Warum es keine Spitalsreform geben wird/kann – Ein Text zum Verständnis!

Auf Bun­des­land­ebe­ne fehlt jeg­li­che „Krank­heits­ein­sicht“; die ist aber nötig, will man the­ra­pie­ren!

„Es ist nicht eine Frage, ob wir uns das leis­ten wol­len, son­dern es ist klar, dass wir uns das leis­ten müs­sen. Die Be­völ­ke­rung hat den An­spruch auf eine op­ti­ma­le Ver­sor­gung. Wir las­sen uns da von Theo­re­ti­kern, Ex­per­ten oder Rech­nungs­hof­be­am­ten, die von der Pra­xis keine Ah­nung haben, nichts vor­schrei­ben.“

Das war die Ant­wort von LH Erwin Pröll auf die Frage, ob denn die 27 Spi­tä­ler in NÖ wei­ter be­ste­hen wer­den. Nun, da fällt mir ein Witz ein: Was ist der Un­ter­schied zwi­schen dem lie­ben Gott und einem Lan­des­haupt­mann? – Der liebe Gott weiß, dass er kein Lan­des­haupt­mann ist!

Je­den­falls ist klar, dass die De­fi­ni­ti­on der op­ti­ma­len Ver­sor­gung Ho­heits­akt der lan­des­fürst­li­chen Ver­wal­tung ist! Es dürf­te wenig Ein­sicht geben, in das Pro­blem, dass wir zu viele Spi­tä­ler und Bet­ten haben, dass unser Sys­tem schlicht spi­tals­las­tig (XLS-Ta­bel­le des OECD Ori­gi­nal­link! ) (wo vor allem sta­tio­när statt ta­ges­kli­nisch (XLS-Ta­bel­le des OECD Ori­gi­nal­link!) ge­ar­bei­tet wird) ist, und die Res­sour­cen, die un­nö­ti­ger­wei­se dort­hin flie­ßen, dann wo­an­ders feh­len – gilt na­tür­lich nur dann, wenn man noch genug Rea­li­täts­sinn hat, nicht von un­end­li­che Res­sour­cen aus­zu­ge­hen (Al­lo­ka­ti­ons­pro­blem).

In Kärn­ten wie­der­um herrscht Freu­de dar­über, dass das LKH Wolfs­berg seine Un­fall­chir­ur­gie und Ge­burts­hil­fe be­hält . Ein Spi­tal mit 68.000 Ein­woh­nern im Ein­zugs­ge­biet dürf­te nach den Bun­des­pla­nungs­vor­ga­ben (fest­ge­legt im Ös­ter­rei­chi­schen Struk­tur­plan Ge­sund­heit ÖSG, seit 2005 ge­setz­lich ver­bind­lich, aber was sind schon Ge­set­ze hier­zu­lan­de, wo wir doch Fürs­ten haben) weder eine Un­fall­chir­ur­gie noch eine Ge­burts­hil­fe haben.

Für eine Gy­nä­ko­lo­gie, die ja eine Min­dest­grö­ße (Min­dest­bet­ten­zahl) nicht un­ter­schrei­ten darf, soll­te das Ein­zugs­ge­biet min­des­tens 110.000, für eine ‚Un­fall­chir­ur­gie 90.000 Ein­woh­ner be­tra­gen. Nur dann ist rea­lis­tisch an­zu­neh­men, dass die dort  auf­ge­stell­ten Bet­ten (für ös­ter­rei­chi­sche Ver­hält­nis­se, in­ter­na­tio­nal wären es noch immer zu­vie­le) sinn­voll ge­nützt wer­den. Ist das Ein­zugs­ge­biet klei­ner, wer­den die Bet­ten si­cher auch ge­nützt, aber halt nicht sinn­voll – dann liegt mög­lichst jeder drin­nen, egal ob nötig oder nicht. Und mit wel­cher Folge? Nun, es muss ja einen Grund geben, warum wir, pro Kopf ge­rech­net die meis­ten Kran­ken­haus­auf­nah­me der Welt haben.

(der rote nach oben aus­schla­gen­de Strich ist Ös­ter­reich!).

Abb. der Krankenhaushäufigkeiten in der EU

Also auch hier wenig Ver­ständ­nis dafür, dass auf Bun­des­ebe­ne Vor­ga­ben ge­macht wer­den, die auf Lan­des­ebe­ne ein­ge­hal­ten wer­den sol­len.

Ta­ges­po­pu­lis­tisch ist nicht zu er­war­ten, dass die Län­der re­form­freu­dig und ver­nünf­tig wer­den –dass sie po­le­misch blei­ben, ist wohl eher zu er­war­ten.

