Zwangsarbeitsphantasien für Turnusärzte

Die Gier heimischer Politiker nach günstigen und gefügigen ärztlichen Mitarbeitern, also Turnusärzten, treibt immer absurdere Blüten.

Dass Landespolitiker nach mehr medizinischen Universitäten und Studienplätzen schreien, obwohl wir die meisten (verglichen mit dem OECD-Durchschnitt doppelt so viele) Absolventen hervorbringen, führt bei jene, die sich mit dem „Ärztemangel“ auseinandersetzen, nur zu Kopfschütteln.

Med.Absolventen OECD 2013

Dass Burgenland im Wahlkampf den Bund aufforderte, EU-Gesetze zu missachten, und Studienplätze nur Österreichern zur Verfügung zu stellen , gruselt ein bisschen. Was aber in Tirol abläuft, schlägt dem Fass dann doch den Boden aus.

Dort wird allen Ernstes seitens der Imster FP-Bezirkschefin Nadja Benda und dem VP-Gesundheitssprecher und Imster Bürgermeister Stefan Weirather angedacht, deutsche Medizinstudenten zu zwingen, nach ihrer Ausbildung fünf Jahre in Österreich zu arbeiten.

Die fehlende Approbation (also das Recht, nach dem Studium selbständig und eigenverantwortlich als Arzt arbeiten zu dürfen) der österreichischen Jungmediziner nach dem Studium ist ohnehin schon einzigartig in Europa und führt schnurstracks in prekäre (als unsichere und von Willkür des Arbeitgebers geprägte) Arbeitsverhältnisse. Das alleine ist schon Druckmittel genug, Jungärzte gefügig zu halten um die Ausbildungszeit dem Bedarf nach billigen und (kaum frei-)willigen Systemerhaltern anzupassen (welcher Allgemeinmediziner wird heute noch in drei Jahren fertig?). Hier noch Zwangsarbeit ans Studium zu hängen, ist schon echte Chuzpe, zeigt aber schön das lineare und wettbewerbsvermeidende Denken unserer Politiker. Statt attraktive Ausbildungswege und Arbeitsbedingungen zu schaffen, sich also schlicht dem Wettbewerb um Arbeitskräfte zu stellen, wird über staatlichen Zwang nachgedacht. Ob EU-Gesetze dagegen sprechen oder einfach nur der Hausverstand (welche Motivation würden diese Jungärzte haben, wenn sie gezwungen wären, in Spitälern zu arbeiten, die irgendein Büro ihnen vorschreibt), ist völlig nebensächlich.

Und nur so nebenbei: was, wenn Jungärzte „fahnenflüchtig“ werden und wider dem Gesetz postpromotionell trotzdem ins Ausland gehen, werden die dann per internationalem Haftbefehl verfolgt?

 

 

Dieser Artikel wurde im Juni 2015 in ähnlicher Form in der Medical Tribune veröffentlicht.