Stellen Sie sich eine Gewerkschaft vor, sagen wir die Metaller, und fragen sich, wie sie auf folgendes reagieren würde?
Da kommt die EU und sagt:
Ihr in Österreich, Ihr behandelt eure Metall-Arbeiter seit Jahrzehnten schlecht. Wir haben Euch schon bei eurem EU-Beitritt gesagt, dass sie – mittlerweile sogar unerlaubterweise – zu lange arbeiten! Bringt das in Ordnung, sonst tun wir es.“
Die Gewerkschaft schweigt vorerst, nur der Sozialminister, zuständig für Arbeitszeiten und selbst mal Gewerkschaftsboss antwortet, weil er muss, sinngemäß: „Jo, eh! Aber wir brauchen noch so zehn Jahre, bis wir das umsetzen können – die Arbeitgeber haben sich an die billigen Arbeitskräfte gewöhnt, und wenn wir jetzt die Arbeitszeiten auf europäisches Maß reduzieren, dann können die sich das einfach nicht mehr leisten.“
Nun gibt auch die Gewerkschaft laut, sagt die EU mit all Ihren Regeln ist schuld, gibt dem Minister grundsätzlich Recht, meint aber, die Übergangszeiten sind schon ein bisserl lang – das war es!
Klingt das nach dem Verhalten von Gewerkschaftern? Nein! Und doch ist es geschehen – mit einer Berufsgruppe, die dank endloser Arbeitszeiten in oft prekären Arbeitsverhältnissen (nicht selten illegalen Kettenverträgen) kaum aufmucken können – den Spitalsärzte, vor allem den Jungärzten.
Hauptsächlich diese arbeiten 65 und mehr Wochenstunden und sollen nach dem Willen der EU „nur mehr“ 48 (!) Wochenstunden arbeiten dürfen. Ihre Netto-Jahres-Arbeitszeit beträgt aktuell etwa 3.000 Stunden, die eines Hausarbeiters im Spital 1.400! – und so liegen die Nettostundenlöhne pro geleisteter Arbeitsstunde etwa gleich auf!
Aber warum lassen sich Jungärzte das gefallen?
Dank einer EU-weit einzigartigen Regelung dürfen sie praktisch nur in Spitäler arbeiten, bis sie ihren Turnus beendet haben. Erst dann erhalten sie eine Approbation, die es erlaubt, selbständig zu arbeiten. Selbst eine Teil-Apporbation, die es Jungärzte erlaubt hätte, auch ohne abgeschlossenem Turnus als Wahlärzte arbeiten zu können, wurde vor Jahren von der Ärztekammer erfolgreich abgewehrt. Offiziell, um aus Jungärzten, die das angeblich ohnehin nicht wollten, nicht zu einem „medizinischen Proletariat“ verkommen zu lassen. Etwas genauer betrachtet, ging es wohl nur darum, die niedergelassenen Ärzte vor unliebsamer Konkurrenz zu schützen. Und nachdem die Ärztekammer bei den Spitalsärzten nach der echten Gewerkschaft, dem ÖGB, ohnehin nur die zweite Geige spielt, ist es wohl nie schwer gefallen, auf die Interessenvertretung der Jungärzte zu verzichten.
Ach, die Ärztekammer! Sie fühlt sich als Gewerkschaft der Ärzte. In Wahrheit verteidigt sie nur den „Kollektivvertrag“, den sie als Monopolist verhandeln darf – den Gesamtvertrag der nicht einmal 8.000 Kassenärzte! Die 23.000 Spitalsärzte, davon 9.000 Jungärzte, sind ihnen weniger wichtig. Längst hat sie vergessen, dass sie eigentlich die, mit staatlichem Kammermonopol versehene, Interessensvertretung ALLER Ärzte ist. Das ist leicht erkennbar: die schlechte Arbeitssituation der Jungärzte wird seit Jahrzehnten diskutiert, aber gab es einmal einen Streik deswegen? Nein! Im Gegensatz zu Fragen der Kassenverträge! Wer nur in deren Nähe kommt, kriegt eine Streikdrohung an den Hals geworfen – und ALLE Ärzte müssen dann solidarisch um diese Verträge kämpfen!
Aber was macht eigentlich die echter Gewerkschaft, also der ÖGB? Schließlich sind Spitalsmitarbeiter allesamt durchs sie vertreten? Genau so wenig wie die Ärztekammer, wenn nicht sogar weniger. Denn in all der Arbeitszeitdiskussion rund um Spitalsärzte, ist die Gewerkschaft, die sonst ständig für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich eintritt, absolut schweig.
Und so bleiben, dank des Ausbildungsmonopols der Spitäler und der desinteressierten Monopol-Interessensvertretungen, Ärztekammer und ÖGB, die Jungärzte ihren Arbeitgebern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Nur das Auswandern hilft. Und weil das immer mehr tun, jammern die Arbeitgeber, es herrsche Ärztemangel – eine völlig wahrheitsferne Aussage. In Wahrheit fehlen ihnen nur billige und willige Turnusärzte. Denn an Ärzten mangelt es nicht: wir haben gleich 40% mehr Ärzte zur Verfügung als der durchschnittliche EU-Staat – und liegen, sieht man von Griechenland, dessen Statistiken selbsterkannterweise falsch sind, ab, mit riesigem Vorsprung von allen anderen.