Wer billig kauft, kauft teuer

In der Langzeit-Pflege werden die Fehler der Vergangenheit spürbar

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Es sind jetzt mehr als 15 Jahre vergangen, als mit einem Verfassungsgesetz beschlossen wurde, das Menschen, die bis dahin illegal in Österreich gearbeitet haben, von jeglicher Strafe oder Nachforderung befreit sind. Es war die Geburt der offiziellen Personenbetreuer – die seither als 24 Stunden- Pflege tief ins öffentliche Gedächtnis eingegangen sind.

Natürlich sind das keine Pflegekräfte. Es sind normale Menschen aus irgendwelchen Berufen, die aufgrund der Lohnunterschiede zwischen Österreich und ihrem, i.d.R. osteuropäischen Heimatland, hier viel verdienen. Sogar Universitätsprofessoren haben hier gejobbt – einfach, weil die 100€ pro Tag die hier verdient wurden, daheim eine Kaufkraft von 1.000€ hatten.

Aber, es war von Anfang an klar, dass diese Lohngefälle im Rahmen der europäischen Integration geringer werden. Und Wissende wußten, dass es nur ein Provisorium sein kann, um eine Versorgungslücke zu schließen.

Doch warum hat sich diese Lücke aufgetan?

Das ist die Folge einer jahrzehntelangen und andauernden Weigerung, die Langzeit-Pflege zu reformieren. Was im Grunde nichts anderes hieße, als sie gemeinsam mit dem Gesundheitssystem zu denken, und professionelle Pflege so einzusetzen, dass sie tun kann, was sie kann. Denn, auch wenn das nicht überall verstanden wird, professionelle Langzeit-Pflege, richtig eingesetzt, wirkt tertiärpräventiv. Sie kann die Pflegebedürftigkeit der Patienten senken, und so den Pflegbedarf reduzieren – und das gewaltig.

Informelle Pflege, sei es, durch Angehörige oder 24-Stunden-„Pflege“, kann das nicht. Die pflegt ins Bett und vom Bett ins Heim. Und dazwischen landen die Patienten immer und immer wieder im Spital. 24 Betreuung ist auf den ersten Blick billig, auf den zweiten Blick aber sehr teuer und vor allem schädlich.

Länder wie Dänemark aber auch die Schweiz setzen auf professionelle Langzeit-Pflege. Und dort wird bei vergleichbarem Personaleinsatz viel mehr erreicht. Der Anteil der Bevölkerung über 65 mit Einschränkungen bei den täglichen Aktivitäten ist praktisch überall gleich, aber bei uns ist die Zahl derer mit schweren Einschränkungen drei Mal höher. Integrierte, professionelle und koordinierte Pflege- und Betreuungsdienste verhindern nicht, dass wir alt werden, aber sie erleichtern das Alt-Sein doch erheblich.

Weil wir das aber auf Grund unserer Kompetenzverteilung im Gesundheits- und Sozialsystem nicht hinkriegen, setzen wir weiter auf „Selbstversorgung“ durch informelle Pflege. Und die sogt für einen immer stärker steigenden Bedarf. Und um die geringer werdenden Lohnunterschiede zu den Herkunftsländern der Personenbetreuer zu kompensieren, werden einfach zusätzliche Mittel ausgeschüttet.

Aber, das wird nicht funktionieren. Die Demographie ist hier sehr klar. Wenn wir den Pflegebedarf nicht durch tertiärpräventive Maßnahmen senken, wird die Langzeitpflege schlicht nicht bedarfsgerecht erbracht werden können. Wir sprechen hier von etwa 10.000 zusätzlichen Personenbetreuern, die wir ins Land holen und zusätzlichen 5.000 Angehörigen, die sich der Pflege widmen müssten – JÄHRLICH.

Der Weg muß ein anderer sein – und der setzt Mut voraus, vor allem auf der Ebene der Bürgermeister. Es ist unrealistisch, dass die durch die Verfassung normierte Kompetenzverteilung jemals geändert wird. Aber dezentral diese Kompetenzgrenzen zu sprengen, Mittel, woher auch immer, freizusetzen und statt Pflegeheime zu errichten, Pflege-Teams rund um Patienten entstehen zu lassen, die patientenorientiert arbeiten können, das könnte helfen – und ja, das niederländische „Buurtzorg“ wäre ein Vorbild.

