Die Anti-ELGA Kampagne der Wiener Ärztekammer

Sehr laut und mit heftigen Begleitumständen verbunden ist sie, die Kampagne, die die Wiener Ärztekammer gegen ELGA fährt!

Neben polemischen Slogans wie „ELGA kostet Sie Ihr letztes Hemd“ und „ELGA stellt Sie vor den anderen bloß“ werden nackte Menschen auf Postern und Inseraten dargestellt. Folder mit „nackte Fakten“ und Sonderausgaben  von Kammerzeitungen flattern jedem Arzt ins Haus, dazu kommen noch Pamphlete wahlwerbender Splittergruppen – denn es herrscht Ärztekammer-Wahlkampf. Selbst  ein Youtube-Video, in dem Vizepräsident Dr.Johannes Steinhart erklärt, was ELGA in „Wahrheit“ bringen wird, gehört zur „Informationsoffensive“. Fast eine halbe  Million Euro, bezahlt aus Ärztekammerbeiträgen, werden ausgegeben, um klar zu machen, dass ELGA böse ist, furchtbar böse.

Die Strategie dazu ist simpel und biblisch: „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“. Das bedeutet, der Feind (i.e. das Ministerium), und alles was er berührt. ist böse. Dabei werden auch alle Unterlagen des Feindes oder jener, die sich nicht eindeutig gegen ELGA aussprechen, pauschal als falsch und böse dargestellt. ELGA wird zur Ideologiefrage hochstilisiert, weit weg von jeglicher Sachebene!

Und so verwundert es nicht, wenn, wie die Kammer meint, dass in allen, außer den eigenen Berechnungen, gravierende Rechenfehler enthalten sind. Der Beleg dafür fehlt freilich, oder ist wenigstens nicht öffentlich zugänglich. Und wie es sich gehört, ist der, der nach Details fragt ebenfalls böse. Das erspart eine detaillierte Darstellung der eigenen Meinung. Wobei, was Transparenz betrifft, das Ministerium der Ärztekammer um nichts nachsteht. Die Studie, auf die sich das Ministerium beruft wurde längst wieder von der Homepage genommen, konnte aber glücklicherweise in einer der vielen Varianten, die es gab, hier gesichert werden.

Aber wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, sollte man meinen, und die Informationen der Ärztekammer deuten darauf hin, dass dieser Spruch ernst genommen werden sollte – wenn es wirklich um objektive Information ginge!

Bei einer [protected](Detailanalyse)[/protected]der kämmerlichen Publikationen, erweisen sich eigentlich alle Angaben als unplausibel.

(1) von den selbst errechneten 1,22Mrd.€, die die Ärzte in den nächsten 10 Jahren aufbringen müßten (zwei Drittel der kämmerlich angenommenen ELGA-Gesamtkosten von 1,87Mrd.€) bleiben möglicherweise nur 250 Mio.€ übrig. Nebenbei bemerkt, die Rechnungen wurden von einer Steuerberatungskanzlei durchgeführt, deren Inhaber zufällig Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ist – ob hier die eine Kammer der anderen hilft, sich gegen lästige Einmischungen demokratisch legitimierter Politiker zu wehren?

(2) die kommunizierten „negativ“- Beispiele der ELGA- Initiativen anderer Länder sind schlecht recherchiert, und „positiv“- Beispiele werden gleich gar nicht erwähnt.

(3) der Nutzen einer ELGA wird generell negiert, mehr noch, es werden „neueste“ Studienergebnisse präsentiert, die sogar nachweisen, dass die Menschen durch ELGA öfter sterben, als ohne! Nachrecherchiert, sind das Studien aus 2005 (!), die alles andere als geeignet sind, Generalisierungen abzuleiten.

(4) die technischen Grundlagen werden so dargestellt, als ob es zu einer zentralen Datenspeicherung mit unkontrolliertem und quasi freiem Zugang für 120.000 Menschen kommt, die jeden Patienten ausschnüffeln können – obwohl das technisch nicht möglich ist, mehr noch, verglichen mit heute der Datenschutz sogar verbessert würde!