Aber auch die Zah­len im Sta­bi­li­täts­pakt deu­ten nicht dar­auf hin, dass sich was än­dern soll.

Den Län­dern wird er­laubt, wei­ter Schul­den zu ma­chen, ge­rin­ger als bis­her, aber doch. Zudem wer­den Mehr­ein­nah­men durch die Er­hö­hung di­ver­ser Steu­ern in Aus­sicht ge­stellt: ge­samt etwa 2,3 Mrd.€. Das des­we­gen, weil der Fi­nanz­aus­gleich und damit die Auf­tei­lung der Steu­er­ein­nah­men in der jet­zi­gen Form bei­be­hal­ten wird. Damit das so bleibt, ver­spre­chen die Län­der etwa 2,9 Mrd.€, drei Vier­tel davon in den Spi­tä­lern, zu spa­ren.

Doch wie geht das Spa­ren vor sich? Wird hier wirk­lich ge­spart? Nein, dass läuft ganz an­ders – und zwar un­ge­fähr so (die jetzt dar­ge­stell­te Milch­mäd­chen­rech­nung ist ziem­lich un­ge­nau, weil ja auch die An­ga­ben der Po­li­tik sehr un­ge­nau sind):

Das Zau­ber­wort ist „De­cke­lung der Spi­tals­kos­ten­stei­ge­rung“

Zu­erst wird an­ge­nom­men, die Spi­tals­kos­ten stei­gen ohne Re­form um 4,5% jähr­lich. Die­ser Wert soll an­geb­lich der lang­jäh­ri­ge Schnitt sein, oder so was! Wirk­lich trans­pa­rent dar­ge­stellt ist es nicht, wohl eher po­li­tisch ein­fach fest­ge­legt Je­den­falls nach­re­chen­bar ist der Wert nicht. Jetzt ver­spre­chen die Län­der, dass die Spi­tals­kos­ten nicht über 3,5% stei­gen wer­den (eine Bin­dung der Kos­ten­stei­ge­rung an das Wirt­schafts­wachs­tum er­folgt nicht, son­dern wird uns nur er­zählt, wie so vie­les er­zählt wird). Rech­net man jetzt aus, was die Spi­tä­ler bis 2016 in Summe mehr kos­ten, wenn die Kos­ten um 4,5% stei­gen, dann kommt etwa 11,2 Mrd.€ her­aus. Nimmt man aber die 3,5%, dann be­trägt diese Summe „nur“ 8,6 Mrd.€. Es ent­steht also eine Dif­fe­renz von 2,6 Mrd.€. Und die, so ver­spre­chen die Län­der, wer­den sie ein­spa­ren! (of­fi­zi­ell mei­nen die Län­der, sie wol­len nur 2,1 Mrd.€ ein­spa­ren, woher die 500 Mio.€ Dif­fe­renz zu mei­ner Milch­mäd­chen­rech­nung kom­men? Ich weiß es nicht! Viel­leicht sind die als „wir sind super und über Plan“-Mel­dun­gen, ana­log den Kas­sen – ein­ge­plant! An­de­rer­seits soll­te man 500 Mio.€ auch nicht so genau neh­men, bei einem Vo­lu­men von fast 90 Mrd.€, die uns die Spi­tä­ler in dem Zeit­raum ge­kos­tet haben wer­den)

Ein net­tes Ver­spre­chen also, vor allem aber ein sehr leich­tes!  Ein klei­ner Blick in die Ver­gan­gen­heit zeigt, dass die Spi­tals­kos­ten­stei­ge­rung seit 2009 in etwa bei 3,5% liegt. Folg­lich, müs­sen die Län­der nur ver­spre­chen, dass das so bleibt. Und weil es oh­ne­hin keine Sank­tio­nen geben wird, wenn die Kos­ten stär­ker stei­gen, ist so ein Ver­spre­chen gleich noch leich­ter ge­macht.

Dass man so ein Ver­spre­chen über­haupt ab­ge­ben muss (man­che Län­der mögen das wohl sogar als De­mü­ti­gung, gar als Ma­jes­täts­be­lei­di­gung emp­fin­den), hat we­ni­ger mit der Macht des Bun­des zu tun, als mit der EU. Die wird sich näm­lich die Zah­len genau an­schau­en, und für die muss es plau­si­bel klin­gen, das Ver­spre­chen!