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Prävention ist KEIN Heilsbringer

Geht es um die Zukunft der Gesundheitsversorgung, redet jeder von Prävention und Health Literacy.

Die Lösung ist dann meist Gesundheitserziehung, eine gesunde Jause und Bewegung in der Schule, da Kinder von heute Erwachsenen von Morgen sind, die gesund altern und das Gesundheitssystem entlasten sollen.

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Aber auch die allgemeine Vorsorgeuntersuchung sei wichtig, denn früh erkannte Krankheiten sind besser zu behandeln. Auch das würde viel sparen. Angeblich sechs Euro pro in Vorsorge investiertem Euro.

Es ist immer wieder erstaunlich, welche Wirkung der Prävention zugedacht wird. Leider ist das alles eher Populismus, und, wenn es um die Einforderung der Eigenverantwortung geht, mit Hang zur Demagogie.

Wissenschaftlich ist daran bestenfalls sehr wenig. Dort gilt seit langem das „Polypen-Rätsel“ und das „Inverse Care Law“. Ersteres beschreibt den Zusammenhang zwischen unwirksamen Präventionsmaßnahmen, wenn es kein stabiles Krankheitsmodell gibt, zweiteres das Problem, dass vor allem jene Prävention in Anspruch nehmen, die am wenigsten davon profitieren

Für das Polypen-Rätsel gibt es das Beispiel Schilddrüsenkrebs. Der wird durch verbesserte diagnostische Maßnahmen immer „früher“ entdeckt. Doch trotz seines nahezu epidemischen Auftretens, bleibt die Mortalität unverändert. Durch „Vorsorgeuntersuchungen“ finden wir also sehr viele Krebse, ohne dass sich die Zahl der daran gestorbenen ändert – wir überdiagnostizieren und übertherapieren.

Populistisch könnte man diese Zahlen aber auch so interpretieren, dass sich die Überlebenswahrscheinlichkeit vervielfacht hat. Und all jene, die eine Schilddrüsen-OP wegen „Krebs“ hatten, und nicht daran starben, sind davon auch fest davon überzeugt. Alleine es stimmt nicht.

Früherkennung ist mit Vorsicht zu betrachten. Und weil es eben nur für wenige Krankheiten so stabile Verlaufsmodelle gibt, dass eine frühe Diagnose wirklich was bringt, gibt es nirgends mehr allgemeine Vorsorgeuntersuchungen. Solche Untersuchungen sind nur dort sinnvoll, wo es um spezifische Krankheiten bei spezifischen Bevölkerungsgruppen (Risikogruppen) geht.

Und selbst dann gibt es ein Problem, nämlich das Inverse Care Law.

Sinnvolle Präventionsprogramme müssen das Ziel haben 100% der adressierten Bevölkerungsgruppe zu erreichen. Denn die ersten 50% werden gar nicht davon profitieren. Die achten von selbst so gut auf die eigene Gesundheit, dass jedes Programm defacto unnötig ist. Für die nächsten 25% besteht eine 50/50 Chance, dass das Programm was bewirkt. So richtig wirksam, ist es erst bei dem letzten Viertel. Das sind jene mit schlechter Health Literacy, niedriger Compliance und noch niedrigerer Adherence – Eigenverantwortung einzufordern mag zwar gut klingen, wird aber diese nicht erreichen. Gleichzeitig sind es aber nur die, wo dann das oben besprochene Potential von 6 Euro Behandlungskosteneinsparung liegen könnten.

Aber nähmen wir an, alle Probleme seien gelöst, welche Prävention ist den eigentlich wichtig? Sind es wirklich Kinder, denen wir Vorschriften machen sollten? Nein, denn die sind in der aktuellen demographischen Situation völlig nebensächlich.

Für die nächsten 30 Jahre sind es die Babyboomer, die unsere Gesundheitssystem überlasten werden. Wenn schon jemand mit gesetzlichen Pflichten zur besseren Lebensführung gezwungen werden müsste, dann die vor 1965 geborenen. Dort ist Übergewicht üblich, Alkohol- und Nikotin-Konsum hoch, Health Literacy niedrig und chronische Erkrankungen, deren Verlauf beeinflusst werden könnte, weit verbreitet.

Unangenehmerweise sind es aber auch die meisten Wähler. Denen Vorschriften und Pflichten aufzuerlegen ist politisch unklug. Und so liegt der Fokus auf Kindern, die gesund altern sollen.

