Kritische Betrachtung des Euro Health Consumer Index© 2007
Der aktuell ständig zitierte Euro Health Consumer Index© (EHCI©) kommt zum Ergebnis, dass das Österreichische Gesundheitssystem das beste Europas ist. Insbesondere seitens der Ärztekammer wird angesichts der Studie gemahnt, dass eine Reform – und sei es auch nur ein Reförmchen – eine Bedrohung für diesen Status ist. Der Mythos des besten Gesundheitssystems wird wieder beschworen und als Schutzschild gegen jede Änderung eingesetzt. Dabei ist Österreichs Gesundheitssystem nur deswegen so leicht als „das beste der Welt“ zu bezeichnen, da das Gegenteil aufgrund der Intransparenz und Unehrlichkeit nur schwer zu beweisen ist. Und paradoxerweise könnte diese „Studie“ genau das.
Vorab muss gesagt werden, dass der EHCI© nicht, wie z.B. im Ärztekammerblatt „Medizin populär“ verbreitet wurde, eine offizielle EU-Studie ist. Obwohl das Wort „Euro“ im Titel steht und das publizierende Büro in Brüssel ist, handelt es sich um die private Studie einer schwedischen Beratungsfirma. Eigentlich ist der EHCI© nicht einmal eine Studie im herkömmlichen Sinn. Sogar die Autoren weisen darauf hin, dass die Aussagen nicht wissenschaftlich und die Ergebnisse mit großer Vorsicht zu interpretieren sind und nur sehr restriktiv für Rückschlüsse herangezogen werden dürfen. Anders sieht der Ärztekammerpräsident (http://www.aerztekammer.at; Presseaussendung 3.10. 2007) die „wissenschaftliche Untersuchung schwedischer Experten“. Für ihn „ist [damit] nachgewiesen, dass das österreichische Gesundheitssystem auch dem wirtschaftlichen Kriterium der Effizienz entspricht. Das Lamento heimischer Pseudo-Ökonomen, die unser System laufend mies machen, ist daher überflüssig“. Ob er mit den Pseudo-Ökonomen unter anderem den Obmann der WGKK gemeint hat, der kurz davor (Die Presse 29.8.2007) meinte: „Wir haben keine Transparenz, keine Qualität und keine Effizienz im Gesundheitswesen“, lässt sich nicht sagen.
Der EHCI© besteht aus fünf Untereinheiten – „Patientenrechte und -information“, „Wartezeiten“, „Heilungserfolge“, „Großzügigkeit“ und „Arzneimittelzugang“ – die ihrerseits durch mehrere Indikatoren definiert werden. Insgesamt gibt es 27 Indikatoren, für jeden werden (willkürlich) Referenzwerte festgelegt, die eine Einteilung in die „Qualitäten“ rot, gelb und grün ermöglicht. Zudem gibt es auch ein Punktesystem, bei dem maximal 1000 Punkte erreicht werden können. Im Wesentlichen werden die Indikatoren aus mehr oder weniger leicht zugänglichen Daten (einer Mischung aus offiziellen Statistiken und publizierten Studien) gebildet und so zusammengestellt, dass sie geeignet erscheinen, Aussagen über das Gesundheitssystem zu treffen. Eine so einfache Methode ist für eine so komplexe Fragestellung nicht geeignet. Ob es dann reicht, durch eine willkürliche Auswahl von Interviewpartnern die Datenlage zu konkretisieren, ist fraglich. Als kleines Detail am Rande: in Österreich hat das Ministerium eine Mitarbeit abgelehnt, für Interviews standen, wie Studienautor Björnberg (Der Standard 1.10.2007) mitteilt, im Wesentlichen nur Vertreter der Österreichischen Ärztekammer zu Verfügung. Normalerweise lehnen Ärzte es kategorisch ab, über Indikatoren gemessen zu werden. Im Zusammenhang mit dem EHCI© dürfte diese grundsätzliche Einstellung (nach bekannt werden des Ergebnisses?) geändert worden sein.
