Schelling, Stöger, Oberhauser – zwei Nachrufe und ein Vorruf

  

Selten, dass an der Spitze der Gesundheitspolitik dermaßen viel Bewegung ist. Doch was bringen diese Personalrochaden?

Weiterlesen: Schelling, Stöger, Oberhauser – zwei Nachrufe und ein Vorruf

   Hans Jörg Schelling: Politisch verkauft wird er als Kassen-Sanierer. Betrachtet man die Zahlen genauer, stellt man fest, dass der Schuldenabbau wohl weniger sein Verdienst war. Es waren eher die durch Patentabläufe relativ gesunken Medikamentenpreise, in früheren Jahren DIE Kostentreiber, und die Steuerzahler, die erhebliche Mittel in die Kassen zahlten. Die Kassen wurden also nicht durch eigene Kraft oder Umstrukturierungen „saniert“, sondern durch geldwerte Segnungen von außen.

   Allerdings hat Schelling etwas sehr viel Wichtigeres geschafft. Unter seiner Führung wurde das Denken des Hauptverbandes weg vom reinen Verwalter hin zum Gestalter des Gesundheitssystems geändert. Der Hauptverband ist heute im Denken viel moderner. Er fühlt sich stärker als Versorger denn als Dachverband von Krankenkassen, die mit Ärztekammern verhandeln. Dieses „gestalten statt verwalten“ diffundiert langsam auch in die vielen Kassen hinein – und das nicht ohne Konflikte, vor allem mit Ärztekammern und Ländern. Ob dieser Weg fortgesetzt wird, jetzt, wo Schelling fort ist, und die Konflikte größer werden, ist ungewiss. Ein Rückfall in die selbstgefällige Verwaltung ist durchaus realistisch,

   Alois Stöger: Er verlässt nach neun Jahren die Gesundheitspolitik – länger war er nicht dabei! Auch wenn gerne behauptet wird, Stöger wurde wegen seiner Erfahrung Gesundheitsminister; wer genau schaut, sieht, er kam über die Gewerkschaft erst 2005 als Obmann der OÖ-GKK in das Gesundheitssystem. Und dort erntete er im Grunde das, was sein Vorgänger gesät hatte. Nur drei Jahre später war er dann Minister. Auch dort wird ihm sehr viel zugesprochen – aber auch das hält nicht stand. So wie viele seiner Vorgänger hat auch er nur papierene Reformen hinterlassen, die noch lange nicht leben. Wer beispielsweise die Landes-Zielsteuerungsverträge, Kernstücke der Gesundheitsreform, analysiert, erkennt, dass seine Reform, wie alle davor, an Ländern und Kassen zerschellt.

   Sabine Oberhauser: Ich habe natürlich genau hingehört, was die neue Gesundheitsministerin sagt, denn sie spricht exzellent. Wer Nietzsche liest, so sagt man, sollte es zwei Mal tun, denn seine mächtige Sprache lenkt beim ersten Mal lesen von den oft nur dünnen Gedanken ab, die man dann beim zweiten Mal klar erkennt.

   Und so ist es wohl auch hier. Rhetorisch (glatt) geschliffen und überzeugend erklärt die neue Ministerin eigentlich nur, dass sie keine weiteren Reformen wünscht, schon gar nicht Strukturreformen. Sie will den Weg ihres Vorgängers am grünen Tisch fortsetzen – dessen Reformen bilden aber eher Sackgassen, weil es keine Strukturreform gibt. Aber dort, wo es möglicherweise opportun scheint, ist ihr ein Aufweichen des Kurses möglich – vor allem bei der Elga, hier darf es ruhig noch ein bisschen länger dauern.

   Dafür will sie beim Nicht-Raucher-Schutz, bei all den Problemen, die unser Gesundheitssystem hat, nicht das drängendste, aktiv werden: Ein totales Rauchverbot in der Gastronomie soll zu einem „Zeitpunkt fixieren werden, der in der Zukunft zu finden ist“.

„Wiener Zeitung“ Nr. 173 vom 05.09.2014  

Die neue Ärzteausbildung – eine unglaubliche Mogelpackung

Die Reform ist seit Jahrzehnten überfällig, wie die scharenweise Emigration der Jungärzte überdeutlich zeigt. Jetzt liegt ein Entwurf im Parlament.

Weiterlesen: Die neue Ärzteausbildung – eine unglaubliche Mogelpackung

   Turnusärzte, die Allgemeinmediziner werden wollen, sollen die lange geforderte, verpflichtende Lehrpraxis, die mindestens sechs Monate dauert, machen. Die im internationalen Vergleich zu lange Facharzt-Ausbildung soll, durch Abstellen der Unart, dass vor der Facharzt-Ausbildung eine zum Allgemeinmediziner gemacht werden muss, deutlich verkürzt werden. Und damit Spitalserhalter Qualitätsanforderungen nicht unterlaufen, muss die Ärztekammer jede einzelne Ausbildungsstelle, sowohl für Allgemeinmediziner als auch Fachärzte, anerkennen. So weit, so gut.

