Die Existenzängste der Kassen-Hausärzte

Ein Hausarzt verdient bei einem Jahresumsatz von durchschnittlich 250.000 Euro rund 50.000 Euro netto.

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    Ein wesentlicher Teil des Gewinns stammt nicht aus den Umsätzen als Kassenarzt, sondern aus quersubventionierenden Tätigkeiten.

   Da wäre die Hausapotheke, ohne die die Patientenversorgung, wie sie auf dem Land stattfindet, keinesfalls bestünde. Und dann gibt es Einnahmen aus Alternativmedizin und Ästhetik. Scharenweise bessern Hausärzte ihr Auskommen mit Low-Level-Laser, Magnetfeld-Therapie oder Homöopathie auf, die allesamt als medizinisch-wissenschaftliche Tätigkeiten angeboten werden. Oder sie verabreichen Botox-Spritzen.

   Da der Kassenarzt Unternehmer ist, hat er keinen bezahlten Krankenstand, Urlaub, doppelte Gehälter oder Arbeitslosengeld. So etwas gibt es nicht, selbst wenn die Ärztekammer den Kassenvertrag als Kollektivvertrag verkauft. Das ist Polemik, um vermeintlich mehr politischen Druck auf die aus der Gewerkschaft stammenden Gesundheitsminister auszuüben.

   Mehr noch, als Unternehmer muss der Kassenarzt seinen Arbeitsplatz selbst finanzieren, also auch Investitionen aus dem Gewinn stemmen – oder eben nicht. Denn bei so einem geringen Gewinn ist es viel gescheiter, Investitionen fremdzufinanzieren. Und das hat Konsequenzen. Die meisten Kassenärzte, vor allem wenn sie unter 50 sind, sind hoch verschuldet. Und genau deswegen sind sie bereits heute ökonomischen Zwängen unterworfen, auch wenn das gerne und vor allem seitens der Ärztekammer verschwiegen wird.

   Außerhalb der gut beheizten politischen Büros in Ländern, Kassen und Ärztekammern sitzen 4100 Kassenhausärzte in ihren fremdfinanzierten Ordinationen und haben Existenzangst. Natürlich sind die meisten zu elegant, das zuzugeben, schließlich arbeiten sie primär für den Patienten und nicht für Geld, aber real sind es die nächste Kreditrate, die Miete und das nächste doppelte Gehalt für Angestellte, die drücken. Die meisten fürchten sich wohl auch nicht, keine Arbeit mehr zu finden, und sei es angestellt in einem Primary-Health-Care-Zentrum; sie fürchten, auf tausenden Euro Schulden sitzen zu bleiben.

   International wurde deswegen bei Strukturreformen das unternehmerische Risiko immer von den Reformern (zum Beispiel die Politik) übernommen. Fonds wurden eingerichtet und Ordinationen, die geschlossen werden sollten, abgelöst. Es gab einen von Anfang an klar kommunizierten Investitionsschutz, der nicht über einen langwierigen, teuren und unsicheren Rechtsweg (den es bei uns auch gibt) erstritten werden musste. Da stellt sich die Frage, warum dieses Thema niemand aufnimmt. Wer hätte die Aufgabe, die Interessen der Ärzte zu vertreten – aber keinerlei Legitimation, über Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens zu entscheiden?

   Genau da ist Kritik an der Ärztekammer angebracht. Es ist nicht ihre Aufgabe, sich um Patienten zu kümmern, sehr wohl aber, die Interessen ihrer Pflichtmitglieder wahrzunehmen. Doch würde die Kammer zum Thema Ablösen Gespräche führen, wäre das ja eine implizite Zustimmung. Weil aber bei der Reform klar ist, dass Kammerfunktionäre stark an Macht und Einfluss verlieren, dürfte es denen lieber sein, Ängste zu schüren, um gegen die Reform zu mobilisieren, statt diese „ärztefreundlich“ zu gestalten.

„Wiener Zeitung“ Nr. 248 vom 22.12.2016  

Kassen, Kammern, Ambulatorien, der Gesamtvertrag und die PHC-Zentren

(Lesezeit 4 Min) Ärztekammern, Krankenkassen und Ambulatorien; ein Streit der praktisch so alt ist wie die zweite Republik und in der PHC-Diskussion gerade wieder aufflammt

 

Herbst 1955 – Seit kurzem gibt es den Staatsvertrag, die Besatzungsmächte sind noch nicht vollständig abgezogen, da wird das ASVG, zur Abstimmung gebracht. Und fast typisch, trotz zehn Jahren Verhandlung, kommt eine, wie ein Stenographisches  Protokoll zeigt, schnell zusammengezimmerte „Zwischenlösung“ zur Verlesung, weil wenige Tage davor ein Aufstand der Wiener Ärztekammer zu Änderungen zwang.

Um was es ging? Um Ambulatorien und Kassenplanstellen.

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