(5) und zu allem Überfluss wird es, so wird suggeriert, wegen den horrenden Kosten zu spürbaren Rationierungen kommen müssen! Die ELGA-Gesamtkosten liegen selbst wenn man sie hoch annimt bei nicht mehr als 0,5% bis 1% der öffentlichen Ausgaben für Gesundheitsversorgung – und damit in der statistischen Unschärfe. Daraus Rationierung abzuleiten ist Chuzpe.

Jedenfalls werden in den öffentlich zugänglichen Unterlagen und dem Video der Informationsoffensive fremde Zahlen, Daten und Fakten nicht, dafür eigene „nackte Fakten“ präsentiert. Die Informationen, die man so findet, sind, na sagen wir mal, allesamt semi-falsch. Das ist wichtig, denn mit Halbwahrheiten kommt man rechtlich durch, aber für den der sich nicht auskennt, bei dem kommen sie sicher falsch an! Das sind moderne Kampfstrategien, ohne Schwert dafür mit machiavellischen Hintergedanken!

Detailanalyse der Anti-ELGA Kampagne der Wiener Ärztekammer

Ein sehr verwirrendes Zahlenspiel

Eine der am häufigsten wahrgenommenen Aussagen der Ärztekammer rund um ELGA  ist, dass diese in 10 Jahren 2 Mrd.€ kosten wird. Beim Studium der Unterlagen  stellt man fest, dass das wohl eine Übertreibung der eigenen Zahlen ist. Schließlich sprechen selbst die kämmerlich vorgelegten Berechnungen auf Seite 9 der Sonderzeitung  „nur“ von 1,873 Mrd.€ –  127 Mio,€ fallen da also unter den Tisch oder eben oben drauf.

Solche Übertreibungen würden mich nicht weiter stören, gehören sie doch zum politischen Geschäft (wiewohl mir nicht klar ist, warum eine Kammer Politik machen muss), wenn da nicht andere Zahlen, sehr viel niedrigere Zahlen, dramatisiert würden. Im Youtube-Video des Vizepräsidenten Steinhart kann man erfahren, dass das Wiener AKH wegen 9 Mio.€ vor dem ABGRUND stand. Nun, wenn ich rechnen kann, dann könnte man mit den Unterschlagenen 127 Mio.€ das AKH 14 Jahre lang vor dem Abgrund bewahren – 127 Mio.€ sind kein Lüferl!

Nun, irgendwie lässt sich der Eindruck nicht verwehren, dass es bei den kolportierten 2 Mrd.€ weniger darum geht zu Informieren, als Panik zu machen. In dem Fall sind natürlich logische Einwände vergebens.

Weiterlesen „Detailanalyse der Anti-ELGA Kampagne der Wiener Ärztekammer“

Mehr oder weniger geheime ELGA-Studie

Diese Studie wurde 2008 erstellt, war dann ganz kurz online, um dann wieder zu verschwinden. Da es sehr viele Varianter dieser Studie gab – je nach politischem Verhandlungsstand (und hier wurde massiv verhandelt, als ob man  wissenschaftlichen Ergebnisse verhandeln könnte?!?) – kann ich keine Garantie übernehmen, dass diese wirklich die „endgültige“ ist.

Weiterlesen „Mehr oder weniger geheime ELGA-Studie“

Ärztebedarf Detailanalyse

 

Problemaufriss:

In Österreich wurden 2009 (inkl. Zahnärzten) etwa 44.000 Ärzte in Ärztelisten geführt. Dort wird man nur geführt, wenn man ärztlich tätig ist oder tätig sein will. Die Zahl der ärztlich tätigen Ärzte wächst, nach einem dynamischen Wachstum seit 1970, ab den späten 1980er Jahren beinah linear.

Anzahl der Aerzte absolut
Anzahl der Aerzte absolut

Quelle: Statistik Austria, 2010

Mit 44.000 Ärzten ist Österreich im internationalen Vergleich „sehr gut“ ausgestattet. Nichts desto trotz wird immer wieder davon gesprochen, dass es entweder bereits Ärztemangel gibt, oder aber man, weil die Ausbildungskapazitäten unzureichend seien, auf einen solchen zusteuere. Die Ausbildungskapazitäten in Österreich beziehen sich auf zwei, voneinander unabhängige, jedoch obligat hintereinander gereihte Ausbildungswege: das Medizinstudium, dass Absolventen berechtigt, eine Ausbildung zum Arzt anzutreten und der Turnus, sei es zum Allgemeinmediziner oder zum Facharzt, der als praktischer Teil die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Arztberufs vermitteln soll.

