischer als der Papst zu sein.

Andererseits, wenn man es bedenkt, sind Politiker in einer Demokratie ja Vorbilder. Und man sollte meinen, wenn man die Zahlen mit der gleichen Sorgfalt verwendet, wie Politiker dies tun, dann dürfte man kein Problem mit der Steuer haben. Also sollte ich es mal machen wie die Politik.

Für meine Ausgaben, also die Kosten für mein Unternehmen, werde ich, statt Belege vorzulegen, der Steuer einfach irgendwelche Informationen übermitteln – am besten über Zeitungsmeldungen. Dabei werde ich Beträge nicht oder nur so ungefähr nennen, und dafür mehr mit Prozenten um mich werfen, aber auch keine Angaben machen, wovon ich diese berechne!

Als bestes Vorbild sollte für mich immer Niederösterreich dienen. Dort wird, neben vielem anderen, behauptet, der Gesamtaufwand für die landeseigenen Spitäler ist 2009 um 0,88 Prozent gestiegen. Nachgerechnet, was man in Österreich bei Politikern ja ungern macht, dürften die Spitäler daher 2009 nur etwa 1.535 Millionen Euro gekostet haben. Vielleicht setzt sich ja jemand hin und kontrolliert diese Zahl!

Aber auch Minister Stöger, der letzthin wirklich positiv auffällt, fast so, als ob er endlich als österreichischer Gesundheitsminister angekommen ist, hat merkwürdige Zahlen ins Spiel gebracht.

Er rechnet jetzt alle stationären Einrichtungen zusammen – also auch Reha, Pflege, Kur etc. – und kommt für diese auf 15,4 Milliarden Euro Kosten für 2009. Das ist eine Zahl, die man so überhaupt noch nie gehört hat. Ich konnte diese, mangels Datentransparenz, auch nicht nachrechnen – immerhin galten bis jetzt etwa zehn bis elf Milliarden für die Akutspitäler; dass Reha, Pflege, Kur etc. bereits etwa fünf Milliarden ausmachen sollen, erschreckt jetzt schon etwas, um so mehr, als wenigstens zwei dieser fünf Milliarden bis jetzt noch nirgends ihren Niederschlag gefunden haben. Ich freue mich schon auf die Neuberechnung der Gesundheitsausgaben der Statistik Austria. Denn dort werden für die stationäre Versorgung für 2008 nur etwa zwölf Milliarden ausgewiesen. Möglicherweise müssten noch etwa 1,5 Milliarden für die Spitalsambulanzen hinzugezählt werden, die in den oben genannten 15,4 enthalten sein könnten. Nichtsdestotrotz würde die Neuberechnung bedeuten, dass der Anteil am BIP für 2009 die 12 Prozent-Marke sprengen wird – ein Wert, der gleich einmal mehr als 20 Prozent über den bis jetzt gewohnten und liebgewordenen zehn BIP-Prozent liegt. Reisst es da niemanden, wenn 2009 plötzlich zwei Milliarden zusätzliche Kosten „gefunden“ werden, von denen 2008 noch niemand wusste?

Wie dem auch sei, ich werde jetzt meine Steuer machen. Also liebes Finanzamt, meine Ausgaben sind dieses Jahr um 11,4 Prozent gesunken. Viel Spaß bei der Berechnung meiner Steuerpflicht.

Dieser Artikel wurde im November 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Hoffnungsloses Spitalswesen

Es ist schon ein Wahnsinn, wie fest die Klammer der Landesfürsten ist. Es gibt wohl keine Lösung außer einem Crash! Und der wird vielen ernsthaft schaden.

Sie fahren von Wien nach Pinkafeld. Dabei kreuzen Sie mehrere Landesgrenzen. Zuerst kommen Sie nach Niederösterreich, dann in die Steiermark um schließlich im Burgendland Ihr Ziel zu erreichen.

