Es ist nicht leicht, den Überblick zu bewahren. Überall gibt es Spitalsreformen, oder scheint es die jedenfalls zu geben.
Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg glauben noch, es ohne Reform zu schaffen. Wien macht es klug und setzt sich mit 2030 einen langen Zeithorizont. Zudem, auch wenn man oft das Gegenteil hört, liegt Wien gar nicht schlecht. In Kärnten läuft der Umbau seit längerem und – für österreichische Verhältnisse – gut. Immerhin wurden dort seit 2004 die Spitalsaufnahmen um zehn Prozent gesenkt, während sie überall anders steigen! Im Burgenland wird ebenfalls kräftig umgerührt. Zwar ist es für eine Beurteilung noch zu früh; was man jedoch sagen kann ist, dass die Reform gut kommuniziert ist, da es hier keine Aufstände gibt.
Anders in Oberösterreich und der Steiermark. Dort machen die Spitäler massiv mobil: Leichentücher werden gehisst und Unterschriften gesammelt, skurrile Argumente finden ihren Weg in die Öffentlichkeit; so darf die Geburtshilfe in Gmunden nicht geschlossen werden, weil Gmundner ein Recht haben sollen, in Gmunden auf die Welt zu kommen! Einige Spitäler sind so aggressiv, dass sie sogar Patientenunterschriften sammeln. Angeblich soll das ein demokratisches Recht sein! Wenn aber Patienten während eines Spitalsaufenthaltes gegen Abteilungsschließungen unterschreiben sollen, dann ist das eher als abgepresst, denn als frei zu werten – wie perfide muss man sein, um Kranke und direkt abhängige Menschen zu instrumentalisieren.
Wie dem auch sei, Bewegung ist in die Spitalsreform gekommen – oder? Aber was, wenn das alles nur Show ist?
All diese Reformen brauchen zur Umsetzung Jahre, ein Rückrudern ist durchaus und jederzeit möglich. Und Beispiele für angekündigte, aber nicht umgesetzte Reformen gibt es zur Genüge. Sei es, dass die Oberösterreichische Reform aus 2005 – damals bereits eigentlich nur eine Verlängerung der Umsetzungsfrist einer bereits 2001 beschlossenen Reform – auch 2010 nicht umgesetzt war. Oder denken wir an die Wiedereröffnung der Chirurgie in Mürzzuschlag (Steiermark), oder einfach an die komplett ignorierte Gesundheitsreform 2005. Also darauf verlassen, dass das was angekündigt ist, auch Realität wird, das kann man nicht.
Und bereits in zwei Jahren gibt es Nationalratswahlen, kurz darauf Verhandlungen zum Finanzausgleich. Bis dahin stehen, wenn überhaupt, die Reformen erst am Anfang der Umsetzung. Zudem fordern die Länder, dass die jährlich steigenden Abgänge der Spitäler von Bund, Land, Gemeinden und Sozialversicherung partnerschaftlich zu tragen sind. Eine eigenartige Formulierung, wenn man es mit Spitalsreformen ernst meinte; denn dann müsste man etwas über die partnerschaftliche Aufteilung der reformbedingten Einsparungen lesen (etwa zur besseren Finanzierung der Hausärzte, ein Jahrzehnte altes politisches Versprechen) – oder irre ich mich?
Was nun, wenn die Reformen nur Argumente für die Finanzausgleichsverhandlungen sind; so nach dem Prinzip: „Seht her, wir machen unsere Hausaufgaben, also erfüllt unsere Forderungen“. Und was, wenn das dann auch passiert? Wer wird, so ganz ohne Staatsreform, eine Nicht-Umsetzung der Spitalsreformen sanktionieren? Dass die Länder sich kaum an Vereinbarungen halten, kann schon man daran erkennen, dass ihre Ausgaben stets größer als „erlaubt“ waren und der Bund das nachträglich genehmigen und die Defizite zahlen durfte. Warum soll das diesmal anders sein?
Aber vielleicht höre ich ja nur das Gras wachsen – und in Wirklichkeit stehen wir, nach 40 Jahren Diskussion, vor einer echten Spitalsreform.
Dieser Artikel wurde im April 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.