Reformen tun weh! Das weiß jeder Politiker. Daher sollten sie auch bei den anderen durchgeführt werden, zum Beispiel der Pharma-Industrie; die verdient ohnehin viel zu viel.
Wenn wir demnächst zum Arzt gehen, dann kriegen wir, so jedenfalls die Vorstellung einiger „Reformer“, keine Medikamente mehr verschrieben, sondern nur mehr Wirkstoffe. Ob die Tablette dann rosa oder blau sein wird, das entscheidet der Apotheker und nicht der Arzt. Die Grundidee ist absolut richtig, aber aus qualitativen Gründen. Eine Verbilligung der Medikamentenpreise wird so nicht eintreten. Schon eher eine „Verstaatlichung“.
Um die Diskussion zu verstehen, muss man wissen, dass der Pharma-Markt in Österreich alles andere als frei ist. Wenn ein Unternehmen ein Medikament zulassen will, dann darf es den Preis dafür nicht selbst festlegen. Der wird durch das Ministerium in einem der intransparentesten Bürokratieakte dieser Republik festgelegt. Der Pharma-Großhandel wiederum hat eine vom Staat festgelegte Handelsspanne, also auch keinerlei Gestaltungsfreiheit. Am Ende stehen die Apotheken und Hausapotheken, die ebenfalls nur einen staatlich festgelegten Aufschlag weiterverrechnen dürfen.
Nicht, dass man sich jetzt um die Pharmabranche sorgen müsste, aber wenn man von Medikamentenpreisen spricht, dann sind diese vom Staat festlegt – nicht von der bösen Pharma-Industrie. Im Übrigen hat Österreich die niedrigsten Industrieabgabepreise Europas. Man kann also nicht behaupten, die Pharma-Industrie sei gierig. In Wahrheit muss man froh sein, dass sie überhaupt noch nach Österreich liefert.
Worum wird dann gestritten? Wenn man genau zuhört, dann sind es die Mengenrabatte. Bei der Preisfestlegung, die einem Kuhhandel gleichen dürfte, versucht die Pharma-Industrie Kalkulationen vorzulegen, die durch die Menge an abgegebenen Pillen bestimmt ist. Wenn mehr abgegeben wird, kann man über den Mengeneffekt die Gewinne erhöhen. Dass ein solches System die Mengenausweitung und nicht den vernünftigen Medikamenteneinsatz fördert, ist zwar dumm, aber klar.
Die Politik hat sich jedoch darauf eingestellt, regelmäßig Mengenrabatte einzufordern. Doch ist das offenbar nicht genug. Da ein leider immer größer werdender Teil der Kalkulation statt von Forschungs- von patientenfernen Marketingausgaben geprägt wird, haben es die Reformer nun auf dieses Geld abgesehen. Die Idee ist simpel. Wenn die Pharmaindustrie bei weniger Kunden (2000 Apotheken statt 30.000 Ärzte) werben muss, dann sinken die Marketingausgaben. Und diese Reduktion soll dann an die Politik weitergegeben werden, damit diese keine Reformen im eigenen Kreis machen muss. Dass so auch der Wettbewerb sinkt, dürfte egal sein. Fassen wir zusammen. Die Preisbildung findet nicht, wie in der westlichen Welt üblich, über Angebot und Nachfrage statt. Das Vertriebsnetz soll aus gesetzlich vor Konkurrenz geschützten Geschäften, den Apotheken, bestehen. Und obwohl die Medikamentenwerbung ohnehin schon extrem reguliert wird, sollen Marketingmaßnahmen weiter beschnitten und Werbeausgaben begrenzt werden. Man kann ja darüber denken wie man will, aber so ein Vorgehen erinnert schon frappant an planwirtschaftliche Strukturen mit staatlich festgelegten Monopolisten. Bei allem, was man so in den letzten hundert Jahren über Markt- und Planwirtschaft gelernt hat, ist es schwer vorstellbar, dass mit solchen Maßnahmen die Ausgaben für Medikamente wirklich nachhaltig sinken können, selbst wenn vielleicht in den ersten paar Jahren eine Kostendämpfung zu beobachten sein könnte
„Wiener Zeitung“ Nr. 85 vom 29.04.2008