Stellen Sie sich vor, die Straßenverkehrsordnung (StVO) würde überall anders sein. In Wien dürften Sie erst ab November Winterreifen haben, in Niederösterreich sind sie, wenn Sie auf Straßen unterwegs sind, die höher als 500 Meter liegen, bereits ab Oktober Pflicht, im Burgenland hingegen sind sie bis 15. November überhaupt verboten, um Straßen zu schonen. Mit diesen Vorschriften würden Sie auf der Fahrt Wien-Pinkafeld wenigstens einmal Reifen wechseln müssen. Auf den Autobahnen würden (durch die ASFINAG mit Bundesgeldern) riesige Parkplätze errichtet und jeder würde fluchen, weil es für jeden ein Leichtes wäre, den Schwachsinn zu entlarven. Deswegen gibt es nur eine StVO für ganz Österreich.

In den Spitälern ist das anders. Da gibt es – weil eben nicht so leicht als Schwachsinn erkennbar und weil Landesfürsten mit gigantischen PR-Maschinerien den Untertanen einreden, dass alle sterben, wenn es eine Reform gibt – in jedem Bundesland ein eigenes Spitalsgesetz. Ein niederösterreichischer Patient ist – so die Argumente – von einem oberösterreichischen, steirischen oder gar Tiroler zu unterscheiden. Jeder braucht seine lokal colorierte Behandlung.

Vielleicht liegen deswegen Oberösterreicher auch gleich um ein Viertel häufiger im Spital als Steirer. Aber selbst innerhalb eines Bundeslandes sind Unterschiede zu finden. Mostviertler sind wohl kränker als ihre Nachbarn im Industrieviertel – oder liegen wenigstens um 25 Prozent öfter im Spital. Medizinisch betrachtet ist das nicht erklärbar, außer vielleicht, man macht gesunde Menschen krank, um sie in Spitäler stecken zu können – so was klingt aber abwegig, oder?

Und dann kam er, der Vorschlag, der alles bereinigen helfen könnte, der Vernunft in diesen populistischen und Menschenleben gefährdenden Wahnsinn bringen könnte. Es soll nur mehr ein Gesetz geben und bezahlt wird nicht mehr die örtlich geweckte Begehrlichkeit nach einem Spital, sondern die Qualität der Versorgung in einer Region; und es war gerade der eher reformunwillige Gesundheitsminister Alois Stöger, der ihn machte.

Ein skurriler Vorschlag, setzt er doch voraus, dass nebst Verfassungsänderung, die Länder zustimmen. Zwar wurde er von allen – nicht nur allen Experten, sondern auch geschlossen von der Opposition – gelobt, aber die Antwort der Fürsten ließ nicht lange warten.

Allen voran „E.P. von Niederösterreich“. Er verhandle nicht mit Ministern (lat. Diener). Seine Ansprechpartner seien Kanzler und Vizekanzler. Und sein, für die Spitäler zuständiger, Vasall „W.S. von Waidhofen“ lässt wissen, dass das wohl nur ein Rülpser war und der Minister ein unerträglicher Dilettant sei, der nicht einmal die Zahlen kenne. Außerdem sei die hiesige Verwaltung die beste, was man darin sehen möge, „dass sich der Gesamtaufwand im letzten Jahr um nur 0,88 Prozent erhöht hat“ (Übrigens und wahrheitsgemäß: 2009 sind dort die Kosten um mehr als 5 Prozent gestiegen, bei praktisch Null Inflation und einem Schrumpfen des BIP um über drei Prozent; damit wird das ohnehin schon riesenhafte Defizit 2010 um zusätzliche 150 Millionen explodieren!)

Ehrlich, ich glaube nicht, dass es eine Reform gibt! Ich hoffe nur, dass der Kollaps nicht all zu viel Schaden anrichtet.

Dieser Artikel wurde im November 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Nimm’s Spitälern statt Familien

Werte p.t. Leser! Was sich aktuell abspielt lässt mich rasen. Es sind vor allem zwei Aussagen, die mich geradezu auf die Palme treiben.