Weiterlesen „Ärztebedarf Detailanalyse“

Medizin-Universität in Linz? – Nein

OÖ macht es nervös, dass trotz landeshauptmännlichem und ärztekämmerlichem Wunsch ihre MedUni Linz vom Wien keine Genehmigung kriegt.

Jetzt werden andere Register gezogen. Über eine Zeitung werden Unterschriften gesammelt. Natürlich wird nicht argumentiert, dass die MedUni dazu da sein soll, frisches Geld in die Spiäler zu spülen (Uni-Spitäler müssen vom Bund mit Millionen subventioniert werden), auch keine Erwähnung, dass die Ärztekammern mit ihrem Pensionssystem (Wohlfahrtsfonds) Probleme kriegen, wenn die Zahl der Ärzte, nicht, wie in den letzten Jahrzehnten, weiter um 900 [protected](Ärztebedarf Details)[/protected] pro Jahr wächst (was dazu führte, dass wir pro Kopf die meisten Ärzte der Welt haben), und auch der Prestigegewinn ist kein Thema; nein, die Bevölkerung muss anders mobilisiert werden: Unterversorgung wegen Ärztemangel. Das macht Angst, damit werden Menschen getrieben, ihre Unterschrift zu leisten, mit der man dann in „Wien“ Druck machen will.

Unterlegt wird alles mit Zahlen: So bräuchte es jährlich 1.600 [protected](Ärztebedarf Details)[/protected] Jungmediziner, um, wegen der Pensionierungswelle, einen Ärztemangel zu verhindern. Um das zu erreichen wären wenigstens 2.000 Studienplätze (fast doppelt so viele wie heute) nötig (die Studie ist übrigens online nicht mehr abrufbar). Und, man kann den Mangel schon spüren, weil Kassenstellen kaum nachzubesetzen und Turnusärzte schwer zu finden sind.

Bei den Zahlen reflektiert man meist auf eine Studie von Leo Chini, die im Auftrag der Ärztekammer gemacht wurde, um Perspektiven der Wohlfahrtsfonds zu erörtern. Als ernstzunehmende Arztbedarfsstudie, war sie nie gedacht.

Solche führt freilich das ÖBIG seit Jahrzehnten durch – und stets kam eine Ärzteschwemme heraus. Ein Beispiel: bereits 1995 wurde voraussagte, dass es wegen zu hoher Ausbildungskapazitäten zu einem Anschwellen des Wahlarztsektors kommen wird: Die Voraussage für 2006 betrug damals 11,300, geworden sind es 10.900 (!)

Übrigens hat jetzt auch die WHO in einer EU-weiten Studie festgestellt, dass nichts auf einen Mangel hindeute.

Wer sich selbst ein Bild machen will, soll offizielle Statistiken überdenken. In Spitälern oder mit Kassenvertrag arbeiten hierzulande etwa 33.000 Ärzte, in Deutschland etwa 320.000. Aber, bei uns kommen dann noch 12.000 Wahlärzte dazu, die es dort nicht gibt. Wir haben (relativ) also 25% mehr Ärzte als Deutschland – Wahlärzte.

Um das nicht argumentieren zu müssen, wird offiziell einfach angenommen, dass Wahlärzte höchstens zu 5% das System entlasten – was nichts anderes heißt, Wahlärzte sind für die Versorgung unwichtig; aber für die Arztbedarfsrechnung, die unbedingt einen Mangel ergeben muss, sind sie es schon.

Objektiv gibt es keinen Mangel und wird es keinen geben. Nichtsdestotrotz gibt es Mangelerscheinungen. Es wird wirklich schwieriger Kassenstellen nachzubesetzen und Turnusärzte zu finden. Aber das liegt nicht daran, dass es zu wenig Ärzte gäbe oder zu wenig Absolventen. Nein, es wird immer schwieriger, Ärzte zu finden, die bereit sind, für das öffentliche System zu arbeiten – einfach weil es, gerade für Jungärzte, zunehmend unattraktiv wird.

Kann man solche Mangelerscheinungen mit mehr Absolventen lösen? Natürlich nicht. Um diese Mängel zu beheben, müssen wir über die Ausbildungs- und Arbeitssituation, Anreizsysteme und Zukunftsperspektiven der Ärzte reden – nicht über mehr Studenten; die würden die Situation nur verschlimmern.