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Gesündere Patienten ist der Schlüssel

Es gibt Gesunde und Kranke, aber nicht jeder Kranke muss Patient sein und nicht jeder Patient hat einen unveränderlichen Krankheitsverlauf

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Wenn die neue GÖG-Pflegebedarfsstudie 2050 den Bedarf an Pflege- und Betreuungspersonal mit 200.000 Köpfen angibt, dann sind das nicht ZUSÄTZLICHE, sondern eine Endzahl. Der zusätzliche Bedarf wird mit rund 70.000 angegeben. Also etwa 50% mehr als heute –ohnehin schon sehr viel, zu viel möglicherweise.

Denn, was diese Studie nicht bedenken durfte, sind Änderungen im Gesundheitszustand der Bevölkerung. Sie geht davon aus, dass die Ineffizienz des Systems einfach weitergeht.

Das heutige System muss aber pointiert als gesundheitsschädlich betrachten werden. Obwohl wir europaweit die höchste Inanspruchnahme von ambulanten und stationären Gesundheitseinrichtungen haben, sind wir trotzdem im Spitzenfeld der Pflegebedürftigkeit. Um es klar zu sagen – wenn wir es nicht schaffen, das System weniger gesundheitsschädlich zu gestalten, werden wir es nicht halten können, egal wieviel Personal wir ausbilden oder einfliegen lassen.

An dem Punkt kommt das Chronic Care Modell (CCM) ins Spiel.

Das CCM ist ein organisatorischer Ansatz zur Betreuung von Menschen mit chronischen Erkrankungen in der Primärversorgung. Es ist bevölkerungsbasiert und schafft praktische, unterstützende und evidenzbasierte Interaktionen zwischen einem informierten, aktivierten Patienten und einem vorbereiteten, proaktiven Betreuungsteam.

Wagner EH. Chronic disease management: what will it take to improve care for chronic illness? Eff Clin Pract. 1998;1:2-4

Sinnvoll umgesetzt, fördert das CCM die Fähigkeiten der Patienten zur Selbstverwaltung ihrer Krankheit, indem es diesen Werkzeuge und Ressourcen anbietet, um ihre Gesundheit aktiv zu managen. Es bietet klinischen Teams Werkzeuge und Ressourcen, um evidenzbasierte Richtlinien und Informationen zu nutzen. Es achtet darauf, dass Informationssysteme bestehen, um den Austausch relevanter Patienteninformationen zwischen den Mitgliedern des Gesundheitsteams zu erleichtern. Es fördert eine effiziente Organisation von Gesundheitsdienstleistungen, um die Bedürfnisse chronisch kranker Patienten effektiv zu adressieren. Und es bezieht die Unterstützung der Gemeinden in den Behandlungsprozess ein, um sicherzustellen, dass die Versorgung über die klinische Umgebung hinausgeht.

So etwas zu errichten ist keine Hexerei und es gibt dafür Unmengen an hilfreichen Tools im Internet – sofern es irgendjemanden gibt, der sich darum kümmert -und hier kommen die Bürgermeister ins Spiel.

Wenn wir Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohner außer Acht lassen, bleiben etwa 2.000 Bürgermeister übrig, die für etwa 5.000.000 Einwohner zuständig sind. Pro Gemeinde im Schnitt 2.500 Einwohner.

Etwa 20% haben ein chronische Erkrankung, die, wenn richtig adressiert, zu weniger Akuterkrankungen und geringerem Pflege- und Betreuungsbedarf führt. Wenn man die Hälfte dieser Patienten erreichte, würde das bereits einen erheblichen Hebel für die Prognose der GÖG-Studie bedeuten – und das System retten.

Runtergebrochen auf eine Durchschnitts- Gemeinde sind das also etwa 250 Einwohner, deren Versorgung besser über ein CCM koordiniert werden müsste. Wenn man für jeden etwa eine Stunde pro Monat professionelle „Koordination der CCM“ einplant, sind das 1,5 VZÄ. Übertragen wir diese Aufgabe einer Community Nurse, die direkt bei der Gemeinde angestellt ist, sind Datenschutzthemen oder Haftungsfragen leicht geklärt. Zudem würde eine derartige Position, die weder dem Gesundheitssystem, noch dem Pflegewesen zugeordnet ist, sondern schlicht eine „Verwaltungskraft“ darstellt, jene Brücken schlagen können, die eben heute nicht bestehen und die Ineffizienz ausmachen. Die aktuelle Gesetzeslage ließe das alles zu, sogar mit Förderungen könnte man rechnen.