   Allerdings liegt der Teufel im Detail. Analysiert man den Entwurf, erkennt man, dass zwar die Ausbildungszeit der Fachärzte wirklich verkürzt werden könnte, dafür werden, offenbar bewusst, Engpässe für Allgemeinmediziner eingebaut, die deren Ausbildungszeit in Spitälern enorm verlängern werden; es sei denn, es kommt zur Schließung von etwa 10.000 (25 Prozent) Spitalsbetten – unrealistisch!

   Hintergrund ist eine Ausnahmeregelung, die vor allem Kleinstspitäler und Kleinstabteilungen, die durch den Entwurf eigentlich aus Qualitätsgründen ihre Ausbildungsbefugnis verlören, schützt: Pro 15 Spitalsbetten muss weiterhin überall ein Turnusarzt angestellt werden, dessen Ausbildungsstelle aber nicht anerkannt, und damit deren Ausbildungsqualität nicht überprüfbar, sein muss.

   Sollte es keinen massiven Bettenabbau geben, werden so mindestens 2700 (90 Prozent) Turnusärzte auf Stellen ausgebildet, die nicht wegen der Ausbildungsqualität anerkannt sind, sondern ausschließlich wegen der Zahl der Betten, und, wie geschrieben steht, „zur Aufrechterhaltung des Systems“ existieren. Die Überwachung der Ausbildungsqualität durch die Ärztekammer ist nichts als Blendwerk.

   Da nach den neuen Regeln pro Jahr nur etwa 500 Jungmediziner die Allgemeinmediziner-Ausbildung beginnen, müssen diese natürlich deutlich länger im Spital bleiben als die avisierten 33 Monate. Rein rechnerisch geht sich die „Reform“ nämlich erst aus, wenn sie 60 Monate im Spital arbeiten. Und um das zu erreichen, werden Wartezeiten eingebaut.

   So werden jährlich nur 60 der nun verpflichtenden Lehrpraxisstellen gefördert, notwendig wären jedoch 500. Wartezeiten sind unvermeidbar. Und um sicher zu sein, dass diese nicht unterlaufen werden (so könnten hausarztsuchende Gemeinden die Finanzierung der Lehrpraxis übernehmen), werden auch Ausbildungsstellen in den sogenannten „kleinen Fächern“ (wie HNO, Neurologie etc.), die Turnusärzte turnusmäßig mehrere Monate im Spital durchlaufen müssen, erheblich reduziert. Damit werden die heute üblichen Wartezeiten von etwa einem Jahr für solche Stellen deutlich ausgedehnt.

   Die „Reform“ stellt sicher, dass Jungärzte weiterhin überall, nun aber länger, als Systemerhalter („Spritzenferdl“) eingesetzt werden können. Eine Verbesserung der Ausbildung wird nicht erreicht, wohl auch nicht angestrebt.

   Was wird passieren? In ein paar Jahren werden Jungärzte begriffen haben, wie sehr sie über den Tisch gezogen wurden. Ein ungeahnter Exodus wird folgen – und Politiker werden gegen den Turnusärztemangel neue MedUnis bauen.

„Wiener Zeitung“ Nr. 153 vom 07.08.2014

Chancen der neuen Primärversorgung

Hektisch war sie, die Geheimdiplomatie rund um die neue Erstversorgung, begleitet von Streik- und Weltuntergangsdrohungen.

Weiterlesen: Chancen der neuen Primärversorgung

   Nach verbalem und Patienten wie Ärzte verunsichernden Schlagabtausch zwischen Ärztekammer und Volksvertretern, nach mehrfachem Hin und Her streng geheimer Papiere, die hinter verschlossenen Türen verhandelt wurden, ohne dass man weiß, wer denn verhandelt hätte, wurde am 30. Juni ein Konzept beschlossen, das die Basis für die Neuordnung der Primärversorgung sein soll.

   Aber was steht drinnen – und viel wichtiger: Wird es wirklich die Primärversorgung neu ordnen?

   Viele schöne und richtige Worte findet man – was nach 100 Jahren internationaler Erfahrungen und wissenschaftlicher Untersuchungen auch das Mindeste sein sollte, wenn einem eine „Primärversorgung nach internationalem Vorbild“ ein Anliegen ist.

   Einer der Höhepunkte: „Ärztliche und nicht-ärztliche Gesundheits-und Sozialberufe arbeiten unter der medizinischen Leitung des Arztes in der Primärversorgung im Team (. . .) zum Zweck einer optimalen Primärversorgung und Sicherstellung durchgängiger Versorgungsketten im Gesundheits- und Sozialbereich für Personen/Patienten eines definierten Einzugsbereichs.“

   In diesem Satz liegen die gesamte Weisheit des Papiers – und auch alle Fallstricke.