Ob es ein­ge­hal­ten wird, das steht dann auf einem an­de­ren Blatt. Und dass sich die Län­der nicht wirk­lich an­stren­gen wol­len, auch wenn sie be­haup­ten, vor ihnen liege harte Ar­beit, zeigt ja schon die Tat­sa­che, dass alle Län­der fest be­haup­ten, sie hät­ten schon alle An­stren­gun­gen un­ter­nom­men, um die Kos­ten­stei­ge­rung im Zaum zu hal­ten – heißt über­setzt: alles er­le­digt, Re­form um­ge­setzt, Sta­bi­li­täts­pakt er­füllt! Jetzt muss der Bund un­se­re For­de­run­gen er­fül­len – und die sind hef­tig, s. Seite 9 letz­ter Ab­satz – der Rest der länd­li­chen Re­form­vor­schlä­ge sind nur Schaum­schlä­ge zum ab­len­ken!

Ver­nunft­be­gab­te Men­schen soll­ten Län­der­ver­spre­chen oh­ne­hin nicht ernst neh­men. Ob­wohl die Län­der 2005 erst­mals und dann im vor­ge­zo­ge­nen Fi­nanz­aus­gleich 2008 noch ein­mal ganz fest ver­spra­chen zu spa­ren, haben sie es nicht getan. Denn als der Rech­nungs­hof das Ver­spre­chen in drei Län­dern kon­trol­lie­ren woll­te, sah das so aus: Salz­burg lag 2010 bei den Spi­tä­lern um 17% über dem ver­spro­che­nen  Ziel­wert, die Kos­ten stie­gen von 2005 bis 2010 von 242 auf fast 340 Mio. €. In Wien klet­ter­ten die Kos­ten von 1,1 auf 1,6 Mrd.€, und 30% dar­über. Und die Stei­er­mark hat Aus­ga­ben von 545 Mio.€ ein­fach nicht ge­mel­det, um sich der Kon­trol­le gleich zu ent­zie­hen.

Gut, also ich gehe mal davon aus, dass die Län­der wei­ter spi­tals­zen­triert den­ken und eine in­te­grier­te Ver­sor­gung nicht wie üb­lich rund um den Haus­arzt, son­dern rund um ein Spi­tal den­ken. Und ich gehe wei­ter davon aus, dass sie durch keine Macht und schon gar nicht Ver­nunft von die­sem Weg ab­zu­brin­gen sind.

Wird es trotz­dem die ver­spro­che­ne Spi­tals/Ge­sund­heits­re­form geben?

Auch wenn die Län­der es nicht hören wol­len, alle Ex­per­ten, zu­letzt sogar die In­dus­tri­el­len­ver­ei­ni­gung, deren Mit­glie­der ja si­cher nicht schlecht an die­sen Spi­tä­lern ver­die­nen, sagen, wir haben zu viele Spi­tä­ler und daher zu viele Spi­tals­auf­nah­men, was in wei­te­rer Folge zu einer Un­ter­fi­nan­zie­rung der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte führt. Eine Re­form muss bei den Spi­tä­lern an­set­zen! Wir müs­sen Spi­tä­ler re­di­men­sio­nie­ren, in dem wir schau­en, dass die Pa­ti­en­ten vom Spi­tal weg, zu den nie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten ge­lenkt wer­den. Aber wie?

Die Kas­sen wer­den bis 2016 gros­so modo gleich viel Geld haben wie heute! Viel­leicht ein biss­chen mehr, weil es jetzt die So­li­da­ri­täts­ab­ga­be für Rei­che gibt, viel­leicht ein biss­chen we­ni­ger, weil dafür an­de­re Dinge weg­fal­len, z.b. die über­be­zahl­te Mehr­wert­steu­er­rück­er­stat­tung (s. auch Ur­al­t­ar­ti­kel). Wie dem auch sei, ein Aus­bau des Kas­sen­be­reichs durch die Kas­sen ist wohl nicht mög­lich! Außer, es käme Geld von den Län­dern! Also Um­la­ge­rung der Leis­tung vom Spi­tal zu den nie­der­ge­las­se­nen Kas­sen­ärz­ten (die dann zah­len­mä­ßig auch stei­gen müss­ten;(seit we­nigs­tens 15 Jah­ren sinkt die Zahl der Stel­len sogar leicht !!), bei gleich­zei­ti­ger Um­schich­tung von Geld von den Län­der zu den Kas­sen – „Geld folgt Leis­tung“!