Die erste Aussage ist einige Wochen alt. Da hat Finanzminister Pröll wissen lassen, dass die „Realverfassung“ wichtiger ist als die „echte“ und hat zum Ausdruck gebracht, dass wir, das Volk, einfach hinnehmen müssen, dass von uns legitimierte Bundespolitiker gegenüber den Ländern keine Macht haben, selbst wenn die Verfassung diese vorsehe. Warum wählen und bezahlen wir sie?

Die zweite Aussage war nicht minder irritierend. Da hat Wirtschaftsminister Mitterlehner in einem ZiB2-Interview gemeint, man müsse Geld für das nächste Jahr auftreiben, das gehe mit Reformen nicht so schnell, daher gäbe es die jetzt nicht. Wer das nicht verstehe, verstehe eben nicht, wie ein Staat funktioniert.

Tja, also keine Reformen! Und was verstehen dann Bundespolitiker unter Sparen? Streichen von Sozialleistungen bei Familien – Mir ist keine Studie bekannt, die Familien irgendwie als reich identifiziert hätte. Mehr noch, alle sagen, dass, wegen der hohen Steuerbelastung auf Arbeit, Familien nur durch Sozialtransfers der Armut entkommen.

Anderen Ländern fiel beim Sparen anderes ein. Da wurden Beamtengehälter und Pensionen gekürzt. Bei uns nicht! Ja auch kein Wunder, wenn man betrachtet, welche Lobbyisten diese Gruppen vertreten!

Aber das ist ja nicht alles. Klar, wenn man sich gerade einmal drei Wochen Zeit für ein Budget nimmt, dann kann wohl nichts anderes rauskommen; selbst wenn man seit Jahren weiß, was getan werden müsste. In den letzten Jahrzehnten wurden hunderte, wenn nicht tausende Studien und Arbeitsgruppenergebnisse – denken wir nur an den Österreichkonvent – erstellt, die zeigen, wie Sparen durch Reformieren funktionieren kann. All diese Vorarbeiten wurden mit sehr viel Steuergeld finanziert und – ignoriert.

Und wie ist das in der Gesundheitspolitik?

Die Kassen – ohnehin eher Blender als Reformatoren, oder kennt jemand den sagenumwobenen Masterplan des Hauptverbandes, der für Herbst groß angekündigt wurde? – haben bereits mitgeteilt, dass ihr Sparwille sinken wird, wenn sie weniger Steuergeld erhalten (statt 100 nur 60 Millionen). Und Minister Stöger legt gleich nach und sagt, sie müssen eh weniger sparen, wenn die Belohnung weniger wird! Und weil die Sparmaßnahmen, die bis jetzt so „erfolgreich“ waren, nichts mit einer Reform zu tun hatten, sondern Großteils zustande kamen, weil wegen Patentabläufen die Medikamentenpreise sinken – ein Trend, der noch anhalten wird – ist jede Reform auf Jahre tot.

Und auf der anderen Seite die Länder. Es gibt niemanden mit Ahnung, der nicht das größte Sparpotenzial in einer Spitalsreform sieht. Und wenn ein Minister sich schon der Peinlichkeit hingibt, nicht zu wissen, woher er Geld fürs nächste Jahr nehmen soll und deswegen auf Familien zurückgreift, dem sei Folgendes ins Stammbuch geschrieben.

Etwa fünf Milliarden Euro schießt der Bund den Ländern für Spitäler zu. Geregelt werden diese Zuschüsse im Finanzausgleich, der von den Ländern noch nie eingehalten wurde – Stichwort Stabilitätspakt. Statt weiterhin Milliarden im größten Verschwendungsbereich der Republik zu versenken, sollte der Bund auch auf den Pakt pfeifen und den Ländern einfach ein paar hundert Millionen Spitalsgelder wegnehmen – genau so unvorbereitet wie den Familien. Vielleicht wird es dann eine Spitalsreform geben.

Aber dazu braucht es halt Politiker und nicht irgendwelche selbstherrlichen Marionetten irgendwelcher Interessensvertretungen oder Länder.

Dieser Artikel wurde im November 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.