Kinder und Jugendliche erhalten Hilfe zur Bewältigung der psychosozialen Corona-Folgen. Ein Text voller verwirrender Zahlen.
Weiterlesen: 12 für die Kids, 60 für die Fisch’Angaben in Millionen Euro: 2.600 für Covid-Tests, 1.000 für eine Impflotterie, 12 für psychologische und psychotherapeutische Beratungen und Behandlungen zur Bewältigung der psychosozialen Folgen der Pandemie bei Kindern und Jugendlichen. Ja, da nimmt die Regierung Geld in die Hand.
Im Begleitpapier zu „Gesund aus der Krise“, das wohl kaum jemand liest (nicht die Schuld des Ministeriums, aber dort wohl einkalkuliert), steht, dass aktuell etwa jeder Zweite unter 21 Jahren eine mittelgradige depressive Symptomatik aufweist – eine Verdreifachung gegenüber sonst. Und ein potenziell lebensbegleitendes Problem. Also tun wir was! Üblicherweise geht man davon aus, dass 3 bis 5 Prozent der Bevölkerung professionelle Hilfe bräuchten – bei den Jugendlichen sind es durch die Pandemie nun 10 Prozent.
7.600: So viel sollen von „Gesund aus der Krise“ profitieren, das entspricht etwa 10 Prozent eines Jahrgangs. Die Förderungen reichen also für einen (!) Jahrgang. Angenommen, unter Elfjährige brauchen keine Hilfe – bleiben zehn Jahrgänge. Das Programm reicht also gerade einmal für ein zusätzliches Prozenterl. Und das bei einer ohnehin massiven Unterversorgung, da die über das Gesundheitssystem bereitgestellte Hilfe in normalen Zeiten nicht einmal die Hälfte des Bedarfs deckt. Zu den zehntausenden unterversorgten jungen Patienten kommen also jetzt ein paar zehntausend dazu. Womit „Gesund aus der Krise“ ein Minderheitenprogramm ist, das so vor allem jenen hilft, die am wenigsten Hilfe brauchen (das nennt man „Inverse Care Law“).
Vielleicht haben wir einfach zu wenige Therapeuten? Geschätzte 10.000 gibt es. Alle zehn Jahrgänge wären rund 80.000 Patienten, also 8 zusätzliche Patienten à 15 Stunden pro Therapeuten – macht 120 zusätzliche Stunden in 12 Monaten. Ich denke, das ginge, wenn man will – aber will man? Eher nicht. Denn das würde 120 Millionen Euro kosten. Und bei der Summe fängt man als Politiker an, genauer nachzudenken: „Wählen tun mich doch eher Pensionisten. Wenn ich zwischen Pensionserhöhung und Kindergesundheit entscheiden muss, dann lieber Pensionserhöhung. Außerdem ist das eigentlich Aufgabe der Kassen. Sollen die das machen.“ Und wie denken Kassenchefs? „Kinder und Jugendliche – die sind ja meist mitversichert und arbeiten nicht – also weder gewerkschaftlich organisiert noch unternehmerisch tätig. (Anmerkung: Chefetagen der Kassen werden über Arbeiterkammer- und Wirtschaftskammerwahlen, besetzt – Kinder dürfen nicht wählen, sind also egal). Wenn ich Geld aus der Kur bereitstellen oder, Gott bewahre, mich mit der Ärztekammer anlegen und Honorare zu Psychologen umlenken soll – da tu ich doch besser so, als ob mich das nichts angeht.“
Und so wird für Kinder und Jugendliche eben gerade so viel getan wie nötig, um Schlagzeilen zu bekommen, ohne der eigenen Klientel was wegzunehmen. Ah ja, die Wasserkraftbetreiber werden jährlich 12 Millionen Euro in den Ausbau der Fischwanderhilfen stecken – fünf Jahre lang.
„Wiener Zeitung“ vom 24.02.2022