Und trotzdem, jetzt, wo das Land die sicher nicht ausreichend aufgeklärte Bevölkerung mit Angstargumenten mobilisiert, kann garantiert werden, dass knapp vor der nächsten Wahl der Bund in die Knie geht und Linz sein Uni kriegt.

(ebenfalls in leicht geänderter Form in „Wiener Zeitung“ veröffentlicht)

Ärztebedarf Studien

Auf 28 Seiten werden alle bisher vorliegenden Studien zum Ärztebedarf analysiert: Drei Studien (CHINI, ARWIG I, ARWIG II) stammen aus dem Umfeld der Österreichischen Ärztekammer, drei Studien vom ÖBIG. Es wird spannend, wenn dann 2012, mit 2 jähriger Verspätung die neue, lange politisch unterdrückte Studie erscheint, die folgende Grätsche schaffen muss: Aufrechterhaltung der EU-Quotenregelung (schließlich dürfen doch nicht lauter Deutsche bei uns studieren) durch Nachweis eines Ärztemangels, bei gleichzeitiger Verhinderung der neuen Med-Uni in Linz – der Mangel darf also nicht zu groß, aber auchnicht zu klein sein – und schließlich Sicherung des Ärztekammereigenen Pensionssysterms durch viele Jungärzte! Man darf gespannt sein! Weiterlesen „Ärztebedarf Studien“

Weg zur Knechtschaft (F.A..v.Hayek)

(Lesezeit 27 Min) Kein Buch hat mein politisches Denken stärker beeinflusst als „Weg zur Knechtschaft“. Viele meinen, F.A.v. Hayek sei kaltherzig  und Neoliberale skrupellos! Vielleicht ändert das hier etwas …

Zitate aus „Weg zur Knechtschaft“ Zusammengestellt von Ernest Pichlbauer: Fett gedruckt sind meine Kommentare, normal gedruckte Zitate, die Zahl am Ende des Zitats bezieht sich auf die Seitenzahl der Ausgabe des Olzog-Verlages 2003 ISBN 3-7892-8118-2

Liberalismus deutet Freiheit als Möglichkeit zu tun was man will, Sozialismus als frei sein von wirtschaftlichen zwängen.

Faschismus ist die Folge des Streits von Parteien, die “wissen” was der einzelne Mensch braucht und will. Dazu ist ein kollektivistischer Gedanke nötig, der bei sozialistisch denkenden Menschen vorhanden ist, unerheblich in welcher Partei sie sind. Jede Art der Kollektivierung ist sozialistischen Ursprungs. Faschisten sind daher notwendigerweise Sozialisten (CAVE: ein Umkehrschluss ist NICHT möglich – Sozialdemokraten sind KEINE Faschisten!)

„Aber man beachte den Unterschied: während die Demokratie die Gleichheit in der Freiheit sucht, sucht der Sozialismus sie im Zwang und in der Knechtung’’’. Alexis de Tocqueville 45

 

Planung durch den Staat hat sich auf einen “zeitlosen” Rahmen zu beziehen, nicht auf Umverteilung. Recht soll ein Planungsinstrument für individuelle Entscheidungen sein, das dem Individuum ermöglicht Entscheidungen des Staats in bestimmten Situationen vorauszusehen. Jedoch darf durch den Staat keinesfalls wirtschaftlicher Erfolg oder Misserfolg einer im rechtlichen Rahmen gesetzten Entscheidung dadurch vorhersagbar sein.

Planung, die sich nicht auf einen allgemeinen Rahmen bezieht, bezieht sich zwangsläufig auf den Entscheidungsbereich des Individuums. In diesem Fall bedeutet Planung immer Freiheitseinschränkung, der Ausgangspunkt des Totalitarismus. Planung darf daher nie Wettbewerbseinschränkend sein.

Weiterlesen „Weg zur Knechtschaft (F.A..v.Hayek)“

Kuckuck, KAKuG!

Dass die Ärztekammer immer gegen alles ist, ist nichts Besonderes, wenn aber die Länder ein Bundesgesetz begrüßen, ist Vorsicht geboten.

