Schelling, Stöger, Oberhauser – zwei Nachrufe und ein Vorruf

  

Selten, dass an der Spitze der Gesundheitspolitik dermaßen viel Bewegung ist. Doch was bringen diese Personalrochaden?

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   Hans Jörg Schelling: Politisch verkauft wird er als Kassen-Sanierer. Betrachtet man die Zahlen genauer, stellt man fest, dass der Schuldenabbau wohl weniger sein Verdienst war. Es waren eher die durch Patentabläufe relativ gesunken Medikamentenpreise, in früheren Jahren DIE Kostentreiber, und die Steuerzahler, die erhebliche Mittel in die Kassen zahlten. Die Kassen wurden also nicht durch eigene Kraft oder Umstrukturierungen „saniert“, sondern durch geldwerte Segnungen von außen.

   Allerdings hat Schelling etwas sehr viel Wichtigeres geschafft. Unter seiner Führung wurde das Denken des Hauptverbandes weg vom reinen Verwalter hin zum Gestalter des Gesundheitssystems geändert. Der Hauptverband ist heute im Denken viel moderner. Er fühlt sich stärker als Versorger denn als Dachverband von Krankenkassen, die mit Ärztekammern verhandeln. Dieses „gestalten statt verwalten“ diffundiert langsam auch in die vielen Kassen hinein – und das nicht ohne Konflikte, vor allem mit Ärztekammern und Ländern. Ob dieser Weg fortgesetzt wird, jetzt, wo Schelling fort ist, und die Konflikte größer werden, ist ungewiss. Ein Rückfall in die selbstgefällige Verwaltung ist durchaus realistisch,

   Alois Stöger: Er verlässt nach neun Jahren die Gesundheitspolitik – länger war er nicht dabei! Auch wenn gerne behauptet wird, Stöger wurde wegen seiner Erfahrung Gesundheitsminister; wer genau schaut, sieht, er kam über die Gewerkschaft erst 2005 als Obmann der OÖ-GKK in das Gesundheitssystem. Und dort erntete er im Grunde das, was sein Vorgänger gesät hatte. Nur drei Jahre später war er dann Minister. Auch dort wird ihm sehr viel zugesprochen – aber auch das hält nicht stand. So wie viele seiner Vorgänger hat auch er nur papierene Reformen hinterlassen, die noch lange nicht leben. Wer beispielsweise die Landes-Zielsteuerungsverträge, Kernstücke der Gesundheitsreform, analysiert, erkennt, dass seine Reform, wie alle davor, an Ländern und Kassen zerschellt.

   Sabine Oberhauser: Ich habe natürlich genau hingehört, was die neue Gesundheitsministerin sagt, denn sie spricht exzellent. Wer Nietzsche liest, so sagt man, sollte es zwei Mal tun, denn seine mächtige Sprache lenkt beim ersten Mal lesen von den oft nur dünnen Gedanken ab, die man dann beim zweiten Mal klar erkennt.

   Und so ist es wohl auch hier. Rhetorisch (glatt) geschliffen und überzeugend erklärt die neue Ministerin eigentlich nur, dass sie keine weiteren Reformen wünscht, schon gar nicht Strukturreformen. Sie will den Weg ihres Vorgängers am grünen Tisch fortsetzen – dessen Reformen bilden aber eher Sackgassen, weil es keine Strukturreform gibt. Aber dort, wo es möglicherweise opportun scheint, ist ihr ein Aufweichen des Kurses möglich – vor allem bei der Elga, hier darf es ruhig noch ein bisschen länger dauern.

   Dafür will sie beim Nicht-Raucher-Schutz, bei all den Problemen, die unser Gesundheitssystem hat, nicht das drängendste, aktiv werden: Ein totales Rauchverbot in der Gastronomie soll zu einem „Zeitpunkt fixieren werden, der in der Zukunft zu finden ist“.

„Wiener Zeitung“ Nr. 173 vom 05.09.2014