Es ist ei­gent­lich den­kun­mög­lich, dass es je­mals dazu kommt, dass Bun­des­län­der auf Geld ver­zich­ten – und schon gar nicht, dass die es den Kas­sen „schen­ken“. Und weil die Kas­sen auch nichts her­ge­ben wol­len und beide auf Ver­fas­sungs­rech­te po­chen kön­nen, braucht es einen, dem Volk prä­sen­tier­ba­ren, Kom­pro­miss. Und da kom­men sie daher, die fik­ti­ven Bud­gets der Ge­sund­heits­platt­for­men. Sie sind der letz­te Schritt der ös­ter­reich­schen Dis­kus­si­on von der „Fi­nan­zie­rung aus einer Hand“ hin zu „es darf sich nichts än­dern“!

Mit sol­chen Bud­gets gibt es be­reits Er­fah­run­gen. Als mit der Ge­sund­heits­re­form 2005  Re­form­pool­pro­jek­te  ein­ge­führt wur­den, gab es die Ver­pflich­tung, für jedes Pro­jekt sol­che Bud­gets zu rech­nen. NÖ hat einst 800.000€ für die Ent­wick­lung eines ei­ge­nen EDV-Tools (Re­form­pool­ma­na­ger) be­zahlt, damit sol­che Bud­get er­rech­net wer­den kön­nen. In Be­treib ist der Re­form­pool-Ma­na­ger nie ge­gan­gen, weil kei­ner der in­vol­vier­ten Part­ner be­reit war, seine Daten ein­zu­spie­len und damit der an­de­ren Seite zu of­fen­ba­ren. Schließ­lich leben sie doch alle in der In­trans­pa­renz! Und weil es eben nicht ge­schafft wurde, Da­ten­trans­pa­renz her­zu­stel­len, wur­den Re­form­pool­pro­jek­te per Hand ge­rech­net.

Eines davon habe ich (al­ler­dings unter Pseud­onym) rech­nen dür­fen – wobei das eben mit rech­nen nur sehr wenig zu tun hatte, mit Di­plo­ma­tie eher – denn keine Seite (Land und SV) woll­te die Wahr­heit wis­sen, und die Rech­nun­gen duf­ten nur das er­ge­ben, was die bei­den  lang­wie­rig aus­ver­han­delt haben (btw. Ich hab die Rech­nun­gen sechs mal ge­macht, weil jedes Mal „neue“ Daten die „alten, fal­schen“ er­set­zen muss­ten, bis die Kas­sen ihren Teil der Be­rech­nung über­haupt selbst ge­schrie­ben haben. Es dau­er­te 6 Mo­na­te, bis eine Ei­ni­gung er­zielt wurde! Der wis­sen­schaft­lich fun­dier­te Be­richt wurde nie pu­bli­ziert – bis jetzt)

Wie dem auch sei, mir ist kein Re­form­pool­pro­jekt be­kannt, dass es ge­schafft hätte, Kon­sens zwi­schen allen 21 Kran­ken­kas­sen und den Bun­des­län­dern her­zu­stel­len um die Rech­nun­gen ernst­haft zu ma­chen und das Prin­zip „Geld folgt Leis­tung“ um­zu­set­zen. Im Ge­gen­teil, je näher das Ende eines Pro­jekts kam, desto kla­rer war, dass kein In­ter­es­se an Än­de­run­gen be­stand. Des­we­gen hat es auch kein ein­zi­ges Re­form­pool­pro­jekt ge­schafft, flä­chen­de­ckend aus­ge­rollt und in die Re­gel­fi­nan­zie­rung über­nom­men zu wer­den (sieht man von jenen ab, die eine Son­der­fi­nan­zie­rung er­hal­ten haben)

Tja, und so wie es aus­sieht, soll die Idee der „fik­ti­ven Bud­gets“ nun die Ge­sund­heits­re­form brin­gen. Es soll also jetzt auf Bun­del­än­der­ebe­ne eine flä­chen­de­cken­de, all­um­fas­sen­de fik­ti­ve Rech­nung ge­macht wer­den, damit man er­ken­nen kann, wer von wel­cher Maß­nah­me oder Pla­nung wie pro­fi­tiert, um dann eine Fi­nan­zie­rung aus einer Hand si­mu­lie­ren zu kön­nen.  Was also für lä­cher­li­che Klei­nig­kei­ten schon nicht funk­tio­niert hat, soll jetzt im Gros­sen funk­tio­nie­ren? Nie!

Aber ich bin si­cher, die Re­form wird, wie eh und jeh, me­di­al groß kom­men und bes­tens ver­kauft wer­den. Rea­li­ter aber, wurde so eine Ge­sund­heits­re­form er­folg­reich aus­ge­ses­sen wie­der ein­mal !

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