Die hundertjährige Diskussion

Die immer grö­ßer wer­den­den Ar­chi­ve er­mög­li­chen es, das ge­sund­heits­po­li­ti­sche Ver­sa­gen zu be­wer­ten.

Wei­ter­le­sen: Die hun­dert­jäh­ri­ge Dis­kus­si­on

   Prä­ven­ti­on und Ku­ra­ti­on sind nach ver­nünf­ti­gen Grund­sät­zen nicht von­ein­an­der zu tren­nen und müs­sen im Wir­kungs­be­reich des Haus­arz­tes zu­sam­men­ge­führt wer­den, wobei der Haus­arzt sich nicht nur um die Ge­sund­heit des Ein­zel­nen küm­mern soll, son­dern auch um die Volks­ge­sund­heit (Pu­blic Health).

   Um die Auf­ga­ben ef­fek­tiv zu er­fül­len, braucht der Haus­arzt Hilfe durch die Mit­ar­beit von Apo­the­kern, Pfle­ge­kräf­ten und Heb­am­men. Unter der Füh­rung des Haus­arz­tes (oder meh­re­rer Haus­ärz­te), der in ent­spre­chend aus­ge­stat­te­ten, und idea­ler­wei­se sei­tens des Ge­sund­heits­sys­tems be­reit­ge­stell­ten, Räum­lich­kei­ten (Pri­ma­ry Care Cen­ter) or­di­niert, sol­len diese zu­sam­men­ar­bei­ten. Die Leis­tun­gen die­ses Teams sind so wohn­ort­nah wie mög­lich zu er­brin­gen. Pa­ti­en­ten, die nicht in die Or­di­na­ti­on kom­men kön­nen, wer­den zu Hause be­sucht. Pa­ti­en­ten sol­len haupt­säch­lich durch „ihren“ Arzt be­treut wer­den. Wenn der Haus­arzt einen Fach­arzt bei­zie­hen will, wer­den durch ihn die Ter­mi­ne und der Trans­port or­ga­ni­siert. Die Haus­arz­t­or­di­na­tio­nen sol­len nach re­gio­na­lem Be­darf di­men­sio­niert sein, wobei zwi­schen rura­len und ur­ba­nen Re­gio­nen zu un­ter­schei­den ist. Ent­spre­chend dem Be­darf sol­len Fach­ärz­te re­gel­mä­ßig zu Kon­sul­ta­tio­nen kom­men.

   Diese Aus­sa­gen klin­gen nach dem, was ge­ra­de in Ös­ter­reich über die Neu­struk­tu­rie­rung der Pri­mär­ver­sor­gung dis­ku­tiert wird, stam­men aber nicht von hier, son­dern wur­den in Groß­bri­tan­ni­en ge­äu­ßert – und zwar 1920 (In­te­rim Re­port on the Fu­ture Pro­vi­si­on of Me­di­cal and Al­lied Ser­vices; Lord Daw­son of Penn).

   Der Be­richt zeigt, mit wel­cher Ver­zö­ge­rung wir auf Ent­wick­lun­gen re­agie­ren. Die glei­che Träg­heit fin­den wir auch in vie­len an­de­ren Be­rei­chen.

   Dass wir zu viele, aber vor allem zu viele klei­ne Spi­tä­ler haben, die zu viele Pa­ti­en­ten sta­tio­när ver­sor­gen, was unter an­de­rem durch das Kas­sen­ho­no­rar­sys­tem ge­för­dert wird, hat die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on WHO 1969 be­rich­tet – also vor 45 Jah­ren.

   Seit min­des­tens 15 Jah­ren lie­gen die Pro­ble­me der Kin­der-Re­ha­bi­li­ta­ti­on auf dem Tisch und wer­den eben­so lange sei­tens der Po­li­tik als wich­tig ge­nannt. Letz­te Aus­sa­ge des Pri­mus inter Pares der Lan­des­fürs­ten, die seit jeher über die Fi­nan­zie­rung mit den Kas­sen im Clinch lie­gen: „Es ist uns als Län­der ein äu­ßerst wich­ti­ges An­lie­gen.“ Dass diese 2013, als es um kon­kre­te Um­set­zung ging, kur­zer­hand be­schlos­sen haben, nicht mit­zu­zah­len, steht im kras­sen, aber of­fen­bar po­li­tisch ver­kraft­ba­ren Wi­der­spruch.