Selbst bei oberflächlicher Analyse sind Bewertungen des EHCI© oft nicht haltbar. So gibt es beispielsweise anders als angegeben kein „Recht auf eine Zweit-Meinung“. Warum die Bewertung des Indikators „Patientenorganisationen sind in Entscheidungsprozesse involviert“ rot ist, ist nicht nachvollziehbar. Die Patientenanwaltschaft ist in vielen Gesundheitsplattformen und Entscheidungsprozessen vertreten. Der Indikator „Wartezeiten für Herzkathetereingriffe, Hüft- und Knieoperationen“ wird gelb bewertet, was bedeutet, dass 50 – 90% der Patienten eine entsprechende Therapie innerhalb von 90 Tagen erhalten. Bei Wartezeiten von kolportierten 365 Tagen (in Wien) ist auch dieser Wert wenigstens anzuzweifeln. Die „Zahnmedizinische Versorgung durch das öffentliche Gesundheitssystem“ wurde grün bewertet, was bedeutet, dass die öffentlichen Ausgaben für Zahnversorgung mehr als 10% der gesamten öffentlichen Gesundheitsausgaben ausmachen müssten. Die Krankenkassen geben aber nur etwa 800 Mio.€ für die Zahnversorgung aus, also ein bisschen mehr als 4%. Das würde eine rote Bewertung bedeuten. Der Rest wird aus der eigenen und nicht der öffentlichen Tasche bezahlt.
Am Ende halten 13 von 27 Bewertungen einer Überprüfung nicht stand. Wenn allerdings 50% der Indikatoren in Österreich falsch bewertet wurden, dann stellt sich die Frage, was in anderen Ländern nicht stimmt. Andererseits würde Österreich bei einer Neuberechnung mit 688 statt 806 Punkten auf Platz 10 landen. Ein Platz, den wir in anderen Rankings – z.B.: der WHO – öfter erreichen.
Der EHCI© baut, wie die Autoren selbst zugeben, auf inhomogenen, schlecht vergleichbaren Daten aus offiziellen Statistiken und publizierten Studien auf. Das die österreichischen Daten in den offiziellen Statistiken teilweise falsch sind, ist den Autoren nicht vorzuwerfen. Was daraus jedoch ersichtlich wird, ist wie leichtfertig in Österreich Statistiken „gefälscht“ werden um „gut“ da zu stehen. Daten zur Ergebnisqualität medizinischer Leistungen werden weder systematisch gesammelt, geschweige denn miteinander verglichen oder veröffentlicht. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Auf die Spitze wird diese Situation durch einige – hoffentlich nur wenige – Ärztekammerfunktionäre getrieben. Diese sind in den letzten Wochen immer wieder als vernunftresistente Reformverweigerer in Erscheinung getreten und haben ihre Thesen mit dem EHCI© untermauert. Ganz abgesehen davon, dass unterstellt werden muss, dass sich diese Funktionäre mit dem EHCI© kaum oder gar nicht auseinandergesetzt haben, werden andere Aussagen einfach verschwiegen, z.B. dass wir nach den Berechnungen der Autoren das zweitteuerste System Europas haben oder dass verglichen mit west- und nordeuropäischen Staaten ein Problem mit Schmiergeldzahlungen zu vermuten ist. Unehrlichkeit zieht sich durch das gesamte österreichische Gesundheitssystem und wird durch die herrschende Intransparenz unterstützt. Auch wenn sich die Akteure im Gesundheitssystem ansonsten selten einig sind, in einem Punkt herrscht Eintracht: Bloß keine Transparenz.
Der Präsident des schwedischen Beratungsunternehmen, das den EHCI© erstellt hat, Johan Hjertqvis empfiehlt im Übrigen folgendes: “Gesundheitsleitsysteme, wie beispielsweise NHS Direct in Großbritannien oder die dänische Krankenhausbeurteilung sind gute Beispiele dafür, wie man das österreichische Informationsdefizit in Angriff nehmen könnte!“ Dem ist nichts hinzuzufügen
Hintergrund: Detail-Analyse
Die Studie findet man unterwww.healthpowerhouse.com.
Der EHCI© besteht aus fünf Untereinheiten:
I. Patientenrechte und Patienteninformation,
II. Wartezeiten für klassische Behandlungen,
III. Heilungserfolge
IV. Großzügigkeit des öffentlichen Gesundheitssystems
V. Arzneimittelzugang
Jede Untereinheit wird durch mehrere Indikatoren definiert. Insgesamt gibt es 27 solcher Indikatoren. Für jeden Indikator werden (willkürlich) Referenzwerte festgelegt, die eine Einteilung in „Qualitäten“ rot, gelb grün ermöglicht. Zudem gibt es Punkte, die dann – über verschiedene Rechenwege und Gewichtungen – so addiert werden, dass man maximal 1000 Punkte erreichen kann.
