2011 gab es laut Alois Stöger die „größte Strukturreform seit Jahrzehnten“: die „Ärzte-GmbH“ – eine Totgeburt. Das Gesetz, das den Ärzten das Anstellen von Ärzten erlauben soll, ist eine ebensolche.
Weiterlesen: Der planwirtschaftliche Unternehmer und seine BürosDie Gründung von GmbHs war, dank absurder Kompromisse, völlig unattraktiv. Heftig diskutiert wurde, ob es möglich sein soll, dass Ärzte Ärzte anstellen.
Kassenfunktionäre hatten Angst, der anstellende Arzt geht golfen, während seine angestellten Ärzte arbeiten. Ärztekammerfunktionäre waren sich nicht sicher, weil die Grenzen zwischen Ordination mit angestellten Ärzten und Krankenanstalt in der Form eines selbständigen Ambulatoriums unklar sind. Letztere werden seit jeher bekämpft, weil sie der Wirtschaftskammer unterstellt sind und über Einzelverträge außerhalb des Gesamtvertrages stehen – also die Ärztekammer keinerlei Macht darüber hat. Dazu kommt, dass sich so mancher Arzt in seiner Kassenordination dauerhaft von anderen Ärzten vertreten lässt. Diese Dauervertretung ist heikel, weil das eigentlich Scheinselbständigkeit ist und Vertreter angestellt werden müssten, was aber eben einem Ordinationsbesitzer nicht erlaubt, sondern Krankenanstalten vorbehalten ist, die aber bekämpft werden.
Wie würde sich eine Anstellungsoption da auswirken? Also wurde diese sicherheitshalber nicht eingeführt. Im Grunde hat sich nichts geändert, deswegen war die Novelle des Ärztegesetzes Anfang 2019, die erlaubt, dass Ärzte Ärzte anstellen, irgendwie ein echter Reformschritt – dachte ich. Ich habe sogar darüber hinweggesehen, dass die Ärztekammer nun gesetzlich festhalten ließ, dass Vertretungsärzte, egal wie sehr sie weisungs-, orts- und zeitgebunden sind, also Attribute der Anstellung aufweisen, immer freiberuflich arbeiten. Das schafft Rechtssicherheit für die, die nebenbei eine Privatordi in der Schweiz oder einen Präsidentenjob in der Kammer haben und ihre Kassenordi jemand anderem überlassen.
Jetzt aber, wo die Details zur „Reform“ offenbar werden, ist klar, dass von der Idee, über den Ausbau der ambulanten Arbeitskraft vor allem die Hausarztebene zu stärken, nichts geblieben ist. Umgerechnet auf Einwohner, arbeiten in dieser Ebene in England fast doppelt so viele Hausärzte und gleich fünfmal so viele Pflegekräfte. Wir könnten also kräftig investieren – doch, würden wir das tun, käme es zu dramatischen Patienten-Rückgängen in Ambulanzen und Spitälern (aber auch bei Fachärzten). Und das wollen die Kassen verhindern.
Denn ein ins Spital (oder zum Wahlarzt) verdrängter Patient kostet kaum etwas, jeder, der beim Hausarzt versorgt wird, kostet viel mehr. Daher darf man Hausärzten keinesfalls erlauben, einfach so Ärzte anzustellen. Die „Reform“ sieht daher vor, dass die Anstellung eines Mitarbeiters nicht Sache des Unternehmers, sondern der Kasse und Kammer ist. Deren Büros planen, wo Ärzte gebraucht werden. Wird mehr als einer gebraucht, darf ein Arzt einen anderen anstellen: Teilzeit und befristet. Wenn die Büros meinen, es braucht keinen zweiten mehr, nehmen sie den einfach weg – Kammer- und Kassenfunktionäre behalten ihre Macht, spielen Planwirtschaft und reden vom freien Arzt. Analog den Ärzte-GmbHs wird diese Reform, die allerhöchstens einigen wenigen Funktionären nutzen wird, daher tot geboren.
„Wiener Zeitung“ vom 05.09.2019