   Und weil ge­ra­de ak­tu­ell: Zehn Jahre nach dem kon­sen­su­el­len Plan über den Aus­bau der Pal­lia­tiv- und Hos­piz­ver­sor­gung, dem eine viel­jäh­ri­ge Ver­hand­lungs­pha­se zwi­schen Län­dern, Kas­sen und Bund vor­an­ge­gan­gen ist, er­fah­ren wir von der Ca­ri­tas, dass ihre Hos­piz­ein­rich­tun­gen wei­ter­hin nur über Spen­den fi­nan­ziert wer­den.

   Wir hat­ten wohl nie eine Ge­sund­heits­po­li­tik, krie­gen es aber nicht wirk­lich mit, weil es noch zu wenig Ar­chi­ve gibt, die die Nicht-Exis­tenz der­sel­ben il­lus­trie­ren kön­nen. Aber, die Ar­chi­ve wach­sen, wie man an dem Be­richt aus 1920 fest­stel­len kann. Und ir­gend­wann wer­den alle er­ken­nen, dass Po­li­ti­ker Pro­ble­me nur vor sich her­schie­ben oder schön­re­den, statt sie zu lösen.

„Wie­ner Zei­tung“ Nr. 077 vom 18.04.2014 

UK 1920 über die Errichtung eines Primary Health Care

Es ist er­schüt­ternd zu sehen, auf wel­chem Ni­veau sich die Ös­ter­rei­chi­sche Ge­sund­heits­po­li­tik be­wegt, bzw. sich nicht be­wegt. Hier zum Ver­gleich ein Be­richt des bri­ti­schen Un­ter­hau­ses über die nö­ti­gen Re­for­men – aus dem Jahr 1920 (!). Da wird prak­tisch alles be­dacht, was wich­tig ist – von der Aus­bil­dung der Ge­sund­heits­be­ru­fe, über die Funk­ti­on und Rolle des Kran­ken­trans­port­we­sens bis hin zur ein­heit­li­chen Kran­ken­ak­te als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tool in­ner­halb eine ab­ge­stuf­ten Ver­sor­gungs­sys­tems. (Le­se­zeit 65 Min.)

In­te­rim Re­port on the Fu­ture Pro­vi­si­on of Me­di­cal and Al­lied Ser­vices

1920 (Lord Daw­son of Penn)

  Wei­ter­le­sen „UK 1920 über die Er­rich­tung eines Pri­ma­ry Health Care“

Vision eines komplett neuen Gesundheitssystems

In mei­nem Buch habe ich, neben einer Ana­ly­se des heu­ti­ge Sys­tems auch eine Vi­si­on eines völ­lig neuen ent­wor­fen, dass wei­ter­hin ak­tu­ell ist. Hier die kom­pak­te Zu­sam­men­fas­sung des Ent­wurfs.

Im die­sem neuen Ge­sund­heits­sys­tem wird von fol­gen­den Grund­sät­zen aus­ge­gan­gen:

(1)   Alle prä­ven­ti­ven, dia­gnos­ti­schen, the­ra­peu­ti­schen, re­ha­bi­li­ta­ti­ven, ge­sund­heits­er­hal­ten­den, pfle­gen­den oder pal­lia­ti­ven Dienst­leis­tun­gen, Ak­ti­vi­tä­ten oder Be­ra­tun­gen, die sich mit Krank­hei­ten, Sym­pto­men oder Ver­hal­tens­stö­run­gen, die ein In­di­vi­du­um auf­weist, seien sie kör­per­lich, see­lisch, in­klu­si­ve der zel­lul­lä­ren und ge­ne­ti­schen In­for­ma­ti­on, den Struk­tu­ren oder Funk­tio­nen des Kör­pers oder eines Teils des Kör­pers be­fas­sen, ge­hö­ren zur Ge­sund­heits­ver­sor­gung und ste­hen im In­ter­es­se der Öf­fent­lich­keit. Daher sind sie auch durch die de­mo­kra­tisch le­gi­ti­mier­ten Ver­tre­ter der Öf­fent­lich­keit zu re­geln. Wei­ter­le­sen „Vi­si­on eines kom­plett neuen Ge­sund­heits­sys­tems“