Analyse der neue Ärzteausbildung – ein riesen Bluff

Wenn die entworfene Ärzteausbildung eine Verbesserung bringen soll, müssten parallel 10.000 Spitalsbetten abgebaut werden! Also doch nur ein Bluff!

Zusammenfassung

Blickt man schnell auf den Entwurf, deutet alles darauf hin, dass die Politik ernsthaft eine Verbesserung der Ausbildung der Jungärzte anstrebt. Turnusärzte  (TÄ), die Allgemeinmediziner werden wollen, sollen eine verpflichtende Lehrpraxis machen, die mindestens 6 Monate dauert. Die Facharzt-Ausbildung soll durch das Abstellen der Unart, dass vor der Facharzt-Ausbildung zuerst eine Allgemeinmediziner-Ausbildung gemacht werden muss, deutlich verkürzt werden. Und damit Spitalserhalter, v.a die Länder, diese neuen Regeln nicht umgehen können, wacht die Ärztekammer über jede einzelne Ausbildungsstelle. Soweit so gut!

Allerdings liegt der Teufel im Detail. Analysiert man den Entwurf, erkennt man, dass zwar die Ausbildungszeit der Fachärzte wirklich verkürzt werden könnte, dafür werden aber offenbar bewusst Engpässe eingebaut, die die Ausbildungszeit der Allgemeinmediziner in den Spitälern real enorm verlängern wird – es sei denn, es kommt auch zu einer sehr, sehr großen Spitalsreform, mit dem Schließen von etwa 10.000 (25%) Spitalsbetten – das ist nicht realistisch.

V.a. Kleinstspitäler und Kleinstabteilungen, die eigentlich durch den Entwurf aus Qualitätsgründen ihre Ausbildungsbefugnis verlören, werden durch eine Ausnahmeregelung im selben Entwurf geschützt. Diese Ausnahmeregelung stellt sicher, dass TÄ weiterhin ohne ordentliche Ausbildung als Systemerhalter eingesetzt werden können, weil es niemanden gibt, der ihre Ausbildung einfordern kann – sie bleiben weiterhin verkauft. Die auf den ersten Blick eingeführte Überwachung der Ausbildungsqualität durch die Ärztekammer (Ausbildung nur an anerkannten Ausbildungsstellen) ist nichts als Blendwerk. Real wird die Zahl der notwendigen TÄ weiterhin durch einen Bettenschlüssen bestimmt und nicht durch Ausbildungsinhalte oder gar den Bedarf.

Und weil die Zahl der TÄ derartig bestimmt wird, ist es völlig unrealistisch, dass die 42 Monate Ausbildungsdauer (davon 36 im Spital), wie im Gesetz vorgestellt, halten wird. Rein rechnerisch geht sich das Zahlenspiel dieser „Reform“ nur aus, wenn TÄ 5 Jahre (60 Monate) im Spital arbeiten. Und um TÄ ans Spital zu ketten, werden bewußt Wartezeiten eingebaut. Deswegen wird es, um das Angebot der Lehrpraxis so klein wie möglich zu halten, realistischerweise keine öffentliche Finanzierung der Lehrpraxen geben und das Angebot der „kleinen Fächer“ wird reduziert – erheblich reduziert.

Um Feststellen zu können, ob diese Reform wirklich nur eine Show darstellt, sind v.a. zwei Fragen zu stellen:

  1. Bleibt es dabei, dass pro 15 Betten ein Turnusarzt in der Ausbildung zum Allgemeinmediziner angestellt werden muss?
  2. Bleibt es bei der Unterfinanzierung der Lehrpraxis (Bundesförderung reicht bei einer 6-monatigen Lehrpraxis für etwa 60 Stellen jährlich, nötig wären jedoch 350-400, Bewerber wird es 500 geben)?

Wenn diese Fragen mit Ja zu beantworten sind, streut die Regierung v.a. den Jungärzten nur Sand in die Augen, um ihnen das Weggehen zu erschweren. Ihre Ausbildung wird jedoch eher schlechter denn besser! Und nach wenigen Jahren wird die Netto-Emmigration wohl über 50% liegen – völlig verständlich.

Es gibt aber noch eine Möglichkeit, das alles aus dem Sumpf zu ziehen. Wenn Jungärzte nach dem Common Trunk eine Approbation erhalten, dann werden die Spitalserhalter es viel schwerer haben, diese Ärzte auf Wartelisten versauern zu lassen. Ob es allerdings gelingt, dieses international total übliche Recht für Jungärzte in Österreich durchzusetzen?

 

Analyse im Detail

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Chancen der neuen Primärversorgung

Hektisch war sie, die Geheimdiplomatie rund um die neue Erstversorgung, begleitet von Streik- und Weltuntergangsdrohungen.

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   Nach verbalem und Patienten wie Ärzte verunsichernden Schlagabtausch zwischen Ärztekammer und Volksvertretern, nach mehrfachem Hin und Her streng geheimer Papiere, die hinter verschlossenen Türen verhandelt wurden, ohne dass man weiß, wer denn verhandelt hätte, wurde am 30. Juni ein Konzept beschlossen, das die Basis für die Neuordnung der Primärversorgung sein soll.