   Denn, will man nicht via Verfassungsänderung den Rahmen herstellen, so etwas von einer Stelle aus organisieren zu können (Finanzierung aus einer Hand), und das wurde dezidiert ausgeschlossen, dann stehen umfangreiche Verhandlungen bevor: zwischen zwei Ministerien (Soziales und Gesundheit), neun Ländern mit jeweils mindestens zwei Landesräten (Finanzen, Gesundheit und Soziales, meist aus verschiedenen Parteien); 21 Krankenkassen, die teils bundes-, teils landesweit organisiert sind und deren bundesweit agierende Vertreter praktisch ein Vetorecht gegen jede Reform haben und in der Vergangenheit gerne auch ausübten; mehrere, meist parteipolitisch genau zuordenbare Organisationen mobiler Pflege, die regional oft Monopolisten sind; hunderte Pflegeheime betreibende Gemeinden; und natürlich die zehn Ärztekammern mit ihren 20 Kurien, die dank der Sicherstellung, dass alles im Rahmen der Gesamtverträge ablaufen muss, sehr viel Sand ins Getriebe der Verhandlungen werfen können und werden.

   „Das konkret anzubietende Leistungsspektrum ist vertraglich mit der Sozialversicherung und sonstigen Finanzierungsträgern zu vereinbaren.“ So steht es lapidar im Konzept. Und weil jeder weiß, dass es nie dazu kommen wird, dass sich all diese Partikularinteressenvertreter einigen, beginnt jetzt schon ein rein machtpolitischer Kampf.

   Ein Blick nach Niederösterreich zeigt das. Dort wurde die landeseigene Primärversorgungsidee vorgestellt – ohne Vertreter der Krankenkassen und ohne Ärztekammer, dafür mit einem ehemaligen, aber abgewählten Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Das kommt einer Kampfansage gleich, die für die Verhandlungen, und damit die Neuordnung der Primärversorgung wohl bereits ein Todesstoß ist.    Aber wenigstens eines wurde erreicht: Der Terminus „Primärversorgung“ ist, etwa 100 Jahre nach seiner Einführung, nun auch in Österreich verwendbar. Man soll sich eben auch mit kleinen Schritten zufriedengeben.

„Wiener Zeitung“ Nr. 134 vom 11.07.2014  

Die verkauften Jungärzte

Werter Leser! Stellen Sie sich eine Gewerkschaft vor, sagen wir die Metaller, und fragen Sie sich, wie sie auf Folgendes reagieren würde.

Weiterlesen: Die verkauften Jungärzte

   Da kommt die EU und sagt: „Ihr in Österreich, ihr behandelt eure Metall-Arbeiter seit Jahrzehnten schlecht. Wir haben euch schon bei eurem EU-Beitritt gesagt, dass sie – mittlerweile sogar unerlaubterweise – zu lange arbeiten! Bringt das in Ordnung, sonst tun wir es.“ Die Gewerkschaft schweigt vorerst, nur der Sozialminister, zuständig für Arbeitszeiten und selbst einmal Gewerkschaftsboss antwortet, weil er muss, sinngemäß: „Jo, eh! Aber wir brauchen noch so zehn Jahre – die Arbeitgeber haben sich an die billigen Arbeitskräfte gewöhnt, und wenn wir jetzt die Arbeitszeiten auf europäisches Maß reduzieren, dann können die sich das einfach nicht mehr leisten.“ Nun gibt auch die Gewerkschaft Laut, sagt, die EU mit all ihren Regeln ist schuld, gibt dem Minister grundsätzlich recht, meint aber, die Übergangszeiten sind schon ein bisserl lang – das war es!

   Klingt das nach dem Verhalten von Gewerkschaftern? Nein! Und doch ist es geschehen – mit einer Berufsgruppe, die dank endloser Arbeitszeiten in oft prekären Arbeitsverhältnissen (nicht selten illegalen Kettenverträgen) kaum aufmucken können – den Spitalsärzten, vor allem den Jungärzten.

   Hauptsächlich diese arbeiten 65 und mehr Wochenstunden und sollen nach dem Willen der EU „nur mehr“ 48 Wochenstunden arbeiten dürfen. Ihre Netto-Jahres-Arbeitszeit beträgt 3000 Stunden, die eines Hausarbeiters im Spital 1400 – und so liegen die Nettostundenlöhne pro geleistete Arbeitsstunde etwa gleich auf.

   Aber warum lassen sich Jungärzte das gefallen?

   Dank einer EU-weit einzigartigen Regelung dürfen sie praktisch nur in Spitälern arbeiten, bis sie ihren Turnus beendet haben. Erst dann erhalten sie eine Approbation, die es erlaubt, selbständig zu arbeiten. Selbst eine Teilapprobation wurde vor Jahren von der Ärztekammer erfolgreich abgewehrt, um die niedergelassenen Ärzte vor Konkurrenz zu schützen.