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Long Way to go

Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt; und der wird nicht kürzer, nur weil man ihn nicht geht

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Die Probleme sind bekannt: Durch zu viele Akteure wird eine überregionale Zusammenarbeit zugunsten von „Eigeninteressen“ behindert. Die Existenz so vieler Akteure ist nicht geeignet, die Entwicklung eines rationellen, aufeinander abgestimmten und reibungslos funktionierenden Systems zu fördern. Zwischen intramuralem und extramuralem Bereich besteht eine scharfe Trennlinie. Es existieren Zweigleisigkeiten in der Arbeit von Spitälern und Ärzten in der Praxis.

Trotz Bemühungen um eine verstärkte Koordinierung ist das Gesundheitssystem aufgrund seiner Verwaltungsstruktur und dualen Finanzierung komplex und fragmentiert. Besonders die Aufteilung der Finanzierung von intra- und extramuralen Leistungen kann die Betreuungskontinuität beeinträchtigen. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass zurzeit die Gesundheitsergebnisse schlechter und die Gesamtkosten höher ausfallen, als dies in einem koordinierten System der Fall wäre.

Um eine nachhaltig qualitätsgesicherte Gesundheitsversorgung für die gesamte Bevölkerung sicherzustellen, braucht es eine Reform. Diese sollte dazu führen, dass die Leistungsangebote in allen Sektoren aufeinander abgestimmt und patienten- und bedarfsorientiert gestaltet werden. Parallelstrukturen sollen verhindern bzw. abgebaut werden. Um das zu beobachten, sind routinemäßige Messung der Versorgungseffektivität nötig. Das Finanzierungs- und Honorierungssysteme muss sich stärker am Versorgungsbedarf ausrichten. Der stationäre Bereich ist durch medizinisch und gesamtwirtschaftlich begründete Verlagerung von Leistungen in den tagesklinischen bzw. ambulanten Bereich zu entlasten. Und für ausgewählte Krankheitsbilder soll es, am Patientenbedarf orientierte, Versorgungsstandards und Disease Management Programme geben

Auch Ziele und Maßzahlen sollten festgelegt werden. Man kann sich eine ganze Menge an Zielen vorstellen, die man etwa in strategische und operative Ziele unterscheiden könnte. Beispielsweise könnten für Diabetiker bundesweit einheitliche Qualitätsstandards festgelegt und diese auf Landesebene oder in definierten Versorgungsregionen gemessen werden. Oder, wenn es simpel gehen soll. werden einfach Ziel-Anteile der Diabetiker die im Rahmen von „Therapie Aktiv“ versorgt werden, festgelegt.

Nun, wem das bekannt vorkommt, die Auflösung: Absatz 1 enthält Aussagen einer Studie aus dem Jahr 1969 (!), Absatz 2 aus einer Studie aus 2017. Absatz 3 ist voll von Aussagen des Bundeszielsteuerungsvertrag 2013 und die angesprochenen Ziele im Absatz 4 findet man in den Zielsteuerungsverträgen 2013 bzw 2022 – dort unterscheidet sich nur die Zielerreichungsfristen, die immer weiter gestreckt wurden.

Jetzt dürften wieder Zielvorgaben kommen – und wie üblich: „Wir werden mit dem Bund gemeinsam Ziele formulieren, aber es sind keine Sanktions-Maßnahmen damit verbunden.“ Und „Werde ein Ziel nicht erreicht, so werde man die Zielsetzung evaluieren.“

Man könnte meinen, diese Ziele sind unnötig – ein Trugschluss. Die Ziele, die mühsam in den 2010er Jahren verhandelt wurden, haben an Aktualität nichts verloren. Sie sind weiterhin gültig und wichtig. Was wir aber nun mit Sicherheit wissen, ist, dass eine Gesundheitsreform keinerlei Chance hat, diese Ziele auf den Boden zu bringen. Für das Bodenpersonal ist das angesichts der demographischen Entwicklung fatal. Um nicht unterzugehen, wäre es mehr als sinnvoll, dezentral, weit unterhalb der Länderebene, den Bundeszielsteuerungsvertrag 2013 heranzuziehen und die dortigen Ziele selbst umzusetzen, unabhängig, ob es irgendwelche Reformen gibt oder nicht. Es muss jetzt einfach schneller gehen.