Das erneuerte Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (KAKuG) schraubt unter dem Titel der Flexibilisierung an den Mindeststandards für Spitäler und erlaubt hinkünftig „Basis-Spitäler“, die nur mehr eine Bettenabteilung für innere Medizin (ohne weitere Spezialisierung) anbieten müssen; alles andere darf und soll ambulant (darunter ist auch die Tagesklinik zu verstehen) abgearbeitet werden.

Die Novelle bietet auf den ersten Blick tatsächlich jene Flexibilität, die nötig ist, eine vernünftig abgestufte Versorgung zu errichten. Wer genau schaut, wird aber sehen, dass dieses Basis-Spital so etwas ist, wie ein ambulantes Versorgungszentrum, mit der Möglichkeit, Patienten mit allgemeinen Problemen stationär aufzunehmen. Diese Patienten würden international nicht in einem Spital liegen, sondern entweder in den eigenen vier Wänden von einem gut ausgebildetem Hausarzt versorgt, oder vielleicht in einem Pflegeheim für Kurzzeitpflege betreut. Nur bei uns ist das Spital zuständig.

Aber was soll’s, im Sinne des Patienten – auch wenn es ein Etikettenschwindel ist, weil diese Basis-Spitäler definitiv nicht mehr Spitäler sind – könnte was Gutes rauskommen; könnte, wohlgemerkt.

Denken wir an die Geburtsstationen. Diese sind zwar längst nicht mehr vorgeschrieben, trotzdem hat noch fast jedes Spital seine eigene. Denn das echte Schließen von Abteilungen hat hierzulande noch nie wirklich geklappt, schon gar nicht bei der Chirurgie – Stichwort Bad Aussee.

Zudem haben die Länder das KAKuG nie ernst genommen. Denken wir an Waidhofen/ Ybbs. Das dortige 180 Betten-Spital mit einem Einzugsgebiet von 40.000 Einwohnern (selbst das neue Basisspital müsste mindestens 50.000 haben!) verfügt über eine Ausstattung wie ein kleines Uni-Spital. Da gibt es neben der Internen, der Gynäkologie und der Chirurgie, eine Unfallchirurgie, eine Urologie, eine Augenabteilung und – darauf ist man besonders stolz – sogar einen Herzkatheter. All das war und ist im KAKuG nicht vorgesehen.

Es besteht die Befürchtung, dass die Länder diese Flexibilisierung nicht dazu verwenden, eine vernünftige Spitalsplanung vorzunehmen und Spitäler „rückzubauen“, aber die Option erhalten, tief in die ambulante Versorgung einzugreifen. Schließlich kann in diesen Basisspitälern jedes Fach ambulant angeboten werden.

Um Auswüchse (sprich Neubauten) hintan zu halten, ist zwar vorgesehen, dass nur bestehende Spitäler umgewandelt werden dürfen, was aber nicht vorgesehen ist, ist ein Eingriff in die Bedarfsprüfungen. Wann und wo ein bettenführendes Spital errichtet wird, ist Sache der Länder, die zwar auch eine Bedarfsprüfung über sich ergehen lassen müssen, aber von Amtswegen der Bedarf ungeprüft zu bestätigen ist, wenn ein Antrag direkt vom Land kommt. Anders ausgedrückt: Länder können Basis-Spitäler errichten, wo und wann sie wollen.

Und da der Kampf ums Geld (wer wird die eine Hand, die finanzieren soll?) noch nicht abgeschlossen ist, lässt sich der Eindruck nicht verwehren, dass die Länder nach der gesamten kurativen Gesundheitsversorgung – ambulant und stationär – greifen. Was im Grunde ja nicht schlecht sein muss, wenn die Vergangenheit uns nicht lehrte, dass Länder einfach nicht fähig sind, ein vernünftiges und patientenorientiertes Gesundheitssystem aufzuziehen, stehen doch Einfluss- und Machtüberlegungen im Vordergrund.

Tja, und deswegen ist die Skepsis der Ärztekammer, wenn auch vermutlich aus anderen Gründen, zu teilen.

Dieser Artikel wurde im November 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Gesundheitspolitischer Nonsens

Niemand, der politische Ansagen kritisch hinterfragt, niemand der Akteure zwingt, perverses Schönreden einzustellen und reale Reformen umzusetzen.