   Ach, die Ärztekammer! Sie fühlt sich als Gewerkschaft der Ärzte. In Wahrheit verteidigt sie nur den „Kollektivvertrag“, den sie als Monopolist verhandeln darf – den Gesamtvertrag der 8000 Kassenärzte! Die 23.000 Spitalsärzte, davon 9000 Jungärzte, sind ihnen weniger wichtig. Längst hat sie vergessen, dass sie eigentlich die mit staatlichem Monopol versehene Interessensvertretung ALLER Ärzte ist. Das ist leicht erkennbar: Die schlechte Arbeitssituation der Jungärzte wird seit Jahrzehnten diskutiert, aber gab es einmal einen Streik deswegen? Nein! Im Gegensatz zu Fragen der Kassenverträge! Wer nur in deren Nähe kommt, kriegt eine Streikdrohung an den Hals – und ALLE Ärzte müssen dann solidarisch um diese Verträge kämpfen!

   Dank des Ausbildungsmonopols der Spitäler und der desinteressierten Monopol-Interessenvertretung der Kammer sind Jungärzte ihren Arbeitgebern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

   Nur das Auswandern hilft. Und weil das immer mehr tun, jammern die Arbeitgeber, es herrsche Ärztemangel. In Wahrheit fehlen ihnen aber nur billige Turnusärzte. Denn an Ärzten mangelt es nicht: Wir haben gleich 50 Prozent mehr Ärzte zur Verfügung als der OECD-Schnitt.

„Wiener Zeitung“ Nr. 115 vom 13.06.2014    

Pflegegeld statt Karenzgeld – ein Vorschlag aus Niederösterreich

In Niederösterreich, dem Land, das Erwin Pröll absolut regiert, wird die Pflege immer teurerer. Das ist im Grunde nicht überraschend.

Weiterlesen: Pflegegeld statt Karenzgeld – ein Vorschlag aus Niederösterreich

   In Niederösterreich wurden 2011, bezogen auf die Bevölkerung über 75 Jahre, offiziell nur etwa halb so viele Pflegeplätze vorgehalten wie in Salzburg, der Steiermark oder Wien. Niederösterreich ist bei dieser Kennzahl überhaupt das Bundesland mit der niedrigsten Ausstattung. Es ist also klar, dass da Kosten überproportional steigen, es gibt offenbar einen Investitionsrückstau.

   Ebenfalls wenig überraschend ist es, dass Niederösterreich nach frischem Geld schreit – Bundesgeld natürlich. Überraschend allerdings sind die Vorschläge der Soziallandesrätin, Barbara Schwarz (ÖVP). Diese wird in der Tageszeitung „Kurier“ folgendermaßen zitiert: „Ich kann mir da ein Modell wie bei der Sozialversicherung vorstellen. Jeder Arbeitnehmer würde dann einen gewissen Prozentsatz seines Einkommens in einen Pflegetopf einzahlen.“ Im Gegenzug (also wenn man, also der Bund, nicht will, dass die Abgabenlast steigt; Anm.) müssten eben andere Abgaben der Bürger oder Aufgaben des Bundes überdacht werden. Als Beispiel nennt Schwarz das Kinderbetreuungsgeld (auch als Karenzgeld bekannt; Anm.).

   Übersetzt heißt das, entweder soll noch weniger netto vom Brutto bleiben oder, wenn nicht erwünscht, halt bei Familien gespart werden. Ein toller Vorschlag.

   Auf die Idee, landesintern ein bisschen zu reformieren, kommt man nicht. Also zum Beispiel ein bisschen weniger Spitäler, dafür mehr Pflegeheime zu bauen.

   So grob geschätzt, gehen von den zwei Millionen Spitalstagen, die in Niederösterreich anfallen, 400.000 auf das Konto von Menschen, die keine Spitalsbehandlung, sondern Pflege brauchen. So ein Spitalstag kostet 300 bis 500 Euro, macht jährlich 120 bis 200 Millionen Euro (zwischen 10 und 15 Prozent der stationären Spitalskosten), die gerne, aber völlig falsch ausgegeben werden.

   Würde man dieses Geld nehmen und der wohnortnahen Pflege geben und vielleicht auch ein bisschen davon den Hausärzten, die Forderungen nach neuem Geld wären für Jahre vom Tisch – und die Patienten würden von einer besseren Versorgung profitieren.

   Aber welcher Politiker, vor allem in Niederösterreich, verzichtet schon gerne auf prestigeträchtige Spitäler, zugunsten der definitiv weniger coolen Pflege – noch dazu, wo das Geld ohnehin vom Bund kommt: „Wir geben aus, wie es uns passt und wo es uns passt – geht das Geld aus, dann hat der Bund mehr herzugeben. Basta“

   Wenn der Föderalismus in seiner jetzigen Form nicht abgeschafft wird, wird es nie eine integrierte Versorgung geben, in der die Akutmedizin mit Prävention, Pflege und Rehabilitation so abgestimmt ist, dass der Patient zur richtigen Zeit das Richtige am richtigen Ort erhält – wenn das aber nicht klappt, werden wir immer mehr in ein immer ineffektiver werdendes System einzahlen, ohne dass Patienten davon profitierten.

