Analyse – Der Bundes-Zielsteuerungsvertrag

Erstaunlich, aber die Gesundheitsreform wurde so oft verkündet, dass der eigentliche Akt der Reform, also der Beschluss des Bundes-Zielsteuererungsvertrags (B-ZV) kaum mehr diskutiert wird.

Vielleicht langweilt es die Medien, ständig das Gleiche bringen zu müssen; denn schließlich hat die Regierung diese Reform alleine 2013 bereits 5 mal unter Jubel präsentiert. Alternativ denkbar ist, dass es unendlich viele geheime Nebenabsprachen unter „Freunden“ gibt, sodass keine Diskussion nötig ist, also alle Akteure mehr oder weniger zufrieden gestellt wurden. Aber vielleicht ist der ganze B-ZV auch nur nichtssagend.

Nun, auf den ersten Blick scheint letzteres nicht der Fall zu sein. Der Vertrag zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen enthält, neben der üblichen Selbstbeweihräucherung, neue und gute Managementinstrumente – ein Verdienst der Kassen?

Wenn man die Ziel- und Maßnahmenkataloge der Kapitel 6, 7 und 8 ansieht, dann ist man ob der Klarheit richtig erstaunt. Transparent werden strategische und operative Ziele genannt, Maßnahmen, Messgrößen und Zeitachsen vorgegeben. Aber dann kommt das große ABER.

Denn realiter sind diese Kapitel nur eine Detaillierung der 15a-Vereinbarung, eine echte Konkretisierung findet man nicht. Im Gegenteil, in vielen, vor allem heiklen Themen, ist die 15a-Vereinbarung sogar konkreter und findet im B-ZV keine Entsprechung; z.B. ist die Veröffentlichungspflicht von Monitoringberichten– Abschnitt 7 d. 15a – im B-ZV nicht mehr beschrieben. Man kann also wieder einmal nur hoffen, dass die Transparenz nicht wie immer auf dem Weg zur Reform verschwindet. Und die wenigen Ansätze des B-ZV, die konkret sind, liefern alles andere als Anlass zu Hoffnung.

Ein Beispiel:

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Das Hausärztesterben, Alois Stöger und die jungärztliche Ausbildungsreform

Weil der Lohn der Turnusärzte pro geleisteter Arbeitsstunde unter der einer diplomierten Pflegekraft liegt, kommt kein Spital mehr ohne sie aus – ohne Turnusärzte müssten Spitäler geschlossen, oder aber das ohnehin teuerste Spitalswesen Europas noch teurer werden. Keine sehr attraktiven Alternativen für Landespolitiker.

Gleichzeit, und das wird gerne vergessen, sind Turnusärzte aber der Nachwuchs für Hausärzte. Sie sollten im Turnus primär ausgebildet werden und nicht arbeiten. Aber, wie alle wissen, passiert das immer weniger. Statt ausgebildet zu werden, werden sie als Systemerhalter herangezogen, weswegen immer weniger nach ihrer „Ausbildungszeit“ im Spital in eine Hausarztordination wechseln. In Vorarlberg wurde beispielsweise gerade abgefragt, wer denn nach dem Turnus Hausarzt werden will – das Ergebnis: 82% wollen NICHT.

Warum will keiner Hausarzt werden? Und: Warum machen trotzdem alle den Turnus?

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Die Konkretisierung der Gesundheitsreform – Herzschwäche (Herzinsuffizienz)

Durch die Reform soll die Institutionenorientierung (Spitalsstandorte und Kassenplanstellen) zugunsten einer integrierten Versorgung überwunden werden: Patienten sollen zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle– genannt: „Best Point of Service“- behandelt werden. Wo das ist, wird nicht dekretiert, sondern ist dezentral, auf Ebene der Versorgungsregionen des ÖSG – davon gibt es 32 – festzulegen.

Die ambulante Versorgung ist der stationären vorzuziehen– das bedeutet, dass die ambulante Versorgung durch Spitalsambulanzen und Kassen(fach)ärzte bedarfsorientiert auf-, aus- und umgebaut wird. Gruppenpraxen werden dabei eine wichtige Rolle spielen. So soll auf Sicht eine fachärztliche Versorgung gewährleistet werden, die nicht nur Ballungsräume bevorzugt. An den Abbau von Hausärzten denkt definitiv niemand –im Gegenteil.

