Ganz persönliche Corona-Anmerkungen

   Seit einem Jahr macht die regierende Politik alles richtig (Achtung, Sarkasmusfalle).

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   Ich gebe es unumwunden zu: Seit mehreren Wochen kümmere ich mich nicht mehr darum, über Corona informiert zu sein. Anfangs war ich noch ambitioniert und habe wie ein Verrückter versucht, Studien zu lesen – im Original. Ich dachte, es sei wichtig, seine Meinung nicht gefiltert oder per Podcast vorgetragen zu übernehmen. Ich bin halt so. Mein Berufsleben lang habe ich Studien gelesen, bevor ich eine Meinung vertrat. Wo es keine Evidenz gab, war ich vorsichtig und niemals apodiktisch. Gut, diese Zeit war beim Thema Corona schnell vorbei, spätestens im Sommer 2020.

   Ab dann war ich hauptsächlich Medienkonsument. Nicht dass ich mich nicht gewundert hätte über so manche Artikel und Aussagen regierender Politiker (aller Ebenen – von Kammern bis zum Bund), kritisch nachdenken wollte ich nicht mehr. Im News Cycle zählt nur das Kurzzeitgedächtnis. Ankündigungs- und Symbolpolitik reichen und dominieren die Meinungsbildung. Warum dagegenstellen? Und nun schaue ich mir nur hin und wieder ein Dash- board an. Ursprünglich das vom ORF, dann bin ich zum Statistiker Erich Neuwirth gewechselt. Der hat mich aber verärgert, weil er, plötzlich berühmt, zum Epidemiologen wurde, was er aber eben nicht war. Seither schaue ich nur noch bei Paul Kleinrath (www.covid2019.at ) nach, der rechnet auch die Reproduktionszahl R(eff) aus. Und selbst das interessiert mich seit einiger Zeit nur noch peripher.

   Aber warum eigentlich? Naja, die Geschichte rund um Vorarlberg ist illustrierend, warum es sinnlos ist, mitzudenken. Beginnend damit, dass dort eine relativ niedrige Neuinfektionsrate bestand. Keiner wollte mir erklären, warum das so ist. Verhalten die sich anders, was können wir lernen, etc.? Es wurde erklärt, das hätte was mit dem Arlberg und den Nachbarstaaten zu tun. Die haben Deutschland und die Schweiz, wir anderen halt Tschechien, Ungarn und so. Die Erklärung hatte allgemeine Gültigkeit erlangt. Darüber weiter nachzudenken, was hätte es gebracht?

   Dann wurde in Vorarlberg die „Modellregion“ ausgerufen – und es war klar, dass das ein Riesenerfolg wird – wie alles, was regierende Politiker ankündigen in einem Riesenerfolg mündet.

   Nun, die Infektionsraten haben sich vervierfacht. Was aber trotzdem ein Erfolg ist, weil man es ja wissenschaftlich begleitet. Gut, ob es so eine Begleitforschung gibt, ist nicht ganz geklärt – manche sagen ja, andere nein – unerheblich. Wie sagte einst der heute einstige Impfkoordinator Clemens Auer? „Die Damen und Herren Wissenschaftler sollen sich nicht aufregen, die Daten sind alle da, und die, die sie brauchen, haben sie auch.“ Und ganz ehrlich, das Ergebnis stand eh fest, da braucht man keine Zahlen, Daten und Fakten. Also ob jetzt die Infektionen mehr wurden oder nur die Dunkelziffer kleiner – das werden wir schon erklärt bekommen von berufenem Munde. Auf das warte ich und glaube es dann einfach.

   Es lebt sich so viel einfacher. Die dadurch gewonnene Zeit stecke ich in meine Allgemeinbildung. Ich kenne mich jetzt ziemlich gut aus mit Zombies, der Abgrenzung zwischen Juden, Judenchristen und Christen, Wikingern, den griechischen Mythen, den theologischen Problemen rund um Jesus im Koran und vielem mehr.

„Wiener Zeitung“ vom 29.04.2021   

Nach fachlicher Einschätzung – genug

   Warum wir bei den Corona-Impfungen so weit nachhinken.