Untereinheit „Patientenrechte und -information“, neun Indikatoren
(1) Recht auf Zweit-Meinung
(2) Zugang zur eigenen Krankengeschichte
(3) einfacher Zugang zu einer qualitätsgesicherten Liste ärztlicher Dienstleister inklusive deren Qualifikation
(4) Patientenorganisationen sind in Entscheidungsprozesse involviert
(5) außergerichtliche Schadensregulierungen
(6) Vorhaltung einer personalisierten Qualitätsliste
(7) 24Stunden/7Tage medizinisch/ärztliche Beratung vie Telefon oder Internet
(8) Gesundheitssystemgesetzgebung basiert auf Patientenrechten
(9) Verwendung einer elektronischen Patientenakte beim Hausarzt
Ad (1) Recht auf Zweit-Meinung – grün
Ein solches Recht ist im österreichischen Sozialversicherungssystem nicht vorgesehen. Um eine Zweit-Meinung zu erhalten kann man zwar einfach zwei Mal zu unterschiedlichen Ärzte gehen und sich so zwei mal untersuchen und therapieren lassen – also „Ärzte-Hopping“ betreiben. Das hat aber gar nichts mit dem Prinzip einer Zweit-Meinung zu tun. Hauptquelle für diesen Indikator war für Österreich ein Interview mit der Ärztekammer. Bei genauerer Recherche oder Interviews mit Rechtsexperten wäre ein anderes Ergebnis herausgekommen.
Ad (2) Zugang zur eigenen Krankengeschichte – grün
Aber auch der Indikator „Zugang zur eigenen Krankengeschichte“ ist grün. Jeder der schon einmal versucht hat seine Krankengeschichte – und zwar die vollständige – einzusehen, weiß, dass es wenigstens als schwer einzustufen ist. Um den österreichschen „Zugang zur eigenen Krankengeschichte“ im grünen Bereich zu sehen, muss man wohl sehr frei interpretieren. Hauptquelle war im Übrigen ebenfalls die Ärztekammer.
Ad (3) einfacher Zugang zu einer qualitätsgesicherten Liste ärztlicher Dienstleister inklusive deren Qualifikation – grün
Der Indikator ist vollkommen zu recht grün. Jede Kammer bietet einen entsprechenden Service auf ihrer Homepage an.
Ad (4) Patientenorganisationen sind in Entscheidungsprozesse involviert – rot
Die Patientenanwaltschaft ist in vielen Gesundheitsplattformen stimmberechtigt, sie sind in vielen Kommissionen vertreten und werden in vielen Entscheidungsprozessen gehört. Also wäre wenigstens ein gelb, wenn nicht sogar ein grün gerechtfertigt. Rot ist definitiv falsch.
Ad (5) außergerichtliche Schadensregulierungen – rot
stellt die Hauptaufgabe der Patientenanwaltschaft dar und ist daher klarerweise grün und nicht rot zu bewerten.
Ad (6) Vorhaltung einer personalisierten Qualitätsliste – rot
Der Indikator ist vollkommen zu recht rot
Ad (7) 24Stunden/7Tage medizinisch/ärztliche Beratung vie Telefon oder Internet – rot
Der Indikator ist vollkommen zu recht rot
Ad (8) Gesundheitssystemgesetzgebung basiert auf Patientenrechten – gelb
Der Indikator ist vollkommen zu recht gelb
Ad (9) Verwendung einer elektronischen Patientenakte beim Hausarzt – gelb
Leider ist in der „Studie“ nicht klar festgehalten, ob unter elektronischer Patientenakte auch verstanden wird, dass diese als ärztliche Kommunikationsschiene dient, denn dann wären wir im roten Bereich, da ja ELGA bis dato erfolgreich verhindert wird. Oder aber es wird darunter nur verstanden, dass der Patient elektronisch erfasst ist, dann wären wir spätestens seit der Einführung der e-Card wohl im grünen Bereich. Vielleicht ist es ja eine österreichische Kompromissantwort nach dem Prinzip: Wenn man mit einem Fuß im Feuer steht und mit dem anderen auf einem Eisblock, dann müsste man sich eigentlich durchschnittlich wohl fühlen.
