Laut Rechnungshof wurde der Gemeinderat nicht umfassend informiert. Es dräut ein Skandal großen Ausmaßes.
Weiterlesen: Das Krankenhaus Nord – eine Wiederauflage des AKH?Der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) ist etwas Merkwürdiges. Per Landesgesetz wird er zu einer „Unternehmung“ gemacht. Das klingt, als ob er ein Unternehmen, also etwas Eigenständiges wäre – ist er aber nicht. Realiter ist er Teil der Gemeinde Wien. Das bedeutet, seine operativen Entscheidungsträger kommen aus der Exekutive, der Landesregierung. Weil aber eine Exekutive nur exekutiert, was die Legislative, in dem Fall der Gemeinderat von Wien (der mit dem Landtag ident ist) ihm vorschreibt, werden alle wichtigen Entscheidungen nicht durch die Landesregierung, sondern im Gemeinderat getroffen – meint man. Was der KAV beziehungsweise seine Generaldirektion eigenständig machen kann, und welche Entscheidungen höheren Orts, also durch zuständige Magistratsdirektion, zuständige Landesräte oder Gemeinderat, zu treffen sind, wird vage in einem Statut festgehalten. Nichtsdestotrotz darf, entsprechende Beschlüsse vorausgesetzt, der KAV als Bauherr auftreten, was er im Falle des Krankenhauses Nord auch tat – dilettantisch, wie der noch geheime Rechnungshof-Rohbericht aufzeigt.
Lassen wir einmal die mit diesem Dilettantismus hunderte Millionen versenkten Euro beiseite, steht im Raum, warum eine Exekutive so ganz ohne legislative Kontrolle agieren kann? Oder hat der Gemeinderat diesen Bau-Skandal gar genehmigt? Nein. Folgt man dem Rechnungshof, konnte der seine Genehmigungspflicht gar nicht wahrnehmen, denn, und das ist doch irritierend, er wurde schlicht nicht informiert. Zwischen 2006 und 2011 gab es praktisch gar keine Informationen und danach (das Statut des KAV wurde dahingehend geändert, dass dem Gemeinderat Wirtschafts- und Investitionspläne vorzulegen sind) nur Angaben zu den Gesamtkosten und der Höhe einzelner Jahresraten. Eine fundierte Entscheidung war damit nicht möglich. So entschied die Exekutive eben ohne Genehmigung. Und weil die so gar keine Ahnung zu haben schien, wie man eine Baustelle dieser Größenordnung abwickelt, haben wir eben jetzt das, was wir haben.
Und was ist das? Ja, das ist die Frage: Nehmen wir das Landeskrankenhaus Klagenfurt her, dessen Neubau 2007 vom KAV noch als Vorbild für eine Grobschätzung galt. Mit 1344 Betten, 63.000 stationären und 470.000 ambulanten Patienten ist es deutlich größer als das Krankenhaus Nord. Dort sind 785 Betten, 40.000 stationäre und 250.000 ambulante Patienten geplant. Klagenfurt hat (zu Preisen 2013) unter 350 Millionen Euro gekostet, in Wien können wir froh sein, wenn es unter 1,4 Milliarden Euro bleibt.
Ob da alles mit rechten Dingen zugegangen ist, werden wir in den nächsten Jahren aufarbeiten. Vielleicht mit einer Untersuchungskommission im Gemeinderat, die, dank der gültigen Geschäftsordnung, mit hoher Wahrscheinlichkeit von der regierenden Partei genau dann beendet werden wird, wenn die Fragen vor der nächsten Landtagswahl zu peinlich werden.
Aber im Grunde ist das egal! Die befassten Generaldirektoren sind längst weg, und die politisch Verantwortlichen werden leicht jede politische Verantwortung übernehmen können – aus der Polit-Pension heraus.
„Wiener Zeitung“ Nr. 032 vom 15.02.2018