In den Pinzgauer Nachrichten wird ein wohl nicht ganz unpolitisch agierender Mitarbeiter des Mittersiller Spitals, das seit Jahren von Schließung bedroht ist, zitiert: „Das Krankenhaus ist gut unterwegs. Das belegt eindrucksvoll die Statistik der ersten acht Monate dieses Jahres. Die Belagstage konnten im Vergleich zum Vorjahr um über 15 Prozent gesteigert werden.“

Aha! Offenbar ist die Qualität der Versorgung dadurch belegbar, dass Spitäler ihre Auslastung steigern.

Komisch, irgendwie sehen andere hinter hohen Auslastungszahlen sinnlose Aufenthalte. Daher zählen sie „vermeidbare Spitalsaufenthalte“, mit dem Ziel Ansätze zu finden, diese zu senken – weil sie der Meinung sind, dass weniger mehr ist.

Aber die haben halt keine Ahnung, worum es geht und wir das weltbeste Spitalswesen.

In einem Interview mit „die Presse“ erklärt Ärztekammerpräsident Dorner: „Die Krankenversicherungsbeiträge sind in Österreich seit zehn Jahren nicht mehr erhöht worden. Ich fordere aber schon wegen der Inflation eine Anhebung um zwei bis drei Prozent.“

Aha! Offenbar entwertet die Inflation das Geld im System.

Komisch, aber andere sehen das wohl anders. Krankenversicherungsbeiträge sind als Prozentsatz fixiert, und daher würde diese Ansage bedeuten, dass diese nun statt wie aktuell ca. sieben, eben neun bis zehn Prozent des Bruttolohns betragen sollen; wie das mit der Inflation zusammenhängt, erschließt sich nicht. Und dass die Gesundheitsausgaben, die zu den höchsten der Welt zählen, schneller steigen als die reale, also inflationsbereinigte Wirtschaftsleistung, deutet auch auf etwas anderes hin, als dass die Inflation hier einen erodierenden Effekt hätte.

Aber die, die so denken, haben keine Ahnung, worum es geht. Deswegen werden die präsidialen Aussagen stehen bleiben und vermutlich auch Applaus erhalten – in den eigenen Reihen.

Minister Hundstorfer wiederum ließ über die APA wissen, „dass der Ist-Zustand im Pflegewesen in Österreich ein sehr guter“ sei. Österreich sei beim Pflegegeld „Weltmeister“, nirgendwo würden so viele Personen Pflegegeld beziehen wie hierzulande.“

Aha! Offenbar ist auch hier Quantität ein Beweis für Qualität – und je mehr Menschen pflegebedürftig sind – Pflegegeld kriegt nur wer pflegebedürftig ist, wenigstens theoretisch –, desto besser ist das Pflegewesen.

Komisch, irgendwie sehen das andere anders. Schließlich sind Pflegeprävention und geriatrische Rehabilitation international keine hohlen Phrasen und die dahinter stehenden Programme ausgedacht, um Menschen so selten und spät wie möglich pflegebedürftig werden zu lassen.

Aber die haben halt alle keine Ahnung, worum es geht, weil wir die Weltmeister sind.

Ach ja, Weltmeister: Wer erinnert sich nicht gerne an das (inkl. Homepage) medial verbreiterte Rauch-Kallat’sche Programm (erstellt 2006 vor der Wahl, eingestellt 2006, nach der Wahl), dass uns mit Gesundheitszielen* bis 2010 zu „Gesundheitsweltmeistern“ machen sollte?

An letzterem ist der tröstliche Gedanke aufzuhängen: es gibt nichts Vergänglicheres als politischen Ansagen – das gibt Hoffnung, und lässt es fallweise das erschütternd niedrige Niveau der Gesundheitspolitik ertragen und die Tatsache, dass niemand da ist, der diesen Narreteien ein Ende setzen kann. Mehr leider auch nicht.

 

*von 2006 bis 2010: Zahl der: Herz-Kreislauf-Toten unter 65 Jahren um bis zu 20%, Krebs-Toten um bis zu 7 % Diabetes-Schäden um ca. 1/3 senken; Eindämmung der Adipositas; Reduktion übertragbarer Krankheiten; Zahl der Unfälle um 25 % senken; Psychosoziales Wohlbefinden verbessern; Tabakkonsum deutlich senken; Alkoholkonsum deutlich senken

Dieser Artikel wurde im Oktober 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die Zwei-Klassen-Medizin – ein Systemversagen

Auch wenn die „Zwei-Klassen-Medizin“ eine Sauerei ist, reicht es nicht aus, sie einfach so zu benennen und per Gesetz verbieten zu wollen.