   Das ist jetzt auch nicht überraschend und steht so schon seit Jahrzehnten in Gesundheitsreformpapieren. Aber wie gesagt, überraschend ist nur, mit welcher Chuzpe hier eine niederösterreichische Landespolitikerin höhere Steuern oder weniger Familienförderung verlangt, um hausgemachte Finanzierungsprobleme dem Bund umzuhängen.

„Wiener Zeitung“ Nr. 095 vom 15.05.2014    

Die hundertjährige Diskussion

Die immer größer werdenden Archive ermöglichen es, das gesundheitspolitische Versagen zu bewerten.

Weiterlesen: Die hundertjährige Diskussion

   Prävention und Kuration sind nach vernünftigen Grundsätzen nicht voneinander zu trennen und müssen im Wirkungsbereich des Hausarztes zusammengeführt werden, wobei der Hausarzt sich nicht nur um die Gesundheit des Einzelnen kümmern soll, sondern auch um die Volksgesundheit (Public Health).

   Um die Aufgaben effektiv zu erfüllen, braucht der Hausarzt Hilfe durch die Mitarbeit von Apothekern, Pflegekräften und Hebammen. Unter der Führung des Hausarztes (oder mehrerer Hausärzte), der in entsprechend ausgestatteten, und idealerweise seitens des Gesundheitssystems bereitgestellten, Räumlichkeiten (Primary Care Center) ordiniert, sollen diese zusammenarbeiten. Die Leistungen dieses Teams sind so wohnortnah wie möglich zu erbringen. Patienten, die nicht in die Ordination kommen können, werden zu Hause besucht. Patienten sollen hauptsächlich durch „ihren“ Arzt betreut werden. Wenn der Hausarzt einen Facharzt beiziehen will, werden durch ihn die Termine und der Transport organisiert. Die Hausarztordinationen sollen nach regionalem Bedarf dimensioniert sein, wobei zwischen ruralen und urbanen Regionen zu unterscheiden ist. Entsprechend dem Bedarf sollen Fachärzte regelmäßig zu Konsultationen kommen.

   Diese Aussagen klingen nach dem, was gerade in Österreich über die Neustrukturierung der Primärversorgung diskutiert wird, stammen aber nicht von hier, sondern wurden in Großbritannien geäußert – und zwar 1920 (Interim Report on the Future Provision of Medical and Allied Services; Lord Dawson of Penn).

   Der Bericht zeigt, mit welcher Verzögerung wir auf Entwicklungen reagieren. Die gleiche Trägheit finden wir auch in vielen anderen Bereichen.

   Dass wir zu viele, aber vor allem zu viele kleine Spitäler haben, die zu viele Patienten stationär versorgen, was unter anderem durch das Kassenhonorarsystem gefördert wird, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO 1969 berichtet – also vor 45 Jahren.

   Seit mindestens 15 Jahren liegen die Probleme der Kinder-Rehabilitation auf dem Tisch und werden ebenso lange seitens der Politik als wichtig genannt. Letzte Aussage des Primus inter Pares der Landesfürsten, die seit jeher über die Finanzierung mit den Kassen im Clinch liegen: „Es ist uns als Länder ein äußerst wichtiges Anliegen.“ Dass diese 2013, als es um konkrete Umsetzung ging, kurzerhand beschlossen haben, nicht mitzuzahlen, steht im krassen, aber offenbar politisch verkraftbaren Widerspruch.

   Und weil gerade aktuell: Zehn Jahre nach dem konsensuellen Plan über den Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung, dem eine vieljährige Verhandlungsphase zwischen Ländern, Kassen und Bund vorangegangen ist, erfahren wir von der Caritas, dass ihre Hospizeinrichtungen weiterhin nur über Spenden finanziert werden.

   Wir hatten wohl nie eine Gesundheitspolitik, kriegen es aber nicht wirklich mit, weil es noch zu wenig Archive gibt, die die Nicht-Existenz derselben illustrieren können. Aber, die Archive wachsen, wie man an dem Bericht aus 1920 feststellen kann. Und irgendwann werden alle erkennen, dass Politiker Probleme nur vor sich herschieben oder schönreden, statt sie zu lösen.

„Wiener Zeitung“ Nr. 077 vom 18.04.2014 

Was ist wichtiger: Zahnspangen oder Kinder-Rehabilitation?

Eine der wichtigsten Aufgaben der Gesundheitspolitik ist, zu entscheiden, wem welche Ressourcen zur Verfügung stehen – also Prioritäten zu setzen.

Weiterlesen: Was ist wichtiger: Zahnspangen oder Kinder-Rehabilitation?