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   27. Juli 2020: Die Welt fiebert den Corona-Impfstoffen entgegen, wobei keiner weiß, welcher als Erster in die Phase III eintreten wird. Nur vier Tage später steht BioNTech/Pfizer fest – übrigens Monate, nachdem ein gewisser Bill Gates meinte, es wäre sinnvoll, für alle aussichtsreichsten Impfstoffkandidaten Fabriken zu bauen, damit die Produktion starten kann, sobald einer zugelassen wird, da sinnlos errichtete Fabriken allemal billiger kämen als jede Pandemieverlängerung.

   Am 27. Juli 2020 mailt der oberste ministerielle „Fachexperte“ Clemens Martin Auer mit anderen Ministerien, wo er erst einmal Nachhilfe geben muss: „Noch was dazu. HBK (Herr Bundeskanzler, Anm.) schreibt in seinem Brief von einer Gleichsetzung der Dosen mit der Bevölkerung = 8, irgendwas Dosen. Die meisten Impfstoffe brauchen aber 2 Dosen. Was gilt jetzt? Will er 8 Mio Menschen impfen? Dann brauch ma 16 Mio Dosen. In deinem Brief an ihn hab ich von 8 Mio Regiments gesprochen = also Impfobjekte.“ Ganz absurd wird es, als über Kosten sinniert wird: „Nein. Wir reden nicht von 50-100 Millionen Euro. Sondern jenseits von 100 Millionen Euro. Bei den Covid-Impfstoffen denke ich alles zusammen (für Impfstoffe, Material, Honorare etc.) von ca. 250 Millionen Euro, unter der Maßgabe, dass wir 8 Millionen Menschen impfen. Habe ich mir heute Nachmittag so zusammengerechnet / geschätzt.“

   Impfstoff und Impfen werden also untrennbar zusammengefasst, niemand weiß genau, worüber geredet wird, aber der oberste ministerielle „Fachexperte“ geht pro Stich von 15 Euro all inclusive aus. Was dann genau budgetiert wird, bleibt unklar – bis heute. Aktuell meint das Gesundheitsministerium, die damaligen „bis zu“ 200 Millionen Euro hätten ausgereicht – nach fachlicher Einschätzung (von wem?).

   Rechnen wir nach: Der Bund muss vier Sechstel der Kosten übernehmen, Länder und Kassen je ein Sechstel. So landen wir bei „fachlich eingeschätzten“ 300 Millionen Euro. Allein die Kosten der erwähnten 16 Millionen Stiche würden, angesichts der damaligen Impfhonorare von etwa 20 Euro pro Stich, den Rahmen sprengen. Interessant wäre es zu wissen, was für das Verimpfen kalkuliert wurde. Ach ja, im Jänner 2021 hat man sich mit der Ärztekammer auf 25 Euro pro Stich geeinigt. Es wurde also nicht billiger. Und der Impfstoff selbst hätte de facto gar nichts kosten dürfen. Eine Überbestellung war somit ausgeschlossen. Die Idee, das wirtschaftliche Risiko der Unternehmen zu minimieren, damit die Produktion so früh wie möglich beginnen kann, wurde nicht kalkuliert. Denn das hätte bedeutet, 16 Millionen Dosen bei jedem der damals vier potenziellen Hersteller vorzubestellen. Optimistisch wäre es gewesen, pro Dosis (also pro Stich) mindestens 10 Euro zu budgetieren (Israel zahlt 44 Euro) – das wäre dann eine „bis zu“-Budgetierung nur für die Impfstoffe von weiteren mindestens 650 Millionen Euro gewesen. Jede „bis zu“-Budgetierung unter einer Milliarde Euro wäre damit unfachlicher Blödsinn – das war alles schon im Sommer 2020 bekannt.    Und was hat es für Folgen, wenn eines der reichsten Länder der EU bei den Verhandlungen mit derartigen Kalkulationen auftritt? Die EU-Kommission wird zum Sparmeister. Und genau diese Pfennigfuchserei führt eben dazu, dass die EU beim Impfen weit nachhinkt.

„Wiener Zeitung“ vom 01.04.2021