Das Arbeitspensum der hohen Kammerfunktionäre ist unglaublich – Normalsterbliche könnten das nicht. Eine Polemik.
Weiterlesen: Ärztekämmerer – die Besten der BestenJahrzehnte als Kassenarzt in hohen Funktionen in der Wiener und der österreichischen Ärztekammer, hatte er immer noch Zeit für anderes. Neben Kammer und Kassenordination war er Oberarzt in einem Ordensspital, das er auch als Geschäftsführer leitete, und in seiner Freizeit übernahm er Beratungsaufträge, wenn Not am Mann war. Man kann also mit Fug und Recht sagen: Der neue Wiener Ärztekammerpräsident Dr. Johannes Steinhart (67) ist fleißig. Und weil er seine Spitaljobs vor einiger Zeit aufgab, wird er genug Zeit haben, den Posten des Ärztekammerpräsidenten auszufüllen.
Gleich und Gleich gesellt sich gern. Deshalb steht hinter ihm ein Koalitionsteam voller Fleißiger: etwa Dr. Stefan Ferenci (45), der als Kassenarzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie sicher viel zu tun hat und sich trotzdem in der Ärztekammer als Funktionär engagiert. Gewählt wurde er als Kassenarzt. Nebenbei hat er auch eine Privatordination in Wien. Und weil er hier schon als Turnusarzt Politik gemacht hat, wollte er das auch weiter tun. Damals kam er über die Fraktion „Turnusärzte für Turnusärzte“ in die Kammer, sogar noch 2017, als er gerade Oberarzt wurde. Nun, das ist Jahre her.
Klar, er ist jetzt Kassenfacharzt, da ist es rechtlich unmöglich, als Turnusarzt zu kandidieren. Doch glücklicherweise hat sein langjähriger Parteifreund Dr. Mojtaba Pachala (39), mittlerweile Funktionär für die „Liste Steinhart“, eine Frau, die niedergelassene Hausärztin ist. Und die hat ihn als Turnusarzt angestellt; für 15 Wochenstunden. Und so kandidierte er, wieder für „Turnusärzte für Turnusärzte“. Und es war gut! Denn jetzt ist er sogar Vizepräsident und oberster Vertreter aller angestellten Wiener Ärzte. Das geht locker neben seiner Ausbildung, seinen Ordinationen und seiner Funktionärstätigkeit für Kassenärzte in Niederösterreich.
Sein Freund Dr. Pachala, ebenfalls langjähriger Ärztekammerfunktionär, ist auch ein Fleißiger. Er hat eine Wahlarztordination und ist zudem Gesellschafter und Geschäftsführer eines Ärztezentrums, gemeinsam mit Dr. Uros Klickovic (43). Der ist ebenfalls noch Turnusarzt (am AKH) und Funktionär für „Turnusärzte für Turnusärzte“.
Am AKH gibt es da noch zwei fleißige Betriebsräte fürs Wissenschaftliche Personal, die im Team von Dr. Steinhart sind. Der eine ist Dr. Stefan Konrad (39). Er hat es zwar nicht geschafft, Professor zu werden, aber er ist Oberarzt für Strahlentherapie-Radioonkologie. Dort dürfte er eine sehr wichtige Position einnehmen, weil er nebenbei eine Privatordniation betreibt, bei der er Terminvergaben für Strahlentherapie anbietet. Und dann noch Dr. Frédéric Tömböl (32): Er hat sich schon immer neben seiner Ausbildung politisch engagiert – zuerst in der Studentenkammer (ÖH) und jetzt, neben der Betriebsratstätigkeit und seiner Ausbildung, als Wiener Ärztekämmerer. Dort ist er Finanzreferent und Teil des inneren Zirkels.
Das sind lange nicht alle Fleißigen, aber einmal ehrlich: Wir sollten froh sein. Denn obwohl sie in der Privatwirtschaft ein Vielfaches verdienen könnten, engagieren sich die Besten der Besten in Österreich in den diversen Kammern. Und dort arbeiten sie aufopfernd für uns alle.
„Wiener Zeitung“ vom 02.06.2022