   Aber was steht drinnen – und viel wichtiger: Wird es wirklich die Primärversorgung neu ordnen?

   Viele schöne und richtige Worte findet man – was nach 100 Jahren internationaler Erfahrungen und wissenschaftlicher Untersuchungen auch das Mindeste sein sollte, wenn einem eine „Primärversorgung nach internationalem Vorbild“ ein Anliegen ist.

   Einer der Höhepunkte: „Ärztliche und nicht-ärztliche Gesundheits-und Sozialberufe arbeiten unter der medizinischen Leitung des Arztes in der Primärversorgung im Team (. . .) zum Zweck einer optimalen Primärversorgung und Sicherstellung durchgängiger Versorgungsketten im Gesundheits- und Sozialbereich für Personen/Patienten eines definierten Einzugsbereichs.“

   In diesem Satz liegen die gesamte Weisheit des Papiers – und auch alle Fallstricke.

   Denn, will man nicht via Verfassungsänderung den Rahmen herstellen, so etwas von einer Stelle aus organisieren zu können (Finanzierung aus einer Hand), und das wurde dezidiert ausgeschlossen, dann stehen umfangreiche Verhandlungen bevor: zwischen zwei Ministerien (Soziales und Gesundheit), neun Ländern mit jeweils mindestens zwei Landesräten (Finanzen, Gesundheit und Soziales, meist aus verschiedenen Parteien); 21 Krankenkassen, die teils bundes-, teils landesweit organisiert sind und deren bundesweit agierende Vertreter praktisch ein Vetorecht gegen jede Reform haben und in der Vergangenheit gerne auch ausübten; mehrere, meist parteipolitisch genau zuordenbare Organisationen mobiler Pflege, die regional oft Monopolisten sind; hunderte Pflegeheime betreibende Gemeinden; und natürlich die zehn Ärztekammern mit ihren 20 Kurien, die dank der Sicherstellung, dass alles im Rahmen der Gesamtverträge ablaufen muss, sehr viel Sand ins Getriebe der Verhandlungen werfen können und werden.

   „Das konkret anzubietende Leistungsspektrum ist vertraglich mit der Sozialversicherung und sonstigen Finanzierungsträgern zu vereinbaren.“ So steht es lapidar im Konzept. Und weil jeder weiß, dass es nie dazu kommen wird, dass sich all diese Partikularinteressenvertreter einigen, beginnt jetzt schon ein rein machtpolitischer Kampf.

   Ein Blick nach Niederösterreich zeigt das. Dort wurde die landeseigene Primärversorgungsidee vorgestellt – ohne Vertreter der Krankenkassen und ohne Ärztekammer, dafür mit einem ehemaligen, aber abgewählten Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Das kommt einer Kampfansage gleich, die für die Verhandlungen, und damit die Neuordnung der Primärversorgung wohl bereits ein Todesstoß ist.    Aber wenigstens eines wurde erreicht: Der Terminus „Primärversorgung“ ist, etwa 100 Jahre nach seiner Einführung, nun auch in Österreich verwendbar. Man soll sich eben auch mit kleinen Schritten zufriedengeben.

„Wiener Zeitung“ Nr. 134 vom 11.07.2014  

Die verkauften Jungärzte

Stellen Sie sich eine Gewerkschaft vor, sagen wir die Metaller, und fragen sich, wie sie auf folgendes reagieren würde?

Da kommt die EU und sagt:

Ihr in Österreich, Ihr behandelt eure Metall-Arbeiter seit Jahrzehnten schlecht. Wir haben Euch schon bei eurem EU-Beitritt gesagt, dass sie – mittlerweile sogar unerlaubterweise – zu lange arbeiten! Bringt das in Ordnung, sonst tun wir es.“

Die Gewerkschaft schweigt vorerst, nur der Sozialminister, zuständig für Arbeitszeiten und selbst mal Gewerkschaftsboss antwortet, weil er muss, sinngemäß: „Jo, eh! Aber wir brauchen noch so zehn Jahre, bis wir das umsetzen können – die Arbeitgeber haben sich an die billigen Arbeitskräfte gewöhnt, und wenn wir jetzt die Arbeitszeiten auf europäisches Maß reduzieren, dann können die sich das einfach nicht mehr leisten.“

Nun gibt auch die Gewerkschaft laut, sagt die EU mit all Ihren Regeln ist schuld, gibt dem Minister grundsätzlich Recht, meint aber, die Übergangszeiten sind schon ein bisserl lang – das war es!

Klingt das nach dem Verhalten von Gewerkschaftern? Nein! Und doch ist es geschehen – mit einer Berufsgruppe, die dank endloser Arbeitszeiten in oft prekären Arbeitsverhältnissen (nicht selten illegalen Kettenverträgen) kaum aufmucken können – den Spitalsärzte, vor allem den Jungärzten.

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