Ein solidarisches Gesundheitssystem sollte regulierend über Versorgungs- und Behandlungsebene schweben. Die Versorgung der Menschen mit Behandlungen sollte so allen gleichermaßen zur Verfügung stehen, unabhängig von Vermögen oder – ein leidiges Thema – Beziehungen. Anders ausgedrückt, ist unser Gesundheitssystem, das von Unfreiheiten, Konkurrenzschutz und Planwirtschaft nur so strotzt, so ausgerichtet, dass marktwirtschaftliche Mechanismen nicht direkt am Patienten ankommen. Und das ist im Grunde auch gut, einfach deswegen, weil es eben evident ist, dass Gesundheitssysteme, die auf Marktmechanismen auf der Behandlungsebene setzen, schlechter abschneiden, als jene, die Wettbewerb höchstens bis in die Versorgungsebene vordringen lassen.

Die Aufgabe des Systems ist es, die Rahmenbedingungen so herzustellen, dass für alle die richtige Maßnahme zur rechten Zeit am rechten Ort in der richtigen Qualität erbracht wird. Nur so kann für jedes Individuum, als auch für die Solidargemeinschaft ein Mehrwert (ein mehr an Gesundheit pro eingesetzter Ressource) erzeugt werden. Damit ist jedoch eine schwere Aufgabe verbunden, nämlich die Definitionen, was denn nun richtig ist. Nur mit diesen Definitionen – und die müssen ehrlich sein – kann die Ressourcenverteilung sinnvoll umgesetzt werden. Diese Allokation der Mittel, die im Markt über Preisfindung erfolgt, ist hier also vom System zu lösen. Wenn sich das System davor drückt, dann wird in das entstehende Vakuum automatisch ein Preissystem eindringen – es ist einfach naiv zu glauben, dass man Markt und Wettbewerb einfach von oben herab verbieten kann!

Wir haben den Manchesterkapitalismus jetzt zwei Mal erlebt (einmal im 19ten Jahrhundert und jetzt im Rahmen des internationalen Finanzmarktes); bereits nach dem ersten Mal, vor fast hundert Jahren, wurde die soziale Marktwirtschaft – auch Neoliberalismus genannt – als Gegenthese entwickelt, die den urwüchsigen Markt als bösartig ausweist und daher für deren Regulierung (nicht Abschaffung, weil das geht nicht!) durch den Staat eintritt. Je weniger Markt erwünscht ist, desto strikteren Regeln muss er unterworfen werden. Wenn nun aber bereits 80 Prozent der Bevölkerung davon ausgehen, dass man nur dann optimal versorgt wird, wenn man Klasse-(Zusatz-)versichert ist, zeigt das, dass das System, auch wenn die Politik anderes behauptet, nicht mehr in der Lage ist, die Allokationsfrage zu lösen. Und daher sucht sich die optimale Versorgung, selbst wenn sie nur so empfunden wird, über private Versicherungen wieder einen Preis. Und weil die Politik das nicht wahrhaben will, werden Marktmechanismen aktiv, die unreguliert eintreten.

System-Entscheidungsträger können nicht einfach behaupten, alles sei gut. Sie können auch nicht einfach mehr Geld verlangen ohne zu sagen wieso, weshalb und mit welchem Ziel, sie können sich nicht hinter der allgemeinen Klausel „alle kriegen alles, und das gratis“ verstecken. Sie müssen ihren Mitgliedern immer und immer wieder beweisen, dass es für jeden einzelnen vernünftig ist, „sein Geld“ dem System, und nicht dem Markt anzuvertrauen. Erst wenn dieser Beweis fehlt, werden System und Finanzierung in Frage gestellt. Und weil es seit Jahren in der Reformdiskussion nur ums Geld geht, ist der Umkehrschluss, dass Beweise für das Funktionieren unseres Systems fehlen, zulässig. Und daraus folgt, dass der Markt dort wieder eintritt, wo eben das System, die Politik, versagt.

Dieser Artikel wurde im September 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.