Untereinheit „Wartezeiten für klassische Behandlungen“, fünf Indikatoren
(1) Termin beim Hausarzt am gleichen Tag
(2) Direkter Zugang zur Fachärztlichen Versorgung
(3) Wartezeiten auf Krebsbehandlung
(4) Wartezeiten auf eine MRT-Untersuchung
(5) Wartezeiten für Herzkathetereingriffe, Hüft- und Knieoperationen“
Ad (1) Termin beim Hausarzt am gleichen Tag – grün
Für den Hausarzttermin gilt das wohl nur für die Ordinationszeiten und nicht am Abend, den Wochenenden und Feiertagen. Anders ist es wohl nicht zu erklären, dass mittlerweile 80% aller Spitalsambulanzpatienten ohne Überweisung kommen. Ein gelb wäre hier wohl angebrachter.
Ad (2) Direkter Zugang zur Fachärztlichen Versorgung – grün
Der direkte Zugang zur fachärztlichen Versorgung ist direkt möglich. Ob das jedoch im Lichte moderner Gesundheitssysteme und der Idee vom Hausarzt als Patientenlotse ein „grüner“ Weg ist, dass sei dahingestellt.
Ad (3) Wartezeiten auf Krebsbehandlung – grün
Für die Wartezeit auf Krebsbehandlung haben wir ebenfalls eine grüne Bewertung erhalten, weil sie in 90% der Fälle unter 21 Tagen liegen soll. Quelle für diese Aussage ist die Ärztekammer. Die Datengrundlage für so eine Aussage ist in Österreich schlicht nicht vorhanden.
Ad (4) Wartezeiten auf eine MRT-Untersuchung – grün
Für die Wartezeit auf eine MRT-Untersuchung haben wir eine grüne Bewertung erhalten, weil sie typischerweise unter 7 Tagen liegen soll. Quelle für diese Aussage ist die Ärztekammer. Die Datengrundlage für so eine Aussage ist in Österreich schlicht nicht vorhanden. Und wenn man den sehr hartnäckigen Gerüchten glauben schenken darf, dann ist die Wartezeit auf ein (nicht Notfall-) MRT typischerweise doch eher länger als 7 Tage.
Ad (5) Wartezeiten für Herzkathetereingriffe, Hüft- und Knieoperationen – gelb
Bei den Wartezeiten für Herzkathetereingriffe, Hüft- und Knieoperationen haben wir eine gelbe Bewertung erhalten was bedeutet, dass 50 – 90% der Patienten eine entsprechende Therapie innerhalb von 90 Tagen erhalten. Bei Wartezeiten auf eine Hüfte oder ein Knie von kolportierten 365 Tagen (in Wien) ist auch dieser Wert wenigstens anzuzweifeln. Aber auch hier gilt, die Intransparenz ist dermaßen groß, dass eine eindeutige Aussage schlicht nicht möglich ist.
Untereinheit „Behandlungserfolg“, fünf Indikatoren.
(1) Herzinfarktsterblichkeit unter 28 Tagen nach Einlieferung in ein Krankenhaus
(2) 5-Jahres Überlebensrate bei Krebs (alle außer Hautkrebs)
(3) Vermeidbare Todesfälle
(4) MRSA-Infektionen
(5) Säuglingsterblichkeit
Ad (1) Herzinfarktsterblichkeit unter 28 Tagen nach Einlieferung in ein Krankenhaus – grün
Die Herzinfarktsterblichkeit wurde für die meisten Länder aus der internationalen MONICA-Studie errechnet (also Angaben unter Studienbedingungen, die ja lt. Offiziellen Stellungnahmen der ÖÄK gar nicht in der Praxis gelten – evidenzbasierte Medizin ist praxisfern!) . Für Österreich und einige andere Länder lagen jedoch eigene Angaben vor. Woher auch immer die kamen (eine Quellenangabe fehlt), sie können nicht eine Auswertung eines österreichischen Qualitätsregisters sein, weil es den nicht gibt. Ist zu vermuten, dass sie so etwas wie die Ergebnisse von einzelnen Einrichtungen sind? – eventuell von Universitätsspitälern? Da die heutigen Dokumentationserfordernisse dank der ELGA-Blockaden und Dokumentationsverweigerung der Ärztekammer definitiv keine entsprechenden Daten liefern kann, um solche Episoden zu beschreiben, kann es sich nur um Werte von einzelnen Krankenhäusern handeln, die solche Aufzeichnungen freiwillig und ohne jede Qualitätskontrolle durchführen. In wie weit solche Angaben überhaupt stimmen und nicht geschönt sind und selbst wenn sie stimmten ob sie dann auf die Gesamtbevölkerung übertragen werden können, bleibt unbeantwortet.