Zentral werden Rahmenziele aufgestellt, anhand derer der Aufbau der integrierten Versorgung gemessen werden kann. Dezentral – also in den 32 Versorgungsregionen – sind diese unter Berücksichtigung der regionalen und spezifischen Besonderheiten zu konkretisieren. Es sind keine „zentralistischen“ Diktate, angedacht, sondern praxis- bzw. wirkungsorientierte Rahmenvorgaben.

Die Reform klingt abstrakt! Stimmt – und wie könnte das konkret aussehen? (aber wird es wohl nicht, betrachtet man die Fortschritte der Verhandlungen)

 

Betrachten wir Patienten mit Herzinsuffizienz

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Der Bundes-Zielsteuerungsvertrag – eine Analyse

  

Erstaunlich, aber die Gesundheitsreform wurde so oft verkündet, dass der eigentliche Akt der Reform kaum mehr diskutiert wird.

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   Vielleicht langweilt es, ständig das Gleiche bringen zu müssen. Alternativ denkbar ist, dass es unendlich viele geheime Nebenabsprachen unter „Freunden“ gibt, sodass keine Diskussion nötig ist. Aber vielleicht ist der ganze Bundes-Zielsteuerungsvertrag auch nur nichtssagend.

   Auf den ersten Blick scheint er das nicht zu sein. Der Vertrag zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen enthält, neben der üblichen Selbstbeweihräucherung, neue und gute Managementinstrumente – ein Verdienst der Kassen.

   Wenn man die Ziel- und Maßnahmenkataloge ansieht, dann ist man ob der Klarheit richtig erstaunt. Transparent werden strategische und operative Ziele genannt, Maßnahmen, Messgrößen und Zeitachsen vorgegeben. Aber dann kommt das große ABER.

   Denn realiter sind diese Kapitel nur eine Detaillierung der 15a-Vereinbarung, eine echte Konkretisierung findet man nicht. Ein Beispiel: Die Zahl der Spitalsaufnahmen soll, entsprechend dem strategischen Ziel die Krankenhaushäufigkeiten zu senken, reduziert werden. Und was finden wir dort für eine Zielgröße? Eine Reduktion bis 2016 um 1,1 Prozent (jährlich?)! Das ist nichts. Wenn wir in der Geschwindigkeit vorgehen, dann werden wir 33 Jahre brauchen, bis wir den OECD-Schnitt erreicht haben, der irgendwann ja mal als Ziel angedacht war.

   Konsequenterweise sind die Ziele, den ambulanten Sektor zu stärken nicht besser: 2016 soll es ganze zwei moderne ambulante Versorgungsstrukturen (also vernünftige Gruppenpraxen) pro Bundesland geben – zwei!

   Und was die Stärkung der Hausarztversorgung betrifft, einigt man sich darauf, dass ein Prozent (!) der Bevölkerung pro Bundesland über solche Konzepte versorgt werden soll! Praktisch niemand!

   Und weil in den Kernkapiteln kaum Konkretes zu finden ist, ist es verständlich, dass im Rest auch alles vage bleibt. Kein Wort mehr von „virtuellen Budgets“, die die gemeinsame Finanzierung der Versorgung konkreter Patientengruppen (etwa Diabetikern) ermöglichen soll. Keine klaren Angaben, dass das Geld wirklich der Leistung folgen soll, also der ambulante Bereich Geld erhält, wenn er nachweislich Leistungen erbringt, die Krankenhausaufenthalte vermeiden. Ja, es finden sich nicht einmal konkrete Angaben, wie denn die Kostenberechnungen stattfinden sollen. Wo in den Vorentwürfen des Vertrags die Länder sich in die Karten hätten schauen lassen müssen, haben sie alles rausverhandelt. Übrig bleibt Nebel.

   Kaum wo findet man etwas anderes als die Absicht, bis 2014, 2015 oder 2016 Konzepte, Programme oder Rahmenbedingungen entworfen haben zu wollen. Umsetzungs- und Wirkungsorientierung, wie versprochen, ist nicht zu finden.

   Wenn man noch die zu diesem Vertrag konterkarierende Änderung der Ärzteausbildung bedenkt, die eben eine vernünftige Hausarztausbildung NICHT ermöglicht, aber für eine maximale Verfügbarkeit von billigen Turnusärzten in Spitälern sorgen soll (die neue medizinische Fakultät in Linz dient ja auch diesem Ziel), bleibt von der Reform genau nichts übrig, außer wirkungsloses, populistisches Reform-Getue.

„Wiener Zeitung“ Nr. 135 vom 12.07.2013