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Wenn dem Bio-Psycho-Sozialen das Psycho-Soziale fehlt

Primary Health Care ist mehr als Allgemeinmedizin oder Primärversorgungseinheiten

Eine 75 jährige, seit 6 Monaten verwitwet, kommt ein bis zwei Mal pro Woche zum Hausarzt. Was könnte das Problem sein? Selbst Laien antworten schnell mit „Einsamkeit“ oder „Trauer“. Und das ist es wohl in der Regel auch.

An dem Punkt stellen sich zwei Fragen: 1. Warum Hausarzt? 2: Was kann der tun?

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Die erste Frage ist leicht beantwortet. Traurig und einsam zu sein, fühlt sich ungesund an. Der Mensch fokussiert sich dann auf alle möglichen Symptome – und geht damit zum Arzt.

Die zweite Frage ist schon schwerer zu beantworten. Therapie gibt es eigentlich keine, es sei denn, die Trauer ist derart stark, dass sie einen therapierbaren Krankheitswert hat und so einen sozialversicherungsrechtlichen Fall auslöst. Dann könnte eine Verschreibung eines Antidepressivums oder eine Überweisung zu einem Psychiater erfolgen. Aber in der Regel ist das nicht nötig. Andere Leistungen sind jedoch im Katalog des Hausarztes nicht enthalten, können nicht enthalten sein, weil die Krankenkassen für Krankheiten zuständig sind. Trauer und Einsamkeit sind meist keine Krankheit -und dann eigentlich kein Fall für den Arzt. Der Patient sitzt allerdings bei ihm?

Ein weiteres Beispiel

Wer Durst hat, der geht zur Wasserleitung und trinkt. Doch was, wenn er nicht gehen kann? Sollen wir Durst, ein gesundheitliches Problem, nicht adressieren und warten bis daraus eine Dehydration entstanden ist, um sicher zu stellen, dass der Patient nun sicher krank und damit Leistungen an ihm versichert sind? Wer aber übernimmt Organisation und Kosten für die pflegerische Betreuungsleistung, damit die Dehydration NICHT eintritt?

Und genau an solchen Punkten scheitert in Österreich die Idee des Primary Health Care (PHC), bzw. die Umsetzung der Idee mit stark regulierten PVEs.

PHC arbeitet mit dem sogenannten bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell der WHO das gesundheitlichen Probleme (also nicht nur Krankheiten) der Bevölkerung in einem definierten Einzugsgebiet adressiert.

Hier geht es um mehr als nur die Behandlung einer biologischen Fehlfunktion, also einer Krankheit, sondern auch um deren Bedeutung und Querverbindung in und mit der Umgebung und der Psyche.

PHC ist also ein Prozess, der nicht zwischen Sozial- und Gesundheitssystem unterschiedet. Die Trennung zwischen gesundheitlichen Problemen, die tendenziell dem Sozialsystem zugerechnet werden und Krankheiten, die ins Gesundheitssystem fallen, muss aufgehoben werden. An dieser Grenze, die jährlich millionenfach berührt ist, dreht sich, demographiebedingt, im Grunde alles. Wer an der Grenze versucht, durch zentrale Regularien, Mirkomanagement zu betreiben, etwa durch das Honorarsystem der Krankenkassen oder strikten Personalvorgaben des Bundes für PVE, wird scheitern. Zu vielfältig ist die Welt des PHC.

Statt Mikromanagement Flexibilität, statt zentral dezentral – Im Grunde geht es darum, rund um definierte Einzugsgebiete (rund um einen Hausarzt, der nicht mehr als 1.500 EW versorgen sollte) auf Gemeindeebene Koalitionen der Willigen zu bilden und einfach anzufangen. Ärzte, Pflegekräfte, Apotheker, Therapeuten, Betreuungsdienste sollen sich zusammentun, und tun was das sie für das Beste halten. Idealerweise unter der Moderation der Bürgermeister. Denn, was wo wie funktioniert ist kaum und schon gar nicht zentral planbar. Und es gibt auch keine Garantie, dass eine Maßnahme zum Erfolg führt. Try and Error, und die Hoffnung, dass irgendwer daraus lernen will, sind so ziemlich die einzige Option. Kluge Gesundheitspolitik würde daher die PHC-Ebene deregulieren, und dafür Ergebnisse messen und fordern.

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