Ad (2) 5-Jahres Überlebensrate bei Krebs – grün
Als Quelle diente die berühmte Karolinskastudie, die – mangels von Qualitätsregistern – Angaben aus forschenden Einrichtungen heranziehen musste. Da die heutigen Dokumentationserfordernisse dank der ELGA-Blockaden und Dokumentationsverweigerung der Ärztekammer definitiv keine entsprechenden Daten liefern kann, um solche Episoden zu beschreiben, kann über die Übertragbarkeit auf das Gesamtsystem nichts ausgesagt werden. Ein sehr interessantes Detail der Karolinskastudie ist, dass Österreich unter anderem deswegen so gut abschneidet, weil wir ohne Kosten-Nutzen-Rechnung schlicht alles einkaufen und abgeben, was eine Pharmafirma uns anbietet. Basis der Karolinskastudie waren die Verkaufszahlen von bestimmten Medikamenten und nicht deren effizienter Einsatz.
Ad (3) Vermeidbare Todesfälle – grün
Als vermeidbare Todesfälle werden solche bezeichnet, die durch Erhöhung der Patientensicherheit vermieden werden. Das setzt eine Fehlerkultur und Qualitätsarbeit voraus. Wie man anhand der Todesfälle nach Mandeloperation oder aber aus den Aussagen der WHO zum Thema Qualität in österreichischen Spitälern ablesen kann, ist diese wenigsten als unterentwickelt zu bezeichnen. Die Quelle für den Indikator waren die Angaben der OECD, die ihrerseits wiederum nur auf offizielle Statistiken zurückgreifen kann. Und diese wiederum sind wegen der mangelnden Transparenz und den fehlenden offiziellen, flächendeckende und standardisierte Statistiken alles andere als vertrauenswürdig.
Ad (4) MRSA-Infektionen – gelb
Da es seit langem offizielle, flächendeckende, standardisierte und international publizierte Daten gibt, ist der Quelle zu vertrauen und daher die Bewertung korrekt
Ad (5) Säuglingsterblichkeit – gelb
Da es seit langem offizielle, flächendeckende, standardisierte und international publizierte Daten gibt, ist der Quelle zu vertrauen und daher die Bewertung korrekt
Interessant: Dort wo seit langem offizielle, flächendeckende und standardisierte Statistiken gefordert werden, da liegen wir im gelben Bereich, dort wo wir die Statistiken selbst „fälschen“ dürfen, dort sind wir grün.
Untereinheit „Großzügigkeit des öffentlichen Gesundheitssystems“ vier Indikatoren.
(1) Nierentransplantation pro 1 Mio. Einwohner
(2) Zahnmedizinische Versorgung durch das öffentliche Gesundheitssystem
(3) Vier-Fach-Impfung bei Kindern
(4) Karataktoperationen pro 100.000 Einwohner
Ad (1) Nierentransplantation pro 1 Mio. Einwohner – grün
Ganz klar im grünen Bereich liegen wir bei diesem Indikator. Das ist wegen dem Österreichischen Recht (Widerspruch statt Einwilligung zur Transplantation) nachvollziehbar, aber es stellt sich die Frage, ob der Indikator „Großzügigkeit“ messen kann. Es gibt kein europäisches Land, das nicht alle verfügbaren Organe transplantieren würde. Die Kosten für Transplantationen sind gemessen an den Gesamtausgaben so gering, dass es nie eine Diskussion geben wird, ob man hier „weniger“ großzügig sein soll.
Ad (2) Zahnmedizinische Versorgung durch das öffentliche Gesundheitssystem – grün
Diese Bewertung würde bedeuten, dass die öffentlichen Ausgaben für Zahnversorgung mehr als 10% der gesamten öffentlichen Ausgaben ausmachen. Rot wird es dann, wenn dieser Betrag unter 5% rutscht. 10% der öffentlichen Ausgabe würden etwa 1,8 Mrd.€ ausmachen. Die Krankenkassen geben nur etwa 800 Mio.€ für die Zahnversorgung aus, also ein bisschen mehr als 4%. Wegen der hochgradigen Intransparenz des Systems ist es nicht leicht den endgültigen Betrag festzustellen, aber im Krankenhausbereich wird die „fehlende“ Milliarde ganz sicher nicht ausgegeben. Der Fehler dürfte darin liegen, dass die einzige Quelle für diese Aussage ein Nebensatz in einer Publikation des „Council of European Dentists“ ist, einer Art Zahnärzte- Lobbying- Agentur auf europäischer Ebene, war Eine Verifizierung durch österreichische Angaben – z.B. den Publikationen der Sozialversicherungen – hätte diesen Fehler rasch behoben.
