Verhaltensvorschriften führen nicht automatisch zu deren Verständnis und damit auch nicht zur automatischen Befolgung – Surprise!
Weiterlesen: Wer kennt die „3 Cs“ oder die „3 G“?Ich habe einen Hund, mit dem muss ich täglich mehrfach Gassi gehen. Dabei treffe ich unterschiedliche Menschen, mit denen ich ins Gespräch komme. Seit Monaten habe ich mir zur Aufgabe gemacht, nachzufragen, ob sie die „3 Cs“ kennen. Um sicher zu sein, dass ich mein Gegenüber nicht überfordere, frage ich seit einiger Zeit auch nach den deutschen Geschwistern, den „3 G“. Ich habe noch keinen getroffen, der damit etwas anfangen konnte.
Gut, das sind allesamt Menschen weit weg von Gesundheitswesen, Gesundheitspolitik und Krisenmanagement. Sie wurden eben von der Kommunikation noch nicht erreicht. Aber ich befrage auch meine Studenten, 18- bis 21-jährige junge Menschen mit dem Wunsch, Arzt zu werden. Und die sollten doch schon etwas davon gehört haben – aber auch hier: unbekannt. Ja, selbst aktive Spitalsmitarbeiter – von Ärzten bis zu Schreibkräften – können damit nichts anfangen: Noch nie gehört – das ist der Konsens!
Da die „3 Cs“ oder „3 G“ keiner kennt, sie also eben nicht als Eselsbrücke dienen können, auch wenn das so gedacht war, frage ich nach, ob sie denn schon etwas gehört hätten von den zu vermeidenden Risikosituationen, in denen eine Corona-Infektion höher wahrscheinlich ist, und führe dann aus: G eschlossene (C losed), schlecht belüftete Räume, in denen G edränge herrscht (C rowd) und laute G espräche (C onversation) geführt werden, sind eben die zu vermeidenden Risikosituationen, weil das Zusammentreffen der „3 Cs“ oder „3 G“ Superspreader-Ereignisse beziehungsweise Cluster möglich macht. Doch selbst mit dieser Hilfe erinnert sich keiner, jemals davon gehört zu haben – keiner!
Dabei wurden die „3 Cs“ bereits im März als wissenschaftlich valide Empfehlung international ausgesprochen. Ende August wurden die „3 Cs“ dann vom Robert Koch Institut eingedeutscht („3 G“) und wären spätestens dann auch hierzulande zu kommunizieren gewesen. Aber niemand tat es. Stattdessen gibt es Verhaltensvorschriften, Verordnungen und Strafandrohungen. Und die zeigen Wirkung. Denn die meisten, die ich frage, wissen, wo sie einen MNS tragen müssen. Und jeder sagt ganz klar, dass die Maske Infektionen vermeiden könne.
Alleine, dieses Wissen ist allerhöchstens Halbwissen. Denn in den Daten kann man das (wenigstens) in Österreich nicht ablesen. Mehr noch, wenn ich populistisch sein wollte, verstärkt eine Maskenpflicht das Infektionsgeschehen sogar, weil jedes Mal, mit 14 Tagen Verzögerung, ein Anstieg der Reproduktionszahl und kein Sinken zu beobachten war.
Das Wissen um eine Vorschrift führt nicht automatisch dazu, dass diese auch verstanden wird. Und dann wird deren Befolgung zur lästigen Pflicht, die, sobald niemand zusieht, eben außen vor ist. So ist Österreich im Gleichschritt mit den anderen populistisch agierenden „smarten“ Ländern Israel und Tschechien, die zuerst die strengsten und härtesten waren, dann am frühesten lockerten und dazwischen immer wieder einmal einen symbolischen Akt setzten – und der Shutdown wird unvermeidbar.
„Wiener Zeitung“ vom 29.10.2020