   80 Millionen Euro, so schätzt das Gesundheitsministerium, wird es kosten, alle Kinder mit Gratis-Zahnspangen zu versorgen. Aber natürlich auch nur, wenn es gelingt, den erwünschten Preisverfall bei den Verhandlungen mit den freiberuflichen Zahnärzten zu erreichen. Das Geld für diese Zahnspangen stellt der Bund den Krankenkassen zur Verfügung (also eine Sonderfinanzierung). Profitieren sollen davon 85.000 Kinder.

   Der Grund, warum diese Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, wird fallweise medizinisch (Folgeschäden und -kosten bei schiefen Zähnen), aber meist sozialpolitisch argumentiert; durch diese Ressourcen soll die „soziale Stigmatisierung unserer Kinder“ beendet werden.

   Nun, es ist in manchen Kreisen löblich, mit Gesundheitsausgaben Sozialpolitik zu betreiben, wie wenn es auch für die vorliegende Problematik in Österreich kaum Hinweise gibt, dass durch die derzeitige kieferorthopädische Versorgung eine soziale Stigmatisierung stattfindet. In anderen, europaweit betrachtet deutlich größeren Kreisen, geht es bei der Entscheidung, wer welche Ressourcen erhält, doch meistens um den Patientennutzen. Und da stellt sich schon die Frage, ob diese 80 Millionen nicht besser verwendet werden könnten?

   Was könnte man sich sonst noch so um diesen Betrag leisten? Das von Minister Alois Stöger und Vorgängern versprochene bedarfsorientierte Angebot stationärer Kinderrehabilitation für schulpflichtige Kinder würde jährlich etwa 18 Millionen kosten. Werden, wie ebenfalls schon länger versprochen, die ambulanten therapeutischen Angebote (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädische Therapie sowie Psychotherapie) ausreichend und ohne Selbstbehalt zur Verfügung gestellt, würde das jährlich etwa 40 Millionen Euro kosten. Von so einem Angebot würden jährlich etwa 70.000 Kinder profitieren. Und damit die Zuweisung zu den rehabilitativen Angeboten auch gut funktioniert, könnte man die Zahl der Kassenkinderärzte um ein Drittel erhöhen, was noch einmal 25 Millionen kostet.

   Macht zusammen 83 Millionen Euro, die ausschließlich in die Kinderversorgung – einem Schwerpunktthema, wie Minister Alois Stöger unter Verweis auf seinen Kindergesundheitsdialog nicht müde wird zu betonen – investiert würden. Die Frage ist, würden diese Maßnahmen einen höheren Patientennutzen erzeugen als die Gratis-Zahnspangen?

   Nun, dass wissen wir in Österreich offiziell natürlich nicht. Nicht, dass das nicht irgendwer ausrechnen könnte, nein, es ist schlicht für die Entscheidung, wo denn die Ressourcen hinfließen irrelevant. Selbst die Aufrechnung solcher Dinge gilt als unmoralisch, da man doch Patientengruppen nicht gegeneinander ausspielen darf. Leider aber sind Ressourcen, auch wenn es viele nicht hören wollen, real immer knapp. Die Entscheidung, wer welche kriegt, ist nun einmal zu stellen. In einem öffentlichen Gesundheitswesen werden diese Ressourcenallokationsfragen von der Politik beantwortet – und wie es aussieht, ist dort der Fang von Wählerstimmern wichtiger als der Patientennutzen.

„Wiener Zeitung“ Nr. 056 vom 20.03.2014  

Zahnspangen, frische Gratis-Zahnspangen!

Schon ziemlich verwirrend, was sich da rund um die Gratis-Zahnspangen  so tut. Die Gratis-Mundhygiene fehlt leider.

Weiterlesen: Zahnspangen, frische Gratis-Zahnspangen!

  Begonnen hat alles im September 2013, wenige Wochen vor der Nationalratswahl, als Gesundheitsminister Alois Stöger, gemeinsam mit dem SPÖ-Bundesgeschäftsführer und einem prominenten Professor für Innere Medizin verkündete, alle Zahnspangen und zahnärztliche Mundhygiene werden gratis. Mangels Geld wurden nach den Wahlen die Mundhygiene gestrichen und die Zahl der Gratis-Spangenträger reduziert – klassisches Vorher/ Nachher!

   Stögers wesentliche Argumente für Gratis-Spangen: „Für uns zählt nicht die Kreditkarte, sondern die E-Card.“ Und gleich noch klassenkämpferisch: „Ich möchte nicht, dass man am Gebiss des Kindes das Einkommen der Eltern ablesen kann.“

   Spannend, denkt man, und so sozial, schließlich ist es wirklich nicht einzusehen, dass die Reichen mit geraden, die Armen mit schiefen Zähnen durchs Leben gehen.

   Doch ist das so? 2008 wurden die 18-Jährigen untersucht. 94 Prozent hatten mindestens eine kieferorthopädische Untersuchung, 52 Prozent haben oder hatten eine entsprechende Behandlung – also praktisch alle, die eine Zahnspange nötig hatten, hatten auch eine. Es ist definitiv nicht so, dass nur Kinder reicher Eltern gerade Zähne haben.

   Es gibt festsitzende oder abnehmbare Spangen. Die festsitzenden kosten die Eltern für die Dauer der Behandlung pro Monat etwa 125 Euro Selbstbehalt (Kassen zahlen 30 Euro), die abnehmbaren nur 35 Euro (Kassenbeitrag 35 Euro) – ein offenbar für alle sozioökonomischen Schichten erschwinglicher und nicht diskriminierender Betrag.

   Für festsitzende Spangen ist gute Zahnhygiene unabdingbar – also sind sie nur möglich, wo sich der Zahnarzt auf entsprechende Zahnpflege verlassen kann. Bei den abnehmbaren ist das nicht so heikel. Karies wegen mangelnder Zahnhygiene ist jedoch mit dem sozioökonomischen Status der Eltern assoziiert – heißt, vor allem Kinder aus schwachen Familien kommen seltener für festsitzende Spangen infrage.

   Was heißt es nun, wenn alle Spangen gratis werden? Ganz klar: Statt jenen Bevölkerungsschichten zu helfen, bessere Zähne zu bekommen, die es brauchen (es geht eben nicht um schiefe Zähne, sondern um Karies, also Mundhygiene, die nicht gratis sein wird), werden vor allem jene unterstützt, die heute bereits die gesünderen Zähne haben und es sich zudem leisten können, den hohen Selbstbehalt für festsitzende Spangen zu bezahlen.

   Was bleibt von dem ministeriellen Wunsch, am Gebiss des Kindes das Einkommen der Eltern nicht ablesen zu können? Nichts!

   Aber vermutlich ging es gar nicht darum, etwas Sinnvolles zu tun. Es ging um klassenkämpferische Töne und ein 6000-Euro-Wahlkampf zuckerl (das kostet in etwa eine festsitzende Spange über drei Jahre).

   Ein 80 Millionen Euro teurer Populismus! Was könnte man damit alles Sinnvolleres anfangen: von regelmäßiger Gratis-Mundhygiene im Mutter-Kind-Pass bis hin zur vollen Ausfinanzierung der Lehrpraxis der Allgemeinmediziner und noch einiges mehr. Aber diese Themen sind eben keine Wahlkampfzuckerl. Und sie sind nicht klassenkämpferisch verkaufbar.

„Wiener Zeitung“ Nr. 037 vom 21.02.2014

Irrtümer bei der Debatte um die elektronische Gesundheitsakte

Wie berechtigt ist die jahrelange Debatte um die Elektronische Gesundheitsakte Elga? Eine Entwirrung der Begrifflichkeiten.

Weiterlesen: Irrtümer bei der Debatte um die elektronische Gesundheitsakte

   Während der endlosen, oft inferior geführten Debatte wurde die Idee von Elga, durch raschere, orts- und zeitunabhängige Verfügbarkeit medizinischer Informationen die Versorgung von Patienten zu verbessern, immer mehr aus den Augen verloren. Die Diskussion hat sich immer stärker von der Versorgungsebene auf die (politische) Systemebene verlagert.

   Die Systemebene dient dazu, die Versorgung entsprechend der politischen Willensbildung zu regeln, also einen Rahmen abzustecken; das System selbst kann weder versorgen noch behandeln.

   Die Versorgung ihrerseits ist von der eigentlichen Behandlung zu unterscheiden. Behandlung bedeutet, dass die richtige Leistung erbracht wird. Aufgabe der Versorgung ist es sicherzustellen, dass der richtige Patient zur richtigen Zeit vom richtigen Arzt behandelt wird.

   Die Unterscheidung zwischen System- , Versorgungs- und Behandlungsebene ist alles andere als eine semantische Spitzfindigkeit; jede Ebene funktioniert nach eigenen Grundsätzen – es ist ein bisschen so wie Auto/Straße/Verkehrspolitik: Alles hängt zusammen, ist aber doch komplett unterschiedlich.

   Wenn Elga, und so war die Gesundheitsakte angedacht, zur Versorgungsebene gehört, dann dienen die in Elga enthaltenen Informationen dazu, die Behandlung zu ermöglichen und die für die Behandlung nötige und von einem besonderen Vertrauen getragene Arzt-Patienten-Beziehung effektiver und zielgerichteter zu gestalten – also darauf zu achten, dass der richtige Patienten schneller beim richtigen Arzt ist, um dort die richtige Behandlung zu erhalten.

   Was Elga dann nicht kann, ist die Versorgung zu regeln oder zu kontrollieren, und schon gar nicht kann Elga den strukturellen Reformstau beheben – das sind definitiv Aufgaben der Systemebene.

   Nichtsdestotrotz wird Elga als Instrument der Systemebene gehandelt. Politiker sehen in Elga ein Instrument, das System transparenter zu machen, Kosten zu sparen und bekannte Systemprobleme (zum Beispiel die hochgradige Fragmentierung der Kompetenzen) aufzubrechen und zu lösen. Dinge, die Elga eigentlich nicht tun sollte und kann.

   Wird Elga als Kontroll- und Steuerungsinstrument, also als Instrument der Systemebene, eingerichtet, ist abzusehen, dass die Informationen, die dort gespeichert werden, nicht dazu dienen werden, die Versorgung zu verbessern. Die Daten werden zunehmend so eingespeist, dass sie der Kontrolle entsprechen (also Absicherungsmedizin fördern), aber nicht so, dass verschiedene Ärzte entlang einer Patientenkarriere miteinander kommunizieren und arbeiten können. In weiterer Folge besteht das Risiko, dass Elga für die Behandlungsebene unbrauchbar wird.

   Wenn es nicht gelingt, die wesentlichen Beteiligten – die behandelnden Ärzte und Patienten – davon zu überzeugen, dass Elga ausschließlich ihnen dient und sonst niemandem, wird Elga zu einem teuren Datenfriedhof, der am Ende die Versorgung nicht verbessert, sondern verschlechtert. Damit wird das System intransparenter, teurer und die Systemprobleme werden größer.

„Wiener Zeitung“ Nr. 016 vom 23.01.2014  

Die ewige Spitalsambulanz-Gebühr

 Die Frage, ob Spitalsambulanzgebühren real den Zustrom von Patienten mit Lappalien einzudämmen vermögen, ist seit Jahren beantwortet: nein.

Weiterlesen: Die ewige Spitalsambulanz-Gebühr

   Dass Ambulanzen überfüllt sind und in vielen Fällen eine Überversorgung darstellen, ist unbestritten. Ein banaler Schnupfen muss nicht um 22 Uhr in einer Spitalsambulanz versorgt werden. Aber nicht nur dort findet Überversorgung statt; ein Schnupfen hat auch beim niedergelassenen Facharzt nichts verloren. Im Spital fällt es nur besonders auf und ist sicher die teuerste Überversorgung. Ambulanzgebühren sind nun der theoretische Versuch, diese Überversorgung wegzubringen. Doch ist das real?

   Nein, schlicht, weil Gebühren von sich aus ja nicht unterscheiden können, ob ein Arztbesuch, vor allem außerhalb der Öffnungszeiten der Hausärzte, not wendig ist oder nicht, diese Entscheidung muss der Patient fällen. Der Patient muss Informationen einholen, die Dringlichkeit einschätzen und dann entscheiden. Geld spielt da keine Rolle, entscheidend ist die Gesundheitskompetenz.

   Doch ist der österreichische Patient ausreichend kompetent für diese Entscheidung? Ist er nicht! Ein Akademiker in Österreich kann gesundheitsrelevante Fragen weniger gut beantworten als ein Schulabbrecher aus den Niederlanden – das will was heißen!

   Aber warum kann ein Niederländer besser zwischen Banalem und Ernstem unterscheiden? Warum versucht der dortige es zuerst mit Hausmedizin, und wenn die nicht hilft, geht er zum Hausarzt, egal zu welchem Zeitpunkt, während der hiesige sofort zum Facharzt oder in die Spitalsambulanz rennt?

   Er ist schlicht mündiger, weil dort seit Jahren das System darauf dringt, Patienten zu helfen, diese Entscheidungen selbst zu treffen. Unser paternalistisches, intransparentes System will keine mündigen Patienten, also gibt es sie auch nicht.

   Mehr noch, unsere Primärversorgung, also vor allem die Hausarztversorgung, ist heillos überfordert, weil völlig unterbewertet. Aber es sind nun einmal vor allem die Hausärzte, die eine entscheidende Rolle spielen. Und wenn es sie nicht ausreichend gibt, können Ambulanzgebühren auch keine sinnvolle, steuernde Wirkung erzielen.

   Diese würden sicher die eine oder andere Überversorgung, vor allem bei jenen, die aus Bequemlichkeit in Ambulanzen gehen (aber das völlig zu Recht, denn der Hindernislauf im extramuralen Bereich von einem Arzt zum anderen, ist unattraktiver Nonsens), reduzieren, aber im Allgemeinen nur Zusatzeinnahmen und in vielen Fällen Unterversorgung generieren.

   In der ambulanten Versorgung existieren vier voneinander völlig unabhängig arbeitende Systeme: das (an sich schon inhomogene) Kassensystem, das Wahlarztsystem, die Ambulatorien und die Spitalsambulanzen. Hier kann keine vernünftige Versorgung rauskommen, sondern nur der zu beobachtende Verschiebebahnhof. Wenn es nicht gelingt, leicht verständliche und patientenorientierte Regeln der Zusammenarbeit herzustellen, aber vor allem eine funktionierende, sieben Tage pro Woche, 16 Stunden pro Tag geöffnete Primärversorgung zu etablieren, und zwar so attraktiv, dass sie vom Patienten akzeptiert wird, wird es keine Lösung für überfüllte Spitalsambulanzen geben.

„Wiener Zeitung“ Nr. 231 vom 28.11.2013