Ad (3) Vier-Fach-Impfung bei Kindern – rot
Die Referenzwerte sind sehr eng (>97%, 92-97% <92%) und wissenschaftlich nicht belegbar. Die Durchimpfungsrate, die durch die WHO erhoben wird, bewegt sich in ganz Europa zwischen 90 und 98%. Was in so einem engen Bereich an „Großzügigkeit“ abgelesen werden kann, sei dahingestellt. Und ob die Datenlage so sauber ist, dass sie in so einem engen Referenzbereich „echte“ Aussagen treffen kann soll gar nicht thematisiert werden.
Ad (4) Karataktoperationen pro 100.000 Einwohnern – gelb
Dass würde bedeuten, dass wir zwischen 400-700 Kataraktoperationen pro 100.000 Einwohner und Jahr machen. Das ist definitiv falsch. In Österreich werden mehr als 700 Operationen pro Einwohner und Jahr durchgeführt. Infolge dessen müsste dieser Indikator grün sein. Als Quelle wurde die OECD angegeben – woher die die Zahlen hat oder wer ihnen die falschen Zahlen genannt hat, ist nicht ergründbar. Aber was man von diesen Zahlen halten muss wird deutlich.
Untereinheit „Arzneimittelzugang“ vier Indikatoren.
(1) Verbreiterung neuer Krebstherapien
(2) Zugang zu neuen Krebstherapien
(3) Laienverständliche Pharmacopoe
(4) Prozentuelle Kostenerstattung von verschreibungspflichtigen Medikamenten
Ad (1) Verbreiterung neuer Krebstherapien – grün
Der Indikator ist vollkommen zu recht grün. Das hat die Karolinskastudie, die die Verkaufszahlen bestimmter Medikamente in Österreich mit anderen Ländern vergleicht, gezeigt
Ad (2) Zugang zu neuen Krebstherapien – grün
Der Indikator ist vollkommen zu recht grün. Das hat die Karolinskastudie, die die Verkaufszahlen bestimmter Medikamente in Österreich mit anderen Ländern vergleicht, gezeigt
Ad (3) Laienverständliche Pharmacopoe – rot
Was eine Laienverständliche Pharmacopoe (Pharmacopoe ist so etwas wie ein Medikamenten-Lexikon für Experten) ist, bzw. was es mit dem Arzneimittelzugang zu tun haben könnte, entzieht sich wohl der Kenntnis der meisten Länder Europas wie an den vielen roten Bewertungen zu erkennen ist. So auch bei uns.
Ad (4) Prozentuelle Kostenerstattung von verschreibungspflichtigen Medikamenten – gelb
Eine gelbe Bewertung dieses Indikators bedeutet, dass 60 bis 90% der Kosten durch das öffentliche System übernommen werden, was umgekehrt bedeutet, dass 10 bis 40% Selbstbehalt auf diesen Medikamenten liegt. Den Publikationen der SV- und Statistik-Austria zufolge liegen sie bei 33%.
Zusammenfassung
13 von 27 Bewertungen halten einer Überprüfung nicht stand. 3 mussten nach oben, 10 nach unten korrigiert werden. Die so neu entstandene Bewertung würde einen Punktewert von 688 (statt 806) ergeben. Wenn allerdings 50% der ausgewählten Indikatoren in Österreich schlicht nicht stimmen, dann stellt sich die Frage, was in anderen Ländern nicht stimmt. Andererseits würden wir mit 688 Punkten auf Platz 10 landen. Anderen Rankings zu folge – z.B.: der WHO – ist das ungefähr der Platz, den wir immer wieder erreichen, also wohl auch irgendwie realistisch ist.
Neue Rechnung
Höchste Punktezahl | Österreich | In % der höchsten Punktezahl | Gewichtungs-faktor | Erzielte Punkte | |
Patient rights and information |
27 |
17 |
63% |
1,5 |
126 |
Waiting time for treatment |
15 |
11 |
73% |
2 |
196 |
Outcomes |
15 |
10 |
67% |
2 |
178 |
Generosity |
12 |
8 |
67% |
1 |
89 |
Pharmaceuticals |
12 |
9 |
75% |
1 |
100 |
Ergebnis |
81 |
